Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Am 31. Jänner 2024 verabschiedete der Nationalrat ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird (BGBl. I Nr. 5/2024). Die wesentlichen die Informationsfreiheit betreffenden Bestimmungen werden mit 1. September 2025 in Kraft treten.

Die darin enthaltenen Bestimmungen bedingen einen legistischen Anpassungsbedarf in zahlreichen Materiengesetzen des Bundes. Mit diesem Entwurf sollen die Materiengesetze im Bereich der Justiz angepasst werden. Dazu werden zunächst die Bezüge auf das „Amtsgeheimnis“ oder die „Amtsverschwiegenheit“ entweder ersatzlos gestrichen (zB im DSt, in der NO, in der RAO, im StGB und im JGG) oder durch einen Bezug auf „gesetzliche Verschwiegenheitspflichten“ (§ 146 Abs. 4 AußStrG, § 23 Abs. 2 DSG) oder auf Geheimhaltungspflichten nach § 6 Abs. 1 IFG ersetzt (zB im RPG, im StAG, in der StPO und in der ZPO). Zur Sicherstellung der Geheimhaltungsverpflichtung von Beamten wird auch der Tatbestand des § 310 StGB angepasst, der in Hinkunft auf die Offenbarung oder Verwertung einer dem Beamten ausschließlich kraft seines Amtes anvertrauten oder zugänglich gewordene Tatsache oder Angelegenheit abzielen soll, zu deren Geheimhaltung er gesetzlich verpflichtet ist und wenn die Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse im Sinn von § 6 Abs. 1 des IFG zu verletzen.

Wegen des engen thematischen Zusammenhangs mit dem IFG und dringendem Bedürfnis der Praxis soll die Ermächtigung zur Übermittlung von Daten der Kriminalpolizei an die Pflegschaftsgerichte, die zur Prüfung, ob Verfügungen der Pflegschaftsgerichte oder der Kinder- und Jugendhilfeträger erforderlich sind, wieder geschaffen werden (§ 33 Abs. 2 JGG).

Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten finden sich auch in § 30 Abs. 8 ÜbG (für die mit Angelegenheiten der Übernahmekommission befassten Mitarbeiter der Wiener Börse AG, also insbesondere für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Übernahmekommission) und in § 5 Abs. 2 JBA-G (für die von der Justizbetreuungsagentur zur Erfüllung ihrer Aufgaben herangezogenen Personen). Diese beiden Bestimmungen regeln also nicht, unter welchen Voraussetzungen die Übernahmekommission oder die Justizbetreuungsagentur als solche verpflichtet sind, Informationen über ihre Tätigkeit zugänglich zu machen (wofür künftig das IFG maßgeblich sein wird), sondern richten sich unmittelbar an bestimmte Personengruppen, welche die beiden genannten Einrichtungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Die genannten persönlichen Verschwiegenheitspflichten können und sollen daher auch nach Inkraftreten des IFG weiterhin unverändert gelten.

Beurteilung der Notwendigkeit der Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz:

Bei den vorgeschlagenen Änderungen in RAO und DSt handelt es sich allesamt um Regelungen, die die Aufnahme des Berufs/den Zugang zum Beruf der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts oder dessen Ausübung nicht beschränken. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz, BGBl. I Nr. 67/2021, kann daher unterbleiben.

Da der Beruf des Notars nach § 2 Abs. 4 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. Nr. L 255 vom 30.9.2005 S. 22, in der Fassung der Richtlinie 2013/55/EU, ABl. Nr. L 345 vom 28.12.2013 S. 132, nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt und insofern auch das Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz nach dessen § 2 Abs. 1 nicht auf diesen Beruf anwendbar ist, besteht keine Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich der in der NO vorgeschlagenen Änderungen.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen; Strafrechtswesen; Justizpflege; Angelegenheiten der Notare und der Rechtsanwälte) und aus Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG (Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Bundesbediensteten).


 

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes)

Der Entfall der Wortfolge, die explizit auf das Amtsgeheimnis verweist, berücksichtigt, dass entsprechend benannte Regelungen abgeschafft wurden oder werden. Soweit für Laienrichter:innen weiterhin Pflichten oder Verpflichtungen zu Verschwiegenheit oder Geheimhaltung bestehen, sind diese von den im Eid ohnedies erwähnten Pflichten des Amtes umfasst.

Zu Art. 2 (Änderung des Außerstreitgesetzes)

Zu § 146 Abs. 4 AußStrG:

Aufgrund des Entfalls der „Amtsverschwiegenheit“ durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2024 muss auch der Hinweis auf ein „Amts- oder Berufsgeheimnis“ in § 146 Abs. 4 AußStrG begrifflich angepasst werden. Gesetzliche Verschwiegenheitspflichten – darunter fallen auch gesetzliche Berufsgeheimnisse – sollen aber weiterhin vom Gerichtskommissär zu berücksichtigen sein (siehe dazu näher die Erläuterungen zu den Änderungen des Datenschutzgesetzes).

Zu Artikel 3 (Änderung des EU-JZG)

Zu Z 1, 2 und 3 (§ 55n EU-JZG):

1. Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl. Nr. L 130 vom 1.5.2014, S. 1, (im Folgenden: RL EEA) sieht vor: „Die Vollstreckungsbehörde gewährleistet gemäß ihrem nationalen Recht die Vertraulichkeit des Sachverhalts und des Inhalts der EEA, außer in dem Umfang, der für die Durchführung der Ermittlungsmaßnahme erforderlich ist. Kann die Vollstreckungsbehörde dem Erfordernis der Vertraulichkeit nicht entsprechen, so setzt sie die Anordnungsbehörde unverzüglich davon in Kenntnis.“ (Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche, aber unmittelbar anwendbare Bestimmung enthält Art. 11 der Verordnung (EU) 2018/1805 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, ABl. Nr. L 303 vom 28.11.2018, S. 1.)

Bisher konnte davon ausgegangen werden, dass Art. 19 Abs. 2 der RL EEA durch allgemeine Bestimmungen des österreichischen Strafverfahrensrechts umgesetzt ist: Das Ermittlungsverfahren ist nach § 12 Abs. 1 StPO nicht öffentlich und die Bestimmungen der StPO sind kraft des in § 1 Abs. 2 EU-JZG i.V.m. § 9 Abs. 1 ARHG enthaltenen Verweises sinngemäß anzuwenden.

2. Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2024 wird einerseits das Amtsgeheimnis beseitigt und es werden andererseits Grundlagen für proaktive Informationspflichten und ein Recht auf Zugang zu Informationen geschaffen. Ausgeschlossen wird dies nach § 6 IFG unter anderem aus zwingenden integrations- oder außenpolitischen Gründen, insbesondere auch gemäß unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union oder zur Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen (§ 6 Abs. 1 Z 1 IFG), im Interesse einer unbeeinträchtigten Vorbereitung einer Entscheidung, insbesondere im Interesse eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens (§ 6 Abs. 1 Z 5 lit. b IFG) und im überwiegenden berechtigten Interesses eines anderen zur Wahrung des Rechts auf Schutz der personenbezogenen Daten (§ 6 Abs. 1 Z. 7 lit. a IFG), soweit dies erforderlich und verhältnismäßig und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist.

Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2024 kann daher davon ausgegangen werden, dass die in Art. 19 der RL EEA enthaltenen Bestimmungen über die Vertraulichkeit, die im Übrigen gemäß dem nationalen Recht zu gewährleisten sind, durch § 12 StPO in Verbindung mit den Ausnahmebestimmungen zur Geheimhaltung in § 6 IFG umgesetzt sind.

3. Einer Umsetzung bedarf hingegen die in Art. 19 Abs. 2 (2. Satz) der RL EEA vorgesehene Verständigungspflicht. Derartige Verständigungen sind für die Anordnungsbehörde essentiell, um z. B. Zeugen oder einen verdeckten Ermittler schützen zu können. Eine solche Verständigungspflicht soll daher in einen neu einzufügenden § 55n EU-JZG aufgenommen werden.

Mit dem Verweis auf Vorgänge nach dem IFG ist darüber hinaus auch klargestellt, dass der Veröffentlichung bzw. dem Zugänglich-Machen von Informationen ein behördlicher Vorgang zugrunde liegt und daher die Verständigungspflicht nicht greift, wenn Informationen von anderer Seite z. B. an die Medien weitergegeben worden sind.

Zu Art. 4 (Änderung des Datenschutzgesetzes)

Zu Z 1 (§ 23 Abs. 2):

Durch Ersetzung des Begriffs der „Amtsverschwiegenheit“ durch „gesetzliche Verschwiegenheitspflichten“ in § 23 Abs. 2 ist sichergestellt, dass Veröffentlichungen der Entscheidungen der Datenschutzbehörde (weiterhin) in einer den berechtigten Interessen der Betroffenen entsprechenden Weise erfolgen können, da bestehende einfachgesetzliche Geheimhaltungsbestimmungen im Rahmen der Veröffentlichungspflicht der Datenschutzbehörde auch zukünftig zu berücksichtigen wären.

Dies entspricht auch dem Telos des § 16 IFG („Soweit in anderen Bundes- oder Landesgesetzen besondere Informationszugangsregelungen bestehen […], ist dieses Bundesgesetz nicht anzuwenden“), wonach „materieninhärente Verschwiegenheitsbestimmungen“ auch „weiterhin aufrecht bleiben und vorrangig anzuwenden“ sein sollen (vgl. die Ausführungen des AB 2420 zur gegenständlichen Novelle betreffend § 16 [S. 26] sowie die Erörterung zu Z 15 [S. 16], derzufolge bestehende einfachgesetzliche Geheimhaltungsbestimmungen und Informationsregelungen unberührt bleiben sollen).

Zu Z 2 (§ 70 Abs. 15 und 17):

Aufgrund zeitlicher Überschneidung der Gesetzgebungsverfahren zu den Bundesgesetzen BGBl. I Nr. 62/2024 und BGBl. I Nr. 70/2024 enthält die Inkrafttretensbestimmung in § 70 derzeit zwei Absätze „(15)“. Dies soll nunmehr durch Anpassung der Absatznummerierung bereinigt werden.

Der neue Abs. 17 regelt das Inkrafttreten des geänderten § 23 Abs. 2.

Zu Art. 5, 8 und 9 (Änderung des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, der Notariatsordnung und der Rechtsanwaltsordnung)

Die derzeit in § 24 Abs. 2 dritter Satz DSt, in § 154 Abs. 3 zweiter Satz und § 161 Abs. 5 NO sowie in § 23 Abs. 3 zweiter Satz RAO vorgesehene Bezugnahme auf die „Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit (Art. 20 Abs. 3 B-VG)“ hat mit Blick auf die per 1. September 2025 maßgebliche Rechtslage zur Informationsfreiheit zu entfallen. Einer darüber hinausgehenden inhaltlichen Anpassung der genannten Bestimmungen bedarf es dagegen nicht, betreffen die genannten Bestimmungen doch allesamt ausschließlich Auskunftsersuchen anderer Behörden; solche Auskunftsersuchen sind von der Informationspflicht der Rechtsanwalts- bzw. Notariatskammern nach Art. 22a Abs. 2 B-VG aber nicht umfasst, weil danach „die sonstigen Selbstverwaltungskörper [Art. 120a] in Bezug auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nur gegenüber ihren Mitgliedern informationspflichtig“ sind. Aus dieser künftigen (verfassungs)gesetzlichen Rechtslage lässt sich gleichzeitig schließen, dass es in diesem Kontext über die angeführten Anpassungen hinaus keiner weiteren unmittelbaren gesetzlichen Änderungen im rechtsanwaltlichen Berufs- und Disziplinarrecht bedarf.

Soweit nach § 165 Abs. 2a NO und § 79 DSt „Mitteilungen an die Öffentlichkeit über den Verlauf und das Ergebnis der Erhebungen, der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungen in Ordnungsstrafsachen sowie über den Inhalt der Disziplinarakten“ bzw. „Mitteilungen an die Öffentlichkeit über den Verlauf und die Ergebnisse eines Disziplinarverfahrens, über den Inhalt der Disziplinarakten sowie über den Inhalt einer nichtöffentlichen mündlichen Verhandlung und der Disziplinarentscheidungen“ untersagt sind, so wird dies im Lichte der künftigen verfassungsrechtlichen Vorgaben dahin zu verstehen sein, dass Mitteilungen im Verhältnis Disziplinarrat – Kammermitglied (rechtsanwaltlicher Bereich) bzw. Notariatskammer – Kollegiumsmitglied (notarieller Bereich) von diesen beiden Bestimmungen nicht umfasst sind. Insofern werden entsprechende Informationsbegehren von Standesmitgliedern künftig im Einzelfall dahin zu beurteilen sein, ob einer entsprechenden Information das Vorliegen einer der (in § 6 IFG konkretisierten) Ausnahmetatbestände (Geheimhaltungsgründe) gemäß Art. 22a Abs. 2 B-VG entgegensteht. Von besonderer Bedeutung werden insofern die Geheimhaltungsgründe nach § 6 Abs. 1 Z 5 lit. a und b und Z 7 lit. a bis c und e IFG sein.

Artikel 6 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988)

Zu Z 1 (§ 17c JGG):

Nach § 17c Abs. 1 fünfter Satz JGG sind die Teilnehmer einer Fallkonferenz bei Langzeitunterbringung nach § 21 StGB zur vertraulichen Behandlung der Daten verpflichtet, „sofern sie nicht ohnehin der Amtsverschwiegenheit unterliegen“. Die Bezugnahme auf die Amtsverschwiegenheit hat in Folge deren Aufhebung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2024 mit 1. September 2025 zu entfallen. Mit dem verbleibenden Satz wird sichergestellt, dass alle Teilnehmer an einer solchen Fallkonferenz wie nach dem geltendem Recht weiterhin zur vertraulichen Behandlung der Daten verpflichtet sind. Die Notwendigkeit der vertraulichen Behandlung ergibt sich daraus, dass die Fallkonferenz der Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung dient (§ 6 Abs. 1 Z. 5 lit. a IFG), nämlich der Entscheidung des Anstaltsleiters über Maßnahmen zur Betreuung und Therapie des untergebrachten Jugendlichen und mögliche Vollzugslockerungen. Die vertrauliche Behandlung ist auch im überwiegenden Interesse des Jugendlichen am Schutz personenbezogener Daten geboten (§ 6 Abs. 1 Z 7 lit. a IFG), da bei der Fallkonferenz Informationen höchstpersönlicher Natur über den Entwicklungs- und Gesundheitszustand des Jugendlichen, über sein familiäres und soziales Umfeld sowie Äußerungen des behandelnden Psychiaters oder Psychologen erörtert werden. Darüber hinaus verpflichtet Artikel 14 der Richtlinie (EU) 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, ABl. Nr. L 132 vom 21.5.2016, S. 1, die Mitgliedstaaten zum Schutz der Privatsphäre von Kindern während des Strafverfahrens.

Zu Z 2 (§ 33 Abs. 2 JGG):

1. Das Strafprozessreformbegleitgesetz I (BGBl I Nr. 93/2007) enthielt Änderungen verschiedener Gesetze, darunter auch des JGG, zum 1.1.2008 (vorrangig zur Anpassung an das einheitliche, von der Staatsanwaltschaft zu führende Ermittlungsverfahren).

Eine der Änderungen im JGG war der Entfall der pflegschaftsgerichtlichen Zuständigkeiten der Jugendstrafgerichte (§§ 2 und 3 JGG). Dieser Entfall machte auch eine Anpassung der Bestimmungen über Verständigungen in § 33 JGG erforderlich. Diese Verständigungen nach alter Rechtslage hatten die Anordnung allenfalls erforderlicher familien- oder jugendwohlfahrtsrechtlicher Maßnahmen gewährleistet.

In den Materialien (EBRV 231 BlgNR XXIII. GP, S. 29 f) wurde zu den Änderungen in § 33 JGG ausgeführt: „Die Bestimmung wird schlanker und in ihrer Ausformulierung gestrafft. Grundsätzlich sollen auch weiterhin der Jugendwohlfahrtsträger und das Pflegschaftsgericht von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Jugendlichen verständigt werden. Die bisher eher umständliche Regelung der Verständigung des Jugendwohlfahrtsträgers und des Pflegschaftsgerichtes wird neu geregelt, weil einer Verständigung über die Einleitung eines Verfahrens auch eine über dessen Beendigung folgen sollte, damit allenfalls entsprechende Schritt getätigt werden können.“

Auch wenn also offenbar nicht beabsichtigt war, dass den Pflegschaftsgerichten keine Anzeigen (Berichte der Kriminalpolizei) mehr übermittelt werden sollen, entfiel die einfachgesetzliche Ermächtigung für eine Übermittlung.

2. Eine solche Ermächtigung soll nun aufgrund des engen thematischen Zusammenhangs mit dem IFG und dringendem Bedürfnis der Praxis (wieder) geschaffen und an die modernen Gegebenheiten insbesondere der Aktenverwaltungssysteme (System eJustiz – eJ, elektronischer Akt) angepasst werden.

Nach der Rechtslage bis 2008 war eine Abschrift oder Ablichtung der Anzeige dem Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht zu übermitteln. Nur diese Übermittlungsform vorzusehen ist heute nicht mehr zeitgemäß. Es werden mittlerweile viele Aktenbestandteile wie Berichte der Kriminalpolizei, Vernehmungsprotokolle oder Sachverständigengutachten im System eJustiz (eJ) gespeichert. Künftig soll der elektronische Akt auch auf die Pflegschaftsgerichte ausgerollt werden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt werden alle Aktenbestandteile elektronisch verfügbar sein, weshalb schon jetzt vorgesehen werden soll, dass dann eine Übermittlung in Papierform, die von den Pflegschaftsgerichten eingescannt und so dem Akt dann wieder elektronisch hinzugefügt werden müsste, nicht notwendig ist.

Zudem ist eine Einschränkung rein auf die Übermittlung der bzw. Einsicht in die Anzeige unsachgemäß, weil die Pflegschaftsgerichte auf das vorhandene Wissen der Strafgerichte und Staatsanwaltschaften zugreifen können sollen, damit es zu keinem Informationsverlust kommt. So ist beispielsweise an Sachverständigengutachten zu denken, deren neuerliche Einholung durch die Pflegschaftsgerichte nicht mehr notwendig wäre, wodurch Kosten eingespart, aber auch eine Beschleunigung des Verfahrens erreicht werden könnte. Zudem sollen sich die Pflegschaftsgerichte ein möglichst umfassendes Bild der Lebenssituation der Person verschaffen können, zu der sie allenfalls Maßnahmen ergreifen müssen, weshalb eine Einsicht in den gesamten Akt notwendig sein kann.

Unter diesen Voraussetzungen und aus Überlegungen der Nachhaltigkeit und der Verfahrensökonomie ist es nicht mehr notwendig, Akten, die die Pflegschaftsgerichte für ihre Entscheidungsfindung benötigen – etwa zur Prüfung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, oder ob sonst pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen zu setzen sind – auszudrucken und per Post zu senden, wenn eine Akteneinsicht künftig im Wege des elektronischen Akts möglich sein wird.

Die vorgeschlagene (klarstellende) materiengesetzliche Ermächtigungsbestimmung iSd § 76 Abs. 4 StPO soll insbesondere auch den konkreten Zweck der Datenübermittlung angeben. Dieser soll – wie bereits in der Fassung des § 33 JGG vor dem Strafprozessreformbegleitgesetz I – in der Prüfung liegen, ob Verfügungen der Pflegschaftsgerichte oder der Kinder- und Jugendhilfeträger erforderlich sind.

Damit soll klargestellt werden, dass keineswegs eine unreflektierte Übermittlung des gesamten Akts erfolgen soll, sondern im Einklang mit § 1 DSG nur jene Akteninhalte (Daten) übermittelt werden dürfen, die dem angefragten Zweck entsprechen. Mit dem Verweis auf § 76 Abs. 4 StPO soll insbesondere zum Ausdruck gebracht werden, dass auf Übermittlungsseite jedenfalls eine Interessenabwägung stattzufinden hat (vgl. § 76 Abs. 4 Z 2 StPO).

Zudem soll damit automatisch auch der Umfang der Dateneinsicht und ‑Übermittlung in Fällen, in denen ein Strafverfahren gegen mehrere Personen geführt wird, aber nicht für alle die Verständigungspflicht nach § 33 Abs. 2 JGG besteht, festgelegt werden. Für derartige Fälle soll mit der vorgeschlagenen Änderung gewährleistet sein, dass die Dateneinsicht und -Übermittlung stets auf jene Aktenteile beschränkt ist, die für die Erfüllung der Aufgaben des Pflegschaftsgerichts erforderlich sind.

Zu Art. 7 (Änderung der Jurisdiktionsnorm)

Zu Z 1 (§ 15 Abs. 4):

Der Entfall der Wortfolge, die explizit auf das Amtsgeheimnis verweist, berücksichtigt, dass entsprechend benannte Regelungen abgeschafft wurden oder werden. Soweit für Laienrichter:innen weiterhin Pflichten oder Verpflichtungen zu Verschwiegenheit oder Geheimhaltung bestehen, sind diese von den im Eid ohnedies erwähnten Pflichten des Amtes umfasst.

Zu Z 2 bis 5 (§§ 39 und 39a):

Die vorgeschlagenen Änderungen sind lediglich redaktioneller Natur.

Die Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen gilt gemäß Art. 35 Abs. 1 in ihren wesentlichen Teilen ab dem 1. Juli 2022.

Gemäß Art. 34 Abs. 1 wird die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 mit dem Tag des Beginns der Geltung der Neufassung der Beweisaufnahmeverordnung aufgehoben, mit Ausnahme des Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001, der mit dem Tag des Geltungsbeginns des Art. 7 gemäß Art. 35 Abs. 3 der Neufassung aufgehoben wird.

Art. 7 gilt ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von drei Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der in Art. 25 der Neufassung genannten Durchführungsverordnung, nämlich der Durchführungsverordnung (EU) 2022/422 vom 14. März 2022 zur Festlegung der technischen Spezifikationen, Maßnahmen und sonstigen Anforderungen für die Umsetzung des dezentralen IT-Systems nach der Verordnung (EU) 2020/1783, ABl. L 87 vom 15.3.2022, S. 5-8, folgt. Dies ist der 1. Mai 2025.

Zu Art. 10 (Änderung des Rechtspraktikantengesetzes)

Es ist geplant, die Pflicht zur Verschwiegenheit nach § 58 Abs. 1 bis 3 RStDG anlässlich des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 5/2024 begrifflich anzupassen. Diese geplanten Änderungen sollen auch im RPG nachgezogen werden.

Zu Artikel 11 (Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes)

Zu Z 1 (§ 29b Abs. 6 StAG):

Gemäß § 29b Abs. 6 StAG unterliegen die Mitglieder des Weisungsrats der Amtsverschwiegenheit (vgl. auch EBRV 669 BlgNR XXV. GP, S. 5). Wie beim Rechtsschutzbeauftragten (vgl. die Erläuterungen zur StPO, Art. 13 Z 1) besteht auch hier eine Gleichstellung mit der in § 46 Abs. 1 BDG 1979 bzw. § 58 Abs. 1 RStDG idgF zum Ausdruck kommenden Verpflichtung.

Da die dienstrechtliche Anpassungsgesetzgebung zur Einführung der Informationsfreiheit vorsieht, dass eine grundsätzliche Verpflichtung des einzelnen Beamten zur Geheimhaltung in einer an die Terminologie und Voraussetzungen des Art. 22a Abs. 2 B-VG und des IFG angepassten Form bestehen bleibt, sollen zur Aufrechterhaltung des bisher bestehenden Gleichklangs auch die Mitglieder des Weisungsrats künftig einer damit in Einklang stehenden Verpflichtung zur Geheimhaltung unterstellt werden. Diese Verpflichtung soll dahingehend präzisiert werden, dass sie ausschließlich Tatsachen betrifft, die den Mitgliedern des Weisungsrats ausschließlich aufgrund ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt wurden und deren Geheimhaltung aus den in § 6 Abs. 1 IFG genannten Gründen erforderlich und verhältnismäßig ist.

Zu Z 2 (§ 31 StAG):

Die Bestimmung des § 31 StAG versteht sich als „Schutzbestimmung“ für den jeweiligen Sachbearbeiter einer Strafsache: „Damit trotz der „Unterwerfung“ des Weisungswesens unter die Akteneinsicht auch künftig kein unnötiger Druck von Dritten auf den jeweiligen Sachbearbeiter einer Strafsache ausgeübt werden kann, soll auch künftig nach der Rechtswirksamkeit der Beendigung des Ermittlungsverfahrens oder nach der gerichtlichen Entscheidung durch die bloße Mitteilung darüber, dass, von welcher Stelle und in welche Richtung eine Weisung zur Sachbehandlung erteilt worden ist, die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nicht verletzt sein“ (vgl. EBRV 299 BlgNR XXIII. GP, S. 24). § 31 StAG gesteht dem jeweiligen staatsanwaltlichen Sachbearbeiter (nur) das Recht zu, bspw. mitzuteilen, er habe von einer bestimmten vorgesetzten Stelle die Weisung erhalten, Anklage (nicht) zu erheben oder einen Haftantrag (nicht) zu stellen. Bei allen weitergehenden Äußerungen ist im Einzelfall zu prüfen, ob durch die Mitteilung die Verschwiegenheitspflicht verletzt wurde (Mühlbacher, Staatsanwaltschaftsgesetz – Kommentar § 31 Rz 2).

Da eine entsprechende Informationserteilung einen Akt der Rechtsprechung (vgl. Art. 90a B-VG) darstellt, ist nur der Anwendungsbereich des Art. 22a Abs. 1 B-VG eröffnet. Die in Art. 22a Abs. 2 B-VG vorgesehenen Ausnahmetatbestände wirken kraft Verweises jedoch auch dort und können in (einfachen) Bundes- und Landesgesetzen (Materiengesetzen) wiederholt, präzisiert oder eingeschränkt, aber nicht erweitert werden (vgl. EBRV 2238 BlgNR XXVII. GP, S. 3). In diesem Sinn stellt sich die einschränkende Regelung in § 31 StAG, wonach eine bestimmte Informationserteilung keine Verpflichtung zur Geheimhaltung verletzt, als mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehend dar. Die bisherige Terminologie soll jedoch an die neue Begrifflichkeit angepasst werden.

Zu Art. 12 und 15 (StGB und Inkrafttreten)

Zu Z 1 (§ 52b StGB):

Nach § 52b Abs. 3 letzter Satz StGB sind die Teilnehmer einer Fallkonferenz im Rahmen der gerichtlichen Aufsicht nach § 52b StGB zur vertraulichen Behandlung der Daten verpflichtet, „sofern sie nicht ohnehin der Amtsverschwiegenheit unterliegen“. Die Bezugnahme auf die Amtsverschwiegenheit hat in Folge deren Aufhebung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 5/2024 mit 1. September 2025 zu entfallen. Mit dem verbleibenden Satz werden alle Teilnehmer an einer Fallkonferenz zur vertraulichen Behandlung der Daten verpflichtet.

Zu Z 2 und 3 (§ 310 Abs. 1 und 3 StGB):

1. Nach Art. 22a Abs. 2 B-VG idF BGBl. I Nr. 5/2024 hat jedermann gegenüber den mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung oder der Landesverwaltung betrauten Organen das Recht auf Zugang zu Informationen. Dies gilt nicht, soweit deren Geheimhaltung aus zwingenden integrations- oder außenpolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Vorbereitung einer Entscheidung, zur Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen erforderlich und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Die verfassungsgesetzlichen Ausnahmetatbestände können in (einfachen) Bundes- und Landesgesetzen (Materiengesetzen) wiederholt, präzisiert oder eingeschränkt, aber nicht erweitert werden. Ausführungsbestimmungen dazu enthält § 6 des Bundesgesetzes über den Zugang zu Informationen, BGBl. I Nr. 5/2024 (in der Folge „IFG“); vgl. EBRV 2238 BlgNr XXVII. GP, S. 3.

Mit der dienstrechtlichen Anpassungsgesetzgebung zur Einführung der Informationsfreiheit ist geplant, die Dienstpflichten der Beamten und Vertragsbediensteten an die Terminologie und Voraussetzungen des Art. 22a Abs. 2 B-VG und des IFG anzupassen. Eine grundsätzliche Verpflichtung des einzelnen Beamten zur Geheimhaltung soll jedoch nach wie vor bestehen bleiben.

Der Grundtatbestand des § 310 Abs. 1 StGB ist seit seiner Einführung mit dem StGB 1975 unverändert in Kraft (vgl Nordmeyer in WK-StGB2 Vor §§ 310–311 [Stand 20.1.2021, rdb.at] Rz 6). Die bundes(verfassungs)gesetzlichen Änderungen iZm der Einführung der Informationsfreiheit machen nunmehr aber Änderungen im Tatbestand erforderlich. Eine ersatzlose Abschaffung des § 310 StGB scheint demgegenüber nicht indiziert, bestehen doch weiterhin gewichtige Geheimhaltungsgründe öffentlicher und privater Natur (vgl. Art. 22a Abs. 2 zweiter Satz B-VG und die in § 6 Abs. 1 Z 1 bis 7 IFG angeführten Interessen), deren Geheimhaltung für Beamte iSd StGB auch weiterhin dienstrechtlich verpflichtend sein soll. Auch für Privatpersonen sind Geheimhaltungspflichten in verschiedensten Zusammenhängen strafrechtlich abgesichert (vgl. die §§ 121ff StGB, § 63 DSG). Ein entsprechender Tatbestand soll gleichfalls für Beamte (und ehemalige Beamte) nach § 310 StGB weiter bestehen bleiben. Er soll jedoch iSd verfassungsgesetzlichen Vorgaben eingeschränkt und im Lichte der Ausführungsgesetzgebung zur Informationsfreiheit präzisiert werden.

2. Zunächst wird vorgeschlagen, den Begriff „Geheimnis“ in § 310 Abs. 1 StGB durch „Tatsache oder Angelegenheit“ zu ersetzen, wird doch nach geltendem Recht das „ausschließlich kraft des Amtes anvertraute oder zugänglich gewordene Geheimnis“ mit dem – durch BGBl. I Nr. 5/2024 abgeschafften – Amtsgeheimnis gleichgesetzt (vgl. Aichinger in Leukauf/Steininger, StGB4 § 310 [Stand 1.10.2016, rdb.at] Rz 5; Nordmeyer in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 310 [Stand 20.1.2021, rdb.at] Rz 21ff). Das neutrale Begriffspaar „Tatsache oder Angelegenheit“ wird bereits im geltenden Abs. 2a verwendet. Er scheint nicht zuletzt aus Konsistenzgründen gegenüber dem Begriff der Information (den das B-VG und das IFG verwenden) zu bevorzugen; inhaltlich werden die Begriffe im Wesentlichen synonym zu verstehen sein.

Sodann ist es erforderlich, im Tatbestand zu definieren, unter welchen Umständen die Offenbarung oder Verwertung der ausschließlich kraft des Amtes anvertrauten oder zugänglich gewordenen Tatsache oder Angelegenheit, Strafbarkeit begründen kann. Es wird vorgeschlagen, auf den Verstoß gegen eine gesetzliche Pflicht zur Geheimhaltung abzustellen („obwohl er zu deren Geheimhaltung gesetzlich verpflichtet ist“). Die gesetzliche Verpflichtung des Beamten zur Geheimhaltung ergibt sich insbesondere aus seinen Dienstpflichten (vgl. beispielsweise § 46 BDG, § 5 Abs. 1 VBG, der auf § 46 Abs. 1 bis 4 BDG verweist, oder § 58 RStDG). Diese Regelungen stecken jedoch auch entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben die Grenzen der Geheimhaltung ab. Sofern keine gesetzliche Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht, ist es künftig nicht strafbar, Tatsachen oder Angelegenheiten zu offenbaren oder zu verwerten, auch wenn diese dem Beamten ausschließlich aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit anvertraut oder zugänglich wurden. Festzuhalten ist zudem, dass bereits de lege lata kein Geheimnis besteht, wenn ein Umstand der Auskunftspflicht unterliegt – dies unabhängig davon, ob das Verfahren zur Auskunftserteilung eingehalten wurde (Nordmeyer in WK StGB2 § 310 StGB [Stand 20.1.2021, rdb.at] Rz 20). Dieser Grundsatz ist auf die Informationsfreiheit übertragbar.

Zusätzlich soll es für die Strafbarkeit weiterhin erforderlich sein, dass die Offenbarung oder Verwertung, die unter Verstoß gegen die Pflicht zur Geheimhaltung erfolgt, geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen. Die in § 310 StGB genannten öffentlichen Interessen wurden bislang unter Verweis auf die in Art. 20 Abs. 3 B-VG angeführten Bereiche ausgelegt. Es wird vorgeschlagen, die in Betracht kommenden Interessen künftig mit einem Verweis auf § 6 Abs. 1 IFG zu definieren. Die dort in den Z 1 bis 7 angeführten Interessen sind detaillierter als die Auflistung in Art. 22a Abs. 2 B-G und bieten sohin für die Prüfung der Verletzungseignung einen konkreten Anknüpfungspunkt. Dies gilt v.a. im Bereich der Interessen Privater, wo Art. 22a Abs. 2 B-VG nur die „überwiegenden berechtigten Interessen eines anderen“ anführt. Weiterhin soll die abstrakte Eignung zur Verletzung dieser Interessen genügen, die tatsächliche Verletzung oder konkrete Gefährdung von Interessen ist nicht erforderlich (Aichinger in Leukauf/Steininger, StGB4 § 310 [Stand 1.10.2016, rdb.at] Rz 8 mwN).

3. Als Titel des Straftatbestands wird im Lichte der vorstehenden Ausführungen „Verletzung der Pflicht zur Geheimhaltung“ vorgeschlagen.

4. In § 310 Abs. 3 StGB soll als Folgeanpassung der dargestellten Änderungen in Abs. 1 der Begriff „Amtsgeheimnis“ ersetzt werden. Es soll künftig auf die Offenbarung einer Tatsache oder Angelegenheit nach Abs. 1 oder 2a abgestellt werden.

Zu Artikel 13 (Änderung der Strafprozeßordnung 1975)

Zu Z 1 (§ 47a StPO):

Bereits die Rechtslage vor Inkrafttreten der Strafprozessreform am 1. Jänner 2008 sah aufgrund der besonderen Geheimhaltungsbedürftigkeit der einzelnen Überwachungsmaßnahmen und des Datenabgleichs sowie der daraus gewonnenen Ergebnisse eine Bindung des Rechtsschutzbeauftragten an die Amtsverschwiegenheit vor (§ 149n Abs. 4 StPO aF). Diese Bindung wurde sowohl durch das Strafprozessreformgesetz BGBl. I Nr. 19/2004 als auch die nachfolgenden Novellen beibehalten und umfasst daher auch die Ausübung der neuen Agenden des Rechtsschutzbeauftragten (vgl. Reindl-Krauskopf in Fuchs/Ratz, WK StPO § 47a Rz 6).

In diesem Sinn besteht eine Gleichstellung des Rechtsschutzbeauftragten mit der in § 46 Abs. 1 BDG 1979 bzw. § 58 Abs. 1 RStDG idgF zum Ausdruck kommenden Verpflichtung.

Da die dienstrechtliche Anpassungsgesetzgebung zur Einführung der Informationsfreiheit vorsieht, dass eine grundsätzliche Verpflichtung des einzelnen Beamten zur Geheimhaltung in einer an die Terminologie und Voraussetzungen des Art. 22a Abs. 2 B-VG und des IFG angepassten Form bestehen bleibt, soll zur Aufrechterhaltung des bisher bestehenden Gleichklangs auch der Rechtsschutzbeauftragte künftig einer damit in Einklang stehenden Verpflichtung zur Geheimhaltung unterstellt werden. Diese Verpflichtung soll dahingehend präzisiert werden, dass sie ausschließlich Tatsachen betrifft, die dem Rechtschutzbeauftragten ausschließlich aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit bekannt wurden und deren Geheimhaltung aus den in § 6 Abs. 1 IFG genannten Gründen erforderlich und verhältnismäßig ist.

Zu Z 2 (§ 76 Abs. 2 StPO)

Die Bestimmung des § 76 Abs. 2 StPO nimmt auf das Spannungsverhältnis zwischen Amtshilfeverpflichtung einerseits und (u.a.) Amtsverschwiegenheit nach Art. 20 Abs. 3 B-VG Bezug (idS Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 76 Rz 30).

Art. 22a Abs. 2 B-VG sieht – mit Geltung auch für Art. 22a Abs. 1 B-VG – Gründe vor, bei deren Vorliegen von der Gewährung eines Zugangs zu Informationen (bzw. der Veröffentlichung dieser) abzusehen ist. Die verfassungsgesetzlichen Ausnahmetatbestände können in (einfachen) Bundes- und Landesgesetzen (Materiengesetzen) wiederholt, präzisiert oder eingeschränkt, aber nicht erweitert werden. Ausführungsbestimmungen dazu enthält der unter dem Titel „Geheimhaltung“ stehende § 6 IFG (vgl. EBRV 2238 BlgNR XXVII. GP, S. 3).

In diesem Sinn soll eine terminologische Anpassung in § 76 Abs. 2 StPO erfolgen, um auch künftig Behörden und öffentlichen Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie anderer durch Gesetz eingerichteter Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts das Recht einzuräumen, Amtshilfeersuchen von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten unter Berufung auf bestehende gesetzliche Geheimhaltungspflichten abzulehnen, wenn entweder diese Verpflichtungen ausdrücklich auch gegenüber Strafgerichten auferlegt sind oder wenn der Beantwortung überwiegende im Einzelfall anzuführende und zu begründende öffentliche Interessen entgegenstehen.

Zu Z 3 (§ 127 Abs. 1 StPO)

Sachverständige und Dolmetscher unterliegen gemäß § 127 Abs. 1 letzter Satz StPO der Amtsverschwiegenheit. Verstöße gegen diese Verpflichtung können eine Strafbarkeit Sachverständiger nach § 121 Abs. 3 StGB zur Folge haben.

Um diese Verantwortlichkeit künftig nicht ins Leere laufen zu lassen, sollen auch diese Berufsgruppen – wie der Rechtsschutzbeauftragte, s.o. Z 1) – einer Verpflichtung zur Geheimhaltung iSd neuen Terminologie unterstellt werden. Auch hier soll diese Verpflichtung dahingehend präzisiert werden, dass sie ausschließlich Tatsachen betrifft, die Sachverständigen und Dolmetschern ausschließlich aufgrund ihrer Tätigkeit im Verfahren bekannt wurden und deren und deren Geheimhaltung aus den in § 6 Abs. 1 IFG genannten Gründen erforderlich und verhältnismäßig ist.

Einer korrespondierenden Bestimmung für Schöffen und Geschworene bedarf es nicht; diese unterliegen wie bisher dem Beratungsgeheimnis bzw. im Fall des Ausschlusses der Öffentlichkeit von einer Verhandlung (§ 230a StPO) dem Mitteilungsverbot.

Zu Z 4 (§ 155 Abs. 1 StPO)

Für Bundesbeamte iSd § 1 Abs. 1 BDG 1979, also Bedienstete, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen, wird die Amtsverschwiegenheit nach Art. 20 Abs. 3 B-VG auf einfachgesetzlicher Ebene durch § 46 Abs. 1 BDG 1979 näher geregelt, für Richter und Staatsanwälte durch § 58 Abs. 1 RStDG. Ähnliche einfachgesetzliche Regelungen, welche Informationen dem Amtsgeheimnis und damit auch der Amtsverschwiegenheit unterliegen können, finden sich etwa auch in den Landesvertragsbediensteten-Gesetzen und Gemeindebedienstetengesetzen (vgl. Kirchbacher/Keglevic in Fuchs/Ratz, WK StPO § 155 Rz 13).

Mit der dienstrechtlichen Anpassungsgesetzgebung zur Einführung der Informationsfreiheit ist geplant, die Dienstpflichten der Beamten und Vertragsbediensteten an die Terminologie und Voraussetzungen des Art. 22a Abs. 2 B-VG und des IFG anzupassen; eine grundsätzliche Verpflichtung des einzelnen Beamten zur Geheimhaltung soll jedoch nach wie vor bestehen bleiben.

In diesem Sinn soll auch künftig ein Zeugenvernehmungsverbot für Beamte über dienstlich bekannt gewordene Umstände, die einer Verpflichtung zur Geheimhaltung iS bestehender gesetzlicher Bestimmungen unterliegen, bestehen. Durch den Zusatz „gesetzlichen“ wird klar zum Ausdruck gebracht, dass Geheimhaltungsverpflichtungen rein privatrechtlicher Natur (z. B. Stillschweigeklauseln etc.) kein Vernehmungsverbot begründen können. Hingegen kann z. B. völkerrechtlichen Verpflichtungen in entsprechenden Übereinkommen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen durchaus Relevanz zukommen.

Zu Art. 14 (Änderung der Zivilprozessordnung)

Zu Z 1 und 2 (§§ 121 und 291a):

Die vorgeschlagenen Änderungen sind lediglich redaktioneller Natur.

Die Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten gilt gemäß Art. 37 Abs. 1 in ihren wesentlichen Teilen ab dem 1. Juli 2022.

Gemäß Art. 36 Abs. 1 wird die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 mit dem Tag des Beginns der Geltung der Neufassung der Zustellverordnung aufgehoben, mit Ausnahme der Art. 4 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007, die mit dem Tag des Geltungsbeginns der Art. 5, 8 und 10 gemäß Art. 37 Abs. 2 der Neufassung aufgehoben werden.

Art. 5, 8 und 10 gelten ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von drei Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der in Art. 25 der Neufassung genannten Durchführungsverordnung, nämlich der Durchführungsverordnung (EU) 2022/423 vom 14. März 2022 zur Festlegung der technischen Spezifikationen, Maßnahmen und sonstigen Anforderungen für die Umsetzung des dezentralen IT-Systems nach der Verordnung (EU) 2020/1784, ABl. L 87 vom 15.3.2022, S. 9-13, folgt. Dies ist der 1. Mai 2025.

Zur Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen darf auf die Erläuterungen zur JN (Art. 6, Z 1 bis 4) verwiesen werden.

Zu Z 3 (§ 320 Z 3):

Wegen der Aufhebung der Amtsverschwiegenheit mit dem IFG bedarf es künftig keiner Berücksichtigung derselben mehr. Da allerdings nach wie vor Verpflichtungen zur Geheimhaltung bestehen bleiben, die bisher durch die Amtsverschwiegenheit verdeckt wurden, oder allenfalls auch neu geschaffen werden, sollen diese nach wie vor berücksichtigt bleiben oder werden. Der erfasste Personenkreis war bisher der Rechtsprechung und deren Auslegung des längst nicht mehr zutreffenden Begriffs „Staatsbeamte“ überlassen. In der einschlägigen Kommentierung von Frauenberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 320 ZPO Rz 6 wird dieser mit „Staatsbeamte sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe, gleichgültig ob diese in der Hoheits- oder der Privatwirtschaftsverwaltung tätig sind.“ umschrieben. Hier wird durch den Begriff „Beamte“ auch ein künftiger Gleichlauf mit dem Strafprozessrecht (§ 155 Abs. 1 Z 2 StPO) und dem materiellen Strafrecht (§ 310 StGB) vorgeschlagen, die auf Beamte im Sinne des § 74 Abs. 1 Z 4 bis 4c StGB abstellen. Wünschenswert wäre allerdings auch ein Gleichlauf mit der entsprechenden Bestimmung des § 48 Z 3 AVG. In der Formulierung wird ein Gleichklang mit der einschlägigen strafverfahrensrechtlichen Regelung angestrebt. Durch die Einschränkung auf gesetzliche Verpflichtungen wird auch hier klar zum Ausdruck gebracht, dass Verpflichtungen bloß privatrechtlicher Natur kein Zeugenverbot begründen können. Hingegen kommt beispielsweise völkerrechtlichen Verpflichtungen etwa auf Grund von Übereinkommen bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ebenso Relevanz zu, wie einschlägigen unionsrechtlichen Anordnungen.