3174/J XXVIII. GP
Eingelangt am 03.09.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Wann wird die Einschätzungsverordnung reformiert?
BEGRÜNDUNG
Nach UN-Behindertenrechtskonvention entsteht Behinderung „aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren […], die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern“
Diese Definition berücksichtigt, dass Behinderung nicht ein individuelles medizinisches Problem darstellt, sondern dass sie vielmehr im Zusammenspiel von Beeinträchtigungen, die medizinische Ursachen haben können und gesellschaftlichen Barrieren entsteht.
Dieses soziale Model der Behinderung hat sich seit den späten 1970er Jahren entwickelt und ist mittlerweile in einschlägigen Fachkreisen unumstritten. In die österreichische Rechtslage hat diese Entwicklung jedoch nur teilweise Eingang gefunden.
Grundlage für die Gewährung behinderungsspezifischer Leistungen ist vielfach ein bestimmter „Grad der Behinderung“. Dieser wird gemäß der sogenannten Einschätzungsverordnung festgelegt, welche einzig und allein (veraltete) medizinische Kriterien für die Beurteilung einer Behinderung kennt. Beispielsweise wird einem fehlenden Finger ein Behinderungsgrad von 10 Prozent[1] zugeordnet. Völlig unbeachtet bleibt die Umwelt und die Lebenssituation des betroffenen Menschen: Ist die Person zB Musiker: in und muss den Beruf wechseln oder kann der fehlende Finger beispielsweise durch Hilfsmittel kompensiert werden?
Erschwerend kommt hinzu, dass neu hinzukommende Beeinträchtigungen und Erkrankungen nur sehr schwer im Regelwerk abgebildet werden können. Dadurch wird Betroffenen häufig kein entsprechender Grad der Behinderung zuerkannt, selbst wenn sie ihren Alltag nicht mehr selbstständig bestreiten können, weil die rechtliche Grundlage fehlt.
Die genannten Beispiele machen deutlich, dass die Einschätzungsverordnung im Hinblick auf die Berücksichtigung einstellungs- und umweltbedingter Barrieren sowie
der Anerkennung von Erkrankungen reformiert werden muss. Im Nationalen Aktionsplan Behinderung wurde deswegen auch eine Überarbeitung in Aussicht gestellt. Die diesbezüglichen Maßnahmen hätten laut Zeitplan 2024 starten sollen. 2025 und 2026 war eine Studie zur Weiterentwicklung der Einschätzungsverordnung geplant. Über diesbezügliche Umsetzungsschritte ist jedoch nichts bekannt.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1) Welche konkreten Schritte unternehmen Sie zur Reform der Einschätzungsverordnung?
2) Wie ist die Gruppe zusammengesetzt, die die geplante Studie zur Weiterentwicklung der Einschätzungsverordnung begleiten soll?
3) Wie oft hat sich die Begleitgruppe zum Thema Einschätzungsverordnung bereits getroffen?
4) Wurde die geplante Studie bereits in Auftrag gegeben, wenn nein, für wann ist die Beauftragung geplant?
5) Gibt es bereits Überlegungen wie die Einschätzungsverordnung gestaltet werden soll, um in Zukunft schneller und flexibler auf neue Erkrankungen oder Behinderungen im Alltag reagieren zu können?
6) Wie soll in Zukunft sichergestellt werden, dass an das Ergebnis der Beurteilung passende Leistungen anschließen?