3895/J XXVIII. GP
Eingelangt am 06.11.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen,
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Causa Pilnacek: Stellen Sie sich eine Smartwatch vor und (fast) keinen interessiert‘s
Der Tod von Christian Pilnacek beschäftigt die Republik auch mehr als zwei Jahre später. Was ist in dieser Nacht tatsächlich passiert? Und haben die Ermittlungsbehörden in der Aufklärung dieser Fragen geschlampt, vielleicht sogar auf Zuruf? Letzterer Frage wird bald in einem parlamentarischen Untersuchungs-ausschuss umfassend nachgegangen. Gleich mehrere Vorgänge haben in den letzten Monaten jedenfalls nicht dazu beigetragen, dass Zweifel an sauberen Ermittlungen aus der Welt geräumt wurden, im Gegenteil.
Da wäre etwa der Umgang mit der Smartwatch von Christian Pilnacek - ein Gerät, das immerhin wichtige Aufschlüsse über die letzten Stunden Pilnaceks geben könnte. Smartwatches zeichnen Gesundheits- und Bewegungsdaten auf, Kommunikation mit anderen Menschen, aber auch mit anderen technischen Geräten. Nach derzeitigem Stand muss hier allerdings beim Konjunktiv geblieben werden, denn anscheinend wurden wesentliche Informationen vom LKA Niederösterreich nicht beachtet[1], andere dürften scheinbar sogar gelöscht worden sein.[2] Ob die Sicherstellung der Uhr jemals von der Staatsanwaltschaft Krems beantragt wurde bzw. ob sie mittlerweile sichergestellt wurde, ist nicht klar. Am 20. Februar 2024 hat sie Rechtsanwalt Rüdiger Schender vom LKA übernommen[3] – und seiner Mandantin, der Witwe Pilnaceks, übergeben.
Während es vom niederösterreichischen LKA hieß, dass sich auf der Uhr keine für die Ermittlungen relevanten Daten finden ließen, war ein IT-Experte der WKStA anderer Meinung und hielt in seinem Bericht fest, “dass offenbar viele Daten in Datenbanken vorhanden sind, welche dazu dienen können die letzten Stunden des Mag. Pilnacek genauer zu erörtern. Insbesondere die Datenbank SurveyLog.db enthält u.a. offensichtlich Herz-, Handgelenksbewegungs- und Sonstige-Events, welche möglicherweise genauere Schlüsse zulassen können.”[4] Da diese Themen nicht Teil des WKStA-Auftrages waren, blieb eine Analyse aus. Der Experte regt in seinem Bericht an, das Gerät dahingehend nochmals genauer zu analysieren. Denn es muss davon ausgegangen werden, dass die Sicherungskopie bearbeitet wurde, wie der IT-Mann auch festhält. Auf der Kopie befinde sich der Ordner “~$xlsxReport_Gelöschten Daten .xlsx”, was laut dem Experten heißt, dass “im vorliegenden Fall offenbar jemand (...) die Datei zum damaligen Zeitpunkt geöffnet (hat).”[5] Der angesprochene Zeitpunkt fällt interessanterweise in die Zeit, in der die WKStA (bzw. das BAK) die Ausfolgung der Sicherungskopie schon vom LKA verlangt hat, diese von den Ermittlern aber verweigert wurde. Das LKA stellte gegenüber Medien klar, “dass keinerlei Daten von einem dem BAK übergebenen Datenträger gelöscht wurden”.[6]
Der Bericht offenbart aber auch ein anderes interessantes Ergebnis, nämlich dass Pilnacek sich in der Todesnacht wohl in der Nähe von Bluetooth-fähigen Geräten befand. Um kurz vor vier Uhr früh wurden kurz wieder Daten empfangen.
Es scheint außerdem unklar, was mit der Uhr in den sechs Tagen passiert ist, die zwischen dem Auffinden der Leiche und der gerichtsmedizinischen Obduktion liegen. In diesem Zeitraum wurden bei der Uhr laut dem IT-Experten auffällige Aktivitäten verzeichnet. Es sei “bemerkenswert, dass es um 2023-10-21 03:21:30 UTC+2 Ausreißer bei der Bluetooth- und WIFI-Verwendung gibt. Die vorliegenden Einträge in den Datenbanken geben jedoch keinen Indikator für einen Synchronisierungsprozess"[7], heißt es in seinem Bericht.
Dass es im Umgang mit einem so essentiellen Beweismittel wie der Smartwatch derartige Fragezeichen bzw. Missstände gibt, wirft kein gutes Licht auf die ohnehin schon in der Kritik stehenden Ermittlungen. Es war deswegen nur folgerichtig, dass die OStA Wien wenige Tage nach Publikwerden des Berichts des WKStA-Technikers das Verfahren von Krems nach Eisenstadt übertrug. Gegenüber Medien betonte ein Sprecher der OStA allerdings, dass die zugespitzte Situation in der Öffentlichkeit der Grund sei. "Obwohl wir selbst nicht glauben, dass die Staatsanwaltschaft Krems befangen ist, glauben wir, es ist die richtige Maßnahme."[8] Man kann freilich auch zum Schluss kommen, dass das Vertrauen in der Öffentlichkeit leidet, gerade weil Ermittlungspannen publik werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen deswegen folgende
1. Wie lautet der aktuelle Verfahrensstand bei den von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt übernommenen Ermittlungen?
2. Die Ermittlungen wurden auf Grundlage von § 28 Abs 1 StPO an die StA Eisenstadt übertragen, “um das Vertrauen in die volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit bei der Führung des Ermittlungsverfahrens zu gewährleisten und jeden Anschein einer Befangenheit hintanzuhalten”[9]. Wird die Tatsache, dass die OStA Wien sich zu diesem Schritt veranlasst sah, zu Konsequenzen in der StA Krems führen?
a. Falls nein, mit welcher Begründung?
3. Welche internen oder externen Hinweise auf mögliche Befangenheit oder mangelnde Objektivität der Staatsanwaltschaft Krems wurden dokumentiert?
4. Wurde die Staatsanwaltschaft Krems nach der Übertragung des Verfahrens dienstaufsichtlich überprüft?
a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
5. Wurde das BMJ über den Bericht des IT-Experten der WKStA informiert, der ausdrücklich auf relevante, noch nicht ausgewertete Daten hinweist?
a. Wenn ja, wann und durch wen?
b. Wer hat den Bericht innerhalb der Justiz wann zur Kenntnis genommen?
6. Weshalb ist die Analyse des IT-Experten der WKStA nicht in die Beurteilung eingeflossen, ob Beamt:innen des LKA Niederösterreich Amtsmissbrauch begangen haben?
7. Welche Kommunikation fand dazu zwischen dem LKA Niederösterreich, der Staatsanwaltschaft Krems und dem Bundeskriminalamt statt?
8. Wird wieder bzw. noch immer wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch gegen Exekutivbeamt:innen ermittelt? Wenn ja, gegen wie viele Personen aus welchen Diensteinheiten, welche StA führt die Ermittlungen, wie ist der jeweilige Verfahrensstand und wie lauten die jeweiligen Aktenzahlen?
9. Welche Dokumente, Auswertungen oder Zeugenbefragungen wurden seit der Weisung vom 22. April 2025 zur Prüfung, ob Gründe für eine Fortführung des Ermittlungsverfahrens vorliegen, angefordert bzw. durchgeführt? (Anm. In der Beantwortung 964/AB schreiben Sie beispielsweise von ärztlichen Gutachten.)
10. Welche Unterlagen wurden seit der Übertragung nach Eisenstadt angefordert wie beispielsweise der IT-Bericht oä?
11. Zu welchem Zeitpunkt hat die Staatsanwaltschaft Krems vom Vorhandensein der Smartwatch Kenntnis erlangt?
12. Hat die StA Krems jemals die Sicherstellung der Smartwatch beantragt? Wenn ja, wann?
13. Wurde die Smartwatch mittlerweile sichergestellt?
a. Wenn ja: Wann und durch welche Staatsanwaltschaft?
b. Wenn ja: In welchem Zustand und an wen wurde sie übergeben?
c. Wenn nein: Welche Begründung gibt es dafür?
d. Wer hat die Entscheidung für oder gegen eine Sicherstellung getroffen?
14. Im IT-Bericht der WKStA wird insinuiert, dass es zu einer Löschung von Daten der Smartwatch bzw. auf der Sicherungskopie gekommen sein könnte, der damals noch zuständige Beamte hat das medial bestritten. Wird die Feststellung des IT-Experten dennoch weiterverfolgt, um eine Datenlöschung ganz sicher auszuschließen?
15. Sind seit dem Wechsel zur StA Eisenstadt Weisungen von der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft bzw. dem BMJ ergangen?
a. Wenn ja, von wem und zu welchem Vorgehen?
b. Wenn ja: Wurde der Weisungsrat befasst?
16. Welche Berichte wurden in der Causa an die zuständige Oberstaatsanwaltschaft bzw. an das BMJ übermittelt?
a. Falls Berichte an das BMJ übermittelt wurden: Wurden zusätzliche Akten oder Aktenteile seitens des BMJ zur Klärung von Widersprüchen angefordert?
17. Gibt es Ermittlungen gegen bekannte oder unbekannte Täter wegen § 295 StGB (Unterdrückung eines Beweismittels) oder anderer strafbarer Handlungen?
a. Wenn ja: welche Staatsanwaltschaft führt diese Ermittlungen unter welcher Aktenzahl durch und welche Schritte wurden bisher gesetzt bzw. was ist der aktuelle Stand des Verfahrens?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000284287/smartwatch-daten-werfen-brisante-fragen-zu-pilnaceks-letzten-stunden-auf
[2] https://www.derstandard.at/story/3000000284949/wksta-entdeckte-geloeschte-daten-file-des-landeskriminalamts-bei-pilnacek-daten
[3] WKStA 17 St 6/24h, ON 55.3, Seite 22
[4] 128 005 UT 138/23 y, ON 58.4, Seite 13
[5] 128 005 UT 138/23 y, ON 58.4, Seite 13
[6] https://zackzack.at/2025/08/26/pilnacek-smartwatch-geloeschte-daten
[7] 128 005 UT 138/23 y, ON 58.4, Seite 14
[8] https://kurier.at/politik/inland/osta-wien-staatsanwaltschaft-krems-christian-pilnacek-verfahren/403080813
[9] https://kurier.at/politik/inland/osta-wien-staatsanwaltschaft-krems-christian-pilnacek-verfahren/403080813