700/J XXVIII. GP
Eingelangt am 12.03.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Neue Erkenntnisse zum Tod von Christian Pilnacek: Warum handelt die Justiz nicht?
Die mysteriösen Umstände des Ablebens von Ex-Sektionschef Christian Pilnacek gestalten sich durch jüngste Enthüllungen des Ex-Politikers und Journalisten Peter Pilz immer brisanter.[1] Diverse Zeugenaussaugen, Recherchen und neue Gutachten untermauern den Verdacht, dass es sich um ein Tötungsdelikt handeln könnte, jedoch von Behördenseite versucht, diesen Verdacht wird mit allen Mitteln zu vertuschen.
Schon zuvor wurde bekannt, dass der offizielle Obduktionsbericht Zweifel an der „Suizidversion“ nährt. In diesem heißt es, es seien „keine eindeutigen Hinweise auf grobe Gewalteinwirkung“ gefunden worden. Im Abschlussbericht des Landeskriminalamts Niederösterreich wurden jedoch die Wörter „eindeutig“ und „grob“ gestrichen. In Polizeiberichten war auch die Rede von nur „oberflächlichen Kratzern“.[2]
Weiters wurde laut Pilz Pilnaceks Mobiltelefon nicht ordnungsgemäß gesichert, sondern über einen Anwalt an seine Witwe übergeben und später vernichtet. Das Handy hätte jedoch als Beweismittel gesichert werden müssen. Durch die mutmaßliche Zerstörung mittels Bunsenbrenner wurden endgültig Beweise eliminiert. Pilz dazu:
Das Landeskriminalamt St. Pölten hat bekanntlich hinter dem Rücken der Staatsanwaltschaft Pilnaceks Handy und damit ein Beweismittel aus den Ermittlungen verschwinden lassen und danach hektisch nach dem einzigen noch nicht „gesicherten“ Datenträger gesucht: dem privaten Laptop von Christian Pilnacek.[3]
Der Laptop Pilnaceks landete schließlich über abenteuerliche Umwege bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die über 1200 Seiten an Datenmaterial aus Pilnaceks Smartwatch wurden bis heute unverständlicherweise aufgrund von angeblicher „Irrelevanz“ weder ausgewertet, noch an die WKStA übermittelt.[4]
Weiters wird von Pilz berichtet, dass zentrale Beweismittel nicht nur nicht ordnungsgemäß gesichert, sondern absichtlich manipuliert oder verschwinden gelassen wurden, was den Verdacht auf eine gezielte Irreführung der Ermittlungen verstärkt. Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgten bisher somit falsche Spuren, weil Beweismittel (Handy, Laptop) verschwanden oder manipuliert wurden.
Weiters deuten Zeugenaussagen darauf hin, dass hochrangige Beamte, insbesondere Bundespolizeidirektor Michael Takacs, möglicherweise in das Verschwinden des privaten Laptops involviert waren. Anweisungen wie „Lass ihn verschwinden!“ deuten auf eine gezielte Entfernung des Laptops aus den Ermittlungen hin. Diese Anweisung, berichtet von Anna P. und durch weitere Zeugen bestätigt, soll den Befehl belegen, den Laptop als Beweismittel aus den Ermittlungen zu entfernen – was den Verdacht einer systematischen Vertuschung untermauert.
Zu Chefinspektor F., der die die Ermittlungen leitete, betont Pilz, dass dieser Fremdverschulden voreilig ausschloss und deshalb später wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauchs beschuldigt wurde. Bei seinen Ermittlungen stützte sich F. auf ein vorläufiges Obduktionsergebnis, das auf Selbstmord hindeutete. Seine Entscheidung, jegliche Fremdeinwirkung auszuschließen, führte zu Vorwürfen des Amtsmissbrauchs.
Zudem besteht eine Diskrepanz zwischen dem vorläufigen Obduktionsergebnis (Selbstmordbehauptung) und dem späteren, detaillierten Gutachten. Pilz schreibt dazu wie folgt[5]:
Der Innsbrucker Sachverständige Stefano Longato hat auf Basis des Akts der Staatsanwaltschaft Krems ein gerichtsmedizinisches Gutachten erstellt. Er kommt zu folgendem Schluss: „Der kolportierte Suizid erscheint aus gerichtsmedizinischer Sicht als wenig wahrscheinlich.“ Auch Professor Michael Tsokos, der von 2007 bis 2023 die rechtsmedizinische Abteilung der Berliner Charité leitete, findet keine Indizien für Suizid. Selbst das offizielle, beauftragte Gutachten der Staatsanwaltschaft Krems erwähnt das Wort “Suizid” kein einziges Mal. Für Longato, wie auch für den langjährigen Unfallchirurgen des Meidlinger Unfallkrankenhauses Dr. Wolfgang Schaden, sind die zwanzig Verletzungen von Pilnacek zudem mit einem einzigen Sturzgeschehen – etwa über die steinige Uferböschung – nicht erklärbar.
Was angesichts dieser Umstände verwundert und auch befremdlich erscheint, ist, dass die heimischen Justizbehörden kaum Interesse an diesen Enthüllungen zeigen und wenn, dann nur reaktiv darauf agieren. So sahen sich Niederösterreichs Landespolizeidirektor Franz Popp, Bundespolizeidirektor Michael Takacs sowie die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien genötigt, öffentlich auf die Korrektheit der Ermittlungen zu verweisen und Anschuldigungen zurückzuweisen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt wiederum seit vergangenem Jahr gegen jene Beamte, die nun von Takacs, Popp und OStA verteidigt wurden.
In diesem Zusammenhang stellt der unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Warum widersprechen einander die OStA Wien als übergeordnete Behörde und die WKStA in ihren öffentlichen Äußerungen und Einschätzungen zum Ableben Pilnaceks und dem Vorgehen der involvierten Behörden, insbesondere der StA Krems?
2. Gab es Weisungen der OStA Wien, Ihrer Vorgängerin oder Ihrerseits gegenüber der WKStA oder anderen Ermittlungsbehörden in Bezug auf die Ermittlungen betreffend das Ableben Pilnaceks?
a. Wenn ja, welche und wann erfolgten diese?
3. Wie wurde die Beantwortung des Amtshilfeersuchens der WKStA von der StA Krems konkret begründet und welche Beweise liegen vor, um die Ermittler des Landeskriminalamtes Niederösterreich in diesem Fall von den bekannten Vorwürfen zu entlasten?
4. Wie weit sind die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und der Anstiftung zum Amtsmissbrauch gegen die involvierten Beamten des LKA NÖ fortgeschritten?
a. Gibt es neue Erkenntnisse und wenn ja, welche?
5. Besteht aktuell ein Verdacht oder gibt es Ermittlungen gegen involvierte Beamte aufgrund von Beweismittelfälschung oder Beweismittelunterdrückung?
6. Wie ist es zu erklären, dass in dem von der StA Krems beauftragten Gutachten nicht von einem „Suizid“ gesprochen wird, dies aber immer noch als offizielle Todesursache Pilnaceks gilt?
7. Warum wurde trotz des öffentlichen Bekanntwerdens von zwei neuen gerichtsmedizinisch-forensischen Gutachten zum Ableben Pilnaceks keine Verfahrenswideraufnahme eingeleitet?
8. Warum gibt es bisher keine Ermittlung wegen des Verdachts auf ein Tötungsdelikt bzw. Mord?
9. Wurden besagte Gutachten von den zuständigen Behörden angefordert und/oder eingesehen?
10. Warum verweigerte die StA Krems die Herausgabe von Leichenfotos an Peter Pilz, die einer möglicherweise unabhängigeren Untersuchung der Todesumstände dienlich gewesen wären?
11. Gibt es im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum Ableben Pilnaceks Disziplinarverfahren gegen beteiligte Beamte aus dem Exekutiv- sowie Justizbereich?
a. Wenn ja, gegen wie viele und weshalb konkret?
12. Warum übernahm schließlich das LKA NÖ die Ermittlungen im Falle des Ablebens Pilnaceks, wenn es sich doch um einen angeblichen Selbstmord handelte?
13. Gibt es seitens der WKStA neuerliche Versuche, an die Daten von Pilnaceks Smartwatch zu gelangen und diese auszuwerten, nachdem das LKA NÖ zunächst eine Herausgabe verweigerte?
14. Konnte die WKStA den Laptop und/oder andere Datenträger Pilnaceks bereits auswerten oder einsehen?
a. Wenn ja, zu welcher Erkenntnis ist man bisher gelangt?
15. Wird oder wurde die ehemalige Mitarbeiterin im Büro des Nationalratspräsidenten Sobotka, Anna P., als Beschuldigte in einem Verfahren der WKStA geführt?
16. Wird oder wurde die ehemalige Lebensgefährtin von Christina Pilnacek, Karin W., als Beschuldigte in einem Verfahren der WKStA geführt?
17. Gibt oder gab es im Zusammenhang mit dem Fall Pilnacek Ermittlungen oder einen Anfangsverdacht gegen Michael Takacs?
18. Gibt oder gab es im Zusammenhang mit dem Fall Pilnacek Ermittlungen oder einen Anfangsverdacht gegen Franz Popp?
19. Gibt oder gab es im Zusammenhang mit dem Fall Pilnacek Ermittlungen oder einen Anfangsverdacht gegen Chefinspektor Hannes F.?
20. Gibt es disziplinarrechtliche Maßnahmen und/oder Ermittlungen gegen Pilnaceks Witwe, Caroline List (immerhin Präsidentin des Straflandesgerichts Graz), weil sie laut eigenen Aussagen Beweismittel vernichtete und dies mit dem früheren „Umgang der WKStA“ mit Pilnacek rechtfertigte?
21. Wird oder wurde Caroline List als Beschuldigte in einem Verfahren der WKStA geführt?
Sollten einzelne Antworten einer Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung unterliegen, wird ersucht, die Fragen unter Einhaltung des Informationsordnungsgesetzes klassifiziert zu beantworten.
[1] Siehe dazu: Peter Pilz (2025): Pilnacek – Der Tod des Sektionschefs
[2] https://www.derstandard.at/story/3000000257236/obduktionsbericht-naehrt-zweifel-am-klaren-suizid-von-christian-pilnacek
[3] https://zackzack.at/2025/03/05/fall-pilnacek-tuerkise-taeter-und-drei-opfer
[4] https://www.derstandard.at/story/3000000257777/1200-seiten-an-daten-aus-pilnaceks-smartwatch-fuer-polizei-nicht-relevant
[5] https://zackzack.at/2025/02/21/die-10-wichtigsten-fragen-und-antworten-zur-causa-pilnacek