4174/J XXVIII. GP
Eingelangt am 11.12.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft
betreffend: Wann schützen Sie unsere Landwirt:innen endlich vor den unfairen Praktiken der Handelskonzerne?
Der Blick auf die Einkommenssituation der österreichischen Bäuerinnen und Bauern zeigt: insbesondere kleine landwirtschaftliche Betriebe können oft nicht einmal ihre Lebenshaltungskosten decken und leben prekär, die realen landwirtschaftlichen Einkommen schwanken jedes Jahr stark. Die Erzeuger:innenpreise reichen oft nicht, um die Produktionskosten zu decken. Eine Folge davon ist auch der zahlenmäßige Rückgang landwirtschaftlicher Betriebe.
Während wir in Österreich kontinuierlich bäuerliche Familienbetriebe verlieren, machen andere Glieder der Lebensmittel-Wertschöpfungskette gute Gewinne. Eine anlässlich der 35. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Agrarökonomie am 18. September 2025 in Graz vorgestellte WIFO-Analyse[1] zeigt, dass von 100 EUR, die in Österreich für Lebensmittel ausgegeben werden, lediglich 4 EUR auf die österreichischen Bäuerinnen und Bauern entfallen. Der Staat hingegen nimmt hier 9 EUR an Steuern ein, Handel und Vertrieb 14 EUR[2],[3].
Die Top 4 des Lebensmitteleinzelhandels (REWE, Spar, Hofer und Lidl) haben in Österreich einen gemeinsamen Marktanteil von 91 %. Dadurch konzentriert sich enorme Marktmacht bei diesen vier Unternehmen. Diese Konzentration zeigt, wie risikobehaftet eine Auslistung von Produkten dort sowohl für Produzent:innen als auch Lieferant:innen ist, was dieses System anfällig für unlautere Handelspraktiken macht.
Im Zuge der von der aktuellen Teuerung befeuerten Preisdebatte werden Eingriffe und Lenkungsmöglichkeiten durch den Bund diskutiert, etwa Preisdeckelungen für Grundnahrungsmittel oder gezielte Beschränkungen der Gewinnmargen entlang der Produktionskette[4].
Mit dem Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (FWBG) wurde im März 2022 das Fairness-Büro als weisungsfreie und unabhängige Erstanlaufstelle nach § 5d FWBG eingerichtet. Basis dafür bildet die sogenannte Unfair Trading Practices-Richtlinie der Europäischen Union (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittel-versorgungskette.[5] Das Fairness-Büro fungiert als Erstanlaufstelle. Bäuerinnen und Bauern sowie Erzeugergemeinschaften und Lieferanten sollen sich vertraulich, kostenlos und auf Wunsch anonym an das Fairness-Büro wenden können, wenn sie beim Verkauf von Lebensmittelerzeugnissen von unfairen Handelspraktiken betroffen sind. Seit seiner Einrichtung im März 2022 obliegt die Leitung dieser weisungsfreien und unabhängigen Stelle Dr. Johannes Abentung, dem Generalsekretär im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft (BMLUK). Branchenunter-suchungen und Verfahren nach dem FWBG können durch die Bundeswett-bewerbsbehörde (BWB) durchgeführt werden.
Zu den Aufgaben des Fairness-Büros zählen insbesondere Beratungstätigkeiten und Analyse von Beschwerdefällen, bei Bedarf wird zudem eine geeignete Interessen-vertretung hinzugezogen und bei beiderseitigem Einverständnis eine neutrale Schlichtungsstelle beauftragt.
Der jährliche Tätigkeitsbericht beinhaltet aktuelle Wahrnehmungen der Marktteilnehmer, auch in Bezug auf einzelne Produktgruppen, Art und Anzahl der Beschwerdefälle sowie deren Lösung. Der Fairness-Büro-Bericht 2024[6] beschreibt ein düsteres Bild betreffend Marktmachtausübung und Preisdruck durch den Handel gegenüber seinen Lieferant:innen: „Handelsketten verweigern traditionellen und familiengeführten Fleischerbetrieben trotz der steigenden Personal- und Energie-kosten eine Preisanpassung für ihre Produkte. In einem dokumentierten Fall erhöhte eine Handelskette den Konsumentenpreis eines Produkts um 30%, während der Produzent gleichzeitig 2% weniger erhielt. Darüber hinaus nutzen Handelsketten sinkende Rohstoffpreise, um ihre Einkaufspreise weiter zu drücken, was die Existenz besonders von Klein- und Mittelbetrieben gefährdet.“[7] Allein 2024 hat das Fairness-Büro dem Tätigkeitsbericht zufolge Beschwerden gegen unfaire Wettbewerbs-bedingungen von 839 Betroffenen sowie allgemeine Anfragen mit „weit über 10.000 Betroffenen“ aus Produktion, Zwischenhändler:innen und Dritt-Dienstleister:innen bearbeitet.[8]
Eine faire und angemessene Abgeltung landwirtschaftlicher Erzeugnisse muss und soll dementsprechend nicht zu einer Erhöhung der Konsument:innenpreise führen, sondern vorrangig Folge von partnerschaftlichen Beziehungen und Vertrags-gestaltungen auf Augenhöhe innerhalb der Wertschöpfungskette sein.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Im Dienststellen-Organigramm des BMLUK vom 9. Oktober 2025[9] wird für die Leitung Fairness-Büro „ABENTUNG **“ angegeben, laut Legende zum Organigramm bedeuten die angefügten Asterisken „ruhend“. Ist die Leitung des Fairness-Büro durch Dr. Abentung „ruhend“ gestellt?
a. Wenn ja, seit wann und aus welchem Grund?
b. Wenn ja, wer leitet das Fairness-Büro seit der Ruhendstellung der Leitung durch Dr. Abentung?
c. Wenn nein, von wann bis wann war diese ruhend gestellt und warum?
d. Wenn nein, wer hatte während der Ruhendstellung von Dr. Abentung die Leitung inne?
e. Wenn nein, warum wurde sie als „ruhend“ bezeichnet?
2) In Ihrer Anfragebeantwortung 316/AB vom 17. Februar 2025 geben Sie an, dass auf EU-Ebene „kürzlich umfangreiche Vorschläge zur Stärkung der Position der Landwirtinnen und Landwirte in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette und zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Durchsetzung unlauterer Handelspraktiken vorgestellt“ wurden. Welche Vorschläge wurden diesbezüglich gemacht und welche Schlüsse und Schritte leiten Sie hieraus für die nationale Umsetzung in Österreich ab?
a. Welche Änderungen haben sich daraus für das laufende Jahr 2025 ergeben?
3) In Ihrer Anfragebeantwortung 316/AB vom 17. Februar 2025 geben Sie an, dass gemäß Art. 12 der Richtlinie (EU) 2019/633 seitens der Europäischen Kommission (EK) bis zum 1. November 2025 eine erste Bewertung der Richtlinie erfolge, die gegebenenfalls mit Gesetzgebungsvorschlägen begleitet werde und demzufolge eine interne Evaluierung des FWBG erfolgen werde. Ist diese Bewertung mittlerweile erfolgt und Ihnen der Inhalt bekannt?
a. Wenn ja, was war der Inhalt dieser ersten Bewertung durch die EK?
b. Wenn ja, hat die interne Evaluierung des FWBG auf nationaler Ebene bereits begonnen und wann soll diese abgeschlossen sein?
c. Wenn nein, wann soll diese Bewertung erfolgen?
d. Wenn nein, wann rechnen Sie mit dem Beginn der internen Evaluierung des FWBG?
e. Wie und in welcher Form gestaltet sich die Einbindung des Fairness-Büros im Rahmen der Bewertung durch die EK und die interne Evaluierung des FWBG?
f. Welche Auswirkungen erwarten Sie sich von der aktuell in Trilog-Verhandlungen befindlichen Novellierungsvorschlägen zur Richtlinie (EU) 2019/633 in Bezug auf unlautere Handelspraktiken zwischen österreichischen Lieferant:innen bzw Produzent:innen und österreichischen Handelskonzernen?
g. Welche Position vertreten Sie bzw die Bundesregierung für die Republik Österreich in diesen Trilog-Verhandlungen?
4) Wurden bzw. werden die Anregungen aus den Fairness-Büro-Berichten im Zuge der internen Evaluierung des FWBG nach erfolgter Bewertung durch die EK diskutiert und behandelt, und wenn ja, welche?
5) Wie und in welcher Form gestaltet sich der regelmäßige Austausch Ihres Ressorts hierzu mit der BWB, insbesondere über das Fairness-Büro?
6) Wie und in welcher Form gestaltet sich der laufende Kontakt mit dem BMWET bzw dem vormaligen BMAW zum Themenbereich unlautere Handelspraktiken?
7) In Ihrer Stellungnahme im Zuge der Veröffentlichung des Fairness-Büro-Berichts 2024 vom März 2025 erklären Sie: „Der Bericht des Fairness-Büros zeigt nicht nur unfaire Handelspraktiken, sondern auch ein zunehmendes Bewusstsein für Fairness entlang der Wertschöpfungskette. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden wir aktiv das Gespräch mit den Handelsketten suchen, um auf Augenhöhe gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.“ Welche Schritte haben Sie seitdem veranlasst, um mit den Handelsketten aktiv das Gespräch zu suchen?
a. Wie viele Gespräche haben mit den Handelsketten stattgefunden?
b. Gab es auch Gespräche mit verarbeitenden Genossenschaften wie zB Molkereien, wenn ja wie viele?
8) Haben Sie und/oder Mitarbeiter:innen Ihres Ressorts seitdem diesbezügliche Gespräche mit Vertreter:innen der Handelsketten geführt?
a. Wenn ja, ersuchen wir um Auflistung der Gesprächstermine inklusive Nennung der Gesprächspartner:innen, der Gesprächsschwerpunkte sowie vereinbarter nächster Schritte, und ob Sie persönlich, Mitarbeiter:innen Ihres Kabinetts und/oder Mitarbeiter:innen der relevanten Sektionen bei diesen Gesprächen anwesend waren.
b. Wenn nein, ersuchen wir um Begründung weshalb dies nicht erfolgt ist.
9) Welche Schlüsse ziehen Sie aus den im Fairness-Büro-Bericht 2024 ab S.13 beschriebenen Beispiel-Fällen und welche Maßnahmen haben Sie in ihrem Ressort gesetzt oder beabsichtigen Sie zu setzen, um diesen Phänomenen zu begegnen?
10) Wie wollen
Sie dem Preisdruck des Handels, der „die höheren Margen nun oft
für sich allein“ verrechne, auf die Lieferant:innen und
Produzent:innen sowie dessen Risikoabwälzung im Sinne der heimischen
Landwirt:innen begegnen?
11) Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um die von Betroffenen als ein „mühsames Feilschen ohne Partnerschaften und ohne Einbindung in Strategie der Handelskonzerne“ beschriebene Situation zu verbessern?
12) Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um dem Phänomen deutlich gestiegener Margenaufschläge im Handel bei gleichbleibenden oder sogar niedrigeren Aufschlägen für die Produzent:innen und gleichzeitiger Kostensteigerung zu entgegnen?
13) Welche Maßnahmen planen Sie bzw regen Sie an, um Landwirtinnen und Landwirte gegenüber den Handelskonzernen betreffend Jahresvereinbarungen ohne Absatzgarantien aber mit umfangreichen Rabattierungszwängen besser zu stellen und faire Vertragsbedingungen für die Betroffenen abzusichern?
14) Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um heimischen landwirtschaftlichen Betrieben und kleinen Lieferant:innen gebührenden Schutz vor dem Druck durch Einkäufer:innen der Handelskonzerne und/oder durch Preisgestaltung bei Genossenschaften zu gewährleisten?
15) Ein kürzlich gefällter Entscheid des Landesgerichts Salzburg[10] betreffend die Unrechtmäßigkeit einer einseitigen Preiskürzung durch eine Molkerei gegenüber ihrem Lieferanten, trotz erfülltem aufrechten Liefervertrags, weist exemplarisch auf den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung von Molkereien gegenüber Landwirtinnen und Landwirten hin. Die IG-Milch berichtet von weiteren unfairen Handelspraktiken, fragwürdigen Vorgängen und Machtmissbrauch in der österreichischen Milchindustrie[11]. Inwieweit war und ist das Verhältnis zwischen Milchproduzent:innen und Molkereien Gegenstand der Arbeit des Fairness-Büros?
a. Inwieweit hat das Fairness-Büro Kenntnis über die Praxis einseitiger Preiskürzungen durch Molkereien gegenüber ihren Lieferant:innen?
b. Haben sich Milchproduzent:innen betreffend Preisgestaltung, Vertragsbedingungen, Lieferordnungen oder anderer aus ihrer Sicht unfairer Praktiken von Molkereien an das Fairness-Büro gewandt?
i. Wenn ja, wie viele und was waren die Gegenstände der Anfragen und Beschwerden?
ii. Wenn ja, wie viele Fälle konnten einvernehmlich über die Ebene des Fairness-Büros gelöst werden und wie viele dem Fairness-Büro bekannt gemachte Fälle bedurften einer Eskalation auf die Ebene der Bundeswettbewerbsbehörde?
c. Wie hoch ist der Anteil von der Milchwirtschaft zurechenbaren direkt und indirekt Betroffenen an der Gesamtzahl direkt und indirekt Betroffener, die sich an das Fairness-Büro wenden?
[1] https://oega.boku.ac.at/wp-content/uploads/2025/10/Tagungsband_24.10.25.pdf, S.96ff
[2] https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/nur-broesel-bauern-wer-lebensmittelpreisen-188186245
[3] https://kurier.at/wirtschaft/lebensmittel-oesterreich-bauern-importe/403106078
[4] https://tirol.arbeiterkammer.at/Lebensmittelpreise_laufen_davon
[5] https://www.fairness-buero.gv.at/fairnessbuero/grundlage.html
[6] https://www.fairness-buero.gv.at/dam/jcr:1ec8986a-3a60-41c2-a63b-75b65bcca5de/Fairness%20B%C3%BCro%20T%C3%A4tigkeitsbericht%202024.pdf
[7] https://www.fairness-buero.gv.at/service/taetigkeitsberichte/dritter-bericht-2024.html
[8] https://www.fairness-buero.gv.at/dam/jcr:1ec8986a-3a60-41c2-a63b-75b65bcca5de/Fairness%20B%C3%BCro%20T%C3%A4tigkeitsbericht%202024.pdf, S.32
[9] https://www.bmluk.gv.at/dam/jcr:07e7c78c-19e8-4404-9dfa-8a288c28e23c/BMLUK_Organigramm_Dienststellen_2025_V04.pdf
[10] https://www.nachrichten.at/wirtschaft/heikles-tierwohl-urteil-milchbauer-gewann-gegen-molkerei;art15,4092713
[11] IG-Milch Post, 87. Ausgabe, November 2025, S.6ff