3402/J XXVIII. GP
Eingelangt
am 25.09.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt.
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Anfrage
der Abgeordneten Olga Voglauer, Barbara Neßler, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend mutmaßliche Gewalt- und Missbrauchsfälle im SOS-Kinderdorf Moosburg
BEGRÜNDUNG
Am 17. September 2025 berichtete die Wochenzeitung Falter ausführlich über schwerwiegende Vorwürfe gegen das SOS-Kinderdorf Moosburg in Kärnten. Zwischen 2008 und 2020 sollen dort Kinder – die eigentlich Schutz, Geborgenheit und Fürsorge hätten erfahren müssen – wiederholt und über Jahre hinweg misshandelt, erniedrigt und ihres Grundrechts auf Sicherheit beraubt worden sein.
Dokumentiert wurden Fälle, in denen Kinder eingesperrt, vom Trinken abgehalten, geschlagen oder fixiert wurden. Ein Pädagoge soll Nacktfotos von Kindern gespeichert haben. Selbst der damalige Dorfleiter, der in besonderem Maße Verantwortung getragen hätte, soll nicht nur weggesehen, sondern selbst Gewalt angewendet haben. Besonders bitter: Viele dieser Vorfälle wurden von den Betroffenen genau erinnert und von Mitarbeiter:innen dokumentiert – ohne dass dies zu wirksamen Konsequenzen führte.
Eine im Jahr 2021 erstellte unabhängige Studie belegt das Ausmaß dieser systematischen Gewalt und spricht von einem regelrechten „Missbrauchssystem“, das über Jahre hinweg möglich war. Doch statt vollständiger Aufklärung und transparenter Konsequenzen wurde die Studie zurückgehalten, Hinweise vertuscht und Betroffene lange allein gelassen.
Kinder, die in Einrichtungen wie SOS-Kinderdorf aufwachsen, sind besonders verletzlich. Sie haben ein Recht darauf, dass Justiz und Behörden sie in höchstem Maße schützen. Jeder Verdacht auf Misshandlung oder Missbrauch muss daher mit größter Sorgfalt und Konsequenz geprüft werden. Nur so kann Vertrauen in die Institutionen gewahrt und neues Leid verhindert werden.
Die Öffentlichkeit, die Betroffenen und ihre Familien haben ein Recht auf Aufklärung, Gerechtigkeit und die Gewissheit, dass strukturelle Gewalt gegen Kinder nicht länger geduldet oder vertuscht wird.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Ist Ihnen der obengenannte Fall bekannt?
a. Falls ja, wann und durch wen haben sie davon erfahren?
b. Liegt den Ermittlungsbehörden die oben genannte Studie vor?
2. Welche konkreten Maßnahmen wurden seitens des Justizministeriums nach Bekanntwerden der Vorwürfe aktuell gesetzt?
3. Sind beim Ministerium, den Staatsanwaltschaften oder der Kriminalpolizei Anzeigen wegen strafrechtswidriger freiheitsbeschränkender Maßnahmen im SOS Kinderdorf Moosburg in den Jahren von 2006 bis 2025 eingelangt? (Bitte um Auflistung der Anzahl pro Jahr und Differenzierung nach Stelle)
4. Lag dem Ministerium oder den Staatsanwaltschaften andere Informationen – unabhängig von Anzeigen – über die Vorgänge im SOS Kinderdorf vor?
5. In welchen Jahren und auf welcher Grundlage führte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt Ermittlungen im Zusammenhang mit dem SOS-Kinderdorf Moosburg?
a. Wurde sie dabei von selbst aktiv?
6. In welchen Jahren und auf welcher Grundlage führte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt Ermittlungen im Zusammenhang mit dem SOS-Kinderdorf Moosburg?
a. Wurde sie dabei von selbst aktiv?
7. Welche Straftatbestände (etwa Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen, Freiheitsentziehung, Körperverletzung, sexueller Missbrauch von Unmündigen, sexueller Missbrauch von Jugendlichen, pornographische Darstellungen Minderjähriger) standen jeweils im Zentrum dieser Ermittlungen?
a. Wenn Verfahren eingestellt wurden, aus welchen konkreten Gründen wurden diese eingestellt?
8. Inwieweit war die fachliche Aufsicht der Landesregierung Kärnten in die Ermittlungen involviert?
9. Welche Anzeigen durch die fachliche Aufsicht des Landes Kärnten sind bei den Staatsanwaltschaften betreffend der Vorgänge im SOS-Kinderdorf Moosburg eingelangt?
10. Prüfen die Staatsanwaltschaften, ob die Aufsicht des Landes Kärnten ihren Aufgaben nachgekommen ist?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, was wird geprüft und werden Ermittlungen eingeleitet?
11. Wurde die Existenz von Nacktfotos auf dem Laptop eines Pädagogen im Zuge von Ermittlungen berücksichtigt?
a. Falls ja: weshalb kam es dennoch zu keiner Anklage?
b. Falls nein: warum nicht?
13. Wurden die davon betroffenen Kinder und Jugendlichen im Zuge der Ermittlungen einvernommen und psychologisch begleitet?
a. Von wie vielen Betroffenen gehen Sie aus?
b. Wird es Einvernahmen mit allen Betroffenen geben, bzw. fanden bereits Einvernahmen statt? Wenn nein, welche Gründe stehen Einvernehmungen entgegen?
c. Wie viele von den Einvernommen sind weiterhin minderjährig?
d. Wie viele sind mittlerweile volljährig?
14. Welche Kriterien wendet die Staatsanwaltschaft bei der Beurteilung an, ob Nacktfotos von Kindern strafrechtlich relevant sind?
15. Wurden die in der 2021 erstellten, vom SOS-Kinderdorf unter Verschluss gehaltenen und nunmehr medial bekanntgewordenen Studie dokumentierten Vorfälle von den Justizbehörden zur Kenntnis genommen und strafrechtlich geprüft?
a. Wenn nein, warum nicht?
16. Wurden die von den dort geschilderten Vorfällen betroffenen Kinder und Jugendlichen im Zuge der Ermittlungen einvernommen und psychologisch begleitet?
a. Von wie vielen Betroffenen gehen Sie aus?
b. Wird es Einvernahmen mit allen Betroffenen geben, bzw. fanden bereits Einvernahmen statt? Wenn nein, welche Gründe stehen Einvernahmen entgegen?
c. Wie viele von den Einvernommen sind weiterhin minderjährig?
d. Wie viele sind mittlerweile volljährig?
17. Gab es interne Evaluierungen innerhalb des Justizministeriums oder der Staatsanwaltschaften, ob in diesem Fall Ermittlungsfehler oder Versäumnisse vorlagen?
a. Wenn nein, werden Sie solche veranlassen?
18. Wurde oder wird die Wiederaufnahme eingestellter Verfahren im Zusammenhang mit den Vorfällen im SOS-Kinderdorf Moosburg in Anbetracht der neuen Beweise, wie der Studie, geprüft?
a. Wenn ja, worauf wird geprüft und wie werden die Ermittlungen ausgeweitet?
19. Welche Maßnahmen setzt das Justizministerium, um sicherzustellen, dass in Fällen institutionalisierter Gewalt an Kindern ein sensibler, opferschutzorientierter und konsequenter Ermittlungsansatz gewährleistet wird?
20. Plant die Ministerin gesetzliche oder organisatorische Maßnahmen, um Versäumnisse bei der Strafverfolgung wegen institutioneller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Zukunft auszuschließen?
21. Gibt es Gewaltpräventionskonzepte im SOS Kinderdorf Moosburg
a. Wie wird sicher gestellt, dass diese auch in der Praxis eingesetzt werden?
b. Wieviele Mitarbeiter:innen haben in den ersten 100 Tagen nach Arbeitsbeginn im SOS Kinderdorf eine Schulung zur Gewaltprävention erhalten?
22. Sind Ihnen ähnliche Vorfälle aus anderen Einrichtungen bekannt?
a. Wenn ja, welche?