4095/J XXVIII. GP
Eingelangt am 03.12.2025
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Anfrage
der Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Landesverteidigung
betreffend Datenlage zu Grundwehrdienst, Milizbeteiligung und Personalplanung des Bundesheeres
Bis zum Jahresende soll die von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner eingesetzte Wehrdienstkommission Vorschläge zur Weiterentwicklung des österreichischen Wehrdienstes vorlegen. Dabei sind auch Fragen zur personellen Befüllung der Miliz zu behandeln.
Die sicherheitspolitische Lage in Europa hat sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine grundlegend verändert. Während 2013 noch über die Abschaffung des Grundwehrdienstes diskutiert wurde, wollen laut aktuellen Umfragen 73 % der Bevölkerung den Wehrdienst beibehalten[1] und eine weitere Reform des Wehrdienstes steht im Raum.
Diskutiert werden zahlreiche Maßnahmen, allesamt mit dem Ziel den aktuellen Mobilmachungsrahmen von rd. 55.000 Soldat:innen zu erhöhen, insbesondere durch eine Stärkung der Miliz.
Eine zentraler Aspekt der Miliz ist aktuell ihre Freiwilligkeit, die keinesfalls einer Reform zum Opfer fallen darf. Eine Reform müsste also zum Ziel haben, dass der Grundwehrdienst eine grundlegend sinnvolle und praktische Erfahrung ist, so dass die freiwillige Entscheidung für eine Milizbeteiligung leichtfällt.
Der öffentlichen Diskussion fehlen bislang aussagekräftige Daten, um die tatsächliche Lage sachlich zu bewerten. Klar ist: Österreich muss über eine einsatzbereite Landesverteidigung verfügen. Doch wie soll diese erreicht werden, und auf welchen Grundlagen beruhen die derzeitigen Personalziele?
Derzeit verfügt das Bundesheer über rund 14.200 aktive Soldaten und etwa 33.000 Milizsoldaten. Jährlich werden ungefähr 15.000 junge Männer zum Grundwehrdienst eingezogen – Zahlen, die laut Ministerium – wie oben beschrieben – nicht ausreichen. Welche Zielstärke erreicht werden soll und auf welchen Annahmen diese beruht, ist jedoch nicht bekannt. Damit stellt sich die zentrale Frage:
Wie viele Soldat:innen benötigt Österreich für eine glaubwürdige Landesverteidigung?
Ein Blick über die Grenzen zeigt ein diverses Bild. In Deutschland etwa wurde angesichts ähnlicher Herausforderungen intensiv über das schwedische Wehrdienstmodell diskutiert. Dort besteht zwar grundsätzlich eine Wehrpflicht für Männer und Frauen, das System beruht jedoch in der Praxis weitgehend auf Freiwilligkeit. Am 13.11 stellte die deutsche Bundesregierung ein neues System vor, das ähnlich wie in Schweden eine erste Musterung aller junger Männer vorsieht, die auf Motivation und Eignung abstellt. Erst wenn sich durch freiwillige Meldungen nicht genug Wehrdienstleistende finden, ist eine Bedarfswehrpflicht vorgesehen. Die deutsche Bundeswehr soll auf 260.000 aktive Soldat:innen und 200.000 Reservisten anwachsen.[2]
Schweden verfügt über etwa 16.000 - 17.000 Soldat:innen, davon rund 14.850 aktive Soldaten und 11.400 Reservisten. Jährlich werden etwa 8.000 der rund 100.000 stellungspflichtigen jungen Menschen eingezogen, langfristig sollen es 10.000 werden. Die Regierung betrachtet diese Zahlen als ausreichend, um die Verteidigungsfähigkeit sicherzustellen, das freiwillige Element bleibt dabei erhalten.
Ein direkter Vergleich mit Österreich ist naturgemäß nur bedingt möglich: Schweden hat mit etwa 10,5 Millionen Einwohner:innen eine ähnliche Bevölkerungsgröße, aber mit über 450.000 km² eine deutlich größere Landesfläche und ist seit 2024 nicht mehr neutral, sondern NATO-Mitglied.
Der Vergleich zeigt jedoch, dass die Festlegung der notwendigen Truppenstärke von zahlreichen Faktoren abhängt – von geographischen Gegebenheiten über sicherheitspolitische Rahmenbedingungen bis hin zur verfügbaren Ausrüstung.
Diese Faktoren sollten daher Teil einer transparenten öffentlichen Debatte über die Zukunft des Grundwehrdienstes und der Miliz sein.
Um die öffentliche und parlamentarische Debatte über die künftige Ausgestaltung des Wehrdienstes und die Stärke der Miliz sachlich fundiert führen zu können, sind zentrale Daten notwendig. Dazu zählen unter anderem die Zahl der Stellungspflichtigen, ihre Tauglichkeit, die Entscheidungen für den Grundwehrdienst und die freiwillige Verpflichtung zur Miliz. Ebenso wichtig ist, welche Gründe junge Menschen für oder gegen die Meldung zur Miliz anführen, ob es regionale oder funktionsspezifische Unterschiede gibt und auf welcher Grundlage Zielzahlen für die Personalstärke des Bundesheeres sowie für Milizoffiziere und -unteroffiziere berechnet werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Wie viele Stellungspflichtige gab es in den letzten 10 Jahre jeweils pro Jahr?
a. Wie viele davon waren tauglich?
b. Wie viele wurden als teil-tauglich eingestuft?
c. Wie viele der tauglichen Personen haben sich jeweils in absoluten wie Prozentzahlen für den Wehrdienst entschieden?
2) Wie viele derer, die Wehrdienst leisteten, entschieden danach, sich für Milizübungen zu verpflichten (in absoluten Zahlen sowie in Prozent)? Bitte schlüsseln Sie für die vergangenen 10 Jahre jeweils nach Jahr auf.
3) Wird erhoben welche Gründe für oder gegen die Meldung zur Miliz sprechen? Falls ja, welche Gründe werden angeführt?
a. Gibt es regionale Unterschiede?
b. Gibt es Unterschiede zwischen den Funktionsgruppen?
4) Gibt es Kennzahlen zu Einsatzbereitschaft oder Leistungsfähigkeit nach unterschiedlichen Ausbildungszeiten und wie lauten diese?
5) Auf welche Personalstärke soll das Bundesheer anwachsen?
6) Welche Berechnungen liegen der notwendigen Mobilmachungsstärke zu Grunde (zum Beispiel Einsatzszenario, Einwohnerzahl, Landfläche, Ausrüstungsstand, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union etc.)?
7) Welche Zielgrößen für Truppenstärke und Einsatzfähigkeit werden international als Standard betrachtet?
8) Wie wird der Bedarf an Milizoffizieren und -unteroffizieren errechnet?
9) Wie viele Frauen haben sich in den letzten 10 Jahren für das Bundesheer gemeldet? Wie viele haben sich für die Miliz gemeldet?