3211/J XXVIII. GP
Eingelangt am 15.09.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Lukas Hammer, Elisabeth Götze, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur
betreffend St. Pöltener Elchtest für Bahn und Behörden: Alles steht still weil 1 Elch es will
Elch „Emil“, der seit Mitte August 2025 von Tschechien kommend den Nordosten Österreichs erkundet, sorgte am Abend des 6. September 2025 für einen mehrstündigen Stillstand des Schienenverkehrs im Bereich von St. Pölten.
Dabei wurden, durchaus anknüpfend an die ICE-Panne im Tunnel Hadersdorf im Sommer, erneut kuriose bis kafkaeske Abläufe offenbar, wobei diesmal vor allem behördenseitig diverse Amtsschimmel laut wieherten.
Selbst die Erschießung des Elchs vor Publikum wurde scheinbar angedacht und erst nach Überlegung verworfen.
Auch nach wochenlanger Anwesenheit des wanderfreudigen und wenig schreckhaften Wildtiers im Bundesland Niederösterreich hatte sich offenbar betrieblich, behördlich und bei den Blaulichtorganisationen niemand ernstlich mit der konkreten Vorbereitung auf eine solche Situation befasst, obwohl die elchbedingte Verkehrsknoten-Lahmlegung angesichts der dichten Infrastruktur in der Ostregion ja nicht völlig überraschend kam.
Insgesamt lässt das Vorgehen bei diesem Vorfall weithin mehr an ein Kabarettprogramm als an fokussierte Problembewältigung denken, wie konzerninterne Vorfallsprotokolle der ÖBB zeigen:




Aus Perspektive der Fahrgäste der Bahn stellt sich insbesondere die Frage, warum bei einer stundenlangen Unterbrechung des Verkehrs im Bereich des St. Pöltener Hauptbahnhofs Züge nicht bzw erst nach langem Zögern und auch dann nur vereinzelt über die existierende GZU (Güterzugumfahrung) und damit um den durch den Elch gestörten Abschnitt herum umgeleitet werden. Der Eintrag von 22:18 Uhr legt zugleich nahe, dass es ein Konzept für den Fall der Betriebsstörung gibt, welches Fahrten über diese Strecke vorsieht. Dem Vernehmen nach soll diese Nutzung der GZU als Ausweichstrecke jedoch konzernintern auf Widerstand stoßen.
Weiters stellt sich – siehe ebenfalls den Eintrag von 22:18 Uhr - die Frage, wieso erst nach zwei Stunden „versucht“ wird einen Schienenersatzverkehr einzurichten (über den „Erfolg“ des „Versuchs“ schweigt die Chronik).
In skandinavischen Ländern wie Schweden, aber auch in Polen, ist trotz zahlreicher Elche problemloser fahrplanmäßiger Schienenverkehr möglich.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Welche Vorbereitungen gibt es a) bei den ÖBB, b) in Ihrem Ressort in Hinblick auf mögliche Blockaden des Schienenverkehrs durch Wildtiere und die erfolgreiche Bewältigung/Überwindung solcher Blockaden?
2) Wird hierbei nach Arten von Wildtieren, etwa auch nach deren Schutzstatus, unterschieden?
3) Ist dieses Thema in einschlägigen Sicherheitskonzepten und Sicherheitsmanagementsystemen erfasst?
4) Falls ja, in welcher Weise ist dafür Sorge getragen, dass auch die dabei zuständigen Behörden diesbezüglich grundsätzlich informiert und im Anlassfall eingebunden sind?
5) Gibt es Krisenmanager:innen im Konzern, die für solche Vorfälle geschult sind?
6) Sehen die in Frage 1 angesprochenen Vorbereitungen das Erschießen des Tiers bzw. gegebenenfalls der Tiere vor – wie laut Vorfallsprotokoll vom 06.09. Eintrag 21:26 im Fall von Elch Emil offenbar ernsthaft geplant und nur wegen der „zahlreichen Schaulustigen“ dann unterblieben?
7) Sehen diese Vorbereitungen die Durchführung von „Verschreckungsfahrten“ auf der Schiene vor?
8) Falls ja – warum hat es bis zur Entscheidung, eine solche „Verschreckungsfahrt“ konkret in Gang zu setzen, ab Beginn der Blockade des St. Pöltener Hauptbahnhofsbereichs gute 3 Stunden und ab dem Zeitpunkt, an dem sich Elch Emil neben dem Gleis zur Ruhe legte, über 1 ½ Stunden gedauert?
9) Ist es aus eisenbahnbehördlicher Sicht zutreffend (vgl. Vorfallsprotokoll-Eintrag 22:48 Uhr), dass die Polizei bei gravierenden Beeinträchtigungen des Betriebs der kritischen Infrastruktur nicht zuständig ist und nicht eingreift, wenn die Ursache der Beeinträchtigung sich auf oder über ÖBB-Grund befindet?
10) Falls ja, wer ist ansonsten zuständig?
11) Wie ist die diesbezügliche Position des Ressorts betreffend ASFINAG-Grundflächen?
12) Warum wurden trotz stundenlanger Unterbrechung des Verkehrs im Bereich des St. Pöltener Hauptbahnhofs Züge nicht bzw. erst nach langem Zögern über die existierende GZU (Güterzugumfahrung) um die Stadt und den betreffenden Abschnitt herum umgeleitet, obwohl das entsprechende Betriebsstörungskonzept dies offenbar vorsieht?
13) Warum wurden selbst dann nur „vereinzelte“ Züge des Fernverkehrs umgeleitet?
14) Gibt es eine Mindestdauer der Unterbrechung, bis die Umleitung über die GZU aktiviert wird?
15) Wenn ja: Ab welcher (voraussichtlichen) Unterbrechungsdauer?
16) Wenn ja: Warum nicht unverzüglich?
17) Trifft es zu, dass die offenbar vorgesehene und daher wohl auch behördlich genehmigte Nutzung der GZU als Ausweichstrecke im Bedarfsfall ÖBB-konzernintern auf Widerstand stößt, wenn ja aus welchen Gründen und auf welcher rechtlichen Grundlage?
18) Warum wurde erst nach zwei Stunden „versucht“ einen Schienenersatzverkehr einzurichten?
19) Wurde letztlich während der fast viereinhalbstündigen Verkehrsunterbrechung ein Schienenersatzverkehr eingerichtet? Wenn nein warum nicht?
20) Hat Ihnen Ihr neu ernannter „Sonderberater für grenzüberschreitende Eisenbahnangelegenheiten“, BM a.D. Gerald Klug, bereits darüber berichtet, wie beispielsweise Polen und insbesondere Schweden trotz zahlreicher Elche problemlosen fahrplanmäßigen Schienenverkehr ohne stundenlange Stillstände und Behördenverwirrung zuwege bringen?
21) Sehen Sie angesichts der Erfahrungen aus dem „St. Pöltener Elchtest“ am 6. September Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit zwischen Verkehrsunternehmen, Infrastrukturunternehmen, Behörden und Blaulichtorganisationen, wenn ja welchen?
22) Welche Vorbereitungen gibt es im Zusammenhang mit dem hochrangigen Straßennetz a) bei der ASFINAG, b) in Ihrem Ressort in Hinblick auf womögliche Blockaden des hochrangigen Straßennetzes durch Wildtiere und die erfolgreiche Bewältigung/Überwindung solcher Blockaden, c) im Hinblick auf Krisenmanager:innen für derartige Fälle?