653/J XXVIII. GP
Eingelangt am 05.03.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres
betreffend Ankauf des Geländes des ehemaligen KZ-Außenlagers Gunskirchen
Das KZ-Außenlager Gunskirchen, errichtet Ende 1944 als Teil des Konzentrationslagers Mauthausen, diente primär als Auffanglager für ungarische Juden, die zuvor in Zwangsarbeitslagern eingesetzt wurden. Aufgrund der katastrophalen Bedingungen im Lager starben Tausende Häftlinge an Hunger, Krankheiten und Erschöpfung. Die Befreiung erfolgte am 4. Mai 1945 durch die US-Armee, die mehr als 5.000 Überlebende vorfand, von denen viele in den darauffolgenden Tagen noch verstarben. Die Todesmärsche nach Gunskirchen und die Zustände im Lager gelten als besonders grausam.
Nach 1945 wurde der Umgang mit dem Gelände des ehemaligen Lagers kontrovers diskutiert. Zwar wurden Massengräber exhumiert und Denkmäler errichtet, doch blieb das Areal größtenteils in Privatbesitz. Im Gegensatz zu anderen Außenlagern wie Gusen wurde keine umfassende staatliche Übernahme oder Integration in die Gedenkstättenarbeit vollzogen. Erst in jüngerer Zeit gibt es Initiativen zur stärkeren Einbindung des Geländes in die Erinnerungskultur, etwa durch die Transformation des umliegenden Waldes in einen „Gedenkwald Gunskirchen“.
Die Aufarbeitung der NS-Verbrechen und die Sicherstellung einer würdigen Gedenkkultur sind zentrale Aufgaben der Republik Österreich. Der Ankauf und die Integration des Geländes des ehemaligen KZ-Außenlagers Gunskirchen in das Mauthausen Memorial könnten einen wichtigen Beitrag leisten, um dieses Kapitel der Geschichte angemessen zu bewahren und aufzuarbeiten. Angesichts der positiven Erfahrungen mit ähnlichen Projekten wie in Gusen ist es von öffentlichem Interesse zu erfahren, welche Schritte das BMI plant, um eine vergleichbare Lösung für Gunskirchen umzusetzen.
Im Jahr 2025 jährt sich die Befreiung des Lagers zum 80. Mal. Dieses Jubiläum bietet eine besondere Gelegenheit, die Erinnerung an die Opfer zu würdigen und den Umgang mit dem Gelände kritisch zu reflektieren. In den letzten Jahrzehnten wurde das Areal des ehemaligen Lagers jedoch nur unzureichend in die österreichische Gedenkkultur integriert. Besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren war der Umgang mit dem Gelände umstritten: 1979 wurden menschliche Überreste aus Massengräbern exhumiert und ohne umfassende Abstimmung mit Überlebenden oder jüdischen Organisationen auf den Friedhof der KZ-Gedenkstätte Mauthausen überführt. Diese Umbettungen wurden vielfach kritisiert, da sie ohne ausreichende Transparenz und Rücksicht auf die historische Bedeutung des Ortes erfolgten.
Erst in jüngerer Zeit kam es zu verstärkten Bemühungen, das Gelände sichtbar in die Gedenkarbeit einzubinden. So wurde 2024 eine „Außenlager-Stele“ enthüllt, um das Lager als Teil des KZ-Systems Mauthausen topografisch einzuordnen. Dennoch bleibt das Gelände größtenteils in Privatbesitz, was eine umfassende Gedenkarbeit erschwert. Angesichts des 80. Jahrestags der Befreiung wäre eine Übernahme in Republikseigentum, die Übergabe an das Mauthausen Memorial zur Schaffung eines würdigen Gedenk- und Erinnerungsortes und zur wissenschaftlichen Aufarbeitung höchst an der Zeit.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Hat das Bundesministerium für Inneres (BMI) bereits Verhandlungen mit den Eigentümerinnen und Eigentümern des Geländes des ehemaligen KZ-Außenlagers Gunskirchen aufgenommen? Falls ja, wie ist der aktuelle Stand dieser Verhandlungen?
2) Gibt es konkrete Pläne oder ernsthafte Bemühungen seitens des
BMI, das Gelände anzukaufen und in die Obhut der KZ-Gedenkstätte
Mauthausen zu übergeben?
3) Orientiert sich das BMI bei seinen Planungen am erfolgreichen Modell der Übernahme und Integration der Gedenkstätte Gusen? Falls ja, welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um eine ähnliche Lösung für Gunskirchen zu realisieren?
4) Wie bewertet das BMI den aktuellen Zustand des Geländes hinsichtlich seiner Bedeutung für die österreichische Erinnerungskultur? Welche Schritte werden unternommen, um eine angemessene Würdigung sicherzustellen?
5) Welche Kooperationen bestehen derzeit zwischen dem BMI und lokalen Initiativen, Historikerinnen und Historikern sowie internationalen Organisationen im Hinblick auf die zukünftige Nutzung und Gestaltung des Geländes?
6) Plant das BMI zusätzliche Maßnahmen zur Sichtbarmachung der historischen Bedeutung des KZ-Außenlagers Gunskirchen, etwa durch Bildungsprogramme oder bauliche Markierungen auf dem Gelände?