328/J XXVIII. GP
Eingelangt am 20.12.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Pläne für ein Zahlungssystem für Überweisungen zwischen Europa und Iran
Am 13. Dezember 2024 veröffentlichte der Standard eine Recherche zur in Wien ansässigen Firma Blue River Retail GmbH (im Folgenden „Blue River“).[1] Dem Standard lägen Emails und Briefe vor, welche die Anbahnung einer Geschäftsbeziehung von Blue River und der deutschen Niederlassung der iranischen Middle East Bank belegen. Inhalt des vorgeschlagenen Geschäfts sei die Abwicklung von Überweisungen aus der EU in den Iran, die über das von Blue River entwickelte „S-Pay“ System getätigt werden. Die Rolle der Middle East Bank solle es sein, Gelder, die auf einem deutschen Konto der Bank eingingen, im Iran zur Verfügung zu stellen.
„S-Pay,“ eine registrierte Marke der Blue River, wird vordergründig als System entwickelt, über das per App Gutscheine für die vier von Blue River lizensierten Spar-Filialen im Iran gekauft werden können. So könnten etwa Iraner:innen in Europa Gutscheine an Verwandte im Iran schicken, welche bei allen von „S-Pay zertifizierten Partnern“ einlösbar seien.[2] Die dem Standard vorliegenden Dokumente würden nun jedoch darauf hinweisen, dass mit „S-Pay“ ein währungsübergreifendes Zahlungssystem geschaffen werden sollte.
Blue River bestreitet laut Standard die Vorwürfe: „S-Pay“ sei „nicht operativ“ und befinde sich „in der 'Stress-Test'-Phase“. Es gebe zudem „keinen Bargeld-Austausch“. Die Middle East Bank reagierte auf eine entsprechende Anfrage vom Standard nicht.
Das Netzwerk der Blue River besteht aus mehreren ähnlich lautenden Gesellschaften, der Blue River Retail GmbH, der Blue River Online GmbH sowie deren 100%iger Muttergesellschaft Blue River Holding GmbH. Die Blue River Retail GmbH, welche „S-Pay“ betreibt, ist an weiteren Blue River Gesellschaften beteiligt.[3]
Bereits am 13. November 2024 deckte eine investigative Recherche des Standard auf, dass enge Vertraute sowie Familienmitglieder von Angehörigen des iranischen Regimes über die Blue River Visa für den Schengen-Raum erhielten.[4] Nach Informationen des Standard stellte die Firma den betreffenden Personen Einladungsschreiben aus und unterstützte sie offenbar auch bei der Kontoeröffnung in Österreich. In dieser Sache wurden bereits Anfragen an den Außen- und Innenminister gerichtet.[5]
Im Zusammenhang mit dem mutmaßlich in Österreich entwickelten „S-Pay“ stellen sich nun neue Fragen rund um die Legalität dieser Praxis angesichts der Sanktionierung bestimmter Personen und Einrichtungen im Iran sowie bestimmten Exportgütern und den erhöhten Anforderungen an Firmen und Finanzinstitute bezüglich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
Die iranische Revolutionsgarde war und ist an der Gründung, Ausbildung und Finanzierung der radikalislamistischen Hizbollah im Libanon beteiligt, die jüngst sogar bei einem Raketenangriff acht österreichische Angehörige der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) verletzten.[6] Ihre Symbole sind in Österreich mittlerweile verboten. Auch die radikalislamistische Hamas, die für den bestialischen Angriff des 7. Oktober auf Israel verantwortlich ist und nach wie vor über 100 israelische Geiseln festhält, wird von der Revolutionsgarde logistisch und finanziell unterstützt.[7]
Die Financial Action Task Force, der Standardsetzer für die internationale Geldwäschebekämpfung im Finanzsektor, führt den Iran aufgrund seiner Rolle in der Terrorismusfinanzierung seit Jahren auf der sogenannten „schwarzen Liste“. Diese gibt den FATF-Mitgliedsstaaten, zu denen auch Österreich gehört, Empfehlungen im Umgang mit Hochrisiko-Ländern wie dem Iran. Bereits 2019 hatte die FATF ihre Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, „verstärkte aufsichtsrechtliche Prüfungen für Zweigstellen und Tochtergesellschaften von Finanzinstituten mit Sitz im Iran zu verlangen, verbesserte einschlägige Meldemechanismen oder eine systematische Meldung von Finanztransaktionen einzuführen und strengere Anforderungen an die externe Prüfung von Finanzgruppen in Bezug auf alle ihre Zweigstellen und Tochtergesellschaften mit Sitz im Iran zu fordern.“[8]
Nunmehr vertritt die FATF den Standpunkt, dass die Mitgliedsstaaten, zu denen auch Österreich gehört, effektive Gegenmaßnahmen setzen sollen. Beispiele dafür sind etwa die verstärkte Sorgfaltspflicht, die Einführung verstärkter Meldemechanismen für Finanztransaktionen, das Verbot der Gründung von Tochtergesellschaften oder Zweigstellen oder Repräsentanzen von Finanzinstituten aus dem betreffenden Land oder durch Finanzinstitute in dem betreffenden Land. Ganz allgemein zählt zu den Gegenmaßnahmen aber auch die Beschränkung der Geschäftsbeziehungen oder Finanztransaktionen mit dem identifizierten Land oder Personen in diesem Land.[9]
Der oben beschriebene Sachverhalt ist von höchster Relevanz für den österreichischen Finanzplatz und seine Aufsicht, da das Potenzial zum Missbrauch eines Zahlungsdienstleisters für die Zwecke der Terrorismusfinanzierung besteht.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Ist dem Finanzminister das Projekt „S-Pay“ oder die ausführende Gesellschaft Blue River GmbH bekannt?
2) Wurden das BMF, der Finanzminister oder seine Mitarbeiter:innen von den Vorkommnissen rund um die Blue River GmbH in Kenntnis gesetzt? Gab es eine Kontaktaufnahme oder den Versuch der Kontaktaufnahme?
3) Unterliegt das Projekt „S-Pay“ den Regularien der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA), und wenn ja, wurden entsprechende Genehmigungen eingeholt oder Vorgespräche geführt?
4) Gibt es Hinweise darauf, dass „S-Pay“ gegen Sanktionen der EU oder Österreichs gegenüber dem Iran verstößt?
a. Wenn ja, welche und was wurde dagegen unternommen?
5) Wurden Maßnahmen ergriffen um Zahlungsdienstleister zu überprüfen, die in Geschäftsbeziehungen mit Hochrisikoländern wie dem Iran stehen?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, warum nicht?
6) Welche Vorkehrungen trifft das BMF, um die Einhaltung der Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) sicherzustellen?
a. Welche Auswirkungen drohen bei Verletzung der FATF-Empfehlungen für den Finanzplatz Österreich?
7) Besteht ein Verdacht, dass „S-Pay“ zur Umgehung von Sanktionen oder zur Terrorismusfinanzierung genutzt werden könnte?
a. Wenn ja, was wurde dagegen unternommen?
8) Sind direkte oder indirekte Geschäftsbeziehungen zwischen der Middle East Bank und der Blue River GmbH bekannt?
a. Wenn ja, welche?
9) Wurden Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass Banken mit Verbindungen in den Iran nicht für illegale Aktivitäten genutzt werden?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, warum nicht?
10) Gibt es derzeit Maßnahmen zur verstärkten Überwachung von Unternehmen wie der Blue River Retail GmbH, die mit autoritären Regimen wie Iran in Verbindung stehen könnten?
11) Welche geopolitischen Risiken könnten durch den Betrieb eines Zahlungssystems mit Verbindungen zum Iran entstehen?
12) Inwiefern könnte das Projekt „S-Pay“ die Glaubwürdigkeit Österreichs im internationalen Kontext beeinflussen, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung internationaler Sanktionen?
13) Wurden internationale Behörden oder Institutionen über mögliche Unregelmäßigkeiten in Kenntnis gesetzt?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000248920/die-geheimen-plaene-einer-wiener-firma-die-im-iran-supermaerkte-betreibt
[2] Siehe Website von „S-Pay“: https://s-pay.click/
[3] https://www.northdata.de/Blue%20River%20Retail%20GmbH,%20Wien/473822y
[4] https://www.derstandard.at/story/3000000244550/firma-unter-dem-dach-von-spar-schleuste-mitglieder-der-elite-des-mullah-regimes-nach-oesterreich
[5] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/J/73 und https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/J/74
[6] https://www.politico.eu/article/iran-terror-financing-middle-east-war-petrol-arab-gaza-israel-watchdog/; https://www.bmeia.gv.at/ministerium/presse/aktuelles/2024/10/aussenminister-schallenberg-angriffe-auf-un-friedenstruppen-sind-voellig-inakzeptabel-und-ein-bruch-des-internationalen-voelkerrechts
[7] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-hamas-unterstuetzung-100.html
[8] Übersetzt aus https://www.fatf-gafi.org/en/publications/High-risk-and-other-monitored-jurisdictions/Call-for-action-october-2024.html
[9] Siehe dazu die Interpretive Note zur Empfehlung 19 der FATF-Empfehlungen. https://www.fatf-gafi.org/content/dam/fatf-gafi/recommendations/FATF%20Recommendations%202012.pdf.coredownload.inline.pdf