73/J XXVIII. GP
Eingelangt am 19.11.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Visa Vergabe an Mitglieder der iranischen Elite
Am 13. November 2024 deckte eine investigative Recherche des Standard auf, dass Mitglieder der Elite des iranischen Regimes über eine in Wien ansässige Firma unter dem Dach der Supermarktkette Spar für den Schengen-Raum Visa erhalten. Nach Informationen des Standards stellte die Firma Blue River Retail GmbH, Lizenznehmerin von Spar International im Iran, den betreffenden Personen Einladungsschreiben aus und unterstützte sie offenbar auch bei der Erlangung von Bargeld in Österreich.[1]
Die betroffenen Personen seien entweder selbst hochrangige Funktionäre des iranischen Regimes oder stünden zu diesem in enger (familiärer) Verbindung. Sie wurden mit Schengen-Visa, ausgestellt vom österreichischen Konsulat in Teheran, nach Österreich eingeladen.
Dieser Sachverhalt wirft schwerwiegende Fragen hinsichtlich der Visa-Vergabepraxis, der Einhaltung internationaler Sanktionen und möglicher Sicherheitsbedenken auf.
Das iranische Regime wird regelmäßig mit Menschenrechtsverletzungen und repressiven Maßnahmen in Verbindung gebracht. Darüber hinaus besteht laut dem österreichischen Verfassungsschutzbericht 2023 die Gefahr, dass iranische Akteure ihre Präsenz in Europa für nachrichtendienstliche Tätigkeiten oder die Einschüchterung von Regimegegner:innen nutzen.[2]
Die für die Vergabe von Visa zuständigen Minister sowie die ihnen unterstellten Behörden haben deshalb eine Verantwortung, aufzuklären, welche Maßnahmen in Bezug auf Visa-Vergabeverfahren getroffen wurden, um Missbrauch und Sanktionsverstöße zu verhindern, und ob die zuständigen Stellen auf EU- oder nationaler Ebene über diese Vorgänge informiert wurden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Nach welchen Kriterien und rechtlichen Rahmenbedingungen werden Schengen-Visa durch das österreichische Konsulat in Teheran erteilt, für die es gemäß § 7 FPG 2005 die Zustimmung des Bundesministers für Inneres braucht?
a. Welche Sicherheitsüberprüfungen und Sanktionskontrollen werden bei der Erteilung von Schengen-Visa durchgeführt?
b. Werden vor der Visa-Vergabe Informationen von österreichischen Sicherheitsbehörden, dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) oder der EU angefordert?
i. Wenn nein, warum nicht?
2) War dem Bundesministerium für Inneres (BMI) bekannt, dass die Blue River Retail GmbH Einladungsschreiben für Angehörige des iranischen Regimes ausgestellt hat?
a. Wie viele Visa, für die es gemäß § 7 FPG 2005 die Zustimmung des Bundesministers für Inneres braucht, wurden mit Hilfe der Blue River Retail GmbH in den Jahren 2017-2024 erteilt?
b. Hat das BMI geprüft, ob die Ausstellung dieser Visa mit nationalen oder internationalen Sanktionen gegen Iran in Einklang steht?
c. Wurde der Verdacht auf Missbrauch von Visa durch die betroffenen Personen oder durch die einladende Organisation geprüft? Wurden solche Ermittlungen nach Veröffentlichung der Recherche durch den Standard eingeleitet?
3) Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen dem BMI und dem BMEIA bzw. den diesen Ministerien unterstellten Behörden bei der Bewertung von Visa-Anträgen, die potenziell sicherheitsrelevante Personen betreffen, konkret aus?
a. Werden Nachrichtendienste in die Prüfung solcher Visa-Fälle eingebunden, und wenn ja, in welcher Form?
b. Wenn nein, warum nicht?
4) Welche Schutzmaßnahmen existieren, um sicherzustellen, dass Visa nicht für die Umgehung von Sanktionen oder sicherheitsgefährdende Aktivitäten genutzt werden?
a. Werden Visa-Anträge für Personen, die mit sanktionierten Regimen oder Organisationen in Verbindung stehen, speziell überprüft?
b. Wer ist für die Einhaltung des Sanktionenregimes mit Blick auf Visavergabe verantwortlich?
5) Wurden relevante Stellen der EU über die hier beschriebenen Vorfälle informiert?
a. Wenn ja, welche Stellen?
b. Wenn nein, warum nicht?
6) Ist dem BMI bekannt, ob und in welcher Form die iranische Botschaft in Wien auf die Vergabe von Visa Einfluss nimmt? Werden diesbezüglich Ermittlungen geführt?
7) Welche Schritte plant das BMI, um Missbrauch von Visa-Vergaben in Fällen wie diesem künftig zu verhindern?
a. Sind rechtliche oder administrative Änderungen in Planung, um den Sicherheitsstandard bei der Visa-Vergabe zu erhöhen?
8) Wie viele Visa, für die gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 FPG 2005 die Landespolizeidirektionen zuständig sind, werden jährlich an iranische Staatsbürger:innen erteilt?
a. Bitte um Aufschlüsselung nach Art des Visums (§ 20 Abs. 1 Z 1-10 bzw. § 24b FPG 2005) für die Jahre 2017-2024.
9) Wie viele Visa, für die gemäß § 7 FPG 2005 die Zustimmung des Bundesministers für Inneres erforderlich ist, werden durch die österreichischen Vertetungsbehörden jährlich an iranische Staatsbürger:innen erteilt?
a. Bitte um Aufschlüsselung nach Art des Visums (§ 20 Abs. 1 Z 1-10 bzw. § 24b FPG 2005) für die Jahre 2017-2024.
10) Welche anderen Unternehmen stellen häufige Einladungsschreiben an iranische Staatsbürger:innen im Zusammenhang mit Visa-Vergabeverfahren aus und aus welchen Gründen?
11) Welche Rolle spielt das Unternehmen VFS Global im Visavergabeverfahren für iranische Staatsbürger:innen und wie werden deren Aufgaben und Verantwortlichkeiten durch BMEIA, BMI und die den Ministerien unterstellten Behörden überwacht?
a. Erfolgt die Visavergabe für iranische Diplomat:innen über die VFS Global?
b. Welche spezifischen Aufgaben übernimmt VFS Global im Zusammenhang mit der Bearbeitung und Prüfung von Visaanträgen aus dem Iran?
c. Gibt es regelmäßige Überprüfungen der Aktivitäten von VFS Global im Hinblick auf die Einhaltung österreichischer und europäischer Sicherheitsstandards?