3898/J XXVIII. GP

Eingelangt am 10.11.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek

an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur

betreffend Bürgeraufstand gegen geheime ÖBB-Pläne in Krumpendorf

ÖBB-Pläne zur Schließung von drei der fünf Bahnübergänge in der Wörthersee-Gemeinde Krumpendorf am Wörthersee führten zu massiver Kritik der Bürger, wie mehrere Medien, darunter die Kleine Zeitung, berichteten:

„Es war eine Gemeinderatssitzung der besonderen Art: Über hundert Zuhörer füllten den Saal, schwangen gemeinsam mit den Mandataren Reden gegen die ÖBB und am Ende gab es einen Antrag, den niemand wollte – obwohl er zwei Wochen zuvor im Ausschuss mehrheitlich beschlossen worden war.“[1]

In dem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass nicht einmal die unmittelbaren Anrainer in die Pläne der ÖBB und des Bürgermeisters Gernot Bürger (ÖVP) eingeweiht wurden, wie dieser gegenüber orf.at eingestand:

„Wir haben jetzt vor ein paar Wochen erst die letzten Vertrags-Details bekommen. Und vorher habe ich über nichts informieren können. Ich kann auch erst ab morgen informieren, ob es eine Lösung gibt oder nicht.“[2]

Von den seit 2021 laufenden Gespräche zwischen Gemeinde und ÖBB erfuhren die Krumpendorfer daher erst wenige Tagen vor der entscheidenden Abstimmung im Gemeinderat, wo dementsprechend breite Kritik laut wurde:

„Gemeindevorstand Markus Steindl (FPÖ) war entsetzt, dass ,ein derartiges Projekt im stillen Kämmerchen verhandelt wurde. Im Ortsteil Föhrenwald werden Unterschriften gesammelt, weil die Bewohner nach der Schließung der Bahnkreuzung Walterskirchen vom Geh- und Radweg abgeschnitten wären.‘ Daniela Thaler (BVK) sprach von einer ,Husch-Pfusch-Aktion‘. Statt Übergänge zu schließen, solle sich der Bürgermeister für eine Verlegung des Güterverkehrs auf die Strecke St. Veit-Feldkirchen-Ossiacher See einsetzen. Elisabeth Druml (Grüne) kritisierte das Fehlen eines Mobilitätskonzepts: ‚Wir können keine Fakten schaffen und uns erst danach mit ihnen auseinandersetzen.‘

Auch SPÖ-Vizebürgermeister Manfred Bacher warnte, die Gemeinde dürfe es den ÖBB ,nicht so leicht machen. Sonst denken sie nie über alternative Strecken abseits des Wörthersees nach.‘“1

Aufgrund des breiten Protests wurde schließlich im Rahmen der Gemeinderatssitzung ein Abänderungsantrag beschlossen, der vorsieht, dass die Bürger in die Erarbeitung eines Verkehrskonzepts, das vor der Schließung der Eisenbahnkreuzungen erstellt werden soll, eingebunden werden. Danach soll es neue Verhandlungen mit den ÖBB geben.[3]

Ungeachtet dessen scheint man seitens der ÖBB nach wie vor der Meinung zu sein es besser zu wissen als die „unwissende“ Bevölkerung:

„ÖBB-Pressesprecherin Rosanna Zernatto-Peschel wundert sich über die Unwissenheit der Bevölkerung, weil mit Ortschef Gernot Bürger bereits seit 2021 verhandelt werde. „Wir haben für die Sanierungen sechs Millionen Euro bereitgestellt. Es wurden unterschiedliche Varianten für Ersatzlösungen zur Auflassung von fünf Eisenbahnkreuzungen in Krumpendorf ausgearbeitet. Seitens der ÖBB wurde viel Vorarbeit geleistet.“[4]

Unwissend erscheint aber auch der zuständige Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur Peter Hanke (SPÖ), zumal dieser bei der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 3079/J betreffend „Geplante Auflassungen von Eisenbahnkreuzungen in Kärnten“ die Frage „Welche Kommunikationsstrategien werden verfolgt, um die Anrainer frühzeitig und umfassend über geplante Maßnahmen und deren Auswirkungen zu informieren?“[5] wie folgt beantwortete:

„Unmittelbar betroffene Anrainer:innen werden schon in der Phase der Vorgespräche auf Gemeindeebene miteinbezogen und informiert. In dieser Phase erfolgt auch die Information der Gemeindevertreter:innen in einem mehrstufigen Prozess. Bei größeren Projekten gibt es selbstverständlich auch öffentlich zugängliche Informationsveranstaltungen, bei denen sich auch Bürger:innen, die in geringem Maße oder gar nicht betroffen sind, direkt informieren können.“[6]

Komplett im Wiederspruch zu dieser Anfragebeantwortung wurden – wie mehreren übereinstimmenden Medienberichten zu entnehmen ist – weder unmittelbar betroffene Anrainer noch die Bürger Krumpendorfs informiert. Statt einem mehrstufigen Prozess wollte man nach geheimen Vorarbeiten an der Bevölkerung vorbei Fakten schaffen. Obwohl es sich um ein größeres Projekt handelt, wurden Bürger, die vermeintlich in geringem Maße oder gar nicht betroffen sind, nicht informiert.

Statt die Chance zu nutzen auf die Bevölkerung zuzugehen und diese einzubinden, wird nach wie vor versucht, hinter verschlossenen Türen und an der Bevölkerung vorbei eine Lösung zu finden. Das Protokoll der Gemeinderatssitzung ist über zwei Monate später noch immer nicht auf der Website der Gemeinde veröffentlicht7[7] und die ÖBB drücke weiter – ohne Einbindung der Bevölkerung – aufs Tempo, wie die Krone berichtet.4

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes­minister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur nachstehende

Anfrage

1.    Inwiefern war Ihre Anfragebeantwortung der parlamentarischen Anfrage 3079/J zwischen Ihrem politischen Kabinett und den ÖBB abgestimmt?

2.    Was entgegnen Sie Stimmen, die kritisieren, dass- in komplettem Widerspruch zu Ihrer Anfragebeantwortung 2609/AB (wie mehreren übereinstimmenden Medienberichten zu entnehmen ist) – unmittelbar betroffene Anrainer keineswegs „schon in der Phase der Vorgespräche auf Gemeindeebene miteinbezogen und informiert“ wurden?

3.    Wurden Sie von den ÖBB über die fehlende Einbindung der Anrainer informiert oder wurden Sie über das tatsächliche Ausmaß im Unklaren gelassen?

4.    Was entgegnen Sie Stimmen, die kritisieren, dass – in komplettem Widerspruch zu Ihrer Anfragebeantwortung 2609/AB – die Gemeindevertreter Krumpendorfs nicht „in einem mehrstufigen Prozess“ informiert wurden, sondern vielmehr versucht wurde, den Gemeinderat zu überrumpeln?

5.    Wurden Sie von den ÖBB über die unzureichende Information der Gemeindevertreter in Kenntnis gesetzt oder über das tatsächliche Ausmaß im Unklaren gelassen?

6.    Was entgegnen Sie Stimmen, die kritisieren, dass – in komplettem Widerspruch zu Ihrer Anfragebeantwortung 2609/AB – jene Bürger, die in geringem Maße oder gar nicht betroffen sind, keine „öffentlich zugängliche Informationsveranstaltungen, bei denen sich auch direkt informieren“ angeboten wurden?

7.    Wurden Sie von den ÖBB über das Ausbleiben dieses Angebots informiert oder war das weder Ihnen noch Ihrem Kabinett bekannt?

8.    Werden Sie konkrete Schritte setzten um eine tatsächliche und breite Bürgereinbindung in Krumpendorf – wie von Ihnen in der Anfragebeantwortung 2609/AB angekündigt – tatsächlich umzusetzen, zumal die SPÖ-Fraktion im Gemeinderat mittels Entschließung eine solche gefordert hat und der Antrag mehrheitlich angenommen wurde?

9.    Gab oder gibt es Gespräche zwischen Ihrem Ressort, insbesondere den ÖBB, und der Gemeinde Krumpendorf hinsichtlich notwendiger Infrastrukturanpassungen in Folge der Auflassung der Bahnübergänge?

10. Stimmt es, dass es kein vollständiges Verkehrskonzept für Krumpendorf südlich der Bahn für den Fall der Schließung von drei Zufahrtswegen bzw. Bahnübergängen gibt?

11.  Was entgegnen Sie Stimmen, die einen massiven Verkehrszuwachs am Südbahnweg durch die Schließung von Bahnübergängen fürchten?

12.  Was entgegnen Sie Stimmen, die einen zweispurigen Ausbau des Südbahnwegs zu Lasten des Fahrradweges befürchten?

13.  Wie sollen Verkehrsströme südlich der Bahn durch das neue Nadelöhr Unterführung Berthastraße gelenkt werden, zumal in der Kochstraße mit starkem Rückstau zu rechnen ist?

14. Was entgegnen Sie Stimmen, die sich für eine vollwertige Unterführung in der Bad-Stich-Straße aussprechen, zumal eine Auflassung dieses Übergangs eine Verkehrsverlagerung in den Ortskern bedeuten würde?

15. Stimmt es, dass dem Schließplan eine Verkehrsbeobachtung im Dezember – außerhalb der Tourismussaison – zugrunde liegt, weshalb bei einer Umsetzung ein massiver sicherheitsrelevanter Rückstau in der einspurigen Kochstraße droht?

16. Wann genau wurde eine Verkehrsbeobachtung oder Ähnliches in Krumpendorf in den Jahren 2020 bis inklusive 2025 jeweils durchgeführt?

17. Welche Kosten entstanden für die Verkehrsbeobachtungen jeweils?

18. Wer hat diese Verkehrsbeobachtungen jeweils durchgeführt?

19. Auf welche Art wurden diese Verkehrsbeobachtungen durchgeführt?

20. Inwiefern werden oder wurden diese Verkehrsbeobachtungen als Entscheidungsgrundlage herangezogen?

21. Liegen Ihnen Informationen vor, wonach Mitglieder des Gemeinderates trotz individueller Interessen und Betroffenheit maßgeblich in die Planung involviert waren bzw. vom im Gemeinderat abgelehnten Vorschlag der ÖBB profitiert hätten?

22.  Wurden im Compliance-Office der ÖBB bzw. deren Tochtergesellschaften Eingaben, allenfalls von Whistleblowern, gemacht, die darauf hindeuten, dass Mitglieder des Gemeinderates trotz individueller Interessen und Betroffenheit maßgeblich in die Planung involviert waren bzw. vom im Gemeinderat abgelehnten Vorschlag der ÖBB profitiert hätten?

23.  Wurde oder wird das Vorgehen der ÖBB in Krumpendorf durch Compliance­einrichtungen des Konzerns vor diesem Hintergrund im Hinblick auf die Einhaltung des überprüft?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

24.  Wurde oder wird das Vorgehen der ÖBB in Krumpendorf durch Compliance­einrichtungen des Konzerns überprüft, zumal man sich im Verhaltenskodex/ Code of Conduct unter Punkt 11 zu den Menschenrechten bekennt, jedoch eine Verletzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die fehlende Barrierefreiheit, wie sie von einem Mitglied des Bundesverbands für Menschen mit Behinderung kritisiert wird, im Raum steht?[8]

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

25.  Wurde die Freiwillige Feuerwehr Krumpendorf oder dieser übergeordnete Organisationseinheiten im Bereich Zivilschutz in die Entscheidung über die Schließung zentraler Zufahrtswege durch die Gemeinde oder Ihr Ressort bzw. insbesondere die ÖBB informiert bzw. in die Entscheidung eingebunden?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

26. Ist ein gleichbleibendes Schutzniveau durch die Feuerwehr bzw. eine Erreichbarkeit insbesondere touristischer Einrichtungen südlich der Bahn im Katastrophenfall ausreichend sichergestellt?

27. Sind alle Löschfahrzeuge der örtlichen Feuerwehr bzw. der umliegenden Ortschaften nicht zu hoch bzw. nieder genug, um die bestehende Unterführung Berthastraße zu nutzen, zumal durch Rückstau und höheres Verkehrsaufkommen eine Reduktion auf die Kochstraße riskant ist?

28. Stimmt es, dass eine im Zuge der Debatte im Gemeinderat bzw. mit den dort anwesenden Bürgern in Aussicht gestellte Vertiefung der geplanten Rad- und Fußgänger-Unterführung in der Schloßallee notwendig wäre, um die Durchfahrt von Einsatzfahrzeugen zu ermöglichen?

29. Wurden Rettungsorganisationen in die Entscheidung über die Schließung zentraler Zufahrtswege informiert bzw. in die Entscheidung eingebunden?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

30. Wurde ein Verkehrskonzept für die Anrainer südlich der Bahn erarbeitet, welches ein gleichbleibendes Schutzniveau durch Rettungsorganisationen südlich der Bahn sicherstellt?

a.    Wenn ja, von wem?

b.    Wenn ja, welche Maßnahmen werden diesbezüglich in Aussicht genommen?

31. Wurde das Innenministerium, die Landespolizeidirektion oder die örtliche Polizeidienststelle in die Entscheidung über die Schließung zentraler Zufahrtswege informiert bzw. in die Entscheidung eingebunden?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, durch wen?

c.    Wenn nein, warum nicht?

32. Ist ein gleichbleibendes Schutzniveau durch die Polizei auch bei schlechterer Erreichbarkeit sichergestellt, zumal die Zufahrt zum Ortsteil südlich der Bahn nur mehr über Umwege möglich wäre?

33. Welche straßenbaulichen Maßnahmen wurden in Aussicht genommen, um eine freie Zu- und Abfahrt bei der Polizeikaserne bzw. dem Bildungszentrum Krumpendorf sicherzustellen, zumal diese durch einen Rückstau von Abbiegern in die Kochstraße zukünftig potentiell blockiert wird?

 

 

 

 

 

Sollten (Teil-)Antworten einer Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung unterliegen, wird ersucht, diese unter Einhaltung des Informationsordnungsgesetzes klassifiziert zu beantworten.



[1]    https://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/20156456/empoerung-am-woerthersee-gemeinde-sagt-nein-zu-oebb-projekt (aufgerufen am 06.11.2025)

[2]    https://kaernten.orf.at/stories/3323773/ (aufgerufen am 06.11.2025)

[3]    https://unzensuriert.at/311773-bahnschranken-affaere-nach-medialem-wirbel-lenkt-gemeinderat-ein/ (aufgerufen am 06.11.2025)

[4]   https://www.krone.at/3916490 (aufgerufen am 06.11 .2025)

[5]   https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/J/3079 (aufgerufen am 06.11.2025)

[6]   https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/AB/2609 (aufgerufen am 06.11.2025)

[7]   https://www.krumpendorf.gv.at/politik/beschluesse-des-gemeinderates/ (aufgerufen am 06.11.2025)

[8]    https://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/20136671/warum-am-woerthersee-eisenbahnkreuzungen-verschwinden-sollen (aufgerufen am 06.11 .2025)