3986/J XXVIII. GP

Eingelangt am 21.11.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Europa, Integration und Familie

betreffend Informationsfreiheitsgesetz - Zahlen und Anwendungsprobleme (BMEIF)

BEGRÜNDUNG

 

Der 1. September 2025 markiert einen Meilenstein in der österreichischen Verfassungsgeschichte. An diesem Tag trat das Amtsgeheimnis im Verfassungsrang außer Kraft und wurde durch ein neues Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 22a B-VG) ersetzt.[1] Bürger:innen haben seither das Recht, vom Staat und von staatsnahen Unternehmen einfach und unbürokratisch Informationen zu erhalten. Gleichzeitig sind Verwaltung, Gesetzgebung und Justiz verpflichtet, Informationen von allgemeinem Interesse proaktiv in einem zentralen Informationsregister zu veröffentlichen.

Mit der neuen Informationsfreiheit soll ein neues Verständnis im Verhältnis zwischen Staat und Bürger:innen entstehen: „Die Einführung der Informationsfreiheit bedeutet, ein neues Verständnis des modernen Staats zu schaffen und die Transparenz der Verwaltung wesentlich zu erhöhen“, schreibt das Bundeskanzleramt programmatisch auf seiner Website. „Der moderne Staat ist da. Denn Offenheit und Transparenz sind das Gebot des modernen Rechtsstaats des 21. Jahrhunderts.“[2]

Schätzungen gehen von 13.000 bis 14.000 staatlichen oder staatsnahen Einrichtungen und Unternehmen aus, die nunmehr den Transparenzpflichten des neuen Gesetzes unterliegen. Bezüglich der erwarteten Zahl der Informationsbegehren ging man von einem anfänglichen Anstieg der Zahl der Anfragen im Vergleich zu Anfragen nach den bisher geltenden Auskunftspflichtgesetzen von 20 % bis 40 % aus, wobei sich dieser längerfristig wieder abschwächen würde.[3]

Zur Zahl der Informationsbegehren liefern erste Medienberichte ein unterschiedliches Bild: „Keine Anfragenflut“ (Kleine Zeitung, 31.10.2025), „Transparenz: 78 Anfragen beim Land eingelangt“ (Salzburger Nachrichten, 30.10.2025), „Amtsgeheimnis passé: Flut von Anfragen hält Behörde auf Trab“ (Kronen Zeitung, 29.10.2025), „Ein Geheimnis, das keinen kümmert“ (Kronen Zeitung, 25.10.2025), „Keine Anfrageflut durch Informationsfreiheit im Kanzleramt“ (puls24.at, 04.10.2025).

Das Bundeskanzleramt berichtete, die Zahl der Informationsbegehren sei gestiegen.[4] Auf dem vom Forum Informationsfreiheit betriebenen Portal „fragdenstaat.at“ verzwanzigfachten sich die Anfragen im Dezember. Auf data.gv.at gab es laut Informationen des Bundeskanzleramts trotz einer Übergangsfrist bis zur verpflichtenden Nutzung des IFG-Registers für Länder und Gemeinden im September bereits 500 zusätzliche Datensätze und eine Verdreifachung der Seitenaufrufe.[5]

Nach anfänglichen, von der Bundesregierung zu verantwortenden Verzögerungen wurde die Verfügbarkeit des Informationsregisters auf data.gv.at endlich am 1.9. im Bundesgesetzblatt I kundgemacht.[6] Damit treten die Regeln nach einer im Gesetz vorgesehenen Übergangsfrist am 1. Dezember 2025 verpflichtend in Kraft. Inwiefern die notwendigen und zugesagten Mittel für die Einrichtung und den Betrieb des Registers wirklich zur Verfügung stehen, blieb trotz parlamentarischer Anfragen unklar.[7]

Zuletzt gab es leider vermehrt Berichte, die von Problemen wie verzögerten Antworten[8], überraschender Nichterteilung von Informationen[9] und komplizierten Hürden für die Stellung von Informationsbegehren berichten:

Es ist zu vermuten, dass es sich hierbei um übliche Anlaufschwierigkeiten bei der Einführung eines umfangreichen neuen Gesetzes handelt und sich die Bundesregierung selbstverständlich weiter zum „neuen Verständnis eines modernen Staates“ mit umfassender Transparenz bekennt. Es ist davon auszugehen, dass die zuständigen Bundesinister:innen in ihren jeweiligen Ressorts bereits die entsprechenden Schritte gesetzt haben, um die Abläufe zu optimieren und den Menschen eine niederschwellige, unbürokratische Inanspruchnahme ihres neuen Grundrechts auf Informationsfreiheit zu ermöglichen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

Daten (bitte um Beantwortung zum Stichtag 31.12.2025)

1)    Wie viele Informationsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz (§ 7 IFG) sind in Ihrem Ressort seit dem 1. September 2025 eingegangen?

2)    Wie viele Informationsbegehren wurden beantwortet?

3)    Wird in Ihrem Ressort erfasst, bei wie vielen der eingelangten Informationsbegehren die begehrte(n) Information(en) vollumfänglich, teilweise oder gar nicht erteilt wurde(n)?

a.    Wenn ja: Bitte um entsprechende Aufschlüsselung.

b.    Wenn nein: Warum nicht?

4)    Wie viele (Eventual-)Anträge auf Erlassung eines Bescheids im Fall der Verweigerung der Auskunft wurden nach dem IFG gestellt (§ 11 IFG)?

5)    Wie viele Informationen von allgemeinem Interesse wurden von Ihrem Ressort seit Inkrafttreten des IFG proaktiv veröffentlicht?

6)    Wie viele Informationsbegehren sind bei nachgeordneten bzw. ausgegliederten Dienststellen, bei den dem Anwendungsbereich des IFG unterliegenden Unternehmungen mit staatlicher Beteiligung, die von Ihrem Ressort verwaltet werden, sowie bei den der Aufsicht Ihres Ministeriums unterliegenden Selbstverwaltungskörpern eingegangen?

a.    Wie definieren die etwaigen jeweiligen Selbstverwaltungskörper den zu Informationsbegehren berechtigten Kreis „ihrer Mitglieder“ (Art. 22a Abs. 2 B-VG)?

7)    Wie viele der in Frage 6 genannten Informationsbegehren wurden beantwortet? Bitte wenn möglich um Aufschlüsselung nach den Kategorien vollumfängliche/teilweise/keine Informationserteilung.

Organisatorische Vorgaben und Prozesse

8)    In welcher Form können Informationsbegehren in Ihrem Ressort eingebracht werden?

9)    Werden in Ihrem Ressort nur (schriftliche) Anfragen mit expliziter Bezugnahme auf das Informationsfreiheitsgesetz als Informationsbegehren bearbeitet (also etwa nicht allgemeine telefonische Anfragen oder E-Mails an den Bürger:innenservice)?

a.    Falls ja: Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt die Beantwortung der genannten sonstigen Anfragen?

10)  Können schriftliche Informationsbegehren per E-Mail eingebracht werden?

a.    Wenn nein: Warum nicht?

b.    Wenn nein: Sehen Sie dadurch den gesetzlichen Auftrag erfüllt?

c.    Wenn nein: Welche Bearbeitungsschritte (etwa formloser Hinweis auf zulässige Formen der Einbringung) werden gesetzt, wenn trotzdem Informationsbegehren per E-Mail einlangen?

11)  Werden in Ihrem Ressort Presseanfragen, die per E-Mail einlangen und sich auf den Zugang zu konkreten Informationen beziehen, beantwortet?

a)    Wenn nein: Wie wird die Ablehnung begründet?

12) Gibt es auf der Website Ihres Ressorts eine leicht auffindbare Information für Bürger:innen, wie Informationsbegehren an Ihr Ressort gestellt werden können (insbesondere zu Übermittlungswegen, Kontaktadressen etc.)? Bitte um Angabe der jeweiligen Links.

a.    Wenn nein: Warum nicht?

13)  Welche Leitlinien bzw. Richtlinien für die Behandlung von Informationsbegehren gibt es in Ihrem Haus?

14)  Welche internen Vorgaben gibt es in Ihrem Haus, Bürger:innen bei Informationsbegehren die Glaubhaftmachung ihrer Identität vorzuschreiben?

15)  Welche Leitlinien und Anweisungen gibt es in Ihrem Ressort bezüglich interner Fristen bei der Behandlung von Informationsbegehren (Erstellung von Erledigungsentwürfen, Vorlage an genehmigende Stellen etc.)?

a.    Ist dadurch gesichert, dass die Information „ohne unnötigen Aufschub“ (§ 8 Abs. 1 IFG), nicht jedenfalls unter Ausnutzung der vierwöchigen Maximalfrist, gewährt wird?

16)  Welche Organisationseinheiten in Ihrem Haus sind mit der Beantwortung von Informationsbegehren befasst?

17)  Welche Organisationseinheiten in Ihrem Haus sind mit der proaktiven Veröffentlichung von Informationen von allgemeinem Interesse auf data.gv.at befasst?

18)  Erhalten Bürger:innen bei elektronischen Informationsbegehren Bestätigungen über den Eingang des Begehrens inklusive Angabe des Datums?

a.    Wenn ja: Wie erfolgt die Bestätigung?

b.    Wenn nein: Warum nicht?

19)  Erhalten Informationswerber:innen im Falle der Nichterteilung der begehrten Information bereits in der Erstantwort (ohne Bescheid) eine erste inhaltliche Begründung (etwa eine erste Information über die Gründe für die Ablehnung bzw. die Angabe der überwiegenden Geheimhaltungsgründe und eine erste Information über die getroffenen Abwägungen)? Oder erfolgt eine derartige Begründung ausschließlich im Falle der Erledigung per Bescheid?

20)  Wie werden behördenintern die getroffenen Abwägungen über die Nichterteilung von Informationen bei Informationsbegehren aktenmäßig dokumentiert (insb. auch im Fall von Nichterteilung der Information ohne Ausstellung eines Bescheids)?

21)  Welche Daten stellen Sie der Datenschutzbehörde (DSB) zum Zwecke der begleitenden Evaluierung des IFG (§ 15 Abs. 2 IFG) zur Verfügung?

22)  Ist bekannt, wie viele der eingelangten Informationsbegehren bzw. Beantwortungen inhaltlich ident waren?

a.    Führt das vielfache Einlagen identer Informationsbegehren dazu, dass die Antworten veröffentlicht werden bzw. dazu, dass geprüft wird, ob es sich um eine Information von allgemeinem Interesse handelt?

23)  Werden Informationsbegehren bzw. deren Beantwortungen dahingehend geprüft, ob es sich um Informationen von allgemeinem Interesse handelt?

a.    Wenn ja: Wie oft wurden solche Prüfungen durchgeführt?

b.    Wenn ja: Wie viele derartige Überprüfungsprozesse sind noch offen?

c.    Wenn nein: Warum nicht?

24)  Falls in Ihrem Haus die Möglichkeit von Informationsbegehren per elektronischem Formular inklusive verpflichtender Captcha-Eingabe, die von Screenreadern nicht gelesen werden können, besteht: Wie stellen Sie trotzdem sicher, dass auch Personen, die blind und gehörlos sind, Informationsbegehren an Ihr Ressort stellen können?

 



[1] Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird (BGBl. I Nr. 5/2024)

[2] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/themen/informationsfreiheitsgesetz.html

[3] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/I/2238/fname_1587268.pdf

[4] ORF: Zeit im Bild vom 29.09.2025

[5] APA0015 5 II 0295 Sa, 04.Okt 2025: Informationsfreiheit - Bundeskanzleramt bekam bisher 40 Anfragen

[6] BGBl. I Nr. 52/2025

[7] Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Säumigkeit bei der Vorbereitung auf die Informationsfreiheit (2289/J); Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Säumigkeit bei der Vorbereitung auf die Informationsfreiheit (2290/J)

[8] Falter.at: „Peter Hanke will Fakten schaffen – legt aber keine auf den Tisch“, 28.10.2025

[9] Sn.at: Bürger müssen warten: In den Ämtern bleibt auch in Zukunft vieles geheim, 26.10.2025

[10] https://epicenter.works/content/informationsfreiheit-was-du-schon-immer-wissen-wolltest-und-nicht-fragen-konntest

[11] https://www.informationsfreiheit.at/2025/09/28/amtsgeheimnis-award-mauer-des-schweigens-2025/

[12] ORF: Zeit im Bild vom 29.09.2025