3240/J XXVIII. GP
Eingelangt am 17.09.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten Hermann Brückl, MA
an die Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung
betreffend Positive Diskriminierung oder einfach nur Diskriminierung an der Uni Linz
Wie der „Standard“ am 16. Juli 2025 berichtete, wurden bei einer Ausschreibung an der Uni Linz von fünf Tenure-Track-Professuren im Bereich der KI männliche Bewerber grundsätzlich ausgeschlossen:
„Uni Linz akzeptiert für neue KI-Professuren keine Männer – kann das legal sein?
Für fünf Jobs im Bereich Künstliche Intelligenz durften sich nur Frauen bewerben. Das verstoße wohl gegen EU-Recht, erklärt eine Expertin. Die Uni sieht das anders
Studentinnen sind in der Überzahl, und das schon lange. Von den Studierenden, die an Österreichs Universitäten beginnen, sind aktuell rund 56 Prozent weiblich – ein Anteil, der seit der Jahrtausendwende weitgehend konstant ist. Ein gänzlich anderes Bild bietet sich bei den höchsten wissenschaftlichen Positionen: 70 Prozent aller Professuren sind in der Hand von Männern.
Das ist eine Schieflage, die auch unter dem Begriff ‚leaky pipeline‘ firmiert: Je höher die akademische Karrierestufe, desto weniger Frauen sind vertreten. Bei den Master-abschlüssen sind Frauen noch in der Mehrheit, ab dem Doktorat verschieben sich die Verhältnisse schrittweise zugunsten der Männer.
Alte Muster
Die Gründe für dieses Phänomen sind vielschichtig. Der jahrhundertelange Ausschluss von Frauen von den Hochschulen wirkt immer noch im Rollenklischee nach, wissenschaftlicher Fortschritt bestünde gleichsam aus einer Abfolge männlicher Genies. Etablierte akademische Netzwerke schreiben diese Stereotype – bisweilen unbewusst – fort, indem sie lieber Bewerber auswählen, die ihnen selbst ähnlich sind: Männer eben. Studien legen auch nahe, dass Jungwissenschafter in Empfehlungs-schreiben mit Eigenschaften versehen werden, die mehr auf ihre Leistung Bezug nehmen als bei Jungwissenschafterinnen.
Hinzu kommt, dass Frauen im privaten Bereich immer noch deutlich mehr Sorgearbeit übernehmen: Das macht es für sie schwieriger, eine Familie zu gründen und sich gleichzeitig in den prekären mittleren akademischen Karrierestufen von einer befristeten Anstellung zur nächsten zu hangeln.
Nicht ausgewogen
Das im Universitätsgesetz festgelegte Ziel, dass ‚in allen Arbeitsbereichen ein ausgewogenes Zahlenverhältnis zwischen Frauen und Männern erreicht wird‘, ist derzeit jedenfalls nicht erfüllt. Diverse Frauenfördermaßnahmen, seien es eigene Forschungsstipendien oder Mentoringprogramme, zeigen nur schleppend Wirkung.
Einen weitreichenden Versuch, die Sache zu beschleunigen, unternimmt nun die Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz. Sie will bis Herbst fünf Tenure-Track-Professuren im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) besetzen, für die Männer von vornherein nicht infrage kommen. Die Jobs wurden im Mai offiziell als ‚Frauenstellen‘ ausgeschildert, in den Ausschreibungstexten steht: ‚Es werden ausschließlich Bewerbungen von Frauen angenommen.‘
Das sorgt für Verwunderung. Klar ist, dass Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden dürfen – ja, laut Uni-Gesetz sollen sie in diesem Fall sogar bevorzugt werden. Aber ist es auch legal, Männern überhaupt keine Chancen auf bestimmte Professuren zu eröffnen?
Im Widerspruch zu EU-Recht
Die Juristin Andrea Potz hat diese Frage kürzlich in der Zeitschrift für Hochschulrecht beleuchtet. Im Gespräch mit dem STANDARD erläutert die Expertin für universitäres Arbeitsrecht: ‚Regelungen, die dem unterrepräsentierten Geschlecht automatisch und jedenfalls den Vorzug geben, sind nach der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unzulässig.‘ Demnach widerspreche die Schaffung reiner Frauenstellen dem Unionsrecht, weil diese eine ‚pauschale, undifferenzierte Bevorzugung‘ bedeuten.
Potz sagt: ‚Der EuGH war da bisher eindeutig, er lehnt eine absolute Bevorzugung von Frauen ab. Man darf den Zugang von Bewerbern nicht völlig abschneiden.‘ Um rechtskonform zu sein, brauche eine Ausschreibung immer eine "Öffnungsklausel", die unter berücksichtigungswürdigen Umständen auch die Aufnahme männlicher Kandidaten ermöglicht. Das könnten zum Beispiel Männer sein, die den Stereotypen von Frauenbildern entsprechen – alleinerziehende Väter etwa. Die Ausschreibung der Uni Linz enthält keine solche Öffnungsklausel. […][1]
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundes-ministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung nachstehende
Anfrage
1. Welche akademische Ausbildung ist für die o.g. fünf Tenure-Track-Professuren jeweils erforderlich?
2. Wie viele Studienanfänger gibt es in diesen Fächern an österreichischen Ausbildungsstätten jeweils? (Bitte um Aufschlüsselung nach Geschlechtern)
3. Wie viele Absolventen gibt es in diesen Fächern an österreichischen Ausbildungsstätten jeweils? (Bitte um Aufschlüsselung nach Geschlechtern)
4. Wie viele Professuren gibt es in diesen Fächern an österreichischen Ausbildungsstätten jeweils? (Bitte um Aufschlüsselung nach Geschlechtern)
5. Wie viele Bewerbungen hat es für die o.g. fünf Tenure-Track-Professuren gegeben?
6. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte bei der Ausschreibung der o.g. fünf Tenure-Track-Professuren der Ausschluss männlicher Bewerber?
7. Hat die Universität Linz in der Vergangenheit bereits einmal männliche Bewerber von Stellenausschreibungen ausgeschlossen?
a. Falls ja, wann und um welche Stellen ging es konkret?
8. Haben andere österreichische Ausbildungsstätten in der Vergangenheit bereits einmal männliche Bewerber von Stellenausschreibungen ausgeschlossen?
a. Falls ja, wann und um welche Stellen ging es konkret?
9. Warum schließt die Uni Linz gerade in einer neuen Studienrichtung Männer vom Bewerbungsprozess grundsätzlich aus?
10. Gibt es Hinweise darauf, dass Männer für die o.g. Tenure-Track-Professuren vielleicht weniger geeignet sein könnten als Frauen?
a. Falls ja, welche?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000279356/uni-linz-akzeptiert-fuer-neue-ki-professuren-keine-maenner-kann-das-legal-sein (aufgerufen am 19.07.2025)