3606/J XXVIII. GP

Eingelangt am 07.10.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Nina Tomaselli, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend: Wie oft soll sich Österreich noch wegen Raiffeisen-Interessen auf internationaler Ebene blamieren?

BEGRÜNDUNG

 

1.321 Tage - so lange dauert der völkerrechtswidrige, menschenverachtende Krieg in der Ukraine. 1320 Tage lang gelten die EU-Sanktionen zum Schutz der ukrainischen Bevölkerung gegen den Aggressor Russland. Und genau so lange dauert bereits das Katz-und-Maus-Spiel der Raiffeisen International (RBI), diese Sanktionen für den eigenen Vorteil zurechtzubiegen. Trotz immensem internationalem Reputationsverlust für das Bankinstitut und den Finanzplatz Österreich, hält die Raiffeisen an dem Raiffeisen-eigenen Bankinstitut in Russland unverändert fest - mit tatkräftiger Unterstützung durch die österreichische Bundesregierung.

Bereits in der Vergangenheit fielen ÖVP-Regierungsmitglieder immer wieder durch unpassende politische Unterstützungshandlungen auf. So bat Ex-Finanzminister Brunner beispielsweise laut der Nachrichtenagentur Reuters den US-Sanktionschef, den Druck auf die RBI nicht weiter zu erhöhen.[1] Mehr als irritierend war schließlich der Brief von Brunner an die Leitung der unabhängigen Bankenaufsicht EZB, in dem er sich geringschätzig über die EZB-Forderung nach einer Beendigung des russischen Bankengeschäfts äußerte.[2]

Nun wurde kürzlich durch Recherchen der Financial Times bekannt, dass das offizielle Österreich das neue EU-Sanktionspaket so ändern möchte, dass die RBI in Österreich mit Strabag-Aktien von Oleg Deripaska iHv 2 Mrd. Euro für ein russisches Gerichtsurteil gegen die RBI-Russlandtochter mit der gleichen Höhe entschädigt wird.[3]

Die Idee zum Tausch von Strabag- und Raiffeisenaktien stammt aus dem Jahr 2023 und wurde von der US-Sanktionsbehörde OFAC im Mai 2024 vereitelt. Dort wurde die Transaktion - wenig überraschend - als „attempted sanctions evasion scheme“ – also einen versuchten Sanktionsumgehungsplan eingestuft. Der RBI wurde im Fall einer Fortführung des Geschäfts mit erschwertem Zugang zum US-Finanzsystem, also dem Handeln mit Dollar, gedroht. Nach dieser Warnung brach die RBI die Pläne ab.[4]

Umso skandalöser ist das nun bekannt gewordene Lobbying der Bundesregierung für Raiffeisen im Zuge der Verhandlungen zum neuen Sanktionspaket. Laut derStandard.at wird das Engagement mit einem Einsetzen für die Belange  österreichischer Unternehmen in Brüssel verglichen.[5] Der verheerende Domino-Effekt, die Folgen für die Treffsicherheit von Sanktionen, spielen bei den aktuellen Überlegungen offenbar keine Rolle. Denn werden die sanktionierten Strabag-Aktien ausgelöst, dann werden noch viele eingefrorene russische Vermögen folgen. Und das just zu dem Zeitpunkt, als auf europäischer Ebene die Pläne verhandelt werden, genau solche eingefrorenen russischen Vermögen zur Unterstützung für die Ukraine heranzuziehen.[6]

Fakt ist, die Raiffeisenbank ist nicht völlig schuldlos in diese Situation geschlittert. Spätestens seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014, muss Raiffeisen bewusst gewesen sein, mit welchem Regime man es zu tun hat. Die Investition wurde zu einer Risikoinvestition. Und trotzdem hat die Zentrale in Wien nichts unternommen, ernsthaft das Engagement in Russland einzustellen. Auch nicht seit dem Krieg in der Ukraine - entgegen öffentlicher Beteuerungen. Es sei nur beispielsweise daran erinnert, dass in den ersten Monaten nach Kriegsbeginn das Russlandgeschäft sogar vergrößert wurde.[7] Letztes Jahr wurde bekannt, dass 2.400 neue Jobs bei der Russlandtochter ausgeschrieben wurden.[8] Und soweit medial bekannt, würde ja auch die Entschädigung mit den Strabag-Aktien nicht dazu führen, dass die russische Tochter verkauft wird, sondern nur, dass 2 Milliarden Euro der in Russland sanktionierten Bankengewinne nach Österreich kommen.

Die Raiffeisen will das selbst verschuldete (!) Problem aussitzen und die Bundesregierung hilft ihr dabei.

Strenge Sanktionen gegen Russland sind kein Selbstzweck, sondern ein notwendiges Mittel, um den Bruch des Völkerrechts und den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu ahnden. Ihre Wirksamkeit hängt davon ab, dass alle Staaten sie konsequent umsetzen – auch Österreich.

Wenn die Bundesregierung stattdessen versucht, einzelne Firmen wie die Raiffeisen Bank zu schützen, sendet das ein gefährliches Signal: Wirtschaftliche Interessen werden über Solidarität mit der Ukraine und europäische Rechtsprinzipien gestellt. Wer Sanktionen verwässert oder umgeht, untergräbt die gemeinsame EU-Position und schwächt die Glaubwürdigkeit Europas gegenüber Russland. Zahlreiche EU-Partnerländer haben bereits jetzt Kritik am österreichischen Vorhaben geäußert.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie bewertet das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) die Haltung der österreichischen Bundesregierung zur Raiffeisen Bank International (RBI) im Zusammenhang mit dem Russland-Geschäft und den EU-Sanktionen?

2)    Inwieweit war oder ist das BMEIA in die Positionierung Österreichs zu den laufenden EU-Verhandlungen über das 19. Sanktionspaket eingebunden?

3)    Welche Gespräche mit welchem Inhalt fanden im Vorfeld mit RBI-Vertretern im BMEIA statt?

4)    Trifft es zu, dass Österreich – laut Berichterstattung der Financial Times – innerhalb des Rats der EU darauf hinwirkt, dass eingefrorene Strabag-Aktien, die dem sanktionierten Oligarchen Oleg Deripaska zuzurechnen sind, zur Entschädigung der RBI freigegeben werden?

a)    Falls ja: Mit welcher Begründung wird ein solches Vorgehen unterstützt?

5)    Wie, wann und durch wen wurde in der österreichischen Bundesregierung das Einvernehmen zu dieser Positionierung hergestellt?

6)    Wie bewertet das BMEIA die Auswirkungen eines solchen Präzedenzfalls auf die Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft der EU-Sanktionen gegen Russland?

7)    Wann wurde das BMEIA erstmals über die Intervention der US-Sanktionsbehörde OFAC im Zusammenhang mit dem geplanten Tausch von Strabag- und RBI-Aktien informiert?

8)    Wurde im Vorfeld zu den jetzigen Verhandlungen über eine Raffeisen-freundliche Anpassung das Gespräch mit OFAC oder diplomatischen Vertretern gesucht?

a)    Falls nein: Warum nicht?

b)    Falls ja: Mit welchem Inhalt?

9)    Wie bewerten Sie die Gefahr, dass so eine Lockerung oder Umgehung von Sanktionen wie sie für die RBI geplant ist, durch österreichische Positionen das Verhältnis zu Partnerstaaten, insbesondere den USA oder den baltischen Staaten, beeinträchtigen können?

10) Will Österreich dem Sanktionspaket nur unter der Bedingung einer solchen Raiffeisen-Strabag-Klausel zustimmen?

11) Welche Maßnahmen setzt das BMEIA, um Verstöße oder Verwässerungen gegen bestehende EU-Sanktionen zu verhindern – insbesondere im Finanzsektor?

12) Teilen Sie die Einschätzung, dass wirtschaftliche Einzelinteressen nicht über außen- und sicherheitspolitische Prinzipien gestellt werden dürfen?

13) Welche Kenntnisse hat das BMEIA über die laufenden Aktivitäten der RBI-Tochter in Russland?

14) Sind ernsthafte Exitpläne mit einer endgültigen Beendigung des Russland-Engagements bekannt?

15) Wie bewerten Sie die Aussage internationaler Organisationen, wonach die RBI in Russland weiterhin erhebliche Gewinne erwirtschaftet und Steuern an den russischen Staat abführt?

16) Welche Konsequenzen zieht das BMEIA daraus, dass die RBI mehreren Medienberichten zufolge versuchte, bestehende Sanktionen zu umgehen oder zu ihren Gunsten zu interpretieren?

17) Welche Reaktionen der europäischen Partner betreffend der aktuellen Pläne einer Sonderregelgung für Raiffeisen liegen Ihrem Haus vor? Welche Länder unterstützen eine Abänderung im Sinne von Raiffeisen, welche nicht?

18) Welche Reaktionen dazu liegen Ihnen aus der Ukraine vor?



[1] https://www.reuters.com/business/finance/raiffeisen-delays-quitting-russia-austria-defends-ties-sources-2023-07-06/

[2] https://www.diepresse.com/13450295/finanzminister-brunner-nimmt-russland-banken-in-schutz

[3] https://www.ft.com/content/4a4c28ed-53ab-4d96-963e-a75edcb06e96

[4] https://www.reuters.com/world/us/us-puts-sanctions-russian-man-three-companies-sanctions-evasion-scheme-2024-05-14/

[5] https://www.derstandard.at/story/3000000290523/wie-oesterreich-in-bruessel-die-russland-sanktionen-aendern-will-um-der-raiffeisenbank-zu-helfen

[6] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/kopenhagen-gipfel-merz-russisches-vermoegen-100.html

[7] https://www.ft.com/content/1cea1f08-83ac-4471-9fa4-1cdfcc86fcb0

[8] https://www.derstandard.at/story/3000000216013/trotz-bekenntnisses-zum-geschaeftsrueckbau-warum-schreibt-raiffeisen-in-russland-hunderte-job-aus