3680/J XXVIII. GP
Eingelangt am 15.10.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten Michael Gmeindl
an die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Unterschiedliche Rückführungspraxis: Rückführung ukrainischer Waisenkinder versus Verbleib erwachsener Schutzberechtigter und straffälliger Drittstaatsangehöriger in Österreich
Laut übereinstimmenden Medienberichten[1], [2] wurden Anfang Juni 2025 rund 30 ukrainische Waisen- und Pflegekinder, die seit März 2022 in Neudauberg (Burgenland) betreut worden waren, in ihr Herkunftsland zurückgeführt. Unter den betroffenen Minderjährigen befanden sich auch mehrfach behinderte und besonders schutz-bedürftige Waisenkinder.
Die Unterbringung in Österreich war ursprünglich als humanitäre Maßnahme während des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gedacht. Nach Angaben der ukrainischen Behörden sei eine sichere Betreuung in den dortigen Einrichtungen nun wieder gewährleistet.
Diese Rückführung wirft Fragen hinsichtlich der Kohärenz und Gleichbehandlung innerhalb der österreichischen und europäischen Rückführungspraxis auf. Während besonders schutzbedürftige Kinder in ein Land mit fortbestehenden Kampfhandlungen zurückkehren mussten, verbleiben erwachsene ukrainische Staatsbürger – darunter auch Männer im wehrfähigen Alter – weiterhin in Österreich, wo sie temporären Schutzstatus genießen.
Gleichzeitig bestehen erhebliche rechtliche und diplomatische Hürden bei der Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die in Österreich straffällig geworden oder als sicherheitsrelevant beziehungsweise potenziell gefährdend eingestuft wurden.
Diese unterschiedlichen Vollzugspraxen führen zu Fragen über die Kohärenz, Transparenz und Prioritätensetzung der österreichischen Rückführungsstrategie sowie über die Abstimmung mit europäischen Partnerstaaten.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundes-ministerin für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende
Anfrage
1. Wann und durch wen wurde Ihr Ressort erstmals über die geplante Rückführung der ukrainischen Waisen- und Pflegekinder aus Neudauberg informiert?
a. Welche österreichischen Stellen (z. B. Land Burgenland, Jugendhilfe, Innenministerium) waren in den Prozess eingebunden?
b. Gab es Abstimmungen mit ukrainischen Behörden oder internationalen Organisationen wie UNICEF, UNHCR oder der EU-Kommission?
2. Auf welcher rechtlichen oder bilateralen Grundlage erfolgte die Rückführung?
a. Welche Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention oder anderer internationaler Abkommen wurden dabei herangezogen?
b. Gab es eine schriftliche Vereinbarung zwischen österreichischen und ukrainischen Stellen über Ablauf und Bedingungen der Rückführung?
3. Wurden vor der Rückführung aktuelle Sicherheitsbewertungen der betroffenen ukrainischen Regionen eingeholt, insbesondere hinsichtlich militärischer Lage, Infrastruktur und medizinischer Versorgung?
a. Wenn ja, durch welche Stellen?
b. Welche Erkenntnisse lagen zum Zeitpunkt der Rückführung vor?
4. Wie bewertet Ihr Ressort die Tatsache, dass besonders schutzbedürftige Kinder, darunter auch mehrfach behinderte, in ein Land mit fortbestehenden Kampfhandlungen rückgeführt wurden, während erwachsene ukrainische Staatsbürger weiterhin temporären Schutz in Österreich genießen?
a. Welche rechtlichen, politischen oder humanitären Erwägungen führen zu dieser unterschiedlichen Behandlung?
b. Welche Kommunikation besteht mit den ukrainischen Behörden über die Rückkehrpflicht oder den Mobilisierungsstatus von Männern im wehrfähigen Alter?
c. Welche gemeinsamen europäischen Regelungen liegen der Beibehaltung des Schutzstatus für erwachsene ukrainische Staatsbürger zugrunde?
5. Welche menschenrechtlichen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen verhindern derzeit eine Rückführung oder Abschiebung von Personen aus Drittstaaten (z. B. Syrien, Afghanistan oder Nordafrika), die in Österreich straffällig geworden oder als sicherheitsrelevant eingestuft wurden?
a. Welche diplomatischen oder rechtlichen Hindernisse bestehen derzeit gegenüber diesen Staaten?
b. Gibt es laufende oder geplante Verhandlungen über Rückübernahme-abkommen, um die Durchführbarkeit solcher Rückführungen zu verbessern?
c. Wie bewertet Ihr Ressort die entstehende Diskrepanz, wenn Rückführungen schutzbedürftiger Minderjähriger möglich sind, während Rückführungen von Personen mit sicherheitsrelevanter oder straf-rechtlicher Vorgeschichte scheitern?
6. Welche Abstimmungen bestehen zwischen dem BMEIA, dem BMI und den zuständigen EU-Institutionen, um eine kohärente und nachvollziehbare Rückführungsstrategie sicherzustellen, die humanitäre, völkerrechtliche und sicherheitspolitische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt?
7. In welcher Form prüft die Bundesregierung, ob die bestehende Rückführungspraxis, insbesondere bei ukrainischen und Drittstaats-angehörigen, mit den Prinzipien der Gleichbehandlung, des Kindeswohls und der öffentlichen Sicherheit im Einklang steht?
a. Gibt es dazu interne Evaluierungen oder externe Gutachten?
b. Werden künftig gemeinsame Richtlinien oder Standards mit EU-Partnerstaaten angestrebt, um vergleichbare Fälle einheitlich zu behandeln?
8. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um künftig sicherzustellen, dass Rückführungen und Abschiebungen nach objektiven, überprüfbaren Kriterien erfolgen, insbesondere, dass besonders schutzbedürftige Personen nicht stärker betroffen sind als jene, die in Österreich durch strafrechtliches oder sicherheitsrelevantes Verhalten („Gefährder“) auffallen?
Sollten einzelne Antworten einer Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung unterliegen, wird ersucht, diese unter Einhaltung des Informationsordnungsgesetzes zu klassifizieren.