3483/J XXVIII. GP

Eingelangt am 01.10.2025
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Christian Ragger

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten-schutz

betreffend Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz

 

 

Am 18. September 2025 veröffentlichte die Lebenshilfe Österreich folgende Presse-aussendung:

 

„Wer Persönliche Assistenz braucht, soll sie bekommen! Lebenshilfe Österreich fordert Rechtsanspruch für ALLE Menschen mit Behinderungen.

Lebenshilfe überreicht Bau-Helm an Sozialministerin Schumann

 

Wien (OTS) - Selbst über das eigene Leben bestimmen – dieses Recht haben alle Menschen, auch Menschen mit intellektuellen Behinderungen. Persönliche Assistenz ist das einzige Modell, das ihnen dieses selbstbestimmte Leben ermöglicht.

 

Die Lebenshilfe Österreich fordert die Regierung auf, das Recht auf Persönliche Assistenz in konkrete Gesetze umzuwandeln. ‚Es geht hier um ein Menschenrecht. Es wird Zeit, dass Österreich dieses respektiert und entsprechend handelt‘, so Philippe Narval, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich beim Antrittsbesuch im Sozial-ministerium. ‚Sauber, satt und sicher reicht nicht. Menschen auch mit hohem Unterstützungsbedarf wollen Wahlfreiheit und ein selbstbestimmtes Leben mit Persönlicher Assistenz. Zahlreiche internationale Beispiele – Basis für das Konzept der Lebenshilfe – zeigen, wie das geht. Was es jetzt braucht, ist politischer Wille.‘

 

‚Persönliche Assistenz ist lebensnotwendig, um nicht immer abhängig zu sein – von Familie, Partner*in oder Freund*innen‘, Hanna Kamrat, Vize-Präsidentin der Lebens-hilfe Österreich lebt selbst seit 25 Jahren mit Persönlicher Assistenz. ‚Ausgerechnet ein System für Menschen mit Behinderungen ist so kompliziert, dass sogar Expert*innen es nicht durchschauen.‘

 

Jedes Bundesland hat eigene Regeln. Es hängt von Glück oder Pech ab, in welchem Bundesland man geboren wurde. Und Assistenz ist nicht gleich Assistenz: Es gibt Freizeit-Assistenz, Arbeits-Assistenz, Wohn-Assistenz. Die UN-Behindertenrechts-konvention fordert eine umfassende Assistenz für ein selbstbestimmtes Leben, deren Umsetzung steht in Österreich weiterhin aus.

 

Die Lebenshilfe Österreich fordert:

·         Bundesweiter Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz für ALLE Menschen mit Behinderungen, auch für Menschen mit intellektuellen Behinderungen

·         Bundeseinheitliche Regelung für ganz Österreich und Zusammenführung von Arbeits-, Freizeit- und Wohn-Assistenz (Harmonisierung)

·         Ausreichende finanzielle Mittel für ganz Österreich und Orientierung am individuellen Bedarf der jeweiligen Personen

 

In Österreich haben aktuell nur wenige Menschen mit intellektuellen Behinderungen die Möglichkeit, mit Persönlicher Assistenz zu leben. Sie sind der Beweis dafür, dass Persönliche Assistenz auch für diese Gruppe funktioniert.

 

Zwei konkrete Beispiele aus Salzburg und Tirol:

Vinko Najdek aus Salzburg nimmt seit 2017 Persönliche Assistenz in Anspruch. Er war einer der ersten, der im damaligen Pilotprojekt des Landes Salzburg als Mann mit Lernschwierigkeiten Persönliche Assistenz bekam. Heute lebt Vinko Najdek in seiner eigenen Wohnung, bekommt Unterstützung im Privatbereich von Persönlichen Assistent*innen im Dienstleistungsmodell durch die Lebenshilfe Salzburg. Von zu Hause aus arbeitet er für einen Weinvertrieb und erhält dabei Unterstützung durch Arbeitsassistenz. Die beiden Assistenz-Systeme sind nach wie vor getrennt.

 

Im Land Salzburg ist heute Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderungen verankert. Anbieter sind die Lebenshilfe Salzburg und die Caritas.

 

Renate Plansky aus Tirol ist eine taube Frau. Sie hat zuvor in einem Wohnhaus der Lebenshilfe Tirol gewohnt. Dank ihrer Persönlichen Assistentin, die sie sich selbst ausgesucht hat, kann sie heute so leben wie andere auch und wohnt in einer eigenen Wohnung. Die Persönliche Assistentin ist selbst taub und hat die Bedürfnisse von Renate Plansky sofort verstanden.

 

Persönliche Assistenz ist in diesem Fall möglich, weil die Lebenshilfe Tirol Leistungen aus dem Tiroler Teilhabegesetz (TTHG), nämlich die ‚Mobile Begleitung‘ und die ‚Persönliche Assistenz‘, kombiniert.

 

‚Baustelle Inklusion‘: Bau-Helm ab sofort im Sozialministerium

Als Symbol dafür, dass in Österreich noch viel für Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu tun ist, überreichte die Lebenshilfe Österreich symbolisch den Bau-Helm an Sozialministerin Schumann, der bei der Protest-Aktion ‚Baustelle Inklusion‘ am 5. Mai 2025 vor dem Parlament zum Einsatz kam.“[1]

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundes-ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

Anfrage

 

  1. Wann plant die Bundesregierung, den bundesweiten Rechtsanspruch auf Persönliche Assistenz gesetzlich zu verankern, damit alle Menschen mit Behinderungen, auch mit intellektuellen Beeinträchtigungen, einen Anspruch haben?
  2. Wie stellen Sie sicher, dass dieser Rechtsanspruch nicht durch Länder-unterschiede (z. B. bei Bestimmungen, Finanzierung, Zugang, Qualität) relativiert wird und Diskriminierung vorgebeugt wird?
  3. Gibt es bereits einen Zeitplan bzw. einen Gesetzesentwurf, in dem Arbeits-, Freizeit- und Wohn-Assistenz harmonisiert werden, wie es die Lebenshilfe fordert?
  4. Wie soll in Zukunft die finanzielle Ausstattung dafür sichergestellt werden, dass der individuelle Assistenzbedarf ausreichend gedeckt wird, besonders für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf?

5.    Wird es ein Budgetmodell geben, in dem Personen selbständig entscheiden können, wieviel Assistenz sie in welchen Bereichen benötigen, ohne bürokratische Hürden?

  1. Wie wollen Sie verhindern, dass der Zugang zu Persönlicher Assistenz weiterhin vom Bundesland, dem Wohnort oder anderen Faktoren abhängt, wie es aktuell kritisiert wird?

7.    Was wird getan, damit Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf und mit intellektuellen Beeinträchtigungen auch tatsächlich Anspruch auf Assistenz haben?

8.    Welche Maßnahmen sind geplant, um das Assistenzsystem einfacher und transparenter zu gestalten, sodass sowohl Betroffene als auch Angehörige sich leichter informieren können, wie man zu Assistenz gelangt, und ein nieder-schwelliger Zugang garantiert wird?

9.    Wie wird die Qualität der Assistenzleistung sichergestellt hinsichtlich Ausbildung der Assistenten, Begleitstandard, Rechte und Pflichten?

10. Welche Kontroll- oder Beschwerdemechanismen werden eingerichtet, damit Menschen mit Behinderungen mit der Assistenz, die sie erhalten, zufrieden sind und Missstände gemeldet werden können?



[1]   https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250918_OTS0025/wer-persoenliche-assistenz-braucht-soll-sie-bekommen-lebenshilfe-oesterreich-fordert-rechtsanspruch-fuer-alle-menschen-mit-behinderungen