Begründung:
Allgemeiner Teil
Hauptgesichtspunkte des Entwurfes
Durch den verstärkten Familiennachzug in den letzten Jahren hat ein starker Zuzug von Angehörigen von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten nach Österreich stattgefunden. Damit verbunden war vor allem eine vermehrte Migration von Kindern und Jugendlichen. Viele der Familien kamen zunächst nicht nach Europa, sondern wurden in Lagern aufgenommen die (hauptsächlich) in der Türkei und dem Libanon eingerichtet wurden. Mit ihrer Ankunft in Österreich sind viele der Kinder schulpflichtig.
Eine besondere Herausforderung, die sich bei diesen Kindern und Jugendlichen stellt, liegt darin, dass viele von ihnen aus einem anderen Kulturkreis nach Österreich kommen und keinerlei Vorerfahrung aus einem beständigen Bildungssystem haben, wie es in Österreich etabliert ist. Die Vermittlung von grundlegenden Kompetenzen, die für den Einstieg in die Schullaufbahn essentiell sind, hat nicht stattgefunden. Neben dem Fehlen von Kenntnissen der deutschen Sprache und fehlenden sozialen Kompetenzen kommt in vielen Fällen Analphabetismus in einem Alter, in dem Kinder und Jugendliche in Österreich bereits alphabetisiert sind, hinzu – zum Teil auch in der eigenen Muttersprache. Dies führt das Bildungssystem zu einer starken Überlastung, vor allem in den Stadtregionen.
Die Bundesregierung hat sich daher bereits im Regierungsprogramm darauf verständigt, sogenannte Orientierungsklassen zu ermöglichen. Das Konzept der Orientierung sieht vor, dass alle Kinder, die nicht über ausreichende schulische Vorerfahrungen verfügen, zu einem Orientierungsgespräch geladen werden. Bei diesen Orientierungsgesprächen werden schulische Vorerfahrungen, der Alphabetisierungsstand und weitere für den Schulalltag wichtige Informationen erfasst. Anschließend wird über die Notwendigkeit von Orientierung („Orientierungsunterricht) entschieden.
Im Mittelpunkt dieser Unterstützung und Betreuung stehen die Vermittlung
a) grundlegenden Wissens über das Funktionieren des Systems „Schule“ in Österreich
b) erster Vorläuferfähigkeiten in der Unterrichtssprache Deutsch und
c) von Grundwerten und Grundregeln für das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft, (zB Respekt, Gleichberechtigung, Toleranz, Partizipation, Gemeinschaft, Verantwortung und Selbstbestimmung).
Weiters soll auch die Arbeit mit Eltern und Erziehungsberechtigten intensiviert werden. Sie sollen dabei ua. verpflichtend über bestehende Regeln und Pflichten in der Gesellschaft und im schulischen Kontext informiert werden und Informationen über das österreichische (Schul-)system erhalten. Die Beachtung der zur Verfügung gestellten Informationen und Maßnahmen ist entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit aller Beteiligten und Integration der Schülerinnen und Schüler. Sollten Eltern und Erziehungsberechtigte dieser Verpflichtung nicht nachkommen, werden sie entsprechend der bestehenden gesetzlichen Regelungen sanktioniert. Diese Vorbereitung dient auch der Unterstützung der Schulen bei der Integration der neu aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler. Dabei sollen durch eine enge Abstimmung mit dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) dessen Erfahrungen einbezogen werden um „Doppelgleisigkeiten“ zu vermeiden und inhaltlich gleiche Informationen sprachlich gleich zu kommunizieren.
Der Besuch einer Orientierungsklasse soll zeitlich befristet erfolgen und höchstens sechs Monate dauern. Der Übertritt in eine Deutschförderklasse soll flexibel dann erfolgen können, wenn bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen wurden.
Kompetenzrechtliche Grundlage:
Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz gründet sich kompetenzrechtlich auf Art. 14 Abs. 1 B‑VG (Schulwesen).
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
keine
Besonderer Teil
Zu Art. 1 (Änderung des Schulunterrichtsgesetzes)
Z 1 (§ 4 Abs. 2b):
Bei Kindern und Jugendlichen, die im Rahmen der Familienzusammenführung oder als Einwanderer nach Österreich kommen, ist aufgrund fehlender Deutschkenntnisse, und allenfalls mangels grundlegender Bildung, zunächst abzuklären ob die erforderliche Reife für den Schulbesuch auf der entsprechenden Schulstufe vorliegt, ob allenfalls eine Behinderung im Sinne des § 8 Schulpflichtgesetz 1985 gegeben ist oder ob mangelnde institutionelle (vor)schulische Erfahrungen, gänzlicher oder teilweiser Analphabetismus und mangelnde Deutschkenntnisse vorliegen. Der Begriff institutionelle vorschulische Bildung soll zum Ausdruck bringen, dass auch Einrichtungen in Drittstaaten, die mit dem österreichischen Kindergarten vergleichbar sind, umfasst sein sollen.
Zur Abklärung sollen bei während des Schuljahres nach Österreich kommenden schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen, bei welchen bekannt ist, dass kein bzw. kein ausreichender Schulbesuch erfolgt ist, in einem Gespräch zu Beginn der Aufnahme in die Schule einige Abklärungen durch ein Orientierungsgespräch vorgenommen werden. Ebenso soll eine solche Abklärung bei Kindern und Jugendlichen erfolgen, bei welchen ein bisheriger Schulbesuch nach Art oder Umfang, oder beidem, nicht nachvollziehbar ist.
Es soll festgestellt werden, ob die Person über die für einen schulischen Unterricht in Österreich erforderlichen Vorläuferfertigkeiten verfügt, oder ob, allenfalls erhebliche, Bildungsdefizite vorliegen. Der Maßstab dafür sollen einerseits grundlegende Kenntnisse von (Schrift)zeichen und Symbolen, zB einfache Schilder, in der Handhabung von Arbeitsmitteln (Blei- und Buntstifte, Kinderschere uä), die Orientierung in größeren Räumen und Gruppen und andererseits das Verständnis für Regeln über das zwischenmenschliche Verhalten in mehreren Dimensionen, im Hinblick auf Rechtzeitigkeit und Pünktlichkeit, den Umgang mit anderen Personen, die Fähigkeit der nonverbalen Kommunikation (Erkennen von Gestik und Mimik uä), sowie grundlegendes demokratisches und rechtsstaatliches Verständnis sein.
Das Orientierungsgespräch soll in der Schule, in welche die Schülerin oder der Schüler aufgenommen werden soll, erfolgen. Es kann aufgrund der Sachlage zweckmäßig sein, Orientierungsgespräche nicht in der jeweiligen Schule durchzuführen, zB weil Personen mit nützlichen Fremdsprachenkenntnissen nicht an jeder Schule zur Verfügung stehen, in kurzer Zeit eine größere Zahl an Gesprächen durchgeführt werden soll oder weil ein Sprengel mehrere Schulstandorte umfasst. Insbesondere in diesen Fällen der Zweckmäßigkeit sollen Orientierungsgespräche auch durch die Schulbehörde durchgeführt werden können. Die Regelung sieht daher vor, dass die Schulbehörde die Durchführung der Orientierungsgespräche vornehmen können soll, wobei die Entscheidung bei der Behörde liegt. Bei einer Durchführung durch die Schulleitung können diese Mitarbeiter der Schule oder Schulverwaltung beiziehen, wenn dies sprachlich oder pädagogisch zweckmäßig ist.
Zu Z 2 (§ 4 Abs. 4a):
Das Bundes-Verfassungsgesetz erteilt in Art. 14 Abs. 5a der österreichischen Schule unter anderem den Auftrag, Kinder und Jugendlichen zur Teilnahme am Gesellschafts- und Wirtschaftslebens Österreichs und Europas zu befähigen. Für diese Teilnahme ist der Erwerb sozialer Kompetenzen, der Grundregeln- und Werte des Zusammenlebens und interkultureller Handlungsfähigkeit zwingend notwendig. Um diese Kompetenzen erwerben und am Gesellschafts- und Wirtschaftsleben teilnehmen zu können, sind ein hinreichendes Verständnis und eine Anerkennung der österreichischen Grundwerte, wie sie in den Grundrechten und insbesondere in den Werten und Zielen der österreichischen Schule im Verfassungsrecht verankert sind (Art. 14, 15 und 17 StGG, Art. 7 und Art. 14 Abs. 5a B-VG, EMRK et alt.), sowie Kenntnisse und Wertschätzung für Geschichte, Tradition und Kultur Österreichs unbedingte Voraussetzung.
Den Inhalt des Unterrichts in Deutschförderklassen regelt bereits derzeit der jeweilige Lehrplan, insbesondere „Deutsch in der Deutschförderklasse“. Der darin jeweils enthaltene Lernbereich 4 sieht die „Selbstkompetenz, soziale Kompetenz, interkulturelle Handlungsfähigkeit“ vor und ist derzeit im Lehrplan nur sehr kursorisch ausgeführt. Daher werden im Zusammenhang mit der Migration im Weiteren Lehrplanzusätze für die Lehrpläne „Deutsch in der Deutschförderklasse“ erforderlich sein („Orientierungsunterricht“).
Die Heranführung an die Grundwerte, Traditionen und Kultur (einschließlich der Alltagskultur) Österreichs soll dadurch in Deutschförderklassen in integrativer Form erfolgen. Dazu sind die Lehrinhalte, insbesondere Texte, Beispiele, Geschichten usw. an der traditionellen österreichischen Kultur und den gesellschaftlichen Traditionen auszurichten.
Im Falle eines Schulwechsels soll sichergestellt werden, dass die Informationen über den Kenntnisstand der Schülerin bzw. des Schülers der aufnehmenden Schule zur Verfügung stehen, um den Unterricht bestmöglich fortsetzen zu können.
Zu Z 3 (§ 9 Abs. 1b):
Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, Kinder und Jugendliche mit Bedarf an Orientierung und Vorläuferfertigkeiten für eine schulische Bildung an einzelnen Standorten zusammenzufassen. Da die Zusammenfassung unter Wahrung der Sprengelgrenzen erfolgen muss, kommt diese Regelung nur für städtische Räume in Betracht, in welchen das gesamte, oder große Teile des Stadtgebietes, einen Sprengel bilden. Dadurch soll insbesondere sichergestellt werden, dass ausreichend Personalkapazitäten mit den besonderen, für den Orientierungsunterricht erforderlichen, Fertigkeiten und Fähigkeiten zur Verfügung stehen.
Zu Art. 2 (Änderung des Anstellungserfordernisse-Grundsatzgesetzes)
Zu Z 1 (§ 1 Z 1 lit. g):
Mit der letzten Novelle wurde der Universitätslehrgang im Ausmaß von 120 ECTS als fachliches Anstellungserfordernis eingeführt. Konkret besteht der Universitätslehrgang „Elementar+ Early childhood education and care+ (ECEC+)“ an der Universität Graz, der sich insbesondere an Personen wendet, die bereits in der elementarpädagogischen Praxis mit Kindern arbeiten, jedoch über keine umfassende Ausbildung als Elementarpädagogin bzw. Elementarpädagoge verfügen. Mit der Ergänzung um die Möglichkeit von Hochschullehrgängen können künftig auch Pädagogische Hochschulen und Fachhochschulen zusätzlich zu den Universitäten ein entsprechendes Ausbildungsangebot im Ausmaß von 120 ECTS zur Verfügung stellen, das das fachliche Anstellungserfordernis erfüllt.
Zu Z 2 (§ 1 Z 1 lit. h):
Durch die Einführung eines ordentlichen Bachelorstudiums im Ausmaß von 180 ECTS sollen die bisherigen Ausbildungsabschlüsse für Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen um einen weiteren Abschluss als fachliches Anstellungserfordernis ergänzt werden.
Zu Z 3 (Artikel II Abs. 7):
Die Bestimmungen sollen mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.