74/J XXVIII. GP
Eingelangt am 19.11.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Diplomatischer Korps iranische Botschaft
Am 13. November wurde durch eine investigative Recherche des „Standard“ bekannt, dass Iran über eine Firma „unter dem Dach von Spar (…) Mitglieder der Elite des Mullah Regimes nach Österreich schleuste“. Demnach sollen Mitglieder der Elite des iranischen Regimes über eine in Wien ansässige Firma unter dem Dach der Supermarktkette Spar für den Schengen-Raum Visa erhalten haben. Nach Informationen des Standard stellte die Firma Blue River Retail GmbH, Lizenznehmerin von Spar International im Iran, den betreffenden Personen Einladungsschreiben aus und unterstützte sie offenbar auch bei der Erlangung von Bargeld in Österreich.[1]
Die betroffenen Personen seien entweder selbst hochrangige Funktionäre des iranischen Regimes oder stünden zu diesem in enger (familiärer) Verbindung. Sie wurden mit Schengen-Visa, ausgestellt vom österreichischen Konsulat in Teheran, nach Österreich eingeladen.
Noch ist nicht bekannt, wie viele Personen auf diesem und ähnlichem Wege nach Österreich geschleust wurden.
Da Irans Botschaft in Wien, wie im österreichischen Verfassungsschutzbericht festgehalten wird, als „bedeutende Einrichtung zur Tarnung von Nachrichtendienstmitarbeiterinnen und Nachrichtendienstmitarbeitern und als wichtige Steuerungszentrale iranischer Nachrichtendienstaktivitäten in Europa“ gilt, ist es von Interesse herauszufinden, ob es hier eine Verwicklung gibt.
Die iranische Botschaft in Wien zeigt sich in einer Kontinuität ihrem Gastgeberland Österreich gegenüber respektlos und ignoriert unsere demokratischen und liberalen Werte - bis hin zur Missachtung unseres geltenden Rechtes -, dass die Arbeit der iranischen Botschaft ernsthaft in Frage zu stellen und eine Nachbesetzung des iranischen Botschafters zu überdenken ist.
Der Fall des ehemaligen dritten Botschaftsrats der Islamischen Republik Iran, der an der Botschaft in Wien arbeitete und seine diplomatische Immunität dafür ausnutzte, um eine Bombe zu schmuggeln und ein terroristisches Attentat auf europäischem Boden zu planen, ist nur ein Beispiel dafür, wohin die schwer zu durchblickende Tätigkeit von als Diplomaten getarnten Mitarbeitern des iranischen Geheimdienstes führen kann. Ihre eigentliche Aufgabe als bilaterale diplomatische Vertretung verfehlt die Botschaft der islamischen Republik Iran dabei regelmäßig. So wurden beispielsweite Hunderte Briefe an den iranischen Botschafter a.D. Abbas Bagherpour Ardekani von Abgeordneten des österreichischen Nationalrates, in Bezug auf ihre politischen Patenschaften für Gefangene im Iran, nie beantwortet. Im Übrigen fiel der ehemalige Botschafter Arderkani mit antisemitischen bis terrorverherrlichenden Tweets auf, die sogar zu einer Anzeige von Seiten der DSN (Direktion Staatschutz und Nachrichtendienst) gegen ihn geführt haben, da er gegen geltendes österreichisches Recht verstoßen haben soll.
Auf Seite 95 des österreichischen Verfassungsschutzberichts 2023 ist zu lesen: „Hinsichtlich etwaiger Spionagetätigkeiten im Inland sind vor allem Nachrichtendienste wie jene der Russischen Föderation, Chinas, des Iran sowie der Türkei zu nennen. Klassische Tätigkeiten, die solchen Diensten zugeschrieben werden und eine ernsthafte Bedrohung für Österreich darstellen sowie betriebswirtschaftliche wie volkswirtschaftliche Auswirkungen bedingen können, sind unter anderem die klassische Spionage durch menschliche Quellen (HUMINT), das Verbreiten von Desinformation und von unzulässiger ausländischer Einflussnahme sowie das Durchführen von Cyberangriffen.“
Auf Seite 104 des aktuellen Verfassungsschutzberichtes wird weiter erläutert:
„Irans Nachrichtendienste fungieren als Herrschaftsinstrumente für den Machterhalt des repressiven Regimes. Sie agieren im In- und Ausland, um für die iranische Führung relevante Informationen zu beschaffen sowie Bedrohungen durch angebliche Feinde der Islamischen Republik zu identifizieren und gegen sie vorzugehen. Regimegegnerinnen und Regimegegner sowie Oppositionelle werden nicht nur auf iranischem Boden, sondern auch in der Diaspora im Ausland und damit auch in Österreich bedroht und eingeschüchtert.“
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Ist abzusehen, dass ein neuer iranischer Botschafter in Österreich eingesetzt wird?
a. Falls ja, welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass der neue Botschafter die Position nicht erneut für die Verbreitung von terrorverherrlichender und antisemitischer Propaganda missbraucht?
b. Welche Schritte werden unternommen, um sicherzustellen, dass der neue Botschafter die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen Österreich und Iran nicht weiter belastet?
2) Wie wird ein potenziell neuer iranischer Botschafter in Österreich sicherheitsüberprüft?
a. Welche Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollmaßnahmen existieren, um das Risiko von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten oder Einflussnahme durch die Botschaft zu minimieren?
b. Gibt es zusätzliche Sicherungsmaßnahmen für die Überprüfung, die auf die besondere Problematik der nachrichtendienstlichen Aktivitäten Irans in Österreich zugeschnitten sind?
3) Ist es vorstellbar, dass die Stelle des iranischen Botschafters in Österreich unbesetzt bleibt?
a. Falls ja, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen könnte diese Position vakant bleiben?
b. Falls nein, warum wird eine Vakanz der Botschafterstelle als nicht möglich erachtet?
4) Welche Interventionsmöglichkeiten hat der Außenminister, um die Ernennung eines iranischen Botschafters in Österreich zu verhindern?
a. Welche rechtlichen und diplomatischen Maßnahmen stehen zur Verfügung, um die Ernennung eines Botschafters, der potenziell als Risiko für die österreichische Sicherheit eingestuft wird, zu unterbinden?
b. Welche politischen Konsequenzen könnte ein solcher Schritt auf die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und dem Iran haben?
5) Besteht die Möglichkeit, dass nur der konsularische Betrieb der iranischen Botschaft aufrechterhalten bleibt, während andere diplomatische Tätigkeiten eingeschränkt werden?
a. Gibt es rechtliche und diplomatische Rahmenbedingungen, die den Betrieb auf konsularische Dienstleistungen beschränken können?
b. Welche Folgen könnte eine derartige Beschränkung für die iranische Gemeinschaft in Österreich und für die bilateralen Beziehungen haben?
6) Wie viele Personen sind an der iranischen Botschaft akkreditiert?
a. Gemäß dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen steht es Österreich zu, zu fordern, dass sich der Personalbestand in den Grenzen hält, die es in Anbetracht der vorliegenden Umstände für angemessen und normal hält. Halten Sie den aktuellen Personalstand für angemessen und normal?
7) Nach welchen Kriterien und rechtlichen Rahmenbedingungen werden Schengen-Visa, für die gemäß §§ 7 und 8 FPG 2005 das österreichische Konsulat in Teheran zuständig ist, erteilt?
a. Welche Sicherheitsüberprüfungen und Sanktionenkontrollen werden bei der Erteilung von Schengen-Visa durchgeführt?
b. Werden vor der Visa-Vergabe Informationen von österreichischen Sicherheitsbehörden oder der EU angefordert?
i. Wenn nein, warum nicht?
8) War dem BMEIA bekannt, dass die Blue River Retail GmbH Einladungsschreiben für Angehörige des iranischen Regimes ausgestellt hat?
a. Wie viele Visa, für die es gemäß § 7 FPG die Zustimmung des Bundesministers für Inneres braucht, wurden mit Hilfe der Blue River Retail GmbH in den Jahren 2017-2024 erteilt?
b. Hat das BMEIA geprüft, ob die Ausstellung dieser Visa mit nationalen oder internationalen Sanktionen gegen Iran in Einklang steht?
c. Wurde der Verdacht auf Missbrauch von Visa durch die betroffenen Personen oder durch die einladende Organisation geprüft? Wurden solche Ermittlungen nach Veröffentlichung der Recherche durch den Standard eingeleitet?
9) Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen dem BMEIA und dem BMI bzw. den diesen Ministerien unterstellten Behörden bei der Bewertung von Visa-Anträgen, die potenziell sicherheitsrelevante Personen betreffen, aus?
a. Werden Nachrichtendienste in die Prüfung solcher Visa-Fälle eingebunden, und wenn ja, in welcher Form?
b. Wenn nein, warum nicht?
10) Welche Schutzmaßnahmen existieren beim BMEIA und den diesem unterstellten Vertretungsbehörden, um sicherzustellen, dass Visa nicht für die Umgehung von Sanktionen oder sicherheitsgefährdende Aktivitäten genutzt werden?
a. Werden Visa-Anträge für Personen, die mit sanktionierten Regimen oder Organisationen in Verbindung stehen, speziell überprüft?
b. Wer ist für die Einhaltung des Sanktionenregimes mit Blick auf Visavergabe verantwortlich?
11) Wurden relevante Stellen der EU über die hier beschriebenen Vorfälle informiert?
a. Wenn ja, welche Stellen?
b. Wenn nein, warum nicht?
12) Ist dem BMEIA bekannt, ob und in welcher Form die iranische Botschaft in Wien auf die Vergabe von Visa Einfluss nimmt? Werden diesbezüglich Ermittlungen geführt?
13) Welche Schritte plant das BMEIA, um Missbrauch von Visa-Vergaben in Fällen wie diesem künftig zu verhindern?
a. Sind rechtliche oder administrative Änderungen in Planung, um den Sicherheitsstandards bei der Visa-Vergabe zu erhöhen?
14) Wie viele Visa, für die gemäß §§ 7 und 8 FPG 2005 die Vertretungsbehörden zuständig sind, werden jährlich an iranische Staatsbürger:innen erteilt?
a. Bitte um Aufschlüsselung nach Art des Visums (§ 20 Abs. 1 Z 1-10 bzw. § 24b FPG 2005) für die Jahre 2017-2024.
15) Wie viele Visa, für die gemäß § 7 FPG 2005 die Zustimmung des Bundesministers für Inneres erforderlich ist, werden durch die österreichischen Vertretungsbehörden jährlich an iranische Staatsbürger:innen erteilt?
a. Bitte um Aufschlüsselung nach Art des Visums (§ 20 Abs. 1 Z 1-10 bzw. § 24b FPG 2005) für die Jahre 2017-2024.
16) Welche anderen Unternehmen stellen häufige Einladungsschreiben an iranische Staatsbürger:innen im Zusammenhang mit Visa-Vergabeverfahren aus und aus welchen Gründen?
[1] https://www.derstandard.at/story/3000000244550/firma-unter-dem-dach-von-spar-schleuste-mitglieder-der-elite-des-mullah-regimes-nach-oesterreich