3236/J XXVIII. GP
Eingelangt am 17.09.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten Alois Kainz
an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten-schutz
betreffend Teilzeitchaos in Österreich
Die derzeitige Diskussion um die zunehmende Teilzeitarbeit in Österreich wird maßgeblich von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) voran-getrieben. In der Ö1-Sendung „Im Journal zu Gast“ am 19. Juli 2025 erklärte er unmissverständlich: „Arbeiten in Teilzeit sei ‚zu attraktiv‘ geworden“, und er habe „überhaupt kein Verständnis, wenn es null Betreuungsverpflichtungen gibt, wenn man gesund ist, dass man dann Teilzeit arbeitet – das ist auch eine Frage der Verantwortung gegenüber der gesamten Gesellschaft“[1].
In weiterer Folge kündigte Minister Hattmannsdorfer an, dass Teilzeitarbeitnehmer künftig per Brief über „negative Effekte auf die Pensionshöhe“ informiert werden sollen – ein sogenannter „Wake‑Up‑Call“.[2]
Dem gegenüber stehen klare Widersprüche innerhalb der Bundesregierung. Finanz-minister Markus Marterbauer (SPÖ) twitterte am 21. Juli 2025:
„Es gibt keinen Grund, die – vorwiegend weiblichen – Teilzeitbeschäftigten zu kritisieren. Sie leisten gesellschaftlich wichtige Arbeit. Vielmehr gilt es, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.“[3]
Arbeitsministerin Korinna Schumann (SPÖ) stellte ergänzend fest, dass es einen Rechtsanspruch auf Ausweitung der Arbeitszeit geben müsse, da tausende Teilzeit-kräfte mehr arbeiten möchten, dies bislang jedoch am Arbeitgeber scheitere.[4]
Auch muss man die schlichten Fakten zum Thema Teilzeit beachten: So arbeiten 50 % der Frauen, aber nur 15 % der Männer in Teilzeit und Österreich liegt im EU-Vergleich bei der Teilzeitquote auf Platz 2.[5]
Weiteres haben bisherige Anfragenbeantwortungen ergeben, dass trotz Personalnot im öffentlichen Dienst das Volumen an Teilzeit- und Nebentätigkeiten dramatisch wächst.[6]
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundes-ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Wie viele Personen waren jeweils seit dem Jahr 2015 in Österreich in Teilzeit beschäftigt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Geschlecht, relevanten Alters-gruppen, mit/ohne Kinder oder Pflegeverpflichtungen, Herkunft (gebürtige Österreicher vs. Personen mit Migrationshintergrund) und Grund (freiwillig, Betreuung, Krankheit, sonstige Gründe))
a. Wenn Sie keinen Zahlen dazu haben, warum nicht?
2. Wie viele Personen befanden sich seit 2015 jährlich in folgenden Beschäftigungs- oder Ruheformen wie Altersteilzeit, Pflegeteilzeit, Kurzarbeit, Homeoffice, Bildungskarenz, Elternkarenz, sonstige Vorruhestandsmodelle? (Bitte um Aufschlüsselung nach Beschäftigungs- oder Ruheformen, weiters bei Homeoffice inkl. durchschnittlichem Homeoffice-Ausmaß, bei Vorruhestands-modellen inkl. Korridorpension, Invaliditätspension, Berufsunfähigkeit, Früh-pension)
a. Wenn Sie keinen Zahlen dazu haben, warum nicht?
3. Wie hat sich seit 2015 die Beschäftigungsquote von Frauen und Männern in Teilzeit entwickelt?
a. Wie bewertet ihr Ressort die Differenz zwischen den Geschlechtern?
b. Welche Maßnahmen zur Angleichung werden erwogen?
c. Wenn keine Maßnahmen erwogen werden, warum nicht?
4. Gibt es Erkenntnisse dazu, dass der Anstieg der Teilzeitquote mit der zunehmenden Zuwanderung korreliert?
a. Wenn ja, wie schaut diese Korrelation aus?
5. Wie viele AMS-Kurse wurden seit 2015 angeboten? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und Bundesländern)
a. Wie viele Teilnehmer gab es jährlich? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, Bundesländern, Geschlecht und Herkunft der Teilnehmer)
b. Wie viele dieser Maßnahmen führten tatsächlich zu einer nachhaltigen Vollzeitanstellung (>12 Monate)? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren, Bundesländern, Geschlecht und Herkunft der Teilnehmer)
6. Wie viele Langzeitarbeitslose wurden in die Pension übergeleitet? (Bitte um Aufschlüsselung nach Art der Pensionierung)
7. Gibt es konkrete Planungen für eine Reform des Arbeitslosengeldes in Hinblick auf missbräuchlich ausgedehnte Teilzeitarbeitsverhältnisse?
8. Was steht im aktuellen Regierungsprogramm (2025–2029) zum Thema „Teilzeit und Vollzeit“ betreffend Ihr Ressort?
9. Welche Maßnahmen zur Hebung der Vollzeitquote sind konkret geplant?
a. Wenn keine geplant sind, warum nicht?
10. Hat die bestehende Ausgestaltung der Gleitzeit-, Blockzeit- und Teilzeitmodelle im öffentlichen Dienst (v. a. seit Einführung ab ca. 2015) zu einem Effizienz-gewinn geführt?
a. Wenn es dadurch zu keinen Effizienzgewinn kam, ist es geplant die Modelle zu überarbeiten?
b. Seit wann gibt es die bestehende Ausgestaltung der Gleitzeit-, Blockzeit- und Teilzeitmodelle im öffentlichen Dienst?
11. Welche Rolle spielten seit 2015 die Sozialpartner, Personalvertreter und Gewerkschaften bei der Teilzeitentwicklung? (Bitte um Auflistung nach Teilbereichen: Homeoffice, Elternzeit, Karenzansprüchen und freiwilliger Reduktion der Arbeitszeit)
a. Welche Modelle haben die Sozialpartner unterstützt?
12. Wie werden die Auswirkungen der hohen Teilzeitquote auf das Pensions-system, das Budget sowie die Nachhaltigkeit der Sozialversicherung bewertet?
a. Wenn es keine Bewertung in diesen Bereichen gibt, warum nicht?
13. Welche konkreten Szenarien aufgrund der Teilzeitquote zur Budgetbelastung wurden seit 2015 berechnet?
a. Welche Ergebnisse haben diese Szenarien gebracht?
b. Wenn es keine solche Szenarien gibt, warum nicht?
14. Welche Auswirkungen hat ein Anstieg von Teilzeitarbeitsverhältnissen auf die gesamtwirtschaftliche Produktivität?
a. Steigt durch mehr Beschäftigte in Teilzeit automatisch die wirtschaftliche Gesamtleistung, oder verringert sich die durchschnittliche Produktivität pro Erwerbstätigem?
b. Trägt Vollzeitarbeit stärker zur gesamtwirtschaftlichen Produktivität bei als eine Zunahme an Teilzeitarbeitsverhältnissen?
c. Inwiefern bedeutet ein Anstieg der Beschäftigtenzahl durch Teilzeitarbeit eine reale Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit?
d. Unterscheidet sich der Beitrag von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung signifikant?
[1] https://orf.at/stories/3400140/
[2] https://kurier.at/politik/inland/wirtschaftsminister-oevp-wolfgang-hattmannsdorfer-teilzeit-vorwarnung-pensionshoehe/403060060
[3] https://orf.at/stories/3400275
[4] https://www.oegb.at/themen/arbeitsrecht/arbeitszeit/175-000-teilzeitbeschaeftigte-wollen-mehr-arbeiten
[5] https://www.statistik.at/fileadmin/pages/360/Infotext_Gender-Statistik_Erwerbstaetigkeit.pdf
[6] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/18170