728/J XXVIII. GP

Eingelangt am 26.03.2025
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DRINGLICHE ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Leonore Gewessler, Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde

 

 

an den Bundesminister für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie den   

 

 

betreffend: Schützen Sie die Lobau, statt Milliarden für ein fossiles Verkehrsprojekt aus dem vorigen Jahrtausend zu verbrennen, Herr Hanke!

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Der neu für Mobilität und Infrastruktur zuständige, aus der Wiener Stadtregierung in die Bundesregierung gewechselte Bundesminister Peter Hanke fühlt sich offenbar wohl in der Rolle eines „Lobautunnel-Umsetzungsbeauftragten“. Vom Minister bislang unwidersprochen habe Hanke laut profil (24.03.2025) „von Bürgermeister Ludwig (…) den Auftrag mitbekommen, den umstrittenen Lobautunnel zu realisieren“. Auch in der Kronen Zeitung (11.03.2025) wurde bereits dargestellt, Hanke habe von der Stadt Wien den „Auftrag, die Bagger wieder in Gang zu setzen“.

 

Der neu zuständige Bundesminister hat aber auch selbst schon vor seiner Angelobung keinen Zweifel an seiner Position und seinen Absichten zu diesem Projekt gelassen:

In der Kronen Zeitung (01.03.2025) beantwortete Hanke die Frage Der Lobautunnel steht nicht dezidiert im Regierungsprogramm. Kommt er fix?“ mit Der Lobautunnel ist ganz wichtig für die Bundeshauptstadt und für die Ostregion. Deshalb wird es hier sicher die notwendige Umsetzung geben.

 

Zu einem Zeitpunkt, zu dem wesentliche Genehmigungsverfahren bei diesem Projekt von Wien bis zum EuGH noch weit von rechtskräftigen Erledigungen entfernt sind, eine Umsetzung „sicher“ zuzusagen, ist rechtsstaatlich betrachtet interessant.

 

Auch in weiteren Statements zum Thema vor und nach dem Wechsel in die Bundesregierung befürwortete der neue Minister klar ein undifferenziertes Mehr bei Verkehrsinfrastruktur inklusive einer Straßenbauoffensive. So war etwa im Kurier (19.03.2025) zu lesen: „Hanke bekannte sich am Hauptbahnhof klar zum Rahmenplan der ÖBB, der Investitionen von 21 Milliarden Euro vorsieht, sowie zu den Ausbauplänen des Autobahnbetreibers ASFINAG. Für den Wirtschaftsstandort sei es „ganz wichtig“, Wien und Österreich verkehrsmäßig noch besser anzuschließen. Die milliardenschweren Bauprojekte von ÖBB und ASFINAG würden auch am Arbeitsmarkt gut ankommen.“ Es sei nicht leicht, argumentierte Hanke weiter, „bei Klimaneutralität über neue Bahnverbindungen und Straßen zu sprechen. Doch ein moderner Wirtschaftsstandort brauche eine moderne Infrastruktur.“

 

Das sind beliebte, aber dennoch verfehlte Pro-Straßenbau-Argumente: Das pauschale Arbeitsplatzargument für jede Art von Infrastruktur ohne Differenzierung ist seit langem durch mehrere Untersuchungen unter anderem des WIFO entkräftet: Diese haben festgestellt, dass mit Autobahnbau auch im Vergleich zum gesamten übrigen Feld der Verkehrsinfrastruktur pro investiertem Euro die wenigsten Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden, konkret bis zu 40 % weniger. Zusätzlich hat auch das IHS zum Thema, was der Wirtschaftsstandort wirklich braucht, bereits im letzten Jahrzehnt analysiert, dass mit demselben Geldeinsatz bei der Bahn-Infrastruktur dreimal so viel und in der Bildung siebenmal so viel fürs Wirtschaftswachstum erreicht wird wie bei der ASFINAG.

 

Die Gelegenheit, das Aus für die Lobau-Autobahn ohne weiteren Aufschub zu besiegeln, hat die Regierungskoalition mit der Vertagung eines entsprechenden Antrags der Grünen vor wenigen Tagen im Ausschuss für Verkehr und Mobilität des Nationalrats bereits einmal versäumt. Das Ende dieses in nahezu allen Aspekten den Alternativen unterlegenen Milliardengrabs bleibt aber dringlich. Das gilt umso mehr, wenn wie derzeit budgetär Konsolidierungsbedarf besteht, der beispielsweise auf Kosten der Elektromobilität und des Angebotsausbaus bei den Öffis geht. Zugleich wie in einem „Paralleluniversum“ weitere Milliardenschulden für ein klimaschädliches, umweltbelastendes und verkehrsvermehrendes Projekt mit Wurzeln im letzten Jahrtausend aufzunehmen, für die die Steuerzahler:innen geradestehen müssen, wäre eine kapitale Fehlleistung.

 

Und natürlich im Hinblick auf Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz:

Die vom Menschen verursachte Klimakrise zählt zu den größten Herausforderungen unseres Jahrhunderts. Die Auswirkungen sind in unserem täglichen Leben ebenso wie für Gesellschaft und Wirtschaft längst deutlich und nachteilig spürbar. Mit ambitioniertem Klimaschutz haben wir die Chance, die Klimakrise samt ihren Folgekosten einzudämmen. Die Zeit drängt: Entschlossenes, zukunftsweisendes und richtungssicheres Handeln ist nötig, um Treibhausgasemissionen drastisch zu senken und damit die negativen Folgen des Klimawandels für uns alle zu reduzieren und die beschlossenen Verpflichtungen beim Klimaschutz zu erfüllen.

 

Zusätzliche milliardenteure Autobahnen wie die S 1 Schwechat-Süßenbrunn, öffentlich bekannt als Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel, wären hier höchst kontraproduktiv. In Österreich zählt der Verkehrssektor mit einem Anteil von fast 30 % zu den Hauptverursachern von Treibhausgasen. Mit nach wie vor höheren Emissionen im Vergleich zu 1990, deren hohes Niveau erst in den letzten Jahren grüner Regierungsbeteiiligung gebrochen werden konnte, ist der Verkehr das zentrale Sorgenkind im Klimaschutz, während in den anderen Sektoren großteils bereits beträchtliche Emissionsreduktionen gelungen sind.

 

Verkehrsinfrastruktur spielt in Bezug auf die Klimakrise eine sehr wichtige Rolle: Infrastrukturen und Verkehrssysteme beeinflussen Verkehrsverhalten und Verkehrsmittelwahl und somit die Treibhausgasemissionen direkt und langfristig. Mit Blick auf die Klimakrise tragen wir daher alle auch und gerade in der Mobilitätspolitik eine große Verantwortung für die Zukunft unseres Landes und künftiger Generationen.

 

Die politischen Ziele wären an sich klar: So will die Stadt Wien ebenso wie Österreich insgesamt bis 2040 klimaneutral sein. Wien will weiters laut Smart City Strategie bei den Einpendler:innen den Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV; derzeit rund 75%) halbieren, den Individualverkehr bis 2040 um 25% reduzieren und hat im Wiener Klimafahrplan Modal-Split-Ziele mit einer starken Reduktion des PKW-Anteils auf 20% bis 2025 und 15% bis 2030 beschlossen.

 

All dies erfordert zur Zielerreichung konsequente und zügige Maßnahmen. Leider fehlen diese in Wien. Die Stadt hinkt selbst dort wo der Bund großzügig mitfinanziert den eigenen Zielen meilenweit hinterher. Es fehlt der Mut, wie die Ziele erreicht werden können. Das SPÖ-Wien-Bekenntnis zum Klimaschutz ist vollkommen unglaubwürdig, wenn man im entscheidenden Sektor Verkehr nicht endlich tiefgreifende Reformen angeht. Klimaneutralität im Jahr 2040 kann tatsächlich nur erreicht werden, wenn im Mobilitätssektor eine radikale Abkehr von veralteter Betonpolitik und eine Trendwende erfolgt.

 

Somit ist ein Umsteuern bei den Infrastrukturinvestitionen unabdingbar: Infrastrukturen für klimaschonende Verkehrsträger benötigen Priorität. Jede weitere Investition zugunsten klimabelastender Verkehrsträger, insbesondere mit kapazitätserweiternder Wirkung, muss hingegen weit sorgfältiger als bisher geprüft und abgewogen werden. Umso mehr gilt das für Autobahnen und Schnellstraßen, wo in der Ostregion - wie in Österreich insgesamt - bereits ein in Umfang und Ausbaustandard weit überdurchschnittliches Netz besteht, das allein seit 2000 um rund 20% weitergewachsen ist.

 

Ein extrem teures, auf sehr weit zurückliegenden Daten und Entscheidungen aufgebautes, stark kapazitätserweiterndes und in vielerlei Hinsicht besonders schädliches Megaprojekt wie die Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel ist daher besonders zu hinterfragen.

 

Denn ihre angeblichen Vorteile und Lösungsbeiträge wurden bereits vielfach fakten- und evidenzbasiert entzaubert und widerlegt. Den Projektgegner:innen und den Grünen vorzuhalten, sie würden die verkehrsbelastete Bevölkerung im Stich lassen oder sich gegen ein „alternativloses“ Projekt stellen, geht also schlicht an der Realität vorbei. Im Gegenteil bewahrt nur ein Aus für die Lobau-Autobahn die Bevölkerung in Wiens 21. und 22. Bezirk vor nochmals deutlich mehr Verkehrsbelastung in der Fläche - und den gesamten Ballungsraum vor einer neuen Transitachse, denn genau für den LKW-Transit wurde die „Nordostspange“, nunmehr Lobau-Autobahn, seinerzeit geplant.

 

Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie a.D. Leonore Gewessler hat vor diesem Hintergrund in der letzten Regierung mit Nachdruck die nötigen Weichenstellungen vorangetrieben.

·         Sie veranlasste 2021 im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit eine Evaluierung des Bundesstraßenbauprogramms. Diese „Evaluierung des Straßennetzes der Zukunft“ mit Klimacheck hatte auch im Sinne entsprechender Vorgaben des Rechnungshofs zu prüfen, ob vor vielen Jahren getroffene Entscheidungen für Planung und Bau von hochrangigen Straßenbauprojekten (Autobahnen und Schnellstraßen) angesichts der Klimakrise und ihrer nötigen Bewältigung noch richtig und vernünftig sind. Die Evaluierung hatte in Bezug auf den Großraum Wien das Ergebnis, dass die S 1-Schwechat-Süßenbrunn nicht weiterverfolgt und die S 1-Spange Seestadt nur teilweise realisiert werden sollte. Die Genehmigung der mit dem Projekt zusammenhängenden S 8 wurde zuletzt vom VwGH letztinstanzlich abgelehnt. Weiters wurden auch Hinweise auf Alternativen zu diesen Vorhaben in die entsprechenden Publikationen aufgenommen.

·         Aufgrund dieser Ergebnisse der eingehenden Evaluierung wurde u.a. das Projekt S 1 Schwechat-Süßenbrunn (Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel) gesetzeskonform nicht weiterverfolgt, d.h. im nächstfolgenden mehrjährigen Bauprogramm der ASFINAG, das im Herbst 2022 auch vom Bundesminister für Finanzen unterschrieben wurde, nicht berücksichtigt. Zugleich wurden in diesem ASFINAG-Bauprogramm Mittel für die Planung von Alternativen gemeinsam mit den jeweils betroffenen Bundesländern vorgesehen.

Entsprechende Einladungen und Gesprächsangebote zwecks Verständigung auf Alternativen trafen allerdings auf Gesprächsverweigerung der Bundesländer. Ebenso wurde die Nutzung der erstmals verfügbaren Bundes-Kofinanzierung für Stadtregionalbahnen und stadtgrenzüberschreitende Straßenbahnprojekte von Wien und Niederösterreich verweigert.

·         Der bei der Evaluierung hervorgekommene Sachverhalt ergab zudem die Notwendigkeit, das Straßenbauvorhaben S 1 einer „Strategischen Prüfung Verkehr“ (SP-V) zu unterziehen, die Ende 2022 von der Republik, vertreten durch die Klimaschutzministerin als Initiatorin, im Sinne des SP-V-Gesetzes und der SUP-RL der EU gestartet wurde. Geprüft wurde darin der Vorschlag einer „Netzveränderung“ gemäß § 4 SP-V-Gesetz gegenüber dem derzeit im Bundesstraßengesetz enthaltenen Netz, das ein „Plan oder Programm“ im Sinne der EU-SUP-RL ist. Konkreter Prüfgegenstand ist die Streichung des Straßenzugs der S 1 Wiener Außenring Schnellstraße zwischen dem Knoten Schwechat und der Anschlussstelle (ASt) Groß-Enzersdorf sowie die ergebnisoffene Prüfung des Straßenzugs der S 1 zwischen dem Knoten Wien/Süßenbrunn (S 2) und der ASt Groß-Enzersdorf hinsichtlich teilweiser oder vollständiger Streichung aus dem Bundesstraßengesetz.

 

Mittlerweile liegt als Voraussetzung für die Entscheidung über diese Netzveränderungs-Vorschläge der umfassende Umweltbericht zur SP-V, verfasst von 20 Expert:innen des Umweltbundesamtes, der TU Graz und der TU Wien, vor. Der Umweltbericht stellt die Vielzahl der Widersprüche dieses Projekts zu den Klima-, Umwelt- und Bodenschutzzielen des Bundes und der Länder sowie zu vielen verkehrspolitischen Zielen gerade auch der Stadt Wien dar - und auch, wie schlecht das Projekt im Vergleich zu Alternativen dasteht, die diese Ziele besser erfüllen:

·         Hohe und selbst gegenüber einem „Weiter wie bisher“ zusätzliche Treibhausgas-Emissionen

·         Hohe Lärmemissionen

·         Ungesund hohe Luftschadstoffemissionen, etwa beim lungengängigen Feinstaub PM 2,5

·         Stark negative Auswirkungen auf Biodiversität, artenschutzrelevante Lebensraumnetze, Landschaftsschutz und Schutzgebiete

·         Gewaltiger Verlust landwirtschaftlicher Böden, die Hälfte davon die wertvollsten Produktionsböden für Nahrungsmittel, die wir in Österreich haben

·         Hohe Verluste naturnaher Wein- und Obstbaugebiete

·         Viel mehr statt weniger Verkehr insbesondere im Norden Wiens und den angrenzenden Gemeinden sowie keine bzw nur kurzfristig sehr geringe Verkehrsentlastung der A 23 Südosttangente, bei zugleich dürftiger Auslastung des Tunnels

·         Stark kontraproduktive Wirkung im Hinblick auf die Individualverkehrs- und Modal-Split-Ziele Wiens, die namentlich durch den Mehrverkehr klar verfehlt würden

·         Und: Die mit großem Abstand höchsten Kosten aller geprüfter Alternativen, mit 2,4 Mrd Euro (= Angaben lt Einreichprojekt 2009 +60%) weiterhin sehr zurückhaltend, zB ohne Berücksichtigung der Projektänderungen, geschätzt.

Demgegenüber wurden die Kosten bereits 2017 von der heutigen Neos-Außenministerin Meinl-Reisinger und dann genauer 2021 – d.h. noch ohne die letzten aufwändigen Projektänderungen und Baukostensteigerungen – von Expert:innen der TU Wien mit 4,5 Mrd Euro angegeben!

 

Das Vorhaben widerspricht somit vielen Zielen des europarechtlich fundierten SP-V-Gesetzes (vgl. § 5 Abs 4 lit. a) bis j)). Das Ergebnis der umfangreichen Alternativenprüfung im Umweltbericht ist eindeutig: Die Streichung des gesamten Vorhabens zwischen Schwechat und Süßenbrunn aus dem Bundesstraßengesetz wird empfohlen.

 

Als beste Alternative wird ein detailliert geprüftes Bündel bestehend aus dem Ausbau der Schieneninfrastruktur für Güterlogistik und Personenmobilität, Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und der Radinfrastruktur sowie verstärkten verkehrslenkenden Maßnahmen („Alternative III“) vorgestellt.

Dieses Paket führt bei Kosten von nur ca 0,4 Mrd Euro, also mindestens 2 Mrd Euro weniger als ein Bau der Lobau-Autobahn mit Lobautunnel, zu einer markanten Reduktion der Kfz-Verkehrsleistungen, womit diese beste Alternative

·         einen positiven Beitrag zur Erreichung der Umweltziele hinsichtlich Klima, Luft, Lärm und Verkehrssicherheit leistet,

·         sich neutral im Hinblick auf Bodenschutz, Wasser und Biodiversität verhält,

·         räumlich und regionalwirtschaftlich positive Impulse erwarten lässt,

·         bei Einbeziehung der Umweltkosten auch Vorteile in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung erzielt,

·         deutlich zu einem nachhaltigen Verkehrssystem beiträgt,

·         insgesamt also unter Sicherung eines hohen Mobilitätsniveaus und mit höherer sozialer Ausgewogenheit einen deutlich höheren Erfüllungsgrad der Zielkriterien gemäß SP-V-Gesetz aufweist.

 

Dieses eindeutige Prüfergebnis wurde zuletzt auch einer Öffentlichkeitsbeteiligung unterzogen, deren Stellungnahmefrist mit 21.03.2025 endete.

Der SP-V-Prozess ist nun unter Bindungswirkung des Umweltberichts und Berücksichtigungspflicht hinsichtlich der Stellungnahmen zügig gemäß § 9 Abs 1 SP-V-G mit der „Zusammenfassenden Erklärung“ abzuschließen und es wäre ein entsprechender Gesetzesvorschlag für die Netzveränderung zur Beschlussfassung vorzulegen.

 

Diese Vollendung des Prozesses ist dringend nötig auch im Hinblick auf die für Österreich als EU-Mitglied zwingende Rechtsbereinigung hinsichtlich des EuGH-Urteils von Juni 2020 in der Rechtssache C-24/19: Dieses hat Rechtsfolgen aus der Nichtdurchführung einer Strategischen Umweltprüfung im Sinne der EU-SUP-RL aufgezeigt, die in dieser Form zuvor nicht evident waren. Aus einem dem Bundesminister vorliegenden Rechtsgutachten von Univ. Prof. Dr. Müller (Univ. Innsbruck) von 2024 für die Umweltorganisation VIRUS folgt diesbezüglich, dass unter anderem das Vorhaben S 1 Schwechat-Süßenbrunn an einer (historischen) Unionsrechtswidrigkeit in Form eines „Wurzelmangels“ wegen Nichtdurchführung einer SP-V oder eines entsprechenden „Screening“ leidet. Aus diesem Wurzelmangel folgt auch die Unanwendbarkeit des Planes, sodass die S1 lediglich redaktionell im Bundesstraßengesetz blieb. Die Umsetzung der Empfehlungen des Umweltberichtes zur auch redaktionellen Herausnahme dieses Netzelements aus dem Bundesstraßengesetz wäre ein bedeutender Schritt in Richtung der EU-verpflichtenden Rechtsbereinigung.

 

Das Verhalten der neuen Bundesregierung mit ihrem nun zuständigen Bundesminister Peter Hanke steht im Gegensatz zum konsequenten und durchgängig rechtskonformen Handeln der bisherigen Bundesministerin: Das Regierungsprogramm der ÖVP-SPÖ-Neos-Bundesregierung versucht den klaren Handlungs- und Entscheidungsbedarf für ein Ende des Lobau-Autobahn-Projekts hinter einer wolkigen Formulierung zu verschleiern: „… sollen Autobahnen und Schnellstraßen (im Bundesstraßengesetz angeführt), die bereits über eine Genehmigung verfügen, (z.B. S1 Spange) schnellstmöglich realisiert werden und anhängige Verfahren und Planungen zügig weitergeführt werden“. Und dies wird von Mitgliedern der Koalition bereits in den ersten Wochen nach Lust und Laune in alle Richtungen interpretiert.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

DRINGLICHE  ANFRAGE

 

Kosten:

 

1.    Welche Gesamt-Kostenangabe in Mrd Euro für die Realisierung der S 1 Schwechat-Süßenbrunn (Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel) ist derzeit aktuell, und von wann und von wem stammt diese Kostenangabe?

2.    Welche bisherigen Projektänderungen gegenüber dem Einreichprojekt sind in dieser Kostenschätzung mit jeweils welchen konkreten Kostenbestandteilen enthalten?

3.    Sind in dieser Gesamt-Kostenangabe Finanzierungskosten enthalten? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, welche Finanzierungskosten sind hinzuzuzählen?

4.    Auf welchen Betrag in Mrd Euro lautete die Gesamt-Kostenangabe im Einreichprojekt der ASFINAG im Jahr 2009?

5.    Wie hoch war die Steigerung des VPI sowie die Steigerung des Baukostenindex Straßenbau seit 2009?

6.    Welche Projektänderungen mit Kostenfolge sind bei der S 1 Schwechat-Süßenbrunn seit 2009 im Einzelnen erfolgt?

7.    Welche Änderungen der Baukosten sind mit den in Frage 5 bis 6 angesprochenen Punkten jeweils im Einzelnen verbunden?

 

Verkehrszahlen und -prognosen:

 

8.    Welche Verkehrsprognose aus welchem Jahr war Grundlage des Einreichprojekts der ASFINAG von 2009?

9.    Welche Verkehrszahlen für das Projekt S 1 Schwechat-Süßenbrunn hat diese Prognose für nach der Inbetriebnahme für den Tunnelabschnitt prognostiziert?

10. Welche Verkehrszahlen werden demgegenüber aktuell – zB im Rahmen der SP-V – für nach der Inbetriebnahme einer S 1 Schwechat-Süßenbrunn für den Tunnelabschnitt prognostiziert?

11. Um wieviel Prozent liegt der durchschnittliche werktägliche Verkehr (Mo-Fr) am stärkstbefahrenen Abschnitt der A 23 Wiener Südosttangente in den letzten Monaten unter den in der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Wien und anderer Lobau-Autobahn-Befürworter:innen gern betonten „rund 230.000 Fahrzeugen täglich“?

12. Falls der Wert laut Frage 10 unter demjenigen laut Frage 9 liegt – welche Konsequenzen werden Sie aus diesem „Nachfrageschwund“, der sich auch auf alle Kosten-Nutzen-Überlegungen auswirkt, ziehen?

13. Können Sie hier bestätigen, dass die Prognosen des Einreichprojekts schon zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingetreten sind?

 

EuGH:

 

14. Welche Position nehmen Sie beziehungsweise Ihr Ressort zu den zentralen Fragen des Ihnen vorliegenden und mittlerweile vom BvWG dem EuGH vorgelegten Rechtsgutachtens von Univ.Prof. Dr. Müller Uni Innsbruck von 2024 ein, wonach eine seinerzeitige Nicht- oder „Schlecht“durchführung einer SUP iSd EU-SUP-RL maßgebliche Rechtsfolgen auslöst, unter anderem der Eintrag im Bundesstraßengesetz zur S 1 Schwechat-Süßenbrunn wegen Unionsrechtswidrigkeit unangewendet zu lassen und so zu behandeln ist, als würde er dort nicht stehen, und es mangels Grundlage daher nicht möglich ist in Genehmigungsverfahren eine Bewilligung zu erteilen?

15. Werden Sie in Ihrer Rolle als Eigentümervertreter bei der ASFINAG auf diese einwirken, ihre Absichten für ein Weiterführen der an sich während des EuGH-Vorabentscheidungsverfahrens ruhenden Verfahren zu unterlassen, damit gegebenenfalls verlorener Planungs- und Verfahrensaufwand für die Steuerzahler:innen vermieden wird? Wenn nein warum nicht?

 

Klima- und Umweltfolgen, SP-V:

 

16. Welche zusätzliche Treibhausgasemission wäre mit einer Umsetzung der S 1 Schwechat – Süßenbrunn (Lobau-Autobahn mit Lobautunnel) – „Nullalternative“ – im Jahr 2040 laut SP-V verbunden?

17. Welche Entwicklung beim Verkehr im engeren Untersuchungsraum und speziell im Norden von Wien/21. und 22. Bezirk Wiens hält die Analyse der „Nullalternative“ in der SP-V fest?

18. Welche Entwicklung beim Lärm wäre laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel zu erwarten?

19. Welche Auswirkungen auf die Biodiversität wäre laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel zu erwarten?

20. Welche Entwicklungen betreffend naturnahe Gebiete mit Wein- und Obstbau wären laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel zu erwarten?

21. Welches Ausmaß an landwirtschaftlichen Böden würde laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel ersatzlos verlorengehen, welches Ausmaß demgegenüber bei Alternative III?

22. Welches Ausmaß an den besten landwirtschaftlichen Böden, die wir in Österreich haben (BEAT-Böden), würde laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel geopfert?

23. Würden laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel WHO-Richtwerte für den besonders gesundheitsgefährdenden Feinstaub PM 2,5 im Untersuchungsgebiet überschritten, wenn ja an wieviel Prozent der Messstellen?

24. Für wie viele Menschen würde laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel die Schadstoffbelastung zunehmen, für wie viele bei „Alternative III“ ohne Lobau-Autobahn?

25. Für wie viele Menschen würde laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel die Schadstoffbelastung abnehmen, für wie viele bei „Alternative III“ ohne Lobau-Autobahn?

26. Würde das Ziel der Smart City Strategie - Abnahme des Individualverkehrs in Wien um 25% bis 2040 - laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel verfehlt, wenn ja in welchem konkreten Ausmaß?

27. Welcher Modal-Split-Anteil des MIV würde 2040 laut Analyse in der SP-V mit der „Nullalternative“ Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel erreicht, welche mit der „Alternative III“ ohne Lobau-Autobahn?

28. Wie sind die in den Fragen 26 und 27 erfragten Werte im Vergleich zum offiziellen Modal-Split-Ziel Wiens für 2030 einzuordnen?

29. Welche der in der SP-V geprüften Alternativen hätte den höchsten Energieverbrauch 2040, welche Alternativen den niedrigsten?

30. Wie viele Stellungnahmen sind im Zuge der Öffentlichkeitsbeteiligung in der SP-V zur S 1 Schwechat-Süßenbrunn eingelangt?

31. Bis wann werden Sie eine Zusammenfassende Erklärung zur SP-V zur S 1 Schwechat – Süßenbrunn vorlegen?

32. Werden Sie unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Umweltberichts sowie der eingegangenen Stellungnahmen einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Anhangs (Verzeichnis 2) zum Bundesstraßengesetz 1971 veröffentlichen und dem Ministerrat sowie Nationalrat zur Beschlussfassung vorlegen? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, warum nicht?

 

Alternativen:

 

33. Welche Informationen liegen dem BMK bzw Ihnen vor zur Frage, warum die Stadt Wien

-       trotz Ankündigungen von Stadträtin Sima noch im letzten Wien-Wahlkampf im Herbst 2020 mit laut ihr „hoher Realisierungswahrscheinlichkeit“,

-       trotz des intensiven Werbens etwa des Österreichischen Städtebunds für landesgrenzübergreifende Öffi-Ausbauten in Ballungsräumen und

-       trotz des wiederholten Rufs nach „Alternativen zur Lobauautobahn“

von der durch die letzte Bundesregierung geschaffenen Möglichkeit der Bundes-Kofinanzierung für Stadtregionalbahnen und große Straßenbahnausbauten (anders als etwa Innsbruck, Graz und Linz) keinen Gebrauch im Planungsraum der S 1 gemacht hat, obwohl es genau hier tatsächlich seit langem großen Bedarf für ein entsprechendes Projekt Donaustadt – Groß Enzersdorf gibt?

34. Nachdem die Stadt Wien öffentlich wiederholt die Alternativenplanung eingefordert hat: Zu wie vielen Sitzungen war die Stadt eingeladen, bei wie vielen hat sie teilgenommen?

 

Rolle des Bundesministers:

 

35. Von wem haben Sie bei der Lobau-Autobahn den jüngst mehrfach medial kolportierten bzw auch konkreten Personen zugeschriebenen „Auftrag, die Bagger wieder in Gang zu setzen“ bzw. „Auftrag, den umstrittenen Lobautunnel zu realisieren“?

36. Sie haben in Ihrer Rolle als Wirtschaftsstadtrat noch vor wenigen Monaten betont, dass Sie „den Lobautunnel nicht aufgeben“ werden, und dabei angeführt „Es braucht eine Alternative zur überlasteten Tangente. Am Tunnel hängen auch der Ausbau der Infrastruktur und Arbeitsplätze, die mir in meiner Funktion am Herzen liegen.“ – ist Ihnen trotz aller hierzu vorliegender Studien auch im Auftrag der Stadt Wien nicht bekannt, dass der Lobautunnel die Tangente längerfristig nicht entlastet und dass am Lobautunnel wesentlich weniger Arbeitsplätze hängen als wenn man die gleiche Summe in Verkehrsberuhigung, Bahninfrastruktur oder gar Bildungsmaßnahmen investiert?

37. Nachdem Sie offensichtlich eine vorgefasste positive Haltung zum Projekt Lobau-Autobahn mit Lobau-Tunnel pflegen: Bis wann werden Sie ein Expertise-gestütztes „eigenes Bild entwickeln“, etwa unter Heranziehung der Expertise und Erkenntnisse aus der Studie der TU Wien für die Stadt Wien von 2021 und der Ergebnisse des Umweltberichts zur SP-V von Anfang 2025?

 

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs.1 GOG verlangt.