3152/J XXVIII. GP
Eingelangt am 25.08.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend 47.000 Euro als Fahrprüfer - wie belastend ist die Nebentätigkeit Führerscheinprüfungen für die österreichische Exekutive?
In Vorarlberg sorgen Berichte über mögliche Bereicherungen von Sachverständigen im Rahmen von Führerscheinprüfungen derzeit für große Aufmerksamkeit und Aufregung. Allein 2023 sind - nach einer Mehr-als-Verdopplung in zehn Jahren - 4.350 Fahrschüler:innen bei der praktischen Prüfung durchgefallen[1]. Der medial kolportierte Verdacht: Sachverständige sollen sich durch absichtliches Durchfallen von Fahrschüler:innen ein zusätzliches, erhöhtes Nebengehalt erwirtschaftet haben. Die Rechnung dahinter: Jeder Prüfungsantritt erhöht die Einnahmen der Sachverständigen[2].
Die Sachverständigen für Fahrprüfungen sind allesamt öffentliche Bedienstete- Bedienstete der Vorarlberger Landesregierung, Staatsanwälte, Richter und Exekutivbeamt:innen. Die Zuverdienste gehen teilweise in die 10.000 Euro. Spitzenreiter im Jahr 2024 war laut Vorarlberger Nachrichten - der Zeitung liegt eine geheime Abrechnungsliste vor - ein Polizeikommandant, der über 47.000 Euro zusätzlich zu seiner Tätigkeit bei der Polizei durch die Arbeit als Führerscheinprüfer verdient haben soll[3]. Folgt man den Beträgen der FSG-PV-Fachprüfungsverordnung[4] entspricht das 810 Fahrprüfungen, die dieser Polizeikommandant trotz seines stressigen Berufsalltags übernommen hat.
Der Rechnungshofbericht BUND 2025/19 „Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftig-ungen“ kommt zum Vergleich in einer ausgewählten Stichprobe auf einen Durchschnittssalär von etwa 9.000 Euro pro Jahr und Führerscheinprüfer:in (aus Bundes- und Landesdienststellen)[5]. Die Vergütung für die Führerscheinprüfungen fällt gesetzlich geregelt für solche in der Dienstzeit wesentlich höher aus als für diejenigen in der dienstfreien Zeit. Entsprechend wichtig sind Arbeitsaufzeichnungen. Der Rechnungshof kritisierte deshalb, dass die geprüften Stellen keine prozesshafte Prüfung implementiert haben, ob die Fahrprüfertätigkeit in der Dienstzeit oder Freizeit ausgeübt worden ist[6].
Im Bericht wird außerdem kritisiert, dass Prüftätigkeiten im Verkehrswesen unterschiedlich qualifiziert wurden. So definiert das Klimaschutzministerium Fahrprüfungen als Nebentätigkeit, die in der Freizeit durchzuführen ist. Im Land Burgenland galten die Prüftätigkeiten als in der Freizeit auszuführende Nebenbeschäftigung. Welche Klassifizierung im Innenministerium gilt, ist aus der zugänglichen Literatur nicht eindeutig herauszulesen. So heißt es beispielsweise:
Die Abgabe von Gutachten stellt – je nachdem, ob sie für den Bund erfolgt oder nicht – eine Nebentätigkeit oder eine Nebenbeschäftigung dar. Die diesbezüglichen Bestimmungen (insb § 56 Abs. 2) sind darauf auch anzuwenden[7].
Das Treiben mit den Führerscheinprüfungen führte jedenfalls in Vorarlberg zu ersten Konsequenzen: Landespolizeidirektorin Uta Bachmann untersagte mit 19.8.2025 bis auf Weiteres die Nebentätigkeit als Führerscheinprüfer:in[8]. Das Statement vom 20.8.2025:
Das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die tägliche Arbeit unserer Polizistinnen und Polizisten sowie der anstandslos korrekte Vollzug der polizeilichen Aufgaben ohne jeglichen Verdacht der Befangenheit sind die Basis für unsere erfolgreiche und bürgernahe Polizeiarbeit und haben oberste Priorität. Aus diesem Grund kam die Landespolizeidirektion Vorarlberg zu dem Entschluss, die Ausübung der Tätigkeit als Sachverständige bzw. Fahrprüfer*innen durch Bedienstete der Landespolizeidirektion Vorarlberg bis auf Weiteres nicht weiter zu bewilligen.
Unverständnis rufen die Enthüllungen über die Führerscheinprüfungen nicht nur wegen der Höhe der Zuverdienste aus, sondern auch weil in Vorarlberg, aber in vielen anderen Bundesländern auch, eklatanter Personalmangel herrscht. Laut einer aktuellen parlamentarischen Anfragebeantwortung[9] fehlen allein bei der LPD Vorarlberg 79 Planstellen, in der Landesverkehrsabteilung sind demnach 14 Stellen unbesetzt, das sind umgerechnet 16 Prozent (!). In Kärnten fehlen gesamt 41 systemisierte Planstellen, in Oberösterreich 78, in Tirol neun und in Wien 279 Stellen (Stichtag jeweils 1.1.2025).
Laut FSG (§ 34a Abs. 2) dürfen Bedienstete aus dem Personalstand einer Gebietskörperschaft nur dann zum Fahrprüfer bestellt werden, wenn die Zustimmung der Dienstbehörde zu seiner Heranziehung als Sachverständiger, auch hinsichtlich des Ausmaßes und der Zeiten, vorliegt. Durch diese Zustimmung werden die Verpflichtungen des Bediensteten gegenüber seiner Dienstbehörde außerdem nicht berührt. Das Führerscheingesetz sieht wiederum vor, dass Bedienstete einer Gebietskörperschaft dem jeweiligen Landeshauptmann eine Bestätigung der eigenen Dienstbehörde über das zeitliche Ausmaß vorlegen, damit die Verpflichtungen gegenüber der eigenen Dienstbehörde nicht verletzt werden [10].
Es stellt sich dringend die Frage, welches Ausmaß die Nebentätigkeiten als Führerscheinprüfer bei der Exekutive angenommen haben und zu welchen Belastungen dieser Aufwand für die österreichische Polizei geführt hat.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Gibt es im Innenministerium und in den nachgelagerten Stellen, wie vom Rechnungshof gefordert, prozesshafte Überprüfungen, ob Führerscheinprüfungen in der Dienstzeit oder in der dienstfreien Zeit vorgenommen werden?
1.1. Falls ja: Wie?
1.2. Falls ja: Gibt es Unterschiede zwischen Innenministerium und/oder den neun Bundesländern und/oder verschiedenen Abteilungen?
1.3. Falls nein: Warum nicht?
2. Wird die Durchführung von Führerscheinprüfungen für Beamt:innen des BMI - samt nachgeordneter Stellen - als Nebenbeschäftigung oder als Nebentätigkeit qualifiziert?
3. Wann, wie und durch wen erfolgt die Genehmigung der Nebentätigkeit als Fahrprüfer? Bei Unterschieden in den jeweiligen Organisationen bitte um vollständige Beschreibung.
4. Welche Informationen liegen der Dienstbehörde vor? Welche Informationen liegen insbesondere über Ausmaß des Verdienstes und den zeitlichen Aufwand dafür vor?
5. Welche Obergrenzen, was das Ausmaß an zeitlichen Aufwand betrifft, gibt es für Nebentätigkeit/Nebenbeschäftigung im BMI insbesondere was die Fahrprüfungen anbelangt?
6. Werden Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigungen von Exekutivbeamt:innen nach Art der Tätigkeit erfasst?
7. Wie viele Bedienstete Im Zuständigkeitsbereich des BMI gehen einer Nebentätigkeit als Fahrprüfer nach? Wie viele sind es jeweils im BMI und in den nachgeordneten Stellen (Landespolizeidirektionen, DSN, BFA, udgl.)? Bitte um tabellarische Darstellung.
7.1. Wie hoch ist jeweils im BMI und in den nachgeordneten Stellen das durchschnittliche Nebeneinkommen als Fahrpüfer:innen?
7.2. Wie hoch ist jeweils im BMI und in den nachgeordneten Stellen das durchschnittliche Stundenausmaß als Fahrpüfer:innen?
7.3. Ist die Nebentätigkeit in allen Fällen vorher genehmigt worden?
7.4. Sind in allen Fällen die erforderlichen Bestätigungen nach § 34a Abs. 2 FSG für die Landeshauptleute ausgestellt worden?
8. Wie ist die jährliche Entwicklung in den letzten zehn Jahren der Zahlen laut Frage 7?
9. Können führerscheinprüfende Exekutivbeamt:innen entstandene Ausbildungs-kosten als Führerscheinprüfer als Weiterbildungskosten beim Dienstgeber geltend machen?
9.1. Falls ja, unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß?
10.
Können Exekutivbeamt:innen
entstandene Ausbildungskosten zum Erlangen von Führerscheinen
verschiedener Klassen (zum Zweck der Durchführung von
Führerscheinprüfungen) als Weiterbildungskosten beim Dienstgeber
geltend machen?
9.1. Falls ja, unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß?
9.2. Falls ja, auch wenn der einzige Zweck die Tätigkeit als Führscheinprüfer
ist?
11. In welchen Stellen im BMI ist es generell untersagt, einer Tätigkeit als Führerscheinprüfer oder einer bestimmten anderen Tätigkeit nachzugehen?
[1]https://vorarlberg.at/documents/302033/472165/Rechenschaftsbericht+2023.pdf/6c6002ba-29d6-0243-d8b0-bf3afcd1b05f?t=1720161645720#page=64
[2]https://www.vol.at/richter-gnadenlos-bei-welchen-fahrpruefern-durchkommen-glueckssache-ist/9600530
[3]https://www.vn.at/vorarlberg/2025/08/07/jeder-zweite-faellt-durch-das-lukrative-geschaeft-mit-den-fahrpruefungen.vn#
[4] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10012725
[5] https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2025_19_Nebentaetigkeiten_Nebenbeschaeftigungen.pdf Seite 88
[6] https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2025_19_Nebentaetigkeiten_Nebenbeschaeftigungen.pdf Seite 89
[7] ErläutRV 11 BlgNR 15. GP (BDG 1979)
[8]https://www.vn.at/vorarlberg/2025/08/20/paukenschlag-in-fuehrerschein-causa-keine-polizisten-mehr-als-fahrpruefer.vn
[9] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/2183/imfname_1706268.pdfm
[10] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10012723