3149/J XXVIII. GP

Eingelangt am 22.08.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Jakob Schwarz, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Wirtschaft, Energie und Tourismus

betreffend Der Österreich-Aufschlag muss weg, oder doch nicht?

BEGRÜNDUNG

Nachdem die Bundesregierung in Person von Finanzminister Marterbauer bereits die zweite sommerliche Debatte ohne konkreten Vorschlag angestoßen hat, stellt sich nach den gestern veröffentlichten Recherchen des ORF und des Standard[1] die Frage: Weiß diese Regierung eigentlich, was sie will?

Denn nachdem sich keine unabhängigen Expert:innen gefunden haben, um die Schlagwort-Forderung nach „Preiseingriffen“ mit Leben zu befüllen, stellte sich heraus, dass der größte Hebel für niedrigere Lebensmittelpreise in der Bekämpfung des sogenannten „Österreich-Aufschlags“ liegt. Soweit nichts Neues, diese Erkenntnis wurde bereits vor zwei Jahren aus der Branchenuntersuchung der BWB[2] gewonnen. Bereits damals wandte sich die damalige Bundesregierung im Verbund mit der BWB an die Europäische Kommission, um Tempo zu machen, damit die sogenannten territorialen Lieferbeschränkungen (TSCs), die Wurzel des „Österreich-Aufschlags“, ein Ende haben. Konzerne setzen dabei unterschiedliche Preise für verschiedene Länder fest und untersagen Zwischenhändlern den günstigeren Einkauf in anderen Staaten. Der Standard zitiert dazu eine Studie aus 2020, wonach dieser Aufschlag Konsument:innen EU-weit 14 Milliarden Euro jährlich kostet, mittlerweile sollen es schon 19 Milliarden sein. Eine solche Preisdifferenzierung ist eines Binnenmarkts schlicht unwürdig.

Tatsächlich sind die Bemühungen auf europäischer Ebene weiter gediehen, als man meinen möchte. Auch deswegen, weil Österreichs Vertreter unermüdlich weiter Druck ausgeübt hatten - bisher. Denn in der Ratsarbeitsgruppensitzung Mitte Juni sah das ganz anders aus: Während zahlreiche andere Mitgliedsstaaten, wie etwa Belgien, aber auch das nicht betroffene Deutschland, sehr klar für gesetzliche Änderungen und damit eine regulatorische Verschärfung eintraten, beschränkten sich die Vertreter des Wirtschaftsministeriums auf klassischen ÖVP-Sprech: Neue regulatorische Maßnahmen seien nicht „zielführend“, „bestehende Instrumente“ seien auszuschöpfen, und vielleicht könnte ja eine Beschwerdestelle das lange bestehende Problem lösen. Auf gut Deutsch: Lieber nichts Verbindliches.

Am Tag danach gibt es statt Klarheit mehr Verwirrung: Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer verweist auf einen gemeinsam mit BWB-Chefin Harsdorf verfassten Brief, der am 9. August an die zuständige EU-Kommissarin ergangen sei. Der Brief verdeutliche auch „jenen Standpunkt, der jetzt herrsche“[3]. Der Wirtschaftsminister fordert zugleich ein EU-Verbot von TSCs und bedauert, dass in der finalen Version der EU-Binnenmarktstrategie nicht mehr die Rede von gesetzlichen Änderungen ist. Genau bei diesem Vorschlag haben aber die vom Wirtschaftsministerium entsandten (und weisungsgebundenen) Beamt:innen in Brüssel gebremst.

Kritik kommt von allen Seiten, aber auch vom Koalitionspartner SPÖ. Deren Klubobmann Kucher verweist darauf, dass die von den Beamt:innen in Brüssel vertretene Position nicht dem Regierungsprogramm entspricht[4]. Das erstaunt, da üblicherweise Positionen in Brüssel zwischen den Ministerien abgestimmt werden, und Ministerien ein Mitspracherecht auch einfordern können. Gerade bei einer so zentralen sozialpolitischen Frage wie den Lebensmittelpreisen sollte die Position mit dem Sozialministerium abgestimmt werden. Entweder hat also das Sozialministerium den Kniefall der ÖVP vor der Wirtschaftslobby gebilligt, oder es handelt sich um einen Alleingang der ÖVP. Beides ist jedenfalls nicht im Interesse der österreichischen Bevölkerung.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Wurde die Positionierung für die Ratsarbeitsgruppensitzung vom 16. Juni 2025 mit dem Sozialministerium (BMASGPK) abgestimmt?

a.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, sind Ihre Mitarbeiter:innen aktiv an das Sozialministerium herangetreten, um sich bei dieser zentralen sozialpolitischen und konsumentenschutzrelevanten Frage abzustimmen?

2.    Wurde die Positionierung für die Ratsarbeitsgruppensitzung vom 16. Juni 2025 zuvor regierungsintern überhaupt abgestimmt?

a.    Wenn ja, mit welchen Ministerien und mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

3.    Wieso positionieren sich Beamt:innen des Wirtschaftsministeriums in Brüssel in klarem Widerspruch zu Forderungen der Regierung/des Wirtschaftsministeriums?

4.    Wurde seitens des Wirtschaftsministeriums eine Weisung für die teilnehmenden Beamt:innen erteilt?

a.    Wenn ja, mit welchem Inhalt?

b.    Wenn ja, wurde diese Weisung mit dem BMASGPK abgestimmt?

c.    Wenn ja, wurde diese Weisung mit anderen Ministerien abgestimmt?

d.    Wenn ja, wurde diese Weisung mit dem BKA abgestimmt?

5.    In wie vielen Ratsarbeitsgruppen Wettbewerb wurde das Thema TSC seit 2020 bearbeitet? Bitte um Aufschlüsselung inkl. Datum.

6.    Haben die Mitarbeiter:innen Ihres Ministeriums in den Ratsarbeitsgruppen Wettbewerb, bei denen TSC seit 2020 behandelt wurde, bisher dieselbe Position vertreten, die laut Medienberichten am 16. Juni 2025 als Position Österreichs vertreten wurde?

a.    Wenn ja, warum unterscheidet sich diese Positionierung von der Position der Bundesregierung laut Regierungsprogramm, die auch am 14. August 2025 von Ihnen öffentlich vertreten wurde?

b.    Wenn nein, wieso wurde die bisherige Position Österreichs in der Ratsarbeitsgruppe Wettbewerb am 16. Juni 2025 verändert?

c.    Wenn nein, gab es Interventionen von lnteressensvertretungen oder anderen externen Stakeholdern, die auf eine Änderung der österreichischen Position gedrängt haben?

7.    Mit welchen lnteressensvertretungen und Verbänden sind Sie und/oder Ihre Mitarbeiter:innen zum Thema TSC im Austausch? Bitte um konkrete Bezeichnung.

8.    Wie oft finden Stakeholder-Abstimmungen zum Thema TSC statt? Bitte um Aufschlüsselung seit 2020.

9.    Gibt es eine einheitliche Position der Regierung zum Österreich-Aufschlag?

a.    Wenn ja, wie sieht diese aus und was ist die Begründung?



[1] https://www.derstandard.at/story/3000000283310/eu-will-preisaufschlaege-fuer-kleinere-mitgliedsstaaten-bekaempfen-aber-oesterreich-blockte-ab

[2] https://www.bwb.gv.at/news/news-2022/detail-1/bundeswettbewerbsbehoerde-praesentiert-den-abschlussbericht-der-branchenuntersuchung-lebensmittel

[3] https://orf.at/stories/3402508/

[4] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250814_OTS0070/spoe-klubobmann-kucher-oesterreich-aufschlag-muss-weg-einsatz-fuer-niedrigere-lebensmittelpreise-ist-teil-des-regierungsprogramms