3146/J XXVIII. GP
Eingelangt am 22.08.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Jakob Schwarz, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Der Österreich-Aufschlag muss weg, oder doch nicht?
BEGRÜNDUNG
Nachdem die Bundesregierung in Person von Finanzminister Marterbauer bereits die zweite sommerliche Debatte ohne konkreten Vorschlag angestoßen hat, stellt sich nach den am 13.8.2025 veröffentlichten Recherchen des ORF und des Standard[1] die Frage: Weiß diese Regierung eigentlich, was sie will?
Denn nachdem sich keine unabhängigen Expert:innen gefunden haben, um die Schlagwort-Forderung nach „Preiseingriffen“ mit Leben zu befüllen, stellte sich heraus, dass der größte Hebel für niedrigere Lebensmittelpreise in der Bekämpfung des sogenannten „Österreich-Aufschlags“ liegt. Soweit nichts Neues, diese Erkenntnis wurde bereits vor zwei Jahren aus der Branchenuntersuchung der BWB[2] gewonnen. Bereits damals wandte sich die damalige Bundesregierung im Verbund mit der BWB an die Europäische Kommission, um Tempo zu machen, damit die sogenannten territorialen Lieferbeschränkungen (TSCs), die Wurzel des „Österreich-Aufschlags“, ein Ende haben. Konzerne setzen dabei unterschiedliche Preise für verschiedene Länder fest und untersagen Zwischenhändlern den günstigeren Einkauf in anderen Staaten. Der Standard zitiert dazu eine Studie aus 2020, wonach dieser Aufschlag Konsument:innen EU-weit 14 Milliarden Euro jährlich kostet, mittlerweile sollen es schon 19 Milliarden sein. Eine solche Preisdifferenzierung ist eines Binnenmarkts schlicht unwürdig.
Tatsächlich sind die Bemühungen auf europäischer Ebene weiter gediehen, als man meinen möchte. Auch deswegen, weil Österreichs Vertreter unermüdlich weiter Druck ausgeübt hatten - bisher. Denn in der Ratsarbeitsgruppensitzung Mitte Juni sah das ganz anders aus: Während zahlreiche andere Mitgliedsstaaten, wie etwa Belgien, aber auch das nicht betroffene Deutschland, sehr klar für gesetzliche Änderungen und damit eine regulatorische Verschärfung eintraten, beschränkten sich die Vertreter des Wirtschaftsministeriums auf klassischen ÖVP-Sprech: Neue regulatorische Maßnahmen seien nicht „zielführend“, „bestehende Instrumente“ seien auszuschöpfen, und vielleicht könnte ja eine Beschwerdestelle das lange bestehende Problem lösen. Auf gut Deutsch: Lieber nichts Verbindliches. Am Tag danach gibt es statt Klarheit mehr Verwirrung: Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer verweist auf einen gemeinsam mit BWB-Chefin Harsdorf verfassten Brief, der am 9. August an die zuständige EU-Kommissarin ergangen sei. Der Brief verdeutliche auch „jenen Standpunkt, der jetzt herrsche“[3]. Der Wirtschaftsminister fordert zugleich ein EU-Verbot von TSCs und bedauert, dass in der finalen Version der EU-Binnenmarktstrategie nicht mehr die Rede von gesetzlichen Änderungen ist. Genau bei diesem Vorschlag haben aber die vom Wirtschaftsministerium entsandten (und weisungsgebundenen) Beamt:innen in Brüssel gebremst.
Kritik kommt von allen Seiten, aber auch vom Koalitionspartner SPÖ. Deren Klubobmann Kucher verweist darauf, dass die von den Beamt:innen in Brüssel vertretene Position nicht dem Regierungsprogramm entspricht[4]. Das erstaunt, da üblicherweise Positionen in Brüssel zwischen den Ministerien abgestimmt werden, und Ministerien ein Mitspracherecht auch einfordern können. Gerade bei einer so zentralen sozialpolitischen Frage wie den Lebensmittelpreisen sollte die Position mit dem Sozialministerium abgestimmt werden. Entweder hat also das Sozialministerium den Kniefall der ÖVP vor der Wirtschaftslobby gebilligt, oder es handelt sich um einen Alleingang der ÖVP. Beides ist jedenfalls nicht im Interesse der österreichischen Bevölkerung.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1) Wurde die Positionierung für die Ratsarbeitsgruppensitzung vom 16. Juni 2025 seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus (BMWET) mit Ihrem Ministerium abgestimmt?
a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
2) Sind die Mitarbeiter:innen Ihres Ministeriums aktiv an das BMWET herangetreten, um sich bei dieser zentralen sozialpolitischen Frage abzustimmen?
a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
3) Entspricht die Positionierung Österreichs in der Ratsarbeitsgruppe Wettbewerb vom 16. Juni Ihrer Position und auch den Vorschlägen seitens der Expert:innen des BMASGPK?
a. Wenn ja, widerspricht das nicht der Übereinkunft im Regierungsabkommen sowie sozialpolitischen Zielsetzungen?
4) Wurde seitens des BMW ET ein Entwurf für eine Weisung für die teilnehmenden Beamt:innen mit dem BMASGPK abgestimmt?
a. Wenn ja, mit welchem Inhalt?
b. Wenn nein, warum nicht?
5) Ist Ihnen bekannt, in wie vielen Ratsarbeitsgruppen Wettbewerb das Thema TSC seit 2020 bearbeitet wurde?
a. Wenn ja, bitte um Aufschlüsselung inkl. Datum.
b. Wenn nein, warum nicht?
6) Haben die Mitarbeiter:innen des BMWET Ihres Wissens nach in den Ratsarbeitsgruppen Wettbewerb, bei denen TSC seit 2020 behandelt wurde, bisher dieselbe Position vertreten, die laut Medienberichten am 16. Juni 2025 als Position Österreichs vertreten wurde?
a. Wenn ja, warum unterscheidet sich diese Positionierung von der Position der Bundesregierung laut Regierungsprogramm, die auch am 14. August 2025 von Ihnen öffentlich vertreten wurde?
b. Wenn nein, ist Ihnen bekannt, wieso die bisherige Position Österreichs in der Ratsarbeitsgruppe Wettbewerb am 16. Juni 2025 verändert wurde?
c. Wenn nein, ist Ihnen bekannt, ob es Interventionen von Interessensvertretungen oder anderen externen Stakeholdern gab, die auf eine Änderung der österreichischen Position gedrängt haben?
7) Mit welchen Interessensvertretungen und Verbänden sind Sie und/oder Ihre Mitarbeiter:innen zum Thema TSC im Austausch? Bitte um konkrete Bezeichnung.
8) Wie oft finden Stakeholder-Abstimmungen seitens Ihres Ministeriums zum Thema TSC statt? Bitte um Aufschlüsselung seit 2020.
9) Gibt es eine einheitliche Position der Regierung zum Österreich-Aufschlag? L . Wenn ja, wie sieht diese aus und was ist die Begründung?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000283310/eu-will-preisaufschlaege-fuer-kleinere-mitgliedsstaaten-bekaempfen-aber-oesterreich-blockte-ab
[2] https://www.bwb.gv.at/news/news-2022/detail-1/bundeswettbewerbsbehoerde-praesentiert-den-abschlussbericht-der-branchenuntersuchung-lebensmittel
[3] https://orf.at/stories/3402508/
[4] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250814_OTS0070/spoe-klubobmann-kucher-oesterreich-aufschlag-muss-weg-einsatz-fuer-niedrigere-lebensmittelpreise-ist-teil-des-regierungsprogramms