3476/J XXVIII. GP
Eingelangt am 30.09.2025
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ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Marie-Christine Giuliani-Sterrer
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Gesundheitsgefährdung von Beamten im Einsatz durch mangelhafte Ausstattung der Schnellen Interventionsgruppe (SIG) mit elektronischen Gehörschutzsystemen
Die Sicherheitslage in Österreich ist in den letzten Jahren zunehmend von terroristischen Bedrohungen, gewalttätigen Angriffen auf Einsatzkräfte und extremis-tischen Entwicklungen geprägt. Die politische Antwort darauf beschränkt sich jedoch oftmals auf symbolhafte Maßnahmen, die in der öffentlichen Kommunikation groß inszeniert werden, im sicherheitsbehördlichen Alltag jedoch kaum Wirkung entfalten.
Ein besonders augenfälliges Beispiel dafür ist die Gründung der sogenannten „Schnellen Interventionsgruppe“ (SIG), welche vom Bundesministerium für Inneres als moderne Spezialeinheit für Hochrisikoeinsätze positioniert wurde. Ziel sei es, in besonders bedrohlichen Einsatzlagen schnell und flexibel reagieren zu können. Die Realität zeigt jedoch, dass es der Bundesregierung an der Bereitschaft fehlt, diese Einheiten mit der notwendigen Basisausstattung zu versehen.
So verfügen die Beamten der SIG bis heute nicht über elektronische Aktivgehörschutz-systeme, wie sie international längst als Mindeststandard gelten. Stattdessen kommen in der Praxis passive Einweg-Gehörschutzstöpsel zur Anwendung. Diese bieten zwar einen gewissen Schutz vor unmittelbaren Lärmbelastungen wie Schüssen, führen jedoch zu gravierenden Einschränkungen in der Einsatzkommunikation.
In dynamischen Szenarien, insbesondere bei Schusswaffeneinsatz in geschlossenen Räumen, ist die Fähigkeit zur klaren Kommunikation und zum situativen Wahrnehmen der Umgebung entscheidend für den Einsatzerfolg und die Sicherheit aller Beteiligten. Passive Stöpsel schirmen jedoch nicht nur den Schall, sondern auch sprachliche Signale und Umgebungsgeräusche ab. Dies beeinträchtigt das Lagebewusstsein massiv und erhöht die Gefahr von Fehlreaktionen.
Derartige Lagen sind keineswegs theoretischer Natur. Der Amoklauf in Graz hat auf tragische Weise gezeigt, unter welchen Bedingungen Einsatzkräfte binnen Sekunden höchste Gefahrenlagen bewältigen müssen. Gerade in solchen Szenarien stellt ein zeitgemäßer, elektronischer Gehörschutz keine optionale Zusatztechnik dar, sondern eine unabdingbare Schutzausrüstung zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit und zur Vermeidung irreversibler Gesundheitsschäden.
Dabei ist zu beachten, dass das korrekte Einsetzen dieser Stöpsel unter hohem Zeitdruck und Stress erfolgt, also unter Bedingungen, die einer präzisen Handhabung nicht gerade zuträglich sind. Selbst bei korrektem Einsatz bleibt stets ein Spannungs-verhältnis bestehen: Der Schutz der Gehörgesundheit und die langfristige Einsatz-bereitschaft der Beamten stehen im Widerspruch zur unmittelbaren Einsatzfähigkeit in der konkreten Einsatzsituation.
Beamte der SIG berichteten, dass es aufgrund dieser Umstände in Niederösterreich bereits zu Vorfällen mit Gehörsturz und Tinnitus gekommen sei.
Während also von Seiten des Innenministeriums der sicherheitspolitische Anspruch betont wird, bleibt die tatsächliche Ausrüstung jener Kräfte, die an vorderster Linie stehen, mangelhaft. Dies wirft zentrale Fragen hinsichtlich der politischen Verantwortung, der Budgetprioritäten und des tatsächlichen Stellenwerts der Exekutive im sicherheitspolitischen Gesamtbild auf.
In diesem Zusammenhang richtet die unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Inneres nachstehende
Anfrage
1. Welche konkreten Gehörschutzsysteme werden derzeit innerhalb der Schnellen Interventionsgruppe (SIG) standardmäßig eingesetzt?
2. Inwieweit erfüllen diese Produkte internationale Anforderungen an taktische Einsatz-Kommunikation bei Schusswaffengebrauch in geschlossenen Räumen?
3. Welche Richtlinien oder Standards bestehen innerhalb des BMI hinsichtlich des Gehörschutzes bei Hochrisikoeinsätzen?
4. Wurde im Zuge der Gründung der SIG eine Ausstattung mit aktivem, elektronischem Gehörschutz in Betracht gezogen?
a. Wenn ja, warum wurde davon abgesehen?
b. Wenn nein, warum nicht?
5. Wurde seit Bestehen der SIG eine Ausschreibung oder Beschaffung für elektronische Gehörschutzsysteme durchgeführt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn nein, sind entsprechende Beschaffungen geplant?
6. Welche Produkte wurden bei der Auswahl der derzeit verwendeten Gehör-schutzsysteme evaluiert?
7. Anhand welcher Kriterien wurde entschieden die aktuell eingesetzten Gehör-schutzsysteme zu verwenden?
8. In welcher Weise wurde bei der SIG-Ausstattung auf internationale Vergleichs-einheiten Bezug genommen?
9. Liegen dem BMI Meldungen zu gesundheitlichen Vorfällen bei SIG-Beamten im Zusammenhang mit Lärmexposition im Einsatz vor (z. B. Tinnitus, Gehörsturz)?
a. Wenn ja, welche genau und wann haben diese stattgefunden?
b. Welche dienst- oder arbeitsmedizinischen Maßnahmen wurden in diesen Fällen ergriffen?
10. Welches Budget wurden seit Gründung der SIG jeweils in den Jahren 2023 und 2024 für persönliche Schutzausrüstung veranschlagt und tatsächlich verwendet?
11. Welches Budget wurden seit Gründung der SIG jeweils in den Jahren 2023 und 2024 für Öffentlichkeitsarbeit und Medienauftritte des BMI veranschlagt und tatsächlich verwendet?
12. Welche Stellen oder Abteilungen im BMI sind für die Ausstattung der SIG zuständig?
13. Wie wird sichergestellt, dass SIG-Beamte bei jeder Einsatzlage über einsatz-taugliche und gesundheitlich unbedenkliche Kommunikationsmittel verfügen?