717/J XXVIII. GP
Eingelangt am 25.03.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Alma Zadic, Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend mangelhafter Schutz österreichischer nachrichtendienstlicher Mitarbeiter:innen und schwere Vorwürfe gegen Herbert Kickl in der Causa Ott/Jenewein
Wieder einmal schockten die jüngsten Enthüllungen im Zuge des Prozesses gegen den ehemaligen BVT-Chefinspektor Egisto Ott sowie den ehemaligen Nationalratsabgeordneten Hans-Jörg Jenewein die Öffentlichkeit und werfen neue Fragen über die Integrität und Sicherheit der Nachrichtendienststrukturen in Österreich auf. Insbesondere die mutmaßliche Übermittlung sensibler Informationen über Beamt:innen des BVT zur Weitergabe an den damaligen Innenminister Herbert Kickl[1] sowie die Verstrickung einer ehemaligen Kabinettsmitarbeiterin im BMI, erfordern einen Blick auf die Zugänge politischer Mitarbeiter:innen zu klassifizierten, nachrichtendienstlichen Informationen.
Laut den Anklagepunkten gegen Ott und Jenewein soll es zu einer systematischen Weitergabe von personenbezogenen Daten von BVT-Beamtinnen und –Beamten gekommen sein. Dies umfasste insbesondere Informationen über die Teilnahme an geheimdienstlichen Treffen auf europäischer Ebene. Die Staatsanwaltschaft hat den Verdacht, dass die Daten mit dem Ziel der politischen Einflussnahme oder gar der gezielten Diskreditierung von Beamt:innen genutzt werden sollten.
Im gegenständlichen Verfahren um Geheimnisverrat und Amtsmissbrauch wurden Hans-Jörg Jenewein und die zweitangeklagte Kabinettsmitarbeiterin deshalb u.a. wegen Missbrauchs der Amtsgewalt nicht rechtskräftig verurteilt. Hans-Jörg Jenewein habe die zweitangeklagte Kabinettsmitarbeiterin dazu gebracht, ihm die Namen der österreichischen Teilnehmer:inen an zwei Treffen des Berner Clubs zu besorgen. Die Rolle der damaligen Kabinettsmitarbeiterin, die mutmaßlich an der Informationsbeschaffung beteiligt war, ist dabei besonders brisant, denn es ist sehr fragwürdig, warum Kabinettsmitarbeiter:innen überhaupt Zugang zu solch sensiblen Daten haben sollten.
Egisto Ott wurde im Zweifel hingegen freigesprochen, da nicht klar war, ob Ott Namen für Jenewein aus internen BMI-Quellen besorgt hat. Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Freispruch von Ott Rechtsmittel angemeldet.
Wenn sich der Verdacht der Staatsanwaltschaft bestätigt, dass es das Ziel war, die streng geschützten Namen von BVT-Mitarbeiter:innen und verdeckten Ermittler:innen zu beschaffen, um sie an den damaligen Innenminister Kickl weiterzurreichen, hätte Herbert Kickl Menschen, die für unser aller Sicherheit arbeiten, in Gefahr gebracht. Jedenfalls wurde jahrelange Aufbauarbeit der Geheimdienste unter dem blauen Innenminister Kickl zunichtegemacht.
Die potenziellen Auswirkungen auf das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und die internationale Zusammenarbeit der Nachrichtendienste durch das mutmaßliche Verhalten von Jenewein und Ott sind gravierend. Zudem bestand die Gefahr, dass durch diese Verhaltensweise das Leben von verdeckten Ermittlern gefährdet wurde.
Vor dem Hintergrund erscheint auch völlig unverständlich, warum der seit 2021 suspendierte BVT-Mitarbeiter Egisto Ott immer noch vom Innenministerium Gehalt bezieht.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Wurde die Liste mit den Namen der betroffenen BVT-Beamt:innen tätsächlich an den damaligen Innenminister Herbert Kickl weitergeleitet?
a. Falls nein: wurde sie Kabinettsmitarbeiter:innen weitergeleitet?
b. Falls nein: wem sonst wurde sie weitergeleitet?
2) Haben Sie oder Mitarbeiter:innen Ihres Ressorts in der Angelegenheit der mutmaßlichen Weitergabe der Namen der BVT-Mitarbeiter:innen Anzeige gegen Herbert Kickl wegen des Verdachts einer Straftat (§ 78 StPO) erstattet?
a. Wenn ja, wann, bei welcher Ermittlungsbehörde und wegen welcher Straftaten?
b. Wenn nein, warum nicht?
3) Welche Rolle spielte die angeklagte ehemalige Kabinettsmitarbeiterin konkret bei der mutmaßlichen Weitergabe der Informationen?
a. War sie direkt in die Beschaffung oder Verbreitung sensibler Daten involviert?
b. Ist die ehemalige Kabinettsmitarbeiterin Beamtin und wurden gegen sie disziplinarische oder strafrechtliche Maßnahmen eingeleitet? Ist sie weiterhin Beamtin oder im Wirkungsbereich des BMI tätig?
c. Wenn ja: Welche dienst- oder disziplinarrechtlichen Schritte werden nach dem aktuellen Urteil gesetzt?
4) Welche Maßnahmen haben Sie als Innenminister ergriffen, um sicherzustellen, dass ähnliche Vorfälle in Zukunft verhindert werden?
5) Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um verdeckte Ermittler:innen besser zu schützen?
6) Gibt es neue Kontrollmechanismen zur Verhinderung des Missbrauchs von sensiblen Daten?
7) Welche Vorkehrungen haben Sie getroffen, um Beamt:innen, die im Bereich der Staatssicherheit tätig sind, vor politischer Einflussnahme und Repressionsversuchen zu schützen?
8) Welche Art von Zugang haben Kabinettsmitarbeiter:innen zu nachrichtendienstlichen Informationen?
a. Wie viele Kabinettsmitarbeiter:innen hatte Herbert Kickl? Wie viele davon waren sicherheitsbelehrt, wie viele sicherheitsüberprüft?
b. Wie viele Kabinettsmitarbeiter:innen haben Sie? Wie viele davon sind sicherheitsbelehrt, wie viele sicherheitsüberprüft?
[1] "falter.at": Raue Töne im Prozess gegen Ex-Agenten Ott und FPÖler Jenewein, Stand 10.03.2025 https://www.falter.at/morgen/20250310/prozess-gegen-egisto-ott-der-erratische-ex-geheimdienstler