729/J XXVIII. GP
Eingelangt am 26.03.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Polizei unterbindet Protest jüdischer Studierender auf Zuruf von Rechtsextremen
Am 7. März 2025 fand der Wiener Akademikerball in den Räumlichkeiten der Wiener Hofburg statt. Wie schon in den vorangegangenen Jahren zählten auch dieses Jahr erneut FPÖ-Politiker, deutschnationale Burschenschafter und andere Rechtsextreme wie Mitglieder der „Identitären“ zu den Gästen des deutsch-völkischen Tanzevents. In den Tagen zuvor organisierten die Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) eine dreitägige Videoinstallation gegen rechtsextreme Burschenschaften am äußeren Burgtor. Projiziert wurde ein “Countdown bis zum Nazi-Ball”, zudem wurde mit Kreide auf den Bürgersteig gemalt. Die beiden ersten Kundgebungsabende verliefen ohne Zwischenfälle oder Interventionen der Polizei, wie die JöH in einer Aussendung dazu schildert[1].
Am Donnerstag den 6. März 2025, dem letzten Tag der Projektion, observierte der FPÖ-Funktionär, deutschnationale Burschenschafter und Mitorganisator des Akademikerballs Udo Guggenbichler die Kundgebung der JöH. Kurz danach trafen plötzlich dutzende Einsatzkräfte der Polizei ein, die die Videoprojektion unterbanden und von den Anwesenden die Personalien aufnahmen. Zudem wurden Plakate, die zu einer Kundgebung gegen den Akademikerball aufriefen, von den Beamten heruntergerissen und „beschlagnahmt“. Als Grund für dieses fragwürdige Einschreiten wurde eine Anzeige wegen Verhetzung genannt - ein Straftatbestand, der eigentlich dem Schutz von Minderheiten dient. Der Verfassungsschutz nahm umgehend Ermittlungen gegen den Kundgebungsleiter, den Anmelder und die Anwesenden „Beitragstäter“ alias Kundgebungsteilnehmer:innen auf.
Wie aus den polizeilichen Ermittlungsakten hervorgeht, wurde die Anzeige direkt von Udo Guggenbichler erstattet. Gegen Guggenichler fanden im Jahr 2023 Ermittlungen wegen NS-Wiederbetätigung statt, die später unter fragwürdigen Umständen eingestellt wurden, zu denen die Grüne Abgeordnete Mag. Eva Blimlinger eine parlamentarische Anfrage an den Innenminister einbrachte (15283/J)[2].
Ein rechtsextremer Burschenschafter wendet also jenen Paragraphen, der Minderheiten vor Hassrede und Hetze schützen soll, gegen eine jüdische Studierendenorganisation und Nachfahren von Holocaust-Opfern an, die eine rechtsextreme Veranstaltung kritisieren. Eine perfide Verdrehung des Rechts.
Erschreckend ist aber die umgehende Mitwirkung der Polizeibehörden, die sichtlich alles unternahmen, um den Protest von jüdischen Studierenden gegen eine rechtsextreme Veranstaltung zu unterbinden und in weiterer Folge den Verfassungsschutz zu Ermittlungen brachten – und das auf Zuruf eines deutsch-völkischen Burschenschafters. Teilweise stellten sich die Beamten auch physisch in den Weg, um eine Ersatzprojektion zu verhindern[3]. Damit ergibt sich nicht nur der Verdacht der politischen Einflussnahme, das Vorgehen wirft auch ein fragwürdiges Licht auf die Exekutive, die sich hier zum tatkräftigen Erfüllungsgehilfen für rechtsextreme Wunschträume aufschwingt und den friedlichen Protest von jüdischen Studierenden gegen einen FPÖ-Burschenschafter-Ball kriminalisiert.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Wie viele Polizeibeamte führten am Abend des 6. März 2025 den Einsatz gegen die in der Anfrage behandelte Kundgebung am äußeren Burgtor durch?
2) Welche Polizeieinheiten waren an diesem Einsatz beteiligt?
3) Was war der Grund für das polizeiliche Einschreiten?
4) Wer legte die Anzeige wegen Verhetzung im Zusammenhang mit der in der Anfrage behandelten Kundgebung?
5) Wie und wo wurde diese Anzeige gelegt?
6) Rief Udo Guggenbichler als Anzeigeleger den polizeilichen Notruf an, eine spezielle Dienststelle oder einen persönlichen Kontakt?
7) Wer wurde von der Anzeigelegung durch Udo Guggenbichler in Kenntnis gesetzt?
8) Erfolgte eine juristische Prüfung der Anzeige durch bei der Polizei durch rechtswissenschaftlich qualifizierte Beamt:innen und falls ja zu welchem Ergebnis kam diese?
9) Aus welchem Grund kam die juristische Prüfung zu dem Ergebnis, der Verhetzungsparagraf wäre in diesem Fall anwendbar?
10) Sind die Besucher einer Burschenschafter-FPÖ-Veranstaltung laut den Polizeibehörden Teil jener Gruppen, die im Verhetzungsparagraf § 283 StGB als geschützte Gruppen aufgezählt und angeführt werden[4]? Wenn ja, warum?
11) Bewerten Sie die Bezeichnung „Nazi“ für einen Rechtsextremen oder einen Neonazi als Verhetzung?
12) Warum wurden Plakate, die zu einer Kundgebung gegen den Akademikerball aufriefen, von den einschreitenden Beamten heruntergerissen und beschlagnahmt?
13) Was war der zeitliche Abstand zwischen der Anzeigelegung und dem Einsatzbefehl an die jeweiligen Dienststellen?
14) Wer traf die Entscheidung für den Einsatzbefehl und auf welcher Grundlage wurde dieser getroffen?
15) Ist es üblich, eine derart kleine Kundgebung mit einem im Verhältnis doch recht hohen Polizeiaufkommen zu konfrontieren und warum wurde in diesem Fall diese Entscheidung getroffen?
16) Wird eine Anzeige oder ein Hinweis telefonisch von einer externen Person erstattet, was ist das übliche weitere Vorgehen? Bitte schildern Sie das übliche Vorgehen in solchen Fällen in allen Einzelheiten.
17) Aus welchem Grund sah sich die Behörde erst nach der Intervention eines FPÖ-Politikers und Mitglied einer rechtsextremen Burschenschaft veranlasst einzuschreiten, nachdem die Polizei zwei Tage lang keinen Grund für ein derartiges Einschreiten erkennen konnte?
18) Warum hat sich die polizeiliche Einschätzung am dritten Tag der Projektion geändert und besteht hier ein Zusammenhang mit der Intervention seitens Udo Guggenbichlers?
19) Wie im Versammlungsgesetz festgeschrieben, muss den Behörden nicht nur ein Anmelder, sondern auch eine Kundgebungsleitung mitgeteilt werden. Da diese den Behörden bekannt waren, warum erfolgte eine Personalien-Feststellung bei anderen anwesenden Kundgebungsteilnehmer:innen?
20) Bei wie vielen Kundgebungsteilnehmer:innen und aufgrund welcher juristischen Grundlage wurden diese Personalien-Feststellungen durchgeführt?
21) Entspricht das Vorgehen gegen die in der Anfrage behandelte Kundgebung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?
22) Wie viele vergleichbare Einsätze aufgrund von Verhetzungsvorwürfen wurden in den letzten drei Jahren gegen Kundgebungen oder Demonstrationen durchgeführt? Bitte um Auflistung mit Datum, Anlass und Anzahl der eingesetzten Beamten.
23) Wann, durch wen und mit welcher Begründung wurde entschieden, die Ermittlungen in dieser Sache an das Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung zu übergeben?
24) Wurden die polizeilichen Ermittlungen gegen die JöH-Aktivist:innen vor oder nach dem Polizeieinsatz mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgestimmt, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
25) Wurden polizeiliche Maßnahmen (Ermittlungen, Personen-Identitätsfeststellungen, Beschuldigtenvernehmung) ohne vorherige staatsanwaltschaftliche Anordnung durchgeführt, und wenn ja, wieso und auf welcher konkreten Rechtsgrundlage? Ist ein solches Vorgehen üblich? Bitte um genaue Ausführungen, wann das LSE ohne staatsanwaltschafliche Anordnung Ermittlungen durchführen darf und das in der Realität tut.
26) Gab es vor oder nach dem Einsatz Kommunikation zwischen Herrn Guggenbichler und Polizeibeamten, die über das übliche Maß einer Anzeigenerstattung hinausgeht?
27) Gab es direkte oder indirekte Weisungen höherrangiger Beamter oder politischer Funktionsträger im Zusammenhang mit diesem Einsatz?
28) Auf welcher konkreten rechtlichen Bewertung basierte die Entscheidung, die Plakate, die lediglich zu einer Kundgebung gegen den Akademikerball aufriefen, zu entfernen und sicherzustellen?
[1] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20250324_OTS0039/verdacht-auf-politische-einflussnahme-akademikerball-chef-guggenbichler-missbraucht-gesetz-zum-schutz-von-minderheiten
[2] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/15283
[3] https://x.com/joehwien/status/1897923865520562214?s=46
[4] https://www.bmj.gv.at/themen/Fokusthemen/gewalt-im-netz/Strafrechtlicher-Schutz/Verhetzung.html