3192/J XXVIII. GP

Eingelangt am 12.09.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus

betreffend Lieferungen von Waffenzubehör nach Russland

BEGRÜNDUNG

 

In seiner sehr umfangreichen Anfragebeantwortung der Anfrage „Dual-Use Lieferungen nach Russland (2526/J)“[1] erklärte Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer, dass es noch lange nach der Besetzung der Krim durch Russland und der Verhängung von Waffenembargos, zu Exporten von genehmigungsfreien Waffenbestandteilen – genauer, von Zielfernrohren – durch österreichische Firmen nach Russland kam.

Dies war deshalb möglich, weil, laut Anfragebeantwortung, „Zielfernrohre ohne elektronische Bildverarbeitung, die nicht besonders konstruiert oder für militärische Zwecke geändert sind, […] auch nicht von der Verteidigungsgüterliste der Europäischen Union erfasst [sind] und […] somit weder einer Genehmigungspflicht nach Außenwirtschaftsgesetz 2011 (AußWG 2011), noch dem Waffenembargo gemäß Art. 2 des Beschlusses 2014/512/GASP [unterliegen].[2]

Für den Zoll warf dies Fragen auf, räumt Wirtschaftsminister Hattmannsdorfer ein. Denn während der Export von Zielfernrohren nicht unter das gegen Russland verhängte Waffenembargo (Beschluss 2014/512/GASP) fällt, hätte der Export zwischen 2014 und der Vollinvasion Russlands 2022 von der Verordnung (EU) 2021/821, der sog. Dual-Use-Verordnung, erfasst sein können und wäre damit genehmigungspflichtig. Denn die „Catch-All Klausel“ der Dual-Use-Verordnung, Artikel 4, sieht vor, dass sogar jene Ausfuhren genehmigungspflichtig werden könnten, die für einen militärischen Endnutzen auch nur bestimmt sein könnten. Jedenfalls müsste eine militärische Endverwendung durch den Exporteur ausgeschlossen werden.

Laut Anfragebeantwortung stießen erst 2021 die hohen Antragszahlen durch Kahles das Wirtschaftsministerium (BMWET) dazu an, eine genauere Überprüfung der Endverwendung durchzuführen. Und tatsächlich konnte festgestellt werden, dass Zielfernrohre der Firma Kahles im russischen Militär zum Einsatz kamen. Dies führte jedoch nicht dazu, die Ausfuhr von Waffenzubehör generell zu überdenken, stattdessen wurden durch das BMWET Leistungsparameter aufgestellt, unter denen sie das Risiko für den Einsatz der russischen Armee für gering genug erachteten. Noch bis zum 22. Februar 2022, also zwei Tage vor Beginn des Angriffskrieges Russlands, wurden direkt nach Russland Zielfernrohre exportiert.  

Auch andere Unternehmen haben noch lange nach der Annektierung der Krim Geschäfte in Russland tätigen können, die der Kriegsführung jetzt stark zu Gute kommen. Zu nennen wäre hier insbesondere die Knill-Gruppe, die über Jahre hinweg mit einem staatlichen russischen Glasfaser-Unternehmen, das Verbindungen in den dortigen Militärsektor haben soll, kooperierte.[3] Glasfaserprodukte sind in der aktuellen Kriegsführung für den Einsatz von Drohnen essentiell. 

Doch auch andere Bestandteile von Drohnen, die von sanktionierten Ländern in Kampfhandlungen eingesetzt wurden, konnten in der Vergangenheit österreichischen Firmen zugerechnet werden. Besonders brisant könnte dies sein, wenn diese Drohnen gegen EU-Länder oder andere österreichische Partner verwendet werden.

Diese Vorgänge werfen ein Licht auf die schwierige Grauzone „nicht militärischen“ Waffenzubehörs und der Dual-Use Güter – jene Güter und Technologien, die sowohl militärisch als auch zivilen Nutzen haben könnten –  insbesondere in Länder, die mit Waffenembargos versehen oder Verbündete sanktionierter Länder sind.

Aktuell besteht gegen fast 20 Länder weltweit ein Waffenembargo der EU[4]. Darüber hinaus gibt es eine lange Liste an Ländern, die eng mit Russland verbündet sind und militärische Unterstützung leisten. Hat ein Ausführer Kenntnis davon, dass die auszuführenden Güter für eine militärische Endverwendung in einem Waffenembargoland bestimmt sind, oder besteht der begründete Verdacht einer militärischen Endverwendung, muss dies dem BMWET vor der Ausfuhr gemeldet werden.

Mit Blick auf die Verwendung von Zielfernrohren der Firma Kahles durch das russische Militär, stellen sich Fragen, welche anderen Dual-Use Güter oder welch anderes Waffenzubehör trotz Sanktionen und militärischem Gebrauch aus Österreich exportiert wurde und welche Schritte das BMWET setzt, um den Einsatz in militärischen Konflikten vorzubeugen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Welches nicht militärische Waffenzubehör (wie zum Beispiel Zielfernrohre oder Transportzubehör) ist nicht von Annex I der Dual-Use-Verordnung erfasst und wird deshalb genehmigungsfrei in mit Waffenembargos sanktionierte Länder exportiert? Bitte schlüsseln Sie insbesondere Exporte nach Russland, Belarus, China und Venezuela auf und nennen Sie die Warennummern.

a.    Bitte nennen Sie alle Waffenzubehör-Warengruppen, die nicht ausdrücklich in Annex I der Dual-Use-Verordnung oder in der EU-Gemeinsamen Militärliste genannt sind (Stand: 2.9.2025). Bitte liefern Sie je Warengruppe: HS/CN-Code, übliche Produktbeispiele und ob es nationale Kontrollen (Maßnahmen gem. Art. 4/Art. 9 Dual-Use-Verordnung) gibt?

b.    Wie stellt das BMWET fest, ob Waffenzubehör „unwesentlich“ gemäß der Gemeinsamen Militärliste der EU bzw. der Dual-Use-Verordnung ist?

c.    Wie häufig wurden nach Russland exportierte Güter zwischen 2014-2025 genehmigungspflichtig, weil das BMWET eine militärische Endverwendung vermutet (Verdacht auf militärische Endverwendung nach Art. 4 Dual-Use-Verordnung)? Wir bitten um Aufschlüsselung nach Warennummer (HS/CN).

d.    Für welches Waffenzubehör gibt es Globalgenehmigungen gem. Dual-Use-Verordnung?

2.    Wie häufig stellte das BMWET Feststellungsbescheide über das Nichtbestehen einer Genehmigungspflicht bei Waffenzubehör-Exporten seit 2014 aus? Bitte aufgeschlüsselt nach Ländern, in die exportiert werden soll.

a.    Sollten keine Daten über Waffenzubehör im Speziellen vorliegen: Wie häufig stellte das BMWET allgemein Feststellungsbescheide über das Nichtbestehen einer Genehmigungspflicht seit 2014 aus?

3.    Wie wurde überprüft, dass Kahles tatsächlich keine Kenntnis davon hatte, dass ihre Zielfernrohre militärisch eingesetzt wurden?

4.    Wie häufig wird der Endverbrauch von Waffen oder Waffenzubehör überprüft? Gibt es Export-Länder, wo die Prüfung des Endverbrauchs standardisiert und regelmäßig kontrolliert wird?

a.    Wird der Endverbrauch von Exporten in Länder, die als mit Russland verbündet gelten – z.B. Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Moldawien, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan, Weißrussland, China, Indien, Südafrika, Ägypten, Nicaragua, Mali oder Venezuela - besonders kontrolliert?

5.    Mit welchen Methoden recherchiert das BMWET in anderen Ländern, um das Ziel österreichischer Exporte festzustellen?

a.    Welche Expert:innen werden dabei eingesetzt? Waren dabei Mitarbeiter:innen des BMLVs involviert?

b.    Hat das BMLV nach 2021 weitere Recherchen angestellt, um den Verbleib der Zielfernrohre mit niedrigeren Leistungsparametern zu überprüfen?

6.    Wie werden Leistungsparameter für Waffenzubehör festgelegt, damit diese unterhalb einer militärischen Brauchbarkeit bzw. Endverwendung liegen? Bitte listen Sie die konkreten technischen Schwellenwerte und die fachlichen Gutachten/Expert:innen (Institution/Status), die zur Festlegung herangezogen wurden.

a.    Wurden bei dieser Beurteilung Expert:innen für das russische Militär beigezogen?

7.    Hat sich Österreich dafür eingesetzt, dass Waffenzubehör, das 2014 nicht von der Dual-Use-Verordnung erfasst war, später aufgenommen wurde?

8.    Wie hat sich das Exportvolumen österreichischer Unternehmen nach Russland seit 2022 entwickelt (aufgeschlüsselt nach Jahren und Warengruppen)?

a.    Welche Güter oder Technologien werden aktuell noch nach Russland exportiert?

b.    Wie viele Unternehmen exportierten seit Februar 2022 noch nach Russland?

c.    Welche Güter wurden seit 2022 weiterhin nach Russland exportiert bzw. welche Sektoren sind betroffen?

9.    Wie hat sich das Importvolumen österreichischer Unternehmen nach Russland seit 2022 entwickelt (aufgeschlüsselt nach Jahren und Warengruppen)?

a.    Welche Güter oder Technologien werden aktuell noch von Russland importiert?

b.    Wie viele Unternehmen importierten seit Februar 2022 noch aus Russland?

c.    Welche Güter wurden seit Februar 2022 weiterhin aus Russland importiert bzw. welche Sektoren sind betroffen?

10. Werden mit Blick auf die Entwicklungen der Drohnen in Konflikten weiterhin Komponenten der Glasfaser-Infrastruktur in Länder exportiert, gegen die ein Waffenembargo besteht?

11. Russland hat während eines Angriffs auf die Ukraine laut Angaben des polnischen Premiers Donald Tusk am 9.9.2025 19-mal den polnischen Luftraum verletzt. Drei Drohnen wurden über dem polnischen Staatsgebiet abgeschossen. Tusk bestätigte, dass es sich dabei um russische Drohnen handelte.

a.    Liegen Informationen vor, das österreichische Teile (zB Glasfaser-Komponente, Chips oder Motorenteile) in diesen Drohnen verbaut wurden?

b.    Gibt es einen systematischen Austausch zwischen Österreich und Polen bzw. der EU über forensische Analysen abgeschossener Drohnen, um die Herkunft von Komponenten zu überprüfen?

c.    Wie stellt das BMWET sicher, dass Exporte sensibler Güter, die möglicherweise in Drohnen verbaut werden könnten, auch im Graubereich von Dual-Use oder zivil deklarierten Bauteilen, verhindert werden?

d.    Wurden nach dem Vorfall am 9.9.2025 zusätzliche Maßnahmen zur Überprüfung laufender Exportgeschäfte nach Russland und dessen Verbündeten gesetzt?



[1] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/AB/2072

[2] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/2072/imfname_1705689.pdf

[3] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/J/384

[4] Stand 2.9.2025 gemäß https://www.sanctionsmap.eu/