3911/J XXVIII. GP

Eingelangt am 12.11.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Olga Voglauer, Agnes-Sirkka Prammer, Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Personalsituation im LSE Kärnten

 

BEGRÜNDUNG

 

Am 23. Oktober 2025 präsentierte die vom Innenministerium eingesetzte Expertinnen- und Expertenkommission während einer Pressekonferenz ihre Erkenntnisse zu dem mehrstündigen Polizeieinsatz vom 27. Juli am Peršmanhof und kam zum Schluss, dass das Vorgehen der Behörden – darunter Polizei, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und Bezirkshauptmannschaft – „in mehrfacher Hinsicht unverhältnismäßig, rechtswidrig und zweifelhaft“[1] war.

Besonders hervorgehoben wurden die Handlungen des stellvertretenden Leiters des Kärntner Landesamts für Staatsschutz und Extremismusprävention (LSE), der den Einsatz sowohl im Vorfeld initiierte, als auch vor Ort leitete. Laut Kommissionsbericht, versteckte er seine wahre Intention hinter der Kontrolle von Verstößen gegen das Campingplatz- und Naturschutzgesetz. Tatsächlich wollte er aber offenbar die Identitätsdaten der Teilnehmenden des "Antifa-Camps" sammeln, die er als linksextremistische Aktivisten verdächtigte[2]. Während die Kommission feststellte, dass die Polizisten vor Ort weitgehend ruhig vorgingen[3], fiel der stv. LSE-Leiter durch lautes, eskalierendes Verhalten auf[4].

Der LSE-Beamte wurde mittlerweile in eine nicht-operative Tätigkeit versetzt, ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch wurde eingeleitet. Franz Ruf, Generaldirektor der Polizei, gab darüber hinaus an, die zuständigen Dienstbehörden mit der Prüfung disziplinarrechtlicher Schritte gegen die verantwortlichen Führungskräfte zu beauftragen. [5]

Angesichts der stark hervorgehobenen Verantwortung des stv. LSE-Leiter während der Pressekonferenz war es nicht überraschend, dass die anwesende Journalistin Tanja Malle, systemische Probleme des LSEs Kärnten thematisieren wollte. Gefragt nach den „Schwierigkeiten personeller Art“ beim LSE in Kärnten und den derzeit bestehenden Strukturen und Führungskräften, konnte der Innenminister nicht verstehen, was mit „Schwierigkeiten“ gemeint gewesen wäre.

Die offene Blockadehaltung des Innenministers während einer Pressekonferenz, die eine neue Art der Transparenz und Fehlerkultur des BMIs unter Beweis stellen hätte sollen, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack. Besonders negativ hob sich diese Haltung angesichts des bemerkenswerten Berichtes der Kommission hervor, die in vorbildlicher Weise den Einsatz von allen Seiten beleuchtete, unangenehme Erkenntnisse offenlegte und konstruktive Handlungsempfehlungen auf eine Art und Weise gab, die einen nie dagewesenen, ausgesprochen sensiblen Umgang mit der slowenischen Minderheit und deren Gedenken an die Opfer der Verbrechen des Nationalsozialismus darstellt. Diese Pressekonferenz hätte daher Potenzial gehabt, als Musterbeispiel für die Aufarbeitung problematischer Einsätze zu dienen.

Zusammenfassend darf hier deshalb eine knappe Darstellung der personellen Schwierigkeiten beim LSE Kärnten vorgenommen werden.

Nach Bestellung des neuen Leiters des Kärntner Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT – die Vorgängerorganisation des LSE) Stephan Tauschitz 2022 wurde die Kritik um dessen Bestellung so laut, dass dieser schlussendlich gehen musste und in einen anderen Verantwortungsbereich der LPD Kärnten versetzt wurde.

Tauschitz hatte als Kärntner ÖVP-Klubobmann 2008 und 2010 Reden am bei Rechtsextremen und Neonazis beliebten Ulrichsbergtreffen gehalten. Nach der Landtagswahl 2013, für die er nicht mehr kandidierte, zog sich Tauschitz aus der Politik zurück. Er wechselte nach Wien, wo er vier Jahre lang im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT – der Vorgängerorganisation der DSN) tätig war. Dann kehrte er nach Kärnten zurück und wurde Referatsleiter im LVT. Mit 1. Februar 2022 folgte er dem langjährigen LVT-Chef Helmut Mayer nach, der in den Ruhestand trat.

Kritik an seiner Bestellung kam vor allem von den Grünen, doch auch die Israelitische Kultusgemeinde forderte seinen Rücktritt mit den Worten: "Wer am Ulrichsbergtreffen teilnimmt, sollte vom Verfassungsschutz beobachtet werden und kann diesen nicht leiten." Die Huldigung der Waffen-SS und die Legitimation "eines Naziaufmarschs durch Teilnahme" sei kein Kavaliersdelikt.[6]

Neben Tauschitz hätte es nur eine weitere Bewerbung gegeben, die jedoch nach Ende der Bewerbungsfrist zurückgezogen wurde. Der damalige Abgeordnete Reinhold Einwallner wollte sogar von zumindest zwei weiteren Bewerbungen wissen, die ebenfalls zurückgezogen wurden.[7]

Viola Trettenbrein übernahm die Kärtner LVT-Leitung indes interimistisch und sollte diese wohl etwas länger innehaben. Denn wegen der anstehenden Reform in dem Bereich (von LVT zu LSE) wollte man mit der Ausschreibung abwarten. 2024 wurden diese Reformen abgeschlossen. Die Leitung wurde nicht nochmals ausgeschrieben.

Während diese Vorfälle und Verhältnisse möglichweise im Innenministerium nicht als „Schwierigkeiten“ gelten, sehen die unterzeichneten Abgeordneten bei Betrachtung des Vorfalls beim Peršmanhof in Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit einer Leitungsperson des LSE Kärnten durchwegs eine Situation, die nicht ohne Weiteres beiseite gekehrt werden kann.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist die Reform des Kärntner Landesamts für Staatsschutz und Extremismusprävention (LSE) abgeschlossen?

a.    Wenn ja, seit wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

2)    Wurde die Leitung des LSE Kärnten nach dem Jahr 2022 und nach Abschluss der Reform nochmals ausgeschrieben?

a.    Wenn nein, wann ist eine Ausschreibung geplant?

3)    Wer leitet aktuell das LSE Kärnten?

a.    Ist diese Position aktuell interimistisch oder permanent besetzt?

b.    Welche Qualifikationen und Gründe sprachen für die aktuelle Besetzung?

c.    Wann wurde die aktuelle Besetzung durch den Landeshauptmann bestätigt?

4)    Wer übernimmt aktuell die interimistische, stellvertretende Leitung des LSE Kärnten?

a.    Welche Qualifikationen und Gründe sprachen für die aktuelle Besetzung?

b.    Wann soll diese Position ausgeschrieben werden?

5)    Wann fand zuletzt eine Vertrauenswürdigkeitsprüfung der leitenden Personen im LSE Kärnten statt, einschließlich des stellvertretenden Leiters, der den Einsatz leitete?

6)    Wurde die Vertrauenswürdigkeitsprüfung zu Herrn Tauschitz nachgeholt?

7)    Wurden alle Leitungspersonen im LSE Kärnten seit 2022 einer Vertrauenswürdigkeitsprüfungen unterzogen?

a.    Falls nein, bei wie vielen Leitungspersonen wurde in den vergangenen drei Jahren keine Vertrauenswürdigkeitsprüfung durchgeführt?

8)    Wurden alle Mitarbeiter:innen des LSE einer Vertrauenswürdigkeitsprüfung seit 2022 unterzogen?

a.    Wie viele negative Überprüfungen gab es? Wie viele Mitarbeiter:innen verließen das LSE bevor es zu einer Überprüfung kam?

9)    Waren weitere Beamt:innen des LSE Kärnten in der Einsatzvorbereitung oder beim Einsatz am Peršmanhof beteiligt?

a.    Hatten alle eingesetzten Beamt:innen eine Vertrauenswürdigkeitsprüfung, die nicht älter als 3 Jahre war?

b.    Wurden Vertrauenswürdigkeitsprüfungen bei beteiligten Beamt:innen gem. § 2a Abs. 8 SNG zweiter Satz nach dem Einsatz am Peršmanhof wiederholt?

10) Seit Reform des Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStSG) zum Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz (SNG) 2021 nehmen die Verfassungsschutzorganisationen in den Bundesländern – die LSEs – nur noch Staatsschutz-Aufgaben wahr. Bis dahin waren sie auch für nachrichtendienstliche Tätigkeiten, wie die Beobachtung von extremistischen Gruppierungen, zuständig.  Welche Maßnahmen wurden von Ihnen nach Reform der LVTs zu LSEs österreichweit unternommen, um die neue Aufgabenstellung den Behörden in den Bundesländern zur Kenntnis zu bringen?

a.    Gibt es weitere Ihnen bekannte Fälle in Österreich, wo LSE-Beamt:innen über die getrennte Zuständigkeit zwischen Bundespolizei, Bezirkshauptmannschaft und Verfassungsschutz nicht in Kenntnis gesetzt waren?





[1] Bericht der Expertinnen- und Expertenkommission Peršmanhof, https://www.bmi.gv.at/Downloads/files/Bericht_Persmanhof_DE_Web.pdf, S. 48.

[2] Ebd, S. 43f.

[3] Ebd, S. 46.

[4] Ebd, S. 46 und 52.

[5] https://www.derstandard.at/story/3000000293291/kommission-legt-bericht-zum-umstrittenen-polizeieinsatz-am-persmanhof-vor

[6] https://volksgruppen.orf.at/diversitaet/stories/3142973/

[7] https://www.kleinezeitung.at/kaernten/6095321/ExOeVPPolitiker-Tauschitz-machte-Karriere_Parlamentarische-Anfrage