3173/J XXVIII. GP
Eingelangt am 01.09.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Agnes-Sirkka Prammer, Süleyman Zorba, David Stögmüller, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend Besuch des Staatssekretärs von Tech-Unternehmen in Israel
Angesichts einer zunehmend komplexen Bedrohungslage – von Cyberangriffen über Desinformationskampagnen bis hin zu international vernetzten Sicherheitsrisiken – sind traditionelle Mittel der Gefahrenabwehr nicht mehr ausreichend. Der Schutz von Bevölkerung und kritischer Infrastruktur erfordert zunehmend den Einsatz hochentwickelter Softwarelösungen zur Datenanalyse, Vernetzung und Bedrohungserkennung. Ohne diese Technologien ist eine effektive sicherheitspolitische Strategie kaum mehr vorstellbar.
In Österreich hat die kürzlich geschaffene gesetzliche Grundlage zur Verwendung von Spionagesoftware auf Mobiltelefonen – also der Einführung eines Bundestrojaners – eine intensive Debatte ausgelöst. Denn neben zahlreichen grundrechtlichen Bedenken steht insbesondere die Missbrauchsgefahr im Raum. Die Einführung solcher Instrumente wirft nicht nur technische, sondern auch verfassungsrechtliche und demokratiepolitische Fragen auf.
Ein weiterer sehr heikler Punkt dabei ist, dass entsprechende Softwareprodukte nahezu ausschließlich von privaten Unternehmen entwickelt werden. Viele dieser Firmen verfügen über erheblichen politischen und wirtschaftlichen Einfluss, unterliegen jedoch kaum staatlicher oder demokratischer Kontrolle. Besonders im Bereich der Sicherheitspolitik stellt dies ein erhebliches Problem dar: Hier geht es nicht nur um technische Effizienz, sondern auch um den Schutz demokratischer Institutionen und Grundrechte.
Ein prominentes Beispiel ist die US-amerikanische Firma Palantir Technologies. Ihre Software Lösungen werden von Nachrichtendiensten und militärischen Einrichtungen weltweit eingesetzt, um umfangreiche Datenmengen zu analysieren und Zusammenhänge zwischen Personen, Orten und Ereignissen herzustellen. Die Funktionsweise dieser Systeme ist jedoch in hohem Maße intransparent. Die zugrundeliegenden Algorithmen und Entscheidungsprozesse sind nicht öffentlich zugänglich; auch staatliche Stellen erhalten keinen Einblick in den Quellcode. Etwaige Verzerrungen oder systemimmanente Vorurteile lassen sich daher kaum nachvollziehen oder korrigieren.
Bei Firmen wie Palantir kommen politische Bedenken hinzu: Palantir-Mitbegründer Peter Thiel hat in der Vergangenheit öffentlich antidemokratische Positionen vertreten. In einem Essay erklärte er 2009, er halte Demokratie und persönliche Freiheit für unvereinbar, und kritisierte explizit das Frauenwahlrecht. Dass der ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz nach seinem Rücktritt für Thiel tätig war, unterstreicht den politischen Einfluss, den Palantir auch in Europa und speziell in Österreich haben könnte.
Ein weiteres Beispiel ist die israelische Software „Pegasus“ der NSO Group. Dabei handelt es sich um eine Spionagesoftware, mit der Mobiltelefone infiltriert, Daten ausgelesen sowie Kamera und Mikrofon aktiviert werden können. Laut Hersteller wird die Software ausschließlich an staatliche Stellen verkauft und soll der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus dienen. Der Verkauf bedarf zudem der Genehmigung durch die israelische Regierung. Dennoch gibt es zahlreiche Beispiele, in denen Pegasus auch gegen Journalist:innen, Aktivist:innen, Diplomat:innen und Oppositionspolitiker:innen eingesetzt wurde. Zu den Kunden der NSO Group zählten unter anderem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ungarn und Indien. Die US-Regierung setzte die NSO Group im November 2021 auf eine schwarze Liste, da sie deren Aktivitäten als widersprüchlich zu den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Vereinigten Staaten einstufte.[1]
Auch hier bestehen politische Verflechtungen nach Österreich, denn der ehemalige CEO der NSO Group, Shalev Hulio, gründete gemeinsam mit dem früheren österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz das Unternehmen „Dream“, das sich auf den Schutz staatlicher Einrichtungen und kritischer Infrastrukturen spezialisiert hat[2].
Der Markt für Cybersicherheitssoftware wird maßgeblich von Unternehmen aus den USA und Israel dominiert. Laut dem Startup Nation Finder Annual Report 2024 stammen über 40 Prozent der US-Privatinvestitionen im Bereich Cybersicherheit aus Israel. Allein im Jahr 2024 sammelten israelische Start-ups 3,8 Milliarden US-Dollar ein – das entspricht 36 Prozent des gesamten Technologiefinanzierungsvolumens des Landes[3]. Diese Entwicklung ist unter anderem auf die enge Verzahnung von Militär und Privatwirtschaft zurückzuführen. Viele Gründerinnen und Gründer von Cybersecurity-Unternehmen in Israel haben ihren Hintergrund in israelischen Eliteeinheiten, wo sie im Rahmen ihrer Dienstzeit praktische Erfahrung in der Abwehr realer Bedrohungen sammeln konnten.[4]
All dies macht es nicht weiter verwunderlich, dass der österreichische Staatssekretär für Digitalisierung Alexander Pröll während seiner kürzlich absolvierten Israel-Reise im Mai auch Tech-Unternehmen besuchte. Auf dem Programm standen unter anderem Gespräche im High-Tech Park Beer Sheva sowie Treffen mit „Startup Nation Central“ und dem „American Jewish Committee“, in deren Mittelpunkt die Themen Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und digitale Diplomatie standen[5].
Vor dem Hintergrund der geplanten oder bereits laufenden Anschaffung von Spionagesoftware durch österreichische Behörden stellt sich allerdings eine Reihe relevanter Fragen: Welche israelischen Unternehmen traf der Staatssekretär während seines Besuchs und wurden hierbei bereits konkrete Software Lösungen vorgestellt? Mit welchen israelischen oder US-amerikanischen Technologieunternehmen pflegt das Bundeskanzleramt Kontakte? Wird eine Zusammenarbeit mit der NSO Group oder eine Nutzung der Software Pegasus in Betracht gezogen? Und unterstützen Sebastian Kurz oder seine Firma bei der Kontaktherstellung?
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Was war der genaue Ablauf der Reise von Staatssekretär Alexander Pröll in Israel im Mai 2025? Bitte schlüsseln Sie insbesondere seine Termine mit der Privatwirtschaft auf.
2. Welche Tech-Unternehmen trafen Staatssekretär Alexander Pröll während seiner Reise nach Israel im Mai 2025?
3. Welche Software-Produkte wurden während dem Besuch präsentiert?
4. Waren österreichische Unternehmen bzw. Privatpersonen an dieser Reise beteiligt oder Teil der österreichischen Delegation?
a. Falls ja, welche Unternehmen reisten mit?
b. Falls ja, nach welchen Kriterien wurden die Unternehmen ausgewählt?
5. Wurden Treffen mit israelischen Tech-Unternehmen durch Dritte – etwa politische Berater:innen, Lobbyist:innen, externe Expert:innen oder ehemalige Regierungsmitglieder – vermittelt oder organisiert?
a. Gab es im Vorfeld oder während des Israel-Aufenthalts von Staatssekretär Alexander Pröll eine Kontaktaufnahme, Unterstützung oder sonstige Mitwirkung durch das Unternehmen „Dream“ oder durch Sebastian Kurz persönlich?
6. Gab es nach der Reise Nachbereitungen, Folgegespräche oder laufende Kooperationen mit einzelnen Unternehmen, die im Zuge des Israel-Aufenthalts kontaktiert wurden?
7. Mit welchen Unternehmen, die Cybersicherheits-Software, Spionage-Software oder Software zur Kriminalitätsbekämpfung anbieten, hat Staatssekretär Alexander Pröll sich seit Amtsantritt getroffen?
8. Hatte Staatssekretär Alexander Pröll seit seinem Amtsantritt Gespräche mit dem Unternehmen „Dream“ oder den Geschäftsführern oder Mitarbeitern von „Dream“? Führten Mitarbeiter seines Büros solche Gespräche?
9. Ist geplant, das Unternehmen „Dream“ als Berater oder Projektpartner in sicherheitsrelevante Digitalisierungsprojekte des Bundes einzubinden?
10. Welche Rolle spielt das Büro des Staatssekretärs in der strategischen Planung der Digitalisierung sicherheitsrelevanter Bereiche (z. B. Auswahl, Ausschreibung, technische Evaluierung)?
a. Ist Staatssekretär Alexander Pröll in die Auswahl einer Software für die Umsetzung der Gefährderüberwachung involviert?
[1] https://www.theguardian.com/world/2022/aug/22/nso-group-ceo-shalev-hulio-step-down-israel-pegasus-spyware
[2] https://dreamgroup.com/about/
[3] https://www.calcalistech.com/ctechnews/article/ovesg12ne#google_vignette
[4] https://startupnationcentral.org/hub/blog/israeli-cybersecurity-is-defining-the-future-in-2025/
[5] https://www.bmeia.gv.at/oeb-tel-aviv/aktuelles/detail/erste-offizielle-auslandsreise-fuehrt-staatssekretaer-alexander-proell-nach-israel