3539/J XXVIII. GP
Eingelangt am 03.10.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Barbara Neßler, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Gewalt, Manipulation und mögliche Sektenstrukturen rund um Markus Streinz
In Österreich darf niemand Angst davor haben müssen, Opfer von Gewalt, Manipulation oder Missbrauch zu werden – schon gar nicht unter dem Deckmantel von „Spiritualität“ oder „Coaching“.
Die jüngsten Recherchen von Datum[1] und dem ORF[2] haben erschütternde Einblicke in die Praktiken des selbsternannten Coaches Markus Streinz geliefert. Frauen berichten von Schlägen, Erniedrigungen, sexueller Gewalt und massiver psychischer Manipulation. Streinz selbst hat Gewaltakte in sozialen Medien veröffentlicht und sich in internen Chats mit Vergewaltigungen gebrüstet.
Besonders alarmierend ist, dass trotz mehrfacher Anzeigen und einer Gefährdungsmeldung der Bundesstelle für Sektenfragen Verfahren eingestellt wurden – teilweise aus Mangel an Beweisen, teilweise nach Rückzug von Anzeigen, offenbar aus Angst vor Drohungen und Repressionen. Viele Betroffene fühlen sich mit ihrem Leid allein gelassen und verlieren das Vertrauen in die Justiz.
Hinzu kommt, dass Streinz seine „Liberator Academy“ in Form eines Vereins betreibt. Dadurch stellen sich Fragen nach finanzieller Transparenz, möglicher Steuerhinterziehung und nach dem Missbrauch einer Vereinsstruktur zur Verschleierung privater Bereicherung.
Es geht hier nicht nur um einen einzelnen Mann, sondern um den Schutz von Menschen in Österreich vor Missbrauch in sektenähnlichen Gemeinschaften. Wenn Betroffene nicht ausreichend geschützt und Täter nicht konsequent verfolgt werden, entsteht der fatale Eindruck: Gewalt bleibt folgenlos. Das dürfen wir als Rechtsstaat nicht zulassen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Ist Ihnen der gegenständliche Fall „Markus Streinz“ bekannt?
a) Wenn ja, seit wann?
2) Haben Sie bzw. Ihr Ressort bis jetzt konkrete Schritte gegen die Verbreitung seiner gewaltverherrlichenden Inhalte unternommen, und falls ja welche?
3) Haben Sie bis jetzt konkrete Schritte unternommen um eine strafrechtliche Verfolgung einzuleiten?
4) Wie viele Anzeigen gibt es seit 2020 gegen Markus Streinz und mit welchem Ergebnis?
5) Wieviele Verfahren gab es in Österreich seit 2020 gegen Markus Strainz?
a) Welche Gründe führten zur Einstellung einzelner Verfahren?
6) Wurden die im Artikel dokumentierten Videoaufnahmen, in denen Markus Streinz selbst Gewalt gegen Frauen ausübt, als Beweismittel von den Ermittlungsbehörden sichergestellt und ausgewertet?
a) Falls nein, aus welchen Gründen nicht?
7) Wurde in den bisherigen Verfahren eine Opferanwältin bzw. psychosoziale Prozessbegleitung für die Betroffenen beigezogen?
a) Falls nein, weshalb nicht?
8) Welche Rolle spielten mögliche Drohungen, Erpressungen oder Einschüchterungen von Betroffenen bei der Bewertung der Beweise durch die Staatsanwaltschaft?
9) Wurde geprüft, ob Streinz durch Drohung mit der Veröffentlichung intimer Aufnahmen gegen § 107a StGB (beharrliche Verfolgung) verstößt?
10) Besteht der Verdacht, dass Streinz eine kriminelle Vereinigung im Sinne von § 278 StGB bildet, da er gemeinsam mit engen Vertrauten systematisch Gewalt rechtfertigt, Betroffene einschüchtert und Anhänger zu Übergriffen anstachelt?
a) Falls ja, wird wegen diesem Tatbestand ermittelt?
11) Ist dem Justizministerium bzw. den Strafverfolgungsbehörden bekannt, dass Markus Streinz seine „Liberator Akademie“ in Form eines Vereins organisiert hat?
12) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass Gelder aus dem Vereinsvermögen zweckwidrig für private Zwecke von Markus Streinz oder seinen Vertrauten verwendet werden?
13) Wird untersucht, ob Teilnehmer:innen der „Liberator Akademie“ in ein Schneeballsystem oder eine strukturierte Provisionskette eingebunden sind, die möglicherweise gegen § 168a StGB (Ketten- und Pyramidenspiele) verstößt und falls ja mit welchem Ergebnis?
14) Wurden in den bisherigen Ermittlungen auch etwaige Bankverbindungen des Vereins überprüft, um Zahlungsflüsse transparent darzustellen?
15) Wurde geprüft, ob die Vereinsstruktur missbraucht wird, um strafrechtlich relevante Handlungen (z. B. Anstiftung zu Gewalt, Verbreitung von Inhalten, Einschüchterung von Betroffenen) zu decken?
16) Welche Maßnahmen setzt das Justizministerium, um bei Gewalt- und Missbrauchsvorwürfen in sektenähnlichen Strukturen das Abhängigkeitsverhältnis der Betroffenen ausreichend zu berücksichtigen?
17) Welche Schutzmechanismen bestehen für Betroffene, die aufgrund von Manipulation, Drohungen oder Angst vor öffentlicher Bloßstellung (z. B. durch intime Aufnahmen) keine Anzeige erstatten oder diese zurückziehen?
18) Sehen Sie bzw. Ihre Ressort Handlungsbedarf, um die Beweisaufnahme in Fällen psychischer und physischer Abhängigkeit zu verbessern?
19) Welche Kooperationen bestehen zwischen Justiz, Polizei und der Bundesstelle für Sektenfragen, um Gefährdungsmeldungen rasch zu prüfen und Betroffene effektiv zu schützen?
20) Planen Sie Vorschläge für gesetzliche Änderungen, um das Vorgehen gegen sektenartige Strukturen, die psychische und physische Gewalt rechtfertigen, zu erleichtern?
21) Wie stellen Sie sicher, dass die Justiz ihrer Aufgabe gerecht wird und Frauen vor mutmaßlichen Tätern wie Markus Streinz effektiv geschützt werden?
22) Welche Überlegungen gibt es um junge Menschen vor unseriösen und gefährlichen Coaching-Angeboten zu schützen?