727/J XXVIII. GP
Eingelangt am 25.03.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Bargeldlieferungen nach Russland durch die Raiffeisen Bank International
Krieg schafft Verunsicherung. Und in unsicheren Zeiten steigt der Bedarf nach krisensicheren Zahlungsmitteln. So auch in Russland, wo Dollar- und Euro-Bargeld seit der Invasion der Ukraine durch Russland und den damit verbundenen Sanktionen Hochkonjunktur haben.
Nach dem Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-System und weiteren Sanktionen hat Euro-Bargeld stark an Bedeutung gewonnen. Es hilft vor allem wohlhabenden russischen Personen dabei, Sanktionen und Einschränkungen im Zahlungsverkehr zu umgehen. In einer Kriegswirtschaft ist durchaus wahrscheinlich, dass auch der Militärapparat von der zusätzlichen Liquidität profitiert.
Vor wenigen Monaten erst wurde bekannt, dass vor Kriegsausbruch massenhaft Bargeld nach Russland verfrachtet wurde. Einem Bericht von Reuters zufolge gelangte in den Monaten zwischen November 2021 und dem Kriegsbeginn im Februar 2022 der Gegenwert von knapp 19 Mrd. Dollar in Euro- und Dollar-Banknoten nach Russland.[1] Das entspricht dem 1000-fachen des eingeführten Bargelds in den vier vorangegangenen Monaten in Höhe von nur 17 Millionen Dollar.
Neu ist, dass die Raiffeisen Bank International (RBI) bei diesen Transporten eine tragende Rolle spielte. Wie eine STANDARD-Recherche jetzt offenbart, wurden alleine in den Monaten Jänner und Februar 2022 von der RBI mindestens 189 Tranchen Bargeld nach Russland geliefert. Insgesamt ging so der Gegenwert von über neun Milliarden Euro in Form von Euro-, Dollar- und Franken-Banknoten nach Russland.[2] Die RBI war somit wohl der größte Bargeld-Lieferant vor Kriegsausbruch. Pikant ist auch: Zehn Bargeldlieferungen trafen erst am oder nach dem 24. Februar 2022 ein, dem Tag der Invasion. Entgegengenommen wurden alle Lieferungen laut Standard vom staatsnahen Unternehmen TBSS. Nach Einschätzung des STANDARD-Berichts könnten die Bargeldlieferungen so das russische Regime gestärkt haben, als die Pläne für den Einmarsch in der Ukraine bereits auf Hochtouren liefen.
Die RBI war bereits mehrfach aufgrund ihrer Aktivitäten in Russland in der Kritik, zuletzt aufgrund von hohen Steuerzahlungen an den russischen Staat und einer Job-Offensive, welche den offiziellen Plänen, sich aus dem Markt zurückziehen zu wollen, entgegensteht.[3] Drei Jahre nach Beginn des brutalen Angriffskriegs durch Russland in der Ukraine ist von einem Ausstieg der RBI aus ihrem Russlandgeschäft immer noch weit und breit nichts zu sehen - allen Beteuerungen durch den Vorstand zum Trotz. Der oben beschriebene Fall ist ein weiterer Beleg für die engen russischen Verstrickungen der Raiffeisenbank und die knallharte Ausrichtung des Russlandsgeschäfts auf das Prinzip Rendite.
Die nun offengelegten Aktivitäten rund um den Zeitpunkt der russischen Invasion werfen dringende Fragen nach der Rechtmäßigkeit und Konformität mit den EU-Sanktionen auf.
Daher stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgende
1. War Ihnen oder Ihren Vorgängern bekannt, dass die Raiffeisen Bank International einen Großteil der Bargeldtransporte nach Russland durchgeführt hat?
1.1. Falls ja, zu welchem Zeitpunkt wurde der Sachverhalt erstmals bekannt?
2. Gibt es beim Finanzministerium, der FMA oder der OeNB Hinweise darauf, dass die RBI Bargeldlieferungen auch nach dem Beschluss weiterer Sanktionen aufgrund der Invasion der Ukraine durchgeführt hat?
3. Welche Maßnahmen haben das BMF, dem BMF untergeordnete Dienststellen, die OeNB oder die FMA getroffen, um Bargeldtransporte in sanktionierte Staaten zu unterbinden?
4. Werden beim BMF, dem BMF untergeordneten Dienststellen, der OeNB oder der FMA Statistiken darüber geführt, wie viel Bargeld von österreichischen Geschäftsbanken ins Euro-Ausland ausgeführt wird?
4.1. Falls ja, bitte um Aufschlüsselung nach Bank und Land.
4.2. Falls nein, wer erfasst diese Daten?
5. Manche Lieferungen sollen laut Berichten erst am oder nach dem Tag der russischen Invasion in Russland angekommen sein. Wurde bezüglich dieser Lieferungen eine Untersuchung seitens des Finanzministeriums, der FMA oder der OeNB eingeleitet, um zu prüfen, ob diese Lieferungen den internationalen Regelungen und Sanktionen entsprachen?
5.1. Wenn ja, zu welchem Ergebnis kamen diese Untersuchungen?
5.2. Wenn nein, werden Sie eine solche nachträgliche Untersuchung anordnen?
6. Ihr Vorgänger, BM Dr. Magnus Brunner, LL.M., fiel unter anderem damit auf, dass er die Forderung eines EU-Bankenaufsehers, wonach Institute klare Fahrpläne für den Rückzug aus Russland vorlegen sollten, als kontraproduktiv bezeichnete.[4]
6.1. Haben Sie in dieser Sache auch bereits Kontakt mit der EZB aufgenommen?
6.2. Erfolgt durch Sie eine Korrektur dieser Position gegenüber der EZB?
7. Haben Sie bereits Untersuchungen bzw. Berechnungen in Auftrag geben lassen zur Schätzung eines bereits erfolgten bzw. möglichen Reputationsrisikos des Finanzplatz Österreich durch die Russlandgeschäfte einzelner Kreditinstitute oder juristischer Personen?
8. Gab es seitens des Bundesministeriums für Finanzen Kontakt mit der amerikanischen Sanktionsbehörde OFAC bezüglich des in der Präambel geschilderten Sachverhalts?
8.1. Wenn ja, durch welche Seite wurden die Gespräche initiiert?
8.2. Wenn ja, was war Inhalt der Gespräche?
9. Sind dem Bundesministerium für Finanzen die Standpunkte der OFAC in Bezug auf das Russlandgeschäft der Raiffeisen Bank International bekannt?
9.1. Wenn ja, was sind diese Standpunkte?
9.2. Wenn ja, wie hat das BMF Kenntnis von diesen Standpunkten erhalten?
10. Haben Sie sich über die in der Präambel beschriebenen Causen nach FMABG informieren lassen?
10.1. Falls ja, welche Informationen liegen Ihnen vor?
10.2. Falls nein, warum nicht?
11. Liegen Ihnen Informationen darüber vor, dass das Russland-Geschäft der RBI zu einem Downgrading der Muttergesellschaft Raiffeisen Bank International bzw. der von ihr emittierten Wertpapiere führen könnte?
12. Gab es im Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Fall Kontakt mit anderen EU-Staaten?
12.1. Wenn ja, auf welcher Ebene?
12.2. Wenn ja, was wurde besprochen?
13. Gab es im Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Fall Kontakt mit der Ukraine?
13.1. Wenn ja, auf welcher Ebene?
13.2. Wenn ja, was wurde besprochen?
[1] https://www.reuters.com/markets/currencies/billions-dollar-euro-notes-reach-russia-despite-sanctions-2024-08-12/
[2] https://www.derstandard.at/story/3000000261063/raiffeisen-international-schaffte-kurz-vor-kriegsbeginn-milliarden-nach-russland
[3] https://www.derstandard.at/story/3000000218509/die-rbi-zahlt-in-russland-mehr-steuern-als-alle-anderen-westlichen-banken-zusammen und https://www.diepresse.com/18372219/raiffeisen-sorgt-mit-stellenanzeigen-in-russland-fuer-verwirrung
[4] https://www.derstandard.at/story/3000000189179/koalitionszwist-um-rbi-in-russland