3172/J XXVIII. GP
Eingelangt am 01.09.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Barbara Neßler, Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur
betreffend „Zugposse Lienz“ - Koralmbahn ohne Anschluss für Osttirol: Zug bis Lienz ab Fahrplanwechsel 2025
Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2025 wurden zusätzliche Tagesrandverbindungen auf der Südbahn/Koralmbahn angekündigt. Nach aktueller Berichterstattung sollen diese Verbindungen jedoch nicht bis in die Bezirkshauptstadt Lienz (Osttirol) geführt werden, sondern bereits im kärntnerischen Greifenburg enden – rund 40 km vor Lienz. Das hat in der Region für erhebliches Unverständnis gesorgt.[1]
Besonders problematisch sind die betroffenen Tagesrandlagen (späte Abend- bzw. sehr frühe Morgenzeiten): Zu diesen Zeiten bestehen zwischen Greifenburg und Lienz keine zumutbaren Anschlussmöglichkeiten, Fahrgäste würden faktisch stranden. Als Begründung wurden öffentlich dienstzeit-/personalbezogene Aspekte genannt (u. a. eine „halbe Überstunde“ beim Personal). Zugleich verweisen die ÖBB auf laufende Gespräche mit den Verkehrsverbünden und stellen eine Durchbindung bis Lienz mit Fahrplanwechsel 2026/27 in Aussicht.[2]
Die fehlende Durchbindung steht auch in einem auffälligen Widerspruch zu den erheblichen Infrastrukturinvestitionen der letzten Jahre: Der Rechnungshof beziffert die Gesamtkosten der Koralmbahn (inkl. Koralmtunnel) mit rund 6,139 Mrd. Euro.[3] Der Koralmtunnel ist das Kernstück der Verbindung und verkürzt die Fahrzeit Graz–Klagenfurt massiv. Zugleich wurde der Bahnhof Lienz als Mobilitätszentrum umfassend modernisiert und barrierefrei ausgebaut; die Projektkosten lagen bei rund 29 Mio. Euro. Das Mobilitätszentrum verknüpft Bahn, Bus, Radverkehr, P+R/B+R und Sharing-Angebote, wurde 2023 mit dem VCÖ-Mobilitätspreis Tirol ausgezeichnet und stärkt damit sowohl Pendler:innen als auch den Tourismus in der Region.[4]
Österreich verfolgt das Ziel, den Verkehr klimaverträglich zu gestalten und mehr Wege von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Gerade periphere Regionen sind dabei auf verlässliche, durchgehende Bahnangebote auch in den Tagesrandlagen angewiesen – für Pendelverkehre, Ausbildung, Schichtarbeit und touristische An-/Abreisen. Wird kurz vor dem Ziel unterbrochen und auf Schienenersatzverkehr verwiesen, erhöht das die Attraktivität des PKW und konterkariert die Klimaziele sowie den Zweck der Milliardeninvestitionen in die Koralmbahn: spürbare Reisezeitgewinne und echte Erreichbarkeit bis in die Regionen.
Die Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik (SPÖ) bezeichnete die Lösung, die Züge in Greifenburg enden zu lassen, als „Posse“, weil in den betroffenen Zeitlagen keine Züge und Busse nach Lienz mehr verkehren.[5] Auch aus der regionalen Öffentlichkeit wird kritisch angemerkt, dass gerade die Inbetriebnahme der Koralmbahn die Erreichbarkeit verbessern sollte und eine Abkoppelung kurz vor dem Ziel unverständlich sei.
Lienz fungiert zudem als verkehrliche Drehscheibe Richtung Südtirol/Pustertal und Richtung Villach/Spittal – eine verlässliche Fernverkehrsanbindung ist daher für Pendler:innen, Auszubildende, Unternehmen und Gäste gleichermaßen zentral. Ein bloßer Schienenersatzverkehr in Nacht-/Frühstunden ist insbesondere für Reisende mit Gepäck, Kinderwagen oder Mobilitätseinschränkungen kein gleichwertiger Ersatz.
Vor diesem Hintergrund und zur Herstellung von Transparenz sowie Planungssicherheit für die Bevölkerung in Osttirol richten die unterfertigenden Abgeordneten an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur folgende
1) Sind Ihnen die – offenkundig weit gediehenen – Pläne bekannt, die im Zusammenhang mit der Koralmbahn-Eröffnung ab Fahrplanwechsel Dezember 2025 neu vorgesehenen Tagesrandverbindungen von/nach Lienz (Osttirol) nicht dort, sondern rund 40 km davor in Greifenburg (Kärntner Drautal) enden bzw. starten zu lassen?
a. Wenn ja: Seit wann lagen Ihnen Informationen dazu vor, über welche Kanäle (ÖBB, Verkehrsverbünde, Länder etc.) wurden sie übermittelt, und wie erklären Sie diese – für Fahrgäste, Öffentlichkeit und offenkundig auch Parteigenoss:innen vor Ort in Tirol?
b. Wenn nein: Warum nicht?
2) Ist es zutreffend, dass diese – medial als „Posse“ bezeichnete – Konstellation, wie kolportiert, auf „Personalproblemen“ beruht, konkret auf einer halben Überstunde einer fahrdienstleitenden Person bei den ÖBB?
a. Wenn nein: Was sind sonst die Gründe, warum der eben erst um viel Geld als Mobilitätsdrehscheibe neu gebaute Bahnhof der von der SPÖ regierten Stadt Lienz von den Verbesserungen auf der Südstrecke derart abgekoppelt werden soll?
3) Weshalb soll laut Medienberichten die Durchbindung der Züge wie geplant ab/bis Lienz 2027 bzw. mit dem Fahrplan 2027 möglich sein, ab Dezember 2025 jedoch nicht?
4) Die SPÖ-Bürgermeisterin von Lienz hält laut Bericht der Tiroler Tageszeitung vom 19.08.2025 fest: „Es ist ein Zeichen dafür, wie man mit dem ländlichen Raum umgeht. Das betrifft nicht nur Osttirol, sondern Oberkärnten genauso.“ - Was können Sie dem konkret entgegenhalten?
5) Laut Ihrer (Selbst-)Darstellung haben Sie sich „(…) als Standortminister zum Ziel gesetzt, Österreich durch (…) das Vorantreiben der Mobilitätswende wieder nach vorne zu bringen. Mit gezielten und klugen Investitionen in den Standort werde ich (…) den Alltag der Menschen durch eine gut ausgebaute und verlässliche Infrastruktur erleichtern.“ (vgl. https://www.spoe.at/personen/peter-hanke/ ) - Wie erklären Sie die Diskrepanz zwischen diesen Ankündigungen und der Wirklichkeit, wie sie in der aktuellen Lienzer „Zugposse“ zutage tritt?
6) Welche Schritte setzen Sie zur Abhilfe?
a. Was haben Sie konkret wann unternommen, um die Pläne für das Enden in Greifenburg (40 km vor Lienz) abzuwenden?
b. Was werden Sie bis wann konkret unternehmen, um diese Pläne zeitgerecht abzuwenden?
7) Welche Mehrkosten (monatlich/jährlich) entstünden, wenn die beiden Tagesrandverbindungen ab Dezember 2025 bis Lienz durchgebunden würden?
8) Welcher zusätzliche Personalbedarf wäre für eine Durchbindung bis Lienz in den Randlagen erforderlich?
9) Welche gesicherten Übergangsangebote bestehen in den betroffenen Randlagen?
a. Bitte genaue Linien/Abfahrtszeiten, Anschlusssicherheit, Kapazitäten und Barrierefreiheit nennen.
b. Wie wird Gepäck-/Sportgeräte-Mitnahme (zB. Wintertourismus) gewährleistet?
10) Welche Nachfrage- und Wirkungsabschätzungen liegen für die Randlagen vor?
a. Erwartete Fahrgastzahlen (Pendler:innen, Studierende, Tourismus) je Verbindung.
b. Saisonale Schwankungen (Winter-/Sommerspitzen) und deren Berücksichtigung in der Planung.
11) Wie wird die Vereinbarkeit mit Klimazielen und der angestrebten Verkehrsverlagerung auf die Schiene bewertet?
a. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um negative Klima- und Verlagerungseffekte zu vermeiden?
12) Wie stellt sich das tägliche Verbindungsangebot am Bahnhof Lienz in den Fahrplanjahren 2025, 2026 und 2027 dar?
a. Bitte je Fahrtrichtung, getrennt nach Fern- und Nahverkehr, die Anzahl täglicher Zugpaare sowie erste/letzte Abfahrt/Ankunft inkl. Bedienung der Tagesrandlagen anführen.
b. In welchen Fällen enden/beginnen Züge in Greifenburg und welche gesicherten Anschlussangebote bestehen (Linie, Zeit, Anschlusssicherheit)?
[1] vgl. https://www.tt.com/artikel/30915237/neue-zuege-wien-lienz-fahren-nicht-bis-lienz-oebb-fahrplan-fuer-2026-gibt-raetsel-auf?utm_source= (19.8.2025)
[2] vgl. https://tirol.orf.at/stories/3318302 (19.8.2025)
[3] https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/2025_14_Koralmbahn.pdf?utm_source (aufgerufen am 20.8.2025)
[4] vgl. https://tirol.orf.at/stories/3224175 (14.9.2023)
[5] vgl. https://tirol.orf.at/stories/3318062 (18.8.2025)