3150/J XXVIII. GP
Eingelangt am 22.08.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur
betreffend Führerscheincausa in Vorarlberg – Wieso reagiert das Mobilitätsministerium nicht?
BEGRÜNDUNG
Der Ärger der Vorarlberger Bevölkerung ist groß. Die Vorarlberger Fahrschüler:innen sind österreichweit Spitzenreiter beim Durchfallen bei der Fahrprüfung. Allein 2023 sind - nach einer Mehr-als-Verdopplung in zehn Jahren - 4.350 Fahrschüler:innen bei der praktischen Prüfung durchgefallen[1]. Medialen Enthüllungen zur Folge könnte das weniger mit mangelnden Fahrkenntnissen der Schüler:innen zu tun haben, sondern einzelne Sachverständige werden verdächtigt sich durch absichtliches Durchfallenlassen von Fahrschüler:innen ein zusätzliches, erhöhtes Nebengehalt erwirtschaftet zu haben. Die Rechnung dahinter: Jeder Prüfungsantritt erhöht die Einnahmen der Sachverständigen.[2]
Diese Woche überschlagen sich die Ereignisse: Zuerst informierte das OLG Innsbruck, dass die Vertrauenswürdigkeit des mutmaßlichen Drahtziehers des Prüfernetzwerkes als gerichtlicher Sachverständiger überprüft werde.[3] Am Mittwoch wurde bekannt, dass die Vorarlberger Polizeichefin den Vorarlberger Exekutivbeamt:innen schriftlich mit dem Verweis auf den Schutz des hohen Vertrauens der Bevölkerung in die korrekte Erledigung der polizeilichen Aufgaben untersagte, als Führerscheinprüfer:innen tätig zu sein.[4] Gestern dann der Paukenschlag: Die Staatsanwaltschaft Innsbruck prüfe, ob bei den etwaigen Missständen der Führerscheinprüfungen ein Anfangsverdacht vorliege.[5]
Unter diesen Umständen ist jetzt auch die Vorarlberger Landesregierung gezwungen worden, mit den ersten zaghaften Schritten zu reagieren: In Zukunft dürfe u.a. ein:e Prüfer:in nur noch 40 Prüfungen im Monat durchführen.[6] Das entspricht immer noch einem möglichen Zusatzeinkommen von 24.000 Euro jährlich.
Obwohl Führerscheinprüfungen in die Zuständigkeit des Mobilitätsministeriums fallen, ist bisher eine Stellungnahme unterblieben. Auf Nachfrage vom ORF Vorarlberg sieht das Bundesministerium für Innovation, Mobilität und Infrastruktur (BMIMI) keine Notwendigkeit, Fahrprüfungen von hauptamtlichen Prüfer:innen abnehmen zu lassen.[7] Eine Kommentierung oder gar ein lnaussichtstellen einer Aufarbeitung der Vorkommnisse in Vorarlberg durch das BMIMI gibt es nicht.
Laut Führerscheingesetz hat das Bundesministerium für Verkehr zur Kontrolle der Fahrprüfer eine Statistik der Fahrprüfer mit der Anzahl der von jedem/r Fahrprüfer:in durchgeführten Fahrprüfungen sowie den Prüfungsergebnissen zu erstellen. Einzelne Führerscheinprüfer:innen mit signifikant höheren Durchfallquoten bei Führerscheinprüfungen sind dem BMIMI also bekannt.
In der Fahrprüfungsverordnung FSG-PV wird außerdem festgehalten, dass zur Qualitätssicherung bei den Fahrprüfer:innen sowohl der Landeshauptmann als auch das Bundesministerium für Verkehr geeignete Audits abzuhalten haben. Das Bundesministerium für Verkehr kann sich auf Verlangen auch sämtliche Unterlagen von vom Landeshauptmann durchgeführten Audits zukommen lassen.
Bedienstete des BMIMI führen laut Erhebungen des Rechnungshofes im Bericht Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigungen (Reihe Bund 2025/19) auch Führerscheinprüfungen als Nebentätigkeit aus. Der Rechnungshof bemängelte in diesem Zusammenhang, dass nicht prozesshaft geprüft wird, ob die Fahrprüftätigkeit tatsächlich außerhalb der Dienstzeit ausgeführt wird. Dies ist zwingend erforderlich, um eine deutlich erhöhte Vergütung zu erreichen.
Große Irritation rief die schnelle Absage des BMIMI gegenüber der Forderung nach einer Umstellung auf hauptamtliche Fahrpüfer:innen hervor. Besonders seltsam mutet die Begründung “eine Umstellung auf hauptamtliche Prüfer würde zu stark in die Organisation der Länder eingreifen”[8] an. Es sei deshalb nochmals darauf hingewiesen, dass das Führerscheinwesen in die Zuständigkeit des Bundes fällt und die Durchführung der Länder im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung erfolgt.
Hauptamtliche Fahrprüfer:innen sind in allen EU-Ländern, sowie im Vereinigten Königreich, Norwegen und der Schweiz Standard.[9] Die Anreizwirkung durch eine hohe Durchfallquote mehr Prüfungsgelder zu lukrieren, wäre dann vom Tisch.
Die Menschen - nicht nur in Vorarlberg- erwarten sich Antworten. Was haben Sie wann gewusst und vor allem getan um junge Fahrschüler:innen vor etwaiger Willkür zu schützen?
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Wie viele Fahrpüfer:innen gibt es derzeit jeweils in den neun Bundesländern und wie haben sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt?
2. Welche Fahrpüfer:innen haben in Vorarlberg in den Jahren 2015-2025 wie viele Prüfungen, mit welchem Ergebnis durchgeführt? Nötigenfalls - soweit rechtlich zwingend - in anonymisierter Form.
2.1 Wie sieht es in den anderen acht Bundesländern aus?
3. Wie hoch ist der Anteil an öffentlichen Bediensteten bei den Fahrprüfer:innen jeweils in den Bundesländern?
4. Wie viel Prozent der Fahrprüfer:innen, die im öffentlichen Dienst arbeiten, führen die Fahrprüfungen in der Dienstzeit und wie viele in der dienstfreien Zeit durch?
5. Wie viele Fahrprüfungen wurden in den neun Bundesländern in den Jahren 2015- 2025 mit welchem Ergebnis durchgeführt? Bitte um Auflistung nach Führerscheinklassen.
6. Seit wann besteht eine überdurchschnittliche Häufung von nicht bestandenen Fahrprüfungen in Vorarlberg und welche Schritte wurden seitens des BMIMI diesbezüglich gesetzt?
6.1. Wie sieht es in den anderen acht Bundesländern aus?
7. Welche und wie viele Audits zur Qualitätssicherung, mit welchem Ergebnis wurden seitens des BMIMI in Vorarlberg durchgeführt?
7.1. Wie sieht es in den anderen acht Bundesländern aus?
8. In wie vielen Fällen hat das BMIMI in den letzten zehn Jahren die Übermittlung der Auditunterlagen verlangt? Bitte um Auflistung nach Bundesländern.
9. Welche konkreten Verbesserungsmaßnahmen zur Qualitätssicherung und zum Schutz der Fahrschüler:innen vor willkürlichen Entscheidungen kristallisieren sich insgesamt durch die durchgeführten Audits und eine jahrelange Beobachtung heraus?
10. Welche Aus- und Weiterbildungen für Fahrprüfer:innen hat das BMIMI in den letzten zehn Jahren durchgeführt? Wer hat die Kosten dafür getragen?
11. Welche Mängel konnten in Vorarlberg in den letzten zehn Jahren bei den vom Landeshauptmann durchgeführten Audits bei Fahrprüfer:innen festgestellt werden?
12. Wie viele Verlangen Ihres Hauses zur Einsichtnahme in die Unterlagen betreffend der nicht von Ihrem Haus durchgeführten Aus- und Weiterbildungen von Fahrprüfer:innen insgesamt sowie speziell für Fahrprüfer:innen aus/in Vorarlberg gab es? Welche Mängel konnten festgestellt werden?
13. Wie viele Staatsanwält:innen und ordentliche Richter:innen gehen jeweils in den neuen Bundesländern einer Tätigkeit als Fahrprüfer: in nach?
14. Wie haben die in Vorarlberg tätigen Richter:innen und Staatsanwält:innen zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Bestellung die im FSG vorgegebene zweijährige Tätigkeit im Verkehrsbereich erfüllt? Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen, nötigenfalls soweit rechtlich zwingend in anonymisierter Form.
15. Wie haben die in Vorarlberg tätigen Landesbediensteten zum Zeitpunkt ihrer erstmaligen Bestellung die im FSG vorgegebene zweijährige Tätigkeit im Verkehrsbereich erfüllt? Wir ersuchen um Beantwortung im Einzelnen, nötigenfalls soweit rechtlich zwingend in anonymisierter Form.
16. Welche Personen waren in den letzten zehn Jahren für die Audits der Fahrpüfer:innen in Vorarlberg zuständig? Durch wen wurden diese bestellt?
17. Welche Personen waren in den letzten zehn Jahren für die Aus- und/oder Weiterbildung der Fahrprüfer:innen in Vorarlberg zuständig? Durch wen wurden diese bestellt?
18. Was berichtet der laut FSG jährlich zu übergebende „Bericht über die Überwachung und die durchgeführten Audits des Vorjahres“ des Landeshauptmanns von Vorarlberg für die Jahre 2015 bis 2024 im Einzelnen, generell und speziell hinsichtlich der oben angeführten Verdachtslagen?
19. Wann sind die entsprechenden Berichte der Bundesländer in den Jahren 2024 und 2023 in Ihrem Haus eingelangt? Bitte um tabellarische Darstellung im Einzelnen.
20. Welche Schritte haben Sie oder werden Sie in absehbarer Zukunft setzen um den oben angeführten etwaigen Missständen in Vorarlberg ein Ende zu setzen?
21. Wie viele Bedienstete Ihres Hauses sind als Fahrprüfer:innen tätig?
211. Wie hoch sind die durchschnittlichen Nebeneinkünfte als Fahrprüfer:innen?
21.2. Wie wird sichergestellt, dass diese in der dienstfreien Zeit durchgeführt werden?
22. Auf welche Untersuchungen, Daten, wissenschaftliche Studien stützt sich die Aussage seitens des BMIMI, wonach sich ausgerechnet in Österreich – im Gegensatz zu allen anderen EU-Ländern – die Fahrprüfer:innentätigkeit nicht für eine Vollzeittätigkeit eignet?
[1]https://vorarlberg.at/documents/302033/472165/Rechenschaftsbericht+2023.pdf/6c6002ba-29d6-0243-d8b0-bf3afcd1b05f?t=1720161645720#page=64
[2]https://www.vol.at/richter-gnadenlos-bei-welchen-fahrpruefern-durchkommen-glueckssache-ist/9600530
[3] https://www.krone.at/3873446
[4]https://www.derstandard.at/story/3000000284306/vorarlberger-polizeichefin-verbietet-ihren-beamten-nebenjob-als-fahrpruefer
[5] https://vorarlberg.orf.at/stories/3318560/
[6] https://presse.vorarlberg.at/land/dist/vlk-68520.html
[7] https://vorarlberg.orf.at/stories/3317771/
[8] https://vorarlberg.orf.at/stories/3317771/
[9] eigene Recherche