Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines

1. Hauptziel des Vorschlags ist die Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726, ABl. Nr. L 135 vom 22.5.2019 S. 1 (in der Folge: ECRIS-TCN VO). Die Verordnung wurde bereits mehrfach geändert, und zwar durch:

-       Verordnung (EU) 2019/818 zur Errichtung eines Rahmens für die Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen (polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, Asyl und Migration) und zur Änderung der Verordnungen (EU) 2018/1726, (EU) 2018/1862 und (EU) 2019/816, ABl. Nr. L 135 vom 22.5.2019 S. 85,

-       Verordnung (EU) 2021/1133 zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 603/2013, (EU) 2016/794, (EU) 2018/1862, (EU) 2019/816 und (EU) 2019/818 hinsichtlich der Festlegung der Voraussetzungen für den Zugang zu anderen Informationssystemen der EU für Zwecke des Visa-Informationssystems, ABl. Nr. L 248 vom 13.7.2021 S. 1, und

-       Verordnung (EU) 2021/1151 zur Änderung der Verordnungen (EU) 2019/816 und (EU) 2019/818 hinsichtlich der Festlegung der Bedingungen für den Zugang zu anderen EU-Informationssystemen für die Zwecke des Europäischen Reiseinformations- und –genehmigungssystems, ABl. Nr. L 249 vom 14.7.2021 S. 7.

Die Bestimmungen der ECRIS-TCN VO gelten mit Ausnahme der Verarbeitung von Fingerabdrücken nach Art. 5 Abs. 1 lit. b ECRIS-TCN VO auch für Drittstaatsangehörige, die gleichzeitig Unionsbürger sind (Art. 2 ECRIS-TCN VO).

Zusammen mit der Durchführung der ECRIS-TCN VO soll auch die Richtlinie (EU) 2019/884 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2009/315/JI des Rates im Hinblick auf den Austausch von Informationen über Drittstaatsangehörige und auf das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS), sowie zur Ersetzung des Beschlusses 2009/316/JI des Rates, ABl. L 151 vom 7.6.2019, S. 143, umgesetzt werden.

Das Europäische Strafregister beruht gegenwärtig auf einem dezentralen System und umfasst nur Unionsbürger und Unionsbürgerinnen. Verurteilungen von Unionsbürger und Unionsbürgerinneninnerhalb der Europäischen Union sind von den Strafregisterbehörden des jeweiligen Heimatmitgliedstaats zu speichern und können von diesen beauskunftet werden.

Eine effiziente Abfrage von Vorstrafen von in der EU verurteilten Drittstaatsangehörigen ist mangels einer zentralen Datenbank, in der die Verurteilungen gespeichert werden, nicht möglich. Um Vorstrafen eines bzw. einer Drittstaatsangehörigen zu erfahren, ist es erforderlich, die Strafregisterbehörden sämtlicher EU Mitgliedstaaten anzuschreiben. Durch die Einrichtung einer zentralen Datenbank, in die jede Verurteilung einzutragen ist, die durch ein Gericht eines EU Mitgliedstaats ergangen ist, wird es den Strafverfolgungsbehörden ermöglicht, schneller und effizienter Informationen darüber zu erlangen, in welchem Mitgliedstaat der oder die betroffene Drittstaatsangehörige bereits verurteilt wurde.

Darüber hinaus soll mit der ECRIS-TCN VO auch die eindeutige Identifizierung sichergestellt werden, weil gerade bei Drittstaatsangehörigen oft keine verlässlichen Identitätsdokumente vorliegen. Die ECRIS-TCN VO sieht zu diesem Zweck die verpflichtende Speicherung von Fingerabdrücken im Zentralsystem vor. Die Speicherung von Gesichtsbildern ist zwar möglich, aber nach der ECRIS-TCN VO nicht verpflichtend (Art. 5 Abs. 3 ECRIS-TCN VO). Es wird vorgeschlagen, von der Möglichkeit der Speicherung von Gesichtsbildern keinen Gebrauch zu machen. Neben der Übererfüllung von Unionsrecht (vgl. Legistik und Begutachtungsverfahren; Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften; Vermeidung von Gold-Plating, BMVRDJ-600.824/0004-V 2/2018) würde die Speicherung von Gesichtsbildern auch einen bedeutenden und weitergehenden Grundrechtseingriff darstellen. Änderungen zur Durchführung der ECRIS-TCN VO werden im Strafregistergesetz 1968 vorgeschlagen.

2. Die Änderungen, die zum Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) vorgeschlagen werden, dienen dazu, Entscheidungen des EuGH Rechnung zu tragen, etwa indem der Ablehnungsgrund bei Verletzung von Grundrechten überarbeitet, das Verbot der Doppelverfolgung bzw. Doppelbestrafung (ne bis in idem) neu geregelt (§§ 8 und 8a EU-JZG), § 5a EU-JZG auch auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt oder der Vorrang eines Europäischen Haftbefehls gegenüber einem Auslieferungsersuchen eines Drittstaats für jene Fälle ex lege verankert wird, in denen sich der Haftbefehl und die Auslieferung auf dieselben Straftaten oder auf Straftaten beziehen, die miteinander in untrennbarem Zusammenhang stehen. Damit soll auch einem ergänzenden Mahnschreiben der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2020/2307 betreffend die Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (im Folgenden: RB EHB), ABl. Nr. L 190 vom 18.07.2002 S. 1, begegnet werden. In diesem Vertragsverletzungsverfahren hat die Kommission auch die nicht ausreichende Umsetzung von Art. 20 RB EHB über Vorrechte und Immunitäten bemängelt; Änderungen in § 16 und 21 EU-JZG sollen diese Kritik aufgreifen. Weitere Vorschläge dienen dem Ziel, die praktische Zusammenarbeit zwischen den Behörden zu verbessern, etwa im Bereich der grenzüberschreitenden Überwachung von Fahrzeugen. Außerdem sollen Erklärungen der Mitgliedstaaten, die nach den Maßnahmen der gegenseitigen Anerkennung z.B. betreffend akzeptierte Sprachen, zuständige Behörden usw. vorgesehen sind, nicht mehr in der EU-JZV kundgemacht werden, sondern es soll auf die Homepage des EJN verwiesen werden, auf der sämtliche Erklärungen veröffentlicht werden. Letztlich sollen auch Durchführungsbestimmungen für die Verordnung (EU) 2023/2131 zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1727 sowie des Beschlusses 2005/671/JI in Hinblick auf digitalen Informationsaustausch in Terrorismusfällen, ABl. Nr. L vom 11.10.2023 S. 1, und für die Verordnung (EU) 2023/2844 über die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit und des Zugangs zur Justiz in grenzüberschreitenden Zivil-, Handels- und Strafsachen und zur Änderung bestimmter Rechtsakte im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit, ABl. Nr. L vom 27.12.2023, geschaffen werden; letztere verpflichtet, Rechtsmittel im Fall von Verstößen gegen Vorschriften der e-justice Verordnung betreffend Vernehmungen im Wege einer Videokonferenz vorzusehen.

3. Auch die zum Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) vorgeschlagenen Änderungen sollen Entscheidungen des EuGH aufgreifen: Durch die Neuregelung von § 17 ARHG wird durch Einführung eines absoluten Ablehnungsgrundes ausdrücklich klargestellt, dass im Verhältnis zu Drittstaaten, die an Art. 54 SDÜ gebunden sind, Aburteilungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH umfangreicher zu berücksichtigen sind, als dies im Verhältnis zu anderen Drittstaaten der Fall ist. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, bei den übrigen Drittstaaten einen fakultativen Ablehnungsgrund der entschiedenen Sache vorzusehen. Weiters soll eine mündliche Verhandlung im Rechtsmittelverfahren über eine Auslieferung nur noch stattfinden, wenn dies das Oberlandesgericht für erforderlich hält; eine solche ist schon in erster Instanz bisher nicht zwingend vorgesehen.

4. Die vorgeschlagenen Änderungen im Europäische Staatsanwaltschafts-Durchführungsgesetz (EUStA-DG) dienen dazu, die praktische Anwendung der Verordnung (EU) 2017/1939 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA; im Folgenden EUStA-VO), ABl. L 283 vom 31.10.2017 S. 1, zu erleichtern und Kritikpunkten der Europäischen Kommission zu begegnen.

5. Die vorgeschlagenen Änderungen des Island-Norwegen-Übergabegesetzes (INÜG) und teilweise des Strafregistergesetzes 1968 und des Tilgungsgesetzes 1972 sollen Teile des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. Nr. L 149 vom 30.4.2021 S. 10 (im Folgenden; Abkommen für Handel und Zusammenarbeit), umsetzen.

6. Änderungen im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) dienen dazu, Umsetzungen von Richtlinien ersichtlich zu machen.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der Entwurf dient der Durchführung der ECRIS-TCN VO (Punkt 1.) sowie der Verbesserung der Durchführung der EUStA-VO (Punkt 5.). Darüber hinaus werden Anpassungen im Zusammenhang mit der Umsetzung von EU Instrumenten der gegenseitigen Anerkennung im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit vorgenommen (Punkt 2.) (vgl. die in § 141 EU-JZG genannten Richtlinien sowie im EU-JZG umgesetzte Rahmenbeschlüsse). Im EU-JZG sollen auch Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) 2023/2131 und zur Verordnung (EU) 2023/2844 aufgenommen werden. Mit den Änderungen im INÜG, in Teilen des Strafregistergesetzes 1968 und des Tilgungsgesetzes 1972 werden Durchführungsbestimmungen für das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit vorgeschlagen (Punkt 5.).

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes (Strafrechtswesen).


II. Besonderer Teil

Artikel 1 (Änderung des Strafregistergesetzes 1968)

Zu Z 1 und 5 (§§ 1a und 2 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968)

Es sollen zur leichteren Lesbarkeit des Strafregistergesetzes 1968 einige Begriffsbestimmungen eingeführt werden. Z 1 ist § 2 Abs. 3 entnommen und daher nicht neu; die Definition in § 2 Abs. 3 kann entfallen. Die Z 2 bis 4 werden zur Durchführung der ECRIS-TCN VO vorgeschlagen. Insbesondere sollen die Begriffe des Drittstaatsangehörigen bzw. der Drittstaatsangehörigen (vgl. Art. 3 Z 7 ECRIS-TCN VO) und des Doppelstaatsangehörigen bzw. der Doppelstaatsangehörigen (vgl. Art. 2 UAbs. 1 zweiter Satz ECRIS-TCN VO) definiert werden; die ECRIS-TCN VO soll in Z 4 definiert werden. Z 5 dient der Umsetzung des Abkommens für Handel und Zusammenarbeit.

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 1 Z 3 Strafregistergesetz 1968)

Es wird vorgeschlagen, die Bezugnahme auf das Abkommen zur Beschränkung der Herstellung und zur Regelung der Verteilung der Betäubungsmittel vom 13. Juli 1931, BGBl. Nr. 198/1934 II, entfallen zu lassen, weil dieses aufgrund von Art. 44 Abs. 1 lit. d der Einzigen Suchtgiftkonvention (BGBl. 1978/531) aufgehoben und durch dieses Übereinkommen abgelöst wurde (vgl. auch Kert in Fuchs/Ratz, WK § 2 StRegG Rz 30).

Zu Z 3, 4, 13 bis 18, 21 bis 25, 27 bis 30 (§ 2 Abs. 1 Z 8 und 9, § 9a Abs. 1 Z 5, § 9b Abs. 1 und 3 samt Überschrift, § 9c samt Überschrift, § 10a Abs. 1 samt Überschrift, § 10b samt Überschrift, § 11 Abs. 5 und 6, § 11a samt Überschrift, § 12 Abs. 1 Strafregistergesetz 1968)

Das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit enthält in Art. 643 ff und in Anhang 44 Bestimmungen zum Austausch von Informationen aus dem Strafregister. Im Ergebnis wird dadurch der Rechtsbestand, der durch den Rahmenbeschluss 2009/315/JI über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 93 vom 7.4.2009 S. 23, und die Umsetzung im nationalen Recht (Bundesgesetz, mit dem das Strafregistergesetz 1968, das Tilgungsgesetz 1972 und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden, BGBl. I Nr. 29/2012) geschaffen wurde, im Verhältnis zum Vereinigten Königreich fortgeschrieben. Demnach ist Österreich verpflichtet, das Vereinigte Königreich von Verurteilungen seiner Staatsangehörigen in Österreich zu verständigen (§ 11a Strafregistergesetz 1968) vice versa. Darüber hinaus ist Österreich verpflichtet, die vom Vereinigten Königreich mitgeteilten Verurteilungen von österreichischen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen im Strafregister aufzunehmen (§ 2 Abs. 1 Z 9 Strafregistergesetz 1968). Außerdem sind nach Art. 649 Abs. 3 des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit Verurteilungen wegen Straftaten im Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch oder der sexuellen Ausbeutung von Kindern, Kinderpornographie, Kontaktaufnahme mit Kindern für sexuelle Zwecke sowie ausgesprochene Verbote von Tätigkeiten, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, zu beauskunften, wenn Ersuchen betreffend die Einstellung von Personen für berufliche oder freiwillige Tätigkeiten, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, gestellt werden (§ 2 Abs. 1 Z 8, § 9a und § 12 Abs. 1 Strafregistergesetz 1968).

Sämtliche Bestimmungen im Strafregistergesetz 1968, die im Zusammenhang mit Auskünften aus dem Strafregister und Strafregisterbescheinigungen stehen (insbesondere §§ 9b, 9c, 10a, 10b Strafregistergesetz 1968), sollen daher entsprechend dem Abkommen über Handel und Zusammenarbeit angepasst werden. In § 10b wird für die Beantwortung eines Ersuchens einer Behörde aus dem Vereinigten Königreich um Information aus dem Strafregister insbesondere der neue Abs. 1a vorgeschlagen.

Weiters soll sowohl in der Überschrift des § 9b Strafregistergesetz 1968 als auch in seinem Abs. 1 klargestellt werden, dass die Bestimmung nur für Strafregisterauskünfte in Bezug auf österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen gilt. Die Änderung wird vorgeschlagen, um eine Abgrenzung zwischen dem System der Abfrage in Bezug auf österreichische Staatsbürger, zu denen alle Verurteilungen in der EU und im Vereinigten Königreich gesammelt auf nationaler Ebene gespeichert werden, und Abfragen in Bezug auf Drittstaatsangehörige zu verdeutlichen. Bei Drittstaatsangehörigen soll für jede Verurteilung ein Datensatz im Zentralregister angelegt werden.

Die in § 10b Abs. 1 Strafregistergesetz 1968 vorgeschlagenen Änderungen dienen der Umsetzung des ECRIS-TCN: die Bestimmung regelt gegenwärtig die Übermittlung von Strafregisterbescheinigungen, wenn ein österreichischer Staatsbürger bzw. eine österreichische Staatsbürgerin einen Antrag in einem anderen EU Mitgliedstaat stellt. Aufgrund der Einführung des ECRIS-TCN sieht Art. 6 Abs. 3a RB ECRIS vor, dass auch Drittstaatsangehörige einen Antrag auf Informationen über ihn oder sie betreffende Eintragungen des Strafregisters stellen können. Zur Umsetzung dieser Vorgaben wird daher vorgeschlagen, § 10b Abs. 1 Strafregistergesetz 1968 auf Drittstaatsangehörige auszudehnen; die entsprechende Bezugnahme auf österreichische Staatsbürger bzw. Staatsbürgerinnen soll daher ersetzt werden.

Mit Ausnahme der Änderungen in § 10b Abs. 1 Strafregistergesetz 1968, der erst mit dem operativen Beginn des ECRIS-TCN in Kraft treten kann, sollen die Änderungen mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft treten.

Zu Z 6 (§ 3 Abs. 2 Z 1 Strafregistergesetz 1968)

Mit den Änderungen soll sichergestellt werden, dass jeder verurteilten Person, für die ein Eintrag im Zentralsystem des ECRIS-TCN anzulegen ist (vgl. weiterführend § 3a Strafregistergesetz 1968), die ihr bereits nach SPG oder anderen Rechtsgrundlagen abgenommenen Fingerabdrücke eindeutig zugewiesen werden können. Zwischen den Polizei- und Justizbehörden sollen nicht die Fingerabdrücke übermittelt werden, sondern lediglich das Aktenzeichen des Abschlussberichts und die aktenführende Behörde. Mit diesen Angaben soll in weiterer Folge das Strafregisteramt eine Abfrage im PAD (Anzeigenprotokollierungssystem der Kriminalpolizei) durchführen können, um die Referenzzahl zu erheben, zu der die Fingerabdrücke im Wege eines Verweises von der EDE (erkennungsdienstlichen Evidenz) oder vom IZR (Intergriertes Zentrales Fremdenregister) im AFIS (automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem) gespeichert sind. Soweit Fingerabdrücke bereits gespeichert sind, sollen diese für die Speicherung im ECRIS-TCN herangezogen werden (§ 3a Abs. 2 und 3 Strafregistergesetz 1968). Nur wenn keine Fingerabdrücke gespeichert, müssen sie nacherfasst werden (§ 3a Abs. 4 Strafregistergesetz 1968).

Zu Z 7 und 8 (§ 3 Abs. 2 Z 2 und 3 Strafregistergesetz 1968)

Die vorgeschlagenen Änderungen dienen einerseits der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 des RB ECRIS. Dieser sieht vor, dass sämtliche Staatsangehörigkeiten einer verurteilten Person zu erfassen sind. Ist die verurteilte Person staatenlos bzw. ist die Staatsangehörigkeit unbekannt, ist dies ebenso zu erfassen.

Andererseits soll auch Art. 5 der ECRIS-TCN VO umgesetzt werden. Danach sollen von der Zentralbehörde des Urteilsmitgliedstaats bestimmte Daten eingegeben werden, die über die gegenwärtige Fassung des § 3 Strafregistergesetz 1968 hinausgehen. Das sind insbesondere der vollständige Name der Eltern der verurteilten Person und nicht nur die Vornamen (Art. 5 Abs. 1 lit. a Buchstabe ii der ECRIS-TCN VO) und Pseudonyme und Aliasnamen der verurteilten Person (Art. 5 Abs. 1 lit. a Buchstabe iii der ECRIS-TCN VO).

Daher wird vorgeschlagen, statt auf Vornamen und Nachnamen nur auf den „Namen“ abzustellen, der beides einschließt. Außerdem soll, wie auch innerstaatlich in anderen Bereichen (§§ 57 Abs. 1 und 65 Abs. 6 SPG bzw. § 27 Abs. 1 Z 8 BFA-VG), auf Aliasdaten anstatt nur auf Aliasnamen abgestellt werden. Darüber hinaus sollten auch sonstige Aliasdaten erfasst werden, d.h. andere Geburtsdaten/-orte, die z.B. bei der Begehung von Straftaten von der verurteilten Person verwendet wurden. Die Umsetzung geht daher etwas über die Vorgaben der Verordnung hinaus, dient allerdings der besseren Identifikation von Personen.

Zu Z 9 (§ 3 Abs. 2 Z 6 Strafregistergesetz 1968)

Es wird vorgeschlagen, neben dem Verfall auch die Konfiskation zu nennen, bei der ebenso wie beim Verfall der vermögensrechtliche Ausgleich im Vordergrund steht und die außerdem als Nebenstrafe zu qualifizieren ist (vgl. Kert in Fuchs/Ratz, WK § 3 StRegG Rz 13). So wie der Verfall soll daher auch die Konfiskation nicht im Strafregister eingetragen werden.

Darüber hinaus sind die Änderungen terminologische Anpassungen an das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 223/2022.

Zu Z 10 (§ 3 Abs. 2 Z 11 Strafregistergesetz 1968)

Art. 5 Abs. 1 lit. c der ECRIS-TCN VO sieht vor, dass eine Verurteilung unter bestimmten Umständen zu kennzeichnen ist. Diese Bestimmung gilt gemäß Art. 2 UAbs. 1 der ECRIS-TCN VO auch für Drittstaatsangehörige, die gleichzeitig Unionsbürger bzw. Unionsbürgerinnen sind.

Eine Kennzeichnung ist zu veranlassen, wenn Drittstaatsangehörige entweder wegen einer terroristischen Straftat oder wegen einer Straftat verurteilt wurden, die im Anhang der Verordnung (EU) 2018/1240 über die Einrichtung eines Europäischen Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung der Verordnungen (EU) 1077/2011, (EU) 515/2014, (EU) 2016/399, (EU) 2016/1624 und (EU) 2017/2226, ABl. Nr. L 236 vom 19.9.2018 S. 1, angeführt ist. Im letztgenannten Fall muss die Straftat außerdem mit einer Strafdrohung von mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sein.

Es wird vorgeschlagen, die Umsetzung in § 3 Z 11 Strafregistergesetzes 1968 vorzusehen. Damit wird die Kennzeichnung der Straftat vom erkennenden Gericht im Rahmen der Übermittlung der Strafkarte vorgenommen. Die Zuordnung zu einer im Anhang zur genannten Verordnung angeführten Kategorie ist in bestimmten Fällen vom Einzelfall abhängig und kann deswegen nur vom Entscheidungsorgan festgelegt werden: so erfüllen z.B. nicht sämtliche Verurteilungen wegen Hehlerei auch die Kategorie des illegalen Handels mit Kulturgütern oder des Handels mit gestohlenen Kraftfahrzeugen.

Zu Z 11 (§ 3a Strafregistergesetz 1968)

Art. 5 der ECRIS-TCN VO sieht vor, dass im Zentralsystem für jeden verurteilten Drittstaatsangehörigen oder Doppelstaatsangehörigen bzw. jede verurteilte Drittstaatsangehörige oder Doppelstaatsangehörige ein Datensatz anzulegen ist, der gewisse, in Abs. 1 angeführte Mindestangaben zu enthalten hat, um einerseits Abfragen und andererseits Abgleiche mit anderen Datenbanken zu ermöglichen. Die datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlagen für die Verarbeitung von Fingerabdrücken betreffen daher nur das auf europäischer Ebene einzurichtende Zentralsystem. Um die Daten auf nationaler Ebene zur Verfügung stellen zu können, ist die Schaffung einer Rechtsgrundlage erforderlich, die die Verarbeitung der Daten auch auf nationaler Ebene ermöglicht.

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. b ECRIS-TCN VO sind auch Fingerabdrücke zu speichern. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:

Zum einen sind Fingerabdrücke immer im Zentralsystem zu speichern, wenn Fingerabdruckdaten im Rahmen eines Strafverfahrens abgenommen wurden (vgl. Abs. 1 Z 1). Im Rahmen eines Strafverfahrens umfasst vorbehaltlich zukünftiger Rechtsprechung des EuGH nur jene Abnahmen, die in Anwendung von § 118 Abs. 2 StPO erfolgen. Nach § 1 Abs. 1 StPO regelt nämlich (nur) die Strafprozessordnung das Verfahren zur Aufklärung von Straftaten. Die Abnahme von Fingerabdrücken nach den Bestimmungen des SPG erfolgt daher nicht „im Rahmen eines Strafverfahrens“, sondern allenfalls aus Anlass der Begehung einer Straftat. In der Praxis kommt eine Abnahme nach § 118 Abs. 2 StPO jedoch nicht vor, weil die Bestimmung (im Gegensatz zu § 65 Abs. 6 SPG) nur zur Abnahme zur Identitätsfeststellung nicht jedoch zur Verarbeitung bzw. über die Identitätsfeststellung hinausgehenden Speicherung der Fingerabdrücke ermächtigt. Allenfalls nach § 118 Abs. 2 StPO abgenommene Fingerabdrücke würden daher zum Zeitpunkt der Übermittlung der Strafkarte durch das verurteilende Strafgericht erster Instanz an die Landespolizeidirektion Wien nicht mehr zur Verfügung stehen.

Zum anderen werden von der ECRIS-TCN VO Mindestvorgaben gemacht (Art. 5 Abs. 1 lit. b Punkt ii ECRIS-TCN VO), die allerdings nur im Fall von Drittstaatsangehörigen und damit nicht bei Doppelstaatsangehörigen zu erfüllen sind (Art. 2 zweiter Satz). Die Mitgliedstaaten haben zwei Varianten bei der Umsetzung zur Auswahl: entweder sind Fingerabdrücke zu speichern, wenn der oder die Drittstaatsangehörige zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurde, oder wenn er oder sie wegen einer Straftat verurteilt wurde, die nach innerstaatlichem Recht mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht ist.

Um den grundrechtlichen Eingriff, aber auch die mit erheblichem Personalaufwand verbundene Nacherfassung bei der Abnahme von Fingerabdrücken möglichst gering zu halten, wird in Abs. 1 Z 2 vorgeschlagen, die erste Alternative umzusetzen. Die zweite Alternative würde jedenfalls in größerem Umfang bezirksgerichtliche Verurteilungen miteinschließen, als dies bei der ersten Alternative der Fall ist, die auf die konkrete Verurteilung abstellt.

In den Absätzen 2 und 3 werden Rechtsgrundlagen vorgeschlagen, um bereits erhobene Fingerabdruckdaten an die Landespolizeidirektion Wien über deren Anforderung zu übermitteln. Derartige Übermittlungen sollen auch in der jeweiligen Datenanwendung vermerkt werden. Gerade im Bereich des Fremden- und Asylrechtes kann es zu nachträglichen Berichtigungen kommen, wenn insbesondere die erkennungsdienstliche Behandlung gleichzeitig bei mehreren Personen erfolgte. Durch einen Vermerk der Weiterübermittlung können Berichtigungen auch für die Zwecke des ECRIS-TCN nachvollzogen werden.

Die Übermittlungen zwischen der Landespolizeidirektion und der Behörde, bei der die Fingerabdrücke gespeichert sind, sollen automationsunterstützt erfolgen, d.h. es sind keine formalen Ersuchen durch die Landespolizeidirektion zu übermitteln. Die Datenübermittlung ist streng zweckgebunden, zur Erstellung eines Datensatzes nach Art. 5 Abs. 1 der ECRIS-TCN. Art. 5 Abs. 6 der ECRIS-TCN VO erlaubt eine solche Weiterverwendung von Fingerabdruckdaten explizit, wenn eine Rechtsgrundlage dafür innerstaatlich vorgesehen wird. Durch die Nutzung bereits vorhandener Fingerabdrücke können Mehrfachabnahmen, die auch für die betroffenen Personen einen (ggf. erheblichen) zusätzlichen Aufwand bedeuten können, vermieden werden; insofern ist der Rückgriff auf bereits vorhandene Fingerabdrücke als gelinderer Eingriff in die Rechte der betroffenen Personen anzusehen als eine Neuerfassung. Insbesondere im Bereich des SPG sind die Möglichkeiten zur Abnahme von Fingerabdrücken im Zusammenhang mit der Begehung einer Straftat sehr weitreichend (vgl. § 65 Abs. 1 bis 3 SPG), sodass ein erheblicher Anteil der erforderlichen Fingerabdrücke bereits zur Verfügung stehen wird.

Bei keiner der beiden erwähnten Varianten in Art. 5 Abs. 1 lit. b Punkt ii ECRIS-TCN VO reichen die bestehenden Grundlagen zur Abnahme von Fingerabdrücken für die Zwecke des ECRIS-TCN (Abs. 2 und 3 des Vorschlags) aus, um das Anlegen eines Datensatzes im ECRIS-TCN in allen in § 3 Abs. 1 Z 2 Strafregistergesetz 1968 genannten Fällen zu gewährleisten. Aufgrund dessen wird mit Abs. 4 vorgeschlagen, dass die Landespolizeidirektion Wien auch für die Durchführung der erforderlichen Nacherfassung von Fingerabrücken verantwortlich sein soll. Sie hat die Abnahme der Fingerabdrücke zu veranlassen, ist aber nicht gehalten, alle Abnahmen selbst durchzuführen. Die Abnahme der Fingerabdrücke selbst soll von jener Sicherheitsbehörde durchgeführt werden, die sich am Wohnort bzw. ständigen Aufenthalt der verurteilten Person befindet. Zur Durchsetzung der vorgeschlagenen Ermächtigung für die Landespolizeidirektion Wien, Fingerabdrücke nachzuerfassen, wird ferner vorgeschlagen, dass auch eine zwangsweise Vorführung (§ 77 SPG) angeordnet werden kann.

In Hinblick auf die datenschutzrechtliche Folgenabschätzung hat der Vorschlag vor allem Auswirkungen auf den Bereich der Verarbeitung von biometrischen Daten, konkret von Fingerabdrücken. Die Darstellung konzentriert sich auf Eingriffe, die über die ECRIS-TCN VO hinausgehen. Um sicherzustellen, dass nach einer Verurteilung eines bzw. einer Drittstaatsangehörigen, Fingerabdrücke in das Zentralsystem des ECRIS-TCN eingespeichert werden können, wird in § 3a Abs. 2 und 3 Strafregistergesetz 1968 vorgeschlagen, bereits nach anderen Rechtsgrundlagen erhobene Fingerabdrücke zu verwenden, anstatt bereits erhobene Fingerabdrücke neuerlich abzunehmen.

Um dies zu gewährleisten, soll das verurteilende Gericht erster Instanz dem Strafregisteramt die Aktenzahl des Abschlussberichts übermitteln. Diese wird es dem Strafregisteramt ermöglichen, die erforderlichen Fingerabdruckdaten durch Einsicht in den Abschlussbericht und die dort gespeicherte Referenzzahl, zu der die Fingerabdrücke gespeichert sind, zu erheben.

Für den Fall, dass noch keine Fingerabdrücke nach anderen Rechtsgrundlagen ermittelt wurden, hat das Strafregisteramt für eine nachträgliche Erfassung derselben Sorge zu tragen (§ 3a Abs. 4 Strafregistergesetz 1968). Die Fingerabdrücke werden in einer eigenen Datenanwendung (Automationsunterstützte Fingerabdruck Identifizierungs-System, AFIS) gespeichert. Im Bereich der Justiz gibt es auf diese Daten keinen unmittelbaren Zugriff. Derartige Nacherfassungen sollen erst nach Vorliegen einer Verurteilung durchgeführt werden und stellen damit ein gelinderes Mittel gegenüber der Ausweitung von Befugnissen nach der StPO dar, womit eine Abnahme und Speicherung von Fingerabdrücken bereits bei Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung und unabhängig von einer Verurteilung verbunden wäre.

Die gewählte Umsetzung gewährleistet, dass das Strafregisteramt, Fingerabdrücke in das ECRIS-TCN einspeichern kann und damit der in Art. 5 Abs. 1 lit. b der ECRIS-TCN vorgesehenen Verpflichtung nachkommen kann. Sie ist darüber hinaus, ein gelinderes Mittel gegenüber der Übermittlung der Referenzzahl, zu der die Fingerabdrücke gespeichert sind, bzw. Übermittlung der Fingerabdrücke zwischen Exekutiv- und Justizbehörden oder neuerlicher Abnahme von Fingerabdrücken nach Verurteilung.

In Hinblick auf Risiken, die mit diesem Vorschlag verbunden sein könnten, ist festzuhalten, dass Fingerabdrücke ausschließlich in den bereits bestehenden Datenanwendungen im Bereich des Bundesministeriums für Inneres gespeichert werden und Justizbehörden keinen Zugriff auf die Datenbanken haben. Zugriffe auf Fingerabdruckdaten werden ausnahmslos in den Datenanwendungen protokolliert. Mit der Übermittlung der Aktenzahl des Abschlussberichts kann ein unautorisierter Zugriff auf sensible Fingerabdruckdaten daher im Wesentlichen ausgeschlossen werden.

Das Vermerken der Übermittlung der Referenzzahlen in der jeweiligen Datenanwendung (§ 3a Abs. 2 und 3 jeweils letzter Satz Strafregistergesetz 1968) hat darüber hinaus keinen Einfluss auf Verarbeitungsfristen gemäß der Rechtsgrundlage, zu der die Daten erhoben wurden. Der Vermerk dient ausschließlich der Gewährleistung der Richtigkeit der Daten, für den Fall, dass eine falsche Zuordnung der Fingerabdrücke bei deren Abnahme (z.B. bei Abnahme von Fingerabdrücken von zahlreichen Personen an der Grenze nach deren Aufgriff) erfolgte.

Zu Z 12 (§ 9 Abs. 3 Strafregistergesetz 1968)

Durch den Vorschlag sollen Art. 7 Abs. 4a und Art. 8 Abs. 2 des RB ECRIS umgesetzt werden.

Zur Funktionsweise der Anfragen an das Strafregister in Hinblick auf Drittstaatsangehörige und Doppelstaatsangehörige besteht der wesentliche Unterschied zur Anfrage betreffend Unionsbürger und Unionsbürgerinnen, dass die Speicherung von Verurteilungen im Strafregister des jeweiligen Urteilsstaats erfolgt (Art. 4 Abs. 1 RB ECRIS). Bei Unionsbürgern und Unionsbürgerinnen ist hingegen der Heimatmitgliedstaat zur Speicherung von Verurteilungen verpflichtet, die in anderen EU Mitgliedstaaten ergangen sind (Art. 5 Abs. 1 RB ECRIS). Während für Unionsbürger und Unionsbürgerinnen daher vom Heimatmitgliedstaat eine vollständige (alle in der EU ergangenen Verurteilungen enthaltende) Strafregisterauskunft erteilt werden kann, ist bei Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen zunächst im Zentralregister abzufragen, in welchen Staaten Verurteilungen vorliegen. Danach ist von den jeweiligen Staaten eine Strafregisterauskunft oder –bescheinigung anzufordern.

Anfragen in Hinblick auf Strafregisterauskünfte von Drittstaatsangehörigen oder Doppelstaatsangehörigen betreffen somit nur Eintragungen über Verurteilungen, die sich bereits aus § 2 Abs. 1 Z 1 bis 8 Strafregistergesetz 1968 ergeben (Art. 7 Abs. 4a RB ECRIS).

Für die Beantwortung von Ersuchen von Behörden anderer Mitgliedstaaten (Art. 6 RB ECRIS) ist daher lediglich vorzusehen, dass diese durch die Verwendung des Formulars nach Anhang IX zum EU-JZG zu erfolgen hat. In Hinblick auf die Bearbeitungsfristen ist ein Verweis auf die bereits bestehenden Bestimmungen in § 9b Abs. 2 und § 10b Strafregistergesetz 1968 ausreichend.

Der weitere Verweis auf § 9b Abs. 3 Strafregistergesetz 1968 entspricht den Vorgaben von Art. 7 Abs. 4a RB ECRIS, wonach Verwendungsbeschränkungen nach Art. 7 Abs. 2 RB ECRIS, die der Urteilsstaat mitgeteilt hat, zu berücksichtigen sind. Soweit ein anderer Staat daher um Auskunft aus dem Strafregister für andere Zwecke als der Verwendung in einem Strafverfahren ersucht, der Urteilsstaat aber die Verwendung für die Zwecke des Strafverfahrens beschränkt hat, ist der ersuchende Staat auf den Urteilsstaat für weitere Informationen zu verweisen.

Zu Z 19 (§ 10 Abs. 2a Strafregistergesetz 1968)

Es soll lediglich klargestellt werden, dass für elektronisch eingebrachte Anträge auf Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung die Landespolizeidirektion Wien zuständig ist.

Zu Z 20 (§ 10 Abs. 6 Strafregistergesetz 1968)

Der Bundesminister bzw. die Bundesministerin für Inneres soll mit dem Vorschlag ermächtigt werden, QR Codes auf der Strafregisterbescheinigung anzubringen, um deren Echtheit für Dritte überprüfbar zu machen. Damit soll dem in der Praxis aufgetretenen Problem entgegengewirkt werden, dass gefälschte Strafregisterbescheinigungen vorgelegt werden.

Zu Z 26 (§ 10c Strafregistergesetz 1968)

Gegenstand des Vorschlags ist in erster Linie, das Vorgehen durch das Strafregisteramt zu regeln, wenn ein Drittstaatsangehöriger oder Doppelstaatsangehöriger bzw. eine Drittstaatsangehörige oder Doppelstaatsangehörige einen Antrag auf Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung (in Österreich) stellt. In diesem Fall ist nämlich zunächst das Zentralsystem des ECRIS-TCN (Art. 4 Abs. 1 lit. a ECRIS-TCN VO) abzufragen und festzustellen, ob und ggf. in welchem anderen Mitgliedstaat Eintragungen im Strafregister zu dieser Person bestehen. Danach sind die betreffenden Mitgliedstaaten um Übermittlung eines Auszugs aus dem Strafregister zu ersuchen.

Zu Z 31 (§ 13d Strafregistergesetz 1968)

Der vorgeschlagene § 13d dient der Umsetzung von Art. 10 Abs. 3 und 4 RB ECRIS, der elektronische Übermittelungswege für die Kommunikation zwischen den Zentralbehörden der Mitgliedstaaten vorsieht. Darüber hinaus ist auch in Art. 650 des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit die Verwendung elektronischer Übermittlungen zwischen den Zentralbehörden vorgesehen.

Sind elektronische Übermittlungswege nicht verfügbar, so sind die Informationen in einer Form zu übermitteln, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die der empfangenden Zentralbehörde die Feststellung der Echtheit der Informationen gestatten (Art. 10 Abs. 4 RB ECRIS).

Soweit auf nationaler Ebene die Systeme für elektronische Übermittlungen über einen längeren Zeitraum nicht zur Verfügung stehen, sind darüber hinaus die Zentralbehörden der anderen Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission zu verständigen (Art. 10 Abs. 4 Abs. 2 RB ECRIS).

Zu Z 32 (§ 14 Abs. 17 Strafregistergesetz 1968)

Beim Inkrafttreten wird vorgeschlagen, dass jene Bestimmungen, die im Zusammenhang mit dem operativen Beginn des ECRIS-TCN stehen, zu dem von der Europäischen Kommission festzusetzenden und im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichenden Datum in Kraft treten sollen.

Alle übrigen Bestimmungen können mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft treten; eine Legisvakanz ist nicht erforderlich.

Zu Z 33 und 34 (§ 14a Abs. 3 Strafregistergesetz 1968)

Die ECRIS-TCN VO verpflichtet die Mitgliedstaaten auch zur Nacherfassung von Verurteilungen, die vor dem operativen Beginn des ECRIS-TCN ergangen sind. Terroristische Straftaten sind zu kennzeichnen, wenn in den letzten 25 Jahren eine Verurteilung ergangen ist; die übrigen Straftaten, wenn eine Verurteilung in den letzten 15 Jahre ergangen ist. Weitere Bedingung ist, dass die Verurteilung noch im Strafregister eingetragen ist.

Zu Z 36 (§ 17 Strafregistergesetz 1968)

Es soll klargestellt werden, dass sich Verweisungen auf andere Rechtsvorschriften des Bundes als Verweisungen auf die aktuelle Fassung verstehen.

Artikel 2 (Änderung des Tilgungsgesetzes 1972)

Zu Z 1 bis 3 (§ 1 Abs. 6, § 3 Abs. 1 Z 4, § 4 Abs. 4, § 4a Abs. 1 und 2, § 6 Abs. 2 Z 3 und Abs. 6 Tilgungsgesetz 1972)

Die Änderungen sind terminologische Anpassungen an das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz 2022, BGBl. I Nr. 223/2022.

Zu Z 4 (§ 6 Abs. 5 Tilgungsgesetz 1972)

Es wird vorgeschlagen, dass Personen, die einer Sicherheitsüberprüfung nach § 55 SPG (§ 2 Abs. 1 Z 5 Tilgungsgesetz 1972) oder einer Vertrauenswürdigkeitsprüfung nach § 2a SNG (§ 2 Abs. 1 Z 6a tilgungsgesetz 1972) untezogen werden, von sich aus verpflichtet sein sollen, Verurteilungen, die den Auskunftsbeschränkungen des § 6 Abs. 2 Tilgungsgesetz 1972 unterliegen, von sich aus offen zu legen. Da die zuständigen Sicherheitsbehörden durch Einholung einer unbeschränkten Strafregisterauskunft die Angaben der Person überprüfen können, soll die moralische Festigkeit einer Person und damit ihre Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit geprüft werden können.

Sicherheitsüberprüfungen nach § 55 SPG sind u.a. nach § 2 Abs. 7 LSG 2011 für Personen erforderlich, die für die Durchsuchung von Fluggästen und Luftfracht herangezogen werden. An diese Personen sind besonders hohe Sicherheitsanforderungen zu stellen.

Vertrauenswürdigkeitsprüfungen nach § 2a SNG sind für Personen vorgesehen, die eine Tätigkeit bei der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst des Bundesministeriums für Inneres anstreben. In Hinblick auf den Aufgabenbereich der Behörde sind auch hier gleichermaßen hohe Sicherheitsanforderungen zu stellen.

Zu Z 5 (§ 7 Abs. 5 Tilgungsgesetz 1972)

Die Änderung dient der Umsetzung des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit. Gemäß Art. 647 Abs. 2 des Abkommens können Eintragungen im Strafregister erst gelöscht werden, wenn eine entsprechende Mitteilung des Vereinigten Königreichs über die Löschung einlangt. Es wird vorgeschlagen, dass die in § 7 Abs. 5 Tilgungsgesetz 1972 vorgesehene Änderung mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft tritt (§ 9 Abs. 1n Tilgungsgesetz 1972).

Artikel 3 (Änderung des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – EU-JZG)

Zu Z 11 (§ 1 Abs. 3 und 4 und § 140 Abs. 20 EU-JZG)

§ 1 Abs. 3 EU-JZG

1. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Rechtsakte der Union, die verschiedene Bereiche der strafrechtlichen Zusammenarbeit (gegenseitigen Anerkennung) regeln und die im EU-JZG umgesetzt oder durchgeführt sind, häufig Auslegungsfragen aufwerfen. Solche Fragen stellen sich vielfach in Verfahren, mit denen Gerichte befasst sind; oft aber auch in Verfahren, die die Staatsanwaltschaften ohne Einbindung eines Gerichts zu erledigen haben, wie insbesondere in Verfahren über die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung (§ 55 ff EU-JZG).

Zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH sind aber nur Gerichte befugt: So wies der EuGH eine Vorlagefrage einer Staatsanwaltschaft zur Europäischen Ermittlungsanordnung zurück (Urteil vom 2.9.2021, C-66/20, XK).

2. Es wird daher vorgeschlagen, dass die Staatsanwaltschaft, wenn sie der Ansicht ist, dass eine Frage der Auslegung des Unionsrechts per Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH herangetragen werden sollte, das Gericht befassen kann, und dass damit die Kompetenz zur anstehenden Entscheidung (etwa ob eine Europäische Ermittlungsanordnung vollstreckt werden darf) auf das Gericht übergeht. Dies scheint erforderlich, weil es eine der Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens ist, dass die Klärung der Frage für eine vom vorlegenden Gericht (selbst) zu treffende Entscheidung erheblich ist (zur Erheblichkeit Schima in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Kommentar, Art 267 AEUV Rz 128 ff). Ein derartiger Übergang der Kompetenz ist dem österreichischen Strafprozessrecht auch nicht grundsätzlich fremd, vgl. etwa § 101 Abs. 2, §§ 104, 149 Abs. 3, § 165 Abs. 2 StPO.

Die Staatsanwaltschaft soll das Gericht in Form eines Antrages befassen, der die dem EuGH vorzulegenden Fragen formuliert und auch eine Begründung dazu vorschlägt.

Das solcherart befasste Gericht wird zunächst nach den unionsrechtlichen Vorgaben (Art 267 AEUV) zu prüfen haben, ob der EuGH zu befassen ist, ob also Fragen der Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts vorliegen (umfassend Schima in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Kommentar, Art 267 AEUV Rz 83 – 117), wobei ein letztinstanzlich entscheidendes Gericht zur Vorlage verpflichtet ist (Art. 267 Abs. 3 AEUV); die Unterlassung einer Vorlage an den EuGH kann eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 B-VG) und eine Verletzung von Art. 6 EMRK sein oder Schadenersatzansprüche auslösen (Schima in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV Kommentar, Art 267 AEUV Rz 121 ff).

Letztlich wird das Gericht – sei es, nachdem es die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens verneint hat, sei es erst nach Vorliegen der Entscheidung des EuGH – die betreffende Entscheidung zu treffen haben.

3. Zu den in der Praxis bisweilen anzutreffenden Bedenken, ein Vorabentscheidungsersuchen bedeute eine ganz erhebliche Verfahrensverzögerung, sei darauf verwiesen, dass nicht nur die Möglichkeit des Eilverfahrens besteht (Art. 107 Verfahrensordnung des Gerichtshofs), das der EuGH nach den bisherigen Erfahrungen jedenfalls in Haftfällen anwendet und bei dessen Anwendung die Entscheidung binnen einiger Wochen oder weniger Monate ergeht, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeiten einer Entscheidung mit Vorrang (Art. 53 Abs. 3 Verfahrensordnung) sowie im beschleunigten Verfahren (Art. 53 Abs. 4 Verfahrensordnung).

§ 1 Abs. 4 und § 140 Abs. 20 EU-JZG

Der Vorschlag dient der Durchführung von Art. 6 Abs. 8 der e-justice Verordnung. Art. 6 der Verordnung regelt die Anhörung mittels Videokonferenzen oder anderen Fernkommunkationstechnologien und zwar für folgende Instrumente: den Rahmenbeschluss 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl, den Rahmenbeschluss 2008/909/JI über die Vollstreckung von Freiheitsstrafen, Rahmenbeschluss 2008/947/JI betreffend die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen, den Rahmenbeschluss 2009/829/JI betreffend Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft, die Richtlinie 2011/99/EU über die Europäischer Schutzanordnung und die Verordnung (EU) 2018/1805 über die Vollstreckung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen.

Die betroffene Person muss nach Art. 6 Abs. 8 der e-justice Verordnung die Möglichkeit haben, Rechtsbehelfe gegen Verstöße gegen die in Art. 6 der e-justice Verordnung vorgesehenen Anforderungen oder Garantien einzulegen. Es wird deswegen vorgeschlagen, im allgemeinen Teil eine Durchführungsbestimmung dazu vorzusehen.

Soweit es um Handlungen oder Unterlassungen der Staatsanwaltschaft geht, sollen die §§ 106 und 107 StPO sinngemäß anzuwenden sein, bei gerichtlichen Handlungen oder Unterlassungen sollen hingegen die §§ 87 bis 89 StPO sinngemäß anzuwenden sein.

Es wird ein Inkrafttreten ab Geltungsbeginn der Verordnung vorgeschlagen. Die Durchführungsbestimmungen müssen bereits 15 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung vorgesehen werden. Die übrigen Bestimmungen der Verordnung, die sich auf die Umsetzung der digitalen Übermittlungswege fokussieren, werden zu späteren Zeitpunkten anzuwenden sein; Durchführungsbestimmungen dazu können daher einer nachfolgenden Novelle des EU-JZG vorbehalten werden.

Zu Z 12, 17, 25 bis 28, 30, 31, 33 bis 36, 39, 40, 42, 56, 58, 61, 63 bis 65, 67 und 68 (§ 2a, § 14 Abs. 2, § 30 Abs. 2 und 3, § 31 Abs. 1 und 7, § 36 Abs. 1, § 39 Abs. 1 und 2, § 41a Abs. 2, 3, 4 Z 2 und Abs. 5, § 41e Abs. 4, § 42 Abs. 1 und 2, § 42b Abs. 2, 4, 7 und 11, § 42f Abs. 2, § 52c Abs. 1, § 52k Abs. 2, § 53c Abs. 1, § 53k Abs. 2, § 78 Abs. 2 und 3, § 84 Abs. 1, § 95 Abs. 4, § 100 Abs. 3, § 103 Abs. 1, § 115 Abs. 2 und 3, § 126 Abs. 1, § 128 Abs. 1 und § 135 Abs. 1 EU-JZG)

Zahlreiche Bestimmungen des EU-JZG sehen vor, dass die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Justiz in einer Verordnung die unterschiedlichen Erklärungen der anderen Mitgliedstaaten, die nach den im EU-JZG umgesetzten und durchgeführten Rechtsakten der EU abzugeben sind, zu veröffentlichen hat.

Die Erklärungen werden von den Mitgliedstaaten gegenüber Rat oder Europäischer Kommission abgegeben und von diesen wiederum dem Europäischen Justiziellen Netzwerk zur Veröffentlichung auf dessen Homepage übermittelt. Angesichts der großen Zahl von Rechtsakten und oftmaliger Änderungen der Erklärungen ist die Duplizierung der ohnehin auf der Homepage des EJN bereitgehaltenen Erklärungen in der EU-JZV weder wirtschaftlich sinnvoll, noch hat sie praktischen Mehrwert.

Es wird daher vorgeschlagen, die Rechtsgrundlagen dafür im EU-JZG aufzuheben und in der neuen Bestimmung des § 2a auf die Veröffentlichung auf der Homepage des EJN hinzuweisen. In der Bestimmung soll besonders hervorgehoben werden, dass ein besonders praxisrelevanter Inhalt dieser Erklärungen die Benennung der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten sind; auf der Homepage des EJN stehen auch technische Hilfsmittel zur Verfügung, damit die geografisch zuständige Behörde gefunden werden kann.

Mit den Vorschlägen für § 41a, § 42b Abs. 2 und 7 sollen nur Verweisungen richtig gestellt werden.

Zu Z 13 und 32 (§§ 5a und 41j Z 1 EU-JZG)

§ 5a EU-JZG in der geltenden Fassung betrifft einen Ablehnungsgrund, der ausschließlich auf Unionsbürger bzw. Unionsbürgerinnen abzielt. Er ermöglicht die Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, wenn dieser auf die Übergabe zur Strafvollstreckung gerichtet und der Unionsbürger bzw. Unionsbürgerinnen in Österreich ständig aufhältig ist. Weiters soll im Fall einer Übergabe zur Strafverfolgung eines solchen Unionsbürgers bzw. einer solchen Unionsbürgerin dem Ausstellungsstaat die Bedingung auferlegt werden können, die betroffene Person im Fall der Verurteilung nach Österreich zum Strafvollzug zurück zu überstellen. In beiden Fällen soll die Strafvollstreckung daher in Österreich erfolgen, wenn die Resozialisierungschancen des Unionsbürgers bzw. der Unionsbürgerin aufgrund seiner bzw. ihrer Integration in Österreich höher sind als sie es im Mitgliedstaat wären, der den EHB aufgestellt hat.

Mit seinem Urteil vom 6.6.2023, C-700/21, O.G., hielt der EuGH fest, dass die Situation integrierter Drittstaatsangehöriger bzw. Drittstaatsangehörigen in den oben genannten Konstellationen die gleiche ist wie eines Unionsbürgers bzw. einer Unionsbürgerin. Aufgrund des in Art. 20 der Charta der Grundrechte verankerten Gleichbehandlungsgrundsatzes müssen beide Sachverhalte daher grundsätzlich gleichbehandelt werden (Rz 47, 51 und 58). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vollstreckungsstaat die Möglichkeit hat, die Strafe auf seinem Territorium zu vollstrecken (Rz 48). In dieser Hinsicht erlaubt § 39 Abs. 1 Z 2 und 3 EU-JZG die Übernahme der Strafvollstreckung von Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind. Als dritte Voraussetzung (Rz 49, 60 ff) muss die betroffene Person ein berechtigtes Interesse (z.B. Erhöhung der Resozialisierungschancen) haben, die Freiheitsstrafe im Vollstreckungsstaat zu verbüßen.

Um den Anforderungen dieses Urteils gerecht zu werden, wird vorgeschlagen, § 5a EU-JZG auf sämtliche Staatsangehörige anzuwenden, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Grundsätzlich wäre es aufgrund der Entscheidung des EuGH auch möglich, bei Drittstaatsangehörigen auf einen gewissen Mindestaufenthalt in Österreich abzustellen (Rz 52). Ein Ermessenspielraum für die Behörde, die über die Anwendung des Ablehnungsgrunds zu entscheiden hat, muss jedoch bestehen bleiben (Rz 53). Im Bereich der Übernahme der Strafvollstreckung nach § 39 Abs. 1 Z 3 EU-JZG ist ein Mindestaufenthalt aber nicht vorgesehen, weswegen auch hier davon abgesehen werden soll, um keine Wertungswidersprüche zwischen den zwei Bestimmungen zu schaffen, die bei solchen Sachverhaltskonstellationen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.

Bei den in § 41j Z 1 EU-JZG vorgeschlagenen Änderungen handelt es sich um Folgeänderungen, die mit den Änderungen in § 5a EU-JZG in Zusammenhang stehen, aber die Übernahme der Strafvollstreckung betreffen. In den einleitend angeführten beiden Anwendungsfällen des § 5a EU-JZG muss Österreich nämlich auch tatsächlich in der Lage sein, die Strafvollstreckung zu übernehmen. Die vorgeschlagenen Ausweitungen auf Drittstaatsangehörige soll diesem Umstand Rechnung tragen.

Zu Z 14 (§ 8 und § 8a EU-JZG)

1. § 8 EU-JZG regelt – seit der Stammfassung des EU-JZG unverändert – das Verbot der Doppelverfolgung bzw. Doppelbestrafung (ne bis in idem), das in der Union in Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ), BGBl. III Nr. 90/1997, sowie mittlerweile auch in Art. 50 der Charta der Grundrechte verankert ist.

Um den Entwicklungen der letzten Jahre Rechnung zu tragen, wird vorgeschlagen, § 8 EU-JZG grundsätzlich umzugestalten und in zwei Bestimmungen aufzuteilen; dies soll sowohl den Inhalt als auch die Struktur der Bestimmung betreffen. Die in der geltenden Bestimmung in Z 1 und 2 erwähnten Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten sollen im neuen § 8, die Entscheidungen von Drittstaaten und internationalen Gerichten betreffenden Ziffern 3 bis 5 sollen in § 8a angesprochen werden.

2. Zunächst soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Art. 54 SDÜ nicht nur Mitgliedstaaten der Union bindet, sondern auch die assoziierten Staaten Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island. Die vorgeschlagenen Bestimmungen unterscheiden deswegen zwischen Entscheidungen von Staaten, die durch Art. 54 SDÜ gebunden sind (§ 8 EU-JZG), und Entscheidungen von übrigen Staaten (§ 8a EU-JZG). Durch diese Unterscheidung soll auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der RB EHB in Hinblick auf Art. 54 SDÜ einen zwingenden und in Hinblick auf Drittstaaten nur einen fakultativen Ablehnungsgrund vorsieht.

3. Der vorgeschlagene neue § 8 EU-JZG soll wie gesagt den Inhalt der Ziffern 1 und 2 des geltenden § 8 EU-JZG aufgreifen; diese Bestimmungen setzen den – zwingend wahrzunehmenden – Ablehnungsgrund nach Art. 3 Z 2 RB EHB um.

Anstelle der bisherigen inhaltlichen Umschreibungen soll nun bloß auf das in Art. 54 SDÜ festgelegte Verbot der Doppelverfolgung bzw. Doppelbestrafung verwiesen werden, wie dies etwa bereits in § 55a Abs. 1 Z 3 EU-JZG der Fall ist. Mittlerweile liegen detaillierte Einzelfallentscheidungen des EuGH zum Verbot der Doppelverfolgung bzw. Doppelbestrafung vor, die sich einer Wiedergabe im EU-JZG entziehen. Der EuGH sprach aus, dass seine zu Art. 54 SDÜ ergangene Rechtsprechung auf den RB EHB anwendbar ist (Urteil vom 16.11.2010, C-261/09, Mantello, Rz 40). Die vorgeschlagene Formulierung hat auch den Vorteil, dass sie für künftige Entwicklungen offen ist. Im Übrigen haben bereits die Erläuterungen zur Stammfassung des EU-JZG in diesem Zusammenhang auf Art. 54 SDÜ verwiesen (vgl. EBRV 370 BlgNr. XXII. GP, 10).

Neue Auslegungsfragen zu Art. 54 SDÜ wären vom entscheidenden Gericht im Wege eines Ersuchens um Vorabentscheidung (Art. 267 AEUV) an den EuGH heran zu tragen. Eurojust hat eine für die Praxis sehr hilfreiche und detaillierte Übersicht über die Rsp des EuGH in diesem Bereich veröffentlicht, die auf der Homepage von Eurojust abgerufen werden kann.

4. Darüber hinaus soll dem Urteil des EuGH vom 29.4.2021, C-665/20 PPU, X, Rechnung getragen werden. Die Entscheidung betraf den in Art. 4 Z 5 des RB EHB enthaltenen fakultativen Ablehnungsgrund des ne bis in idem wegen einer Verurteilung in einem Drittstaat. Der EuGH hat nun zum wiederholten Mal festgestellt, dass die über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls bzw. über die Übergabe entscheidende Justizbehörde bei den in Art. 4 angeführten fakultativen Ablehnungsgründen einen Ermessenspielraum haben muss (Rz 44). Die bisherigen Urteile (29.6.2017, C-579/15, Popławski, und 13.12.2018, C-514/17, Sut) betrafen den Ablehnungsgrund nach Art. 4 Z 6 RB EHB (umgesetzt in § 5 Abs. 4 und § 5a EU-JZG); Dieser Ablehnungsgrund kann geltend gemacht werden, wenn es sich um einen Europäischen Haftbefehl zur Strafvollstreckung handelt, die betroffene Person im Bundesgebiet ihren Wohnsitz hat und die Strafvollstreckung durch Österreich übernommen wird. Die Vorgaben dieses Urteils – Einräumung eines Ermessensspielraums – wurden bereits mit dem StrEU-AG 2021, BGBl. I Nr. 94/2021, berücksichtigt (EBRV 808 BlgNR XXVII. GP, 18 f zu § 5a EU-JZG).

Die Bestimmungen der Ziffern 3 bis 5 des geltenden § 8 EU-JZG, die den in Art. 4 Z 5 RB EHB enthaltenen Ablehnungsgrund umsetzen (vgl. EBRV 370 BlgNR XXII. GP, 10), sollen nun – in der vorgeschlagenen Bestimmung des neuen § 8a EU-JZG – dahin umgestaltet werden, dass dem Gericht bei der Beurteilung der Bindungswirkung einer aburteilenden Entscheidung eines Drittstaats, der nicht an Art. 54 SDÜ gebunden ist, ein Ermessensspielraum eingeräumt werden soll („kann“).

Die in § 8a EU-JZG genannten Voraussetzungen ergeben sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Z 5 RB EHB: „wenn sich aus den der vollstreckenden Justizbehörde vorliegenden Informationen ergibt, dass die gesuchte Person wegen derselben Handlung von einem Drittstaat rechtskräftig verurteilt worden ist, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann“. Es wird allerdings nur der Begriff „Aburteilung“ verwendet, um klarzustellen, dass auch freisprechende Entscheidungen bzw. Einstellungen eines Strafverfahrens ohne Erhebung einer Anklage eine Bindungswirkung entfalten können; Freisprüche sind schon im geltenden Recht (§ 8 Z 4 EU-JZG) ausdrücklich erwähnt, was auf diesem Weg beibehalten werden soll.

Der letzte Teil des § 8a EU-JZG soll den Ermessensspielraum des Gerichts bei der Entscheidung über die Übergabe abstecken. Demnach soll die Übergabe zulässig sein, wenn spezial- oder generalpräventive Erwägungen eine neuerliche Verfolgung erforderlich machen. Alternativ dazu soll auch das Interesse der Rechtspflege an der neuerlichen Verfolgung Berücksichtigung finden können. Der EuGH fordert nämlich insbesondere, „eine Einzelfallprüfung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände und insbesondere der Umstände, unter denen die gesuchte Person im Drittstaat verurteilt wurde, vorzunehmen, um zu klären, ob es gegen das legitime Interesse aller Mitgliedstaaten an der Verhütung der Kriminalität im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verstoßen würde, wenn die Übergabe dieser Person unterbliebe” (Rz 60 des erwähnten Urteils); bei der Ausübung des Ermessens über die Anwendung des Ablehnungsgrundes sind insbesondere folgende Abwägungen maßgeblich: zum einen die Vermeidung der Straflosigkeit der Person, die verurteilt worden ist, und die Bekämpfung der Kriminalität und zum anderen die Gewährleistung der Rechtssicherheit dieser Personen durch die Beachtung von rechtskräftig gewordenen Entscheidungen öffentlicher Behörden (Rz 102 bis 104 des Urteils).

Zu Z 15, 20, 29, 38, 41, 43, 57, 62 und 66 (§§ 10a, 19 Abs. 1 und 4, § 40, § 52a1 Abs. 1 Z 10, § 53a Z 11, § 55a Abs. 1 Z 7, § 82 Abs. 1 Z 12, § 101 Abs. 1 Z 9 und § 124 Z 10 EU-JZG)

1. Die geltende Bestimmung in § 19 Abs. 4 und die dieser nachgebildeten Bestimmungen in § 40 Z 12, § 52a1 Abs. 1 Z 10, § 53a Z 11, § 82 Abs. 1 Z 12, § 101 Abs. 1 Z 9 und § 124 Z 10 EU-JZG sehen einen Ablehnungsgrund bei Verletzung von Grundrechten vor.

In den zugrundeliegenden Rechtsakten der Union, also Rahmenbeschlüssen und zwei Richtlinien, ist jedoch kein ausdrücklicher Ablehnungsgrund enthalten, sondern es wird nur in einer allgemeinen Generalklausel auf Grundrechte verwiesen; exemplarisch Art. 1 Abs. 3 RB EHB: „Dieser Rahmenbeschluss berührt nicht die Pflicht, die Grundrechte und die allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie sie in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegt sind, zu achten.“ Erst die in den letzten Jahren angenommenen Rechtsakte der Union sehen ausdrücklich einen Ablehnungsgrund bei Verletzung von Grundrechten vor, wie etwa die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl. Nr. L 130 vom 1.5.2014 S. 1 (in der Folge: RL 2014/41/EU) in ihrem Art 11 Abs. 1 lit. f.

In den ersten Jahren der Anwendung des Europäischen Haftbefehls kritisierte die Europäische Kommission noch die in zahlreichen Staaten in Form eines Ablehnungsgrundes erfolgte Umsetzung von Art. 1 Abs. 3 RB EHB. Mittlerweile hat jedoch der EuGH in zahlreichen Urteilen ausgesprochen, dass die Verletzung von Grundrechten Anlass sein kann, die Übergabe aufgrund eines Europäischen Haftbefehls abzulehnen, wenn die Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Ausstellungsstaat besteht (5.4.2016, C-404/15 und C-659/15, Aranyosi und Căldăraru; 15.10.2019, C-128/18, Dorobantu; 25.7.2018, C-220/18, Generalstaatsanwaltschaft) oder die Unabhängigkeit der Justiz konkret gefährdet ist (25.7.2018, C-216/18, Minister for Justice and Equality; 17.12.2020, C-354/20 PPU und C-412/20 PPU, Openbaar Ministerie; 22.2.2022, C-562/21 PPU und C-563/21 PPU, Openbaar Ministerie). Zuletzt bestätigte der EuGH in seinem Urteil vom 31.1.2023 in der Rs. C-158/21, Puig Gordi u.a., dass die Vollstreckungsbehörde auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 3 des RB EHB ausnahmsweise und nach einer angemessenen Prüfung, die Vollstreckung eines EHB ablehnen kann, wenn die Gefahr besteht, dass die in Art. 4 und 47 GRC genannten Grundrechte verletzt werden (Rz 72). Ein grundrechtlicher Ablehnungsgrund ist aus Art. 1 Abs. 3 RB EHB abzuleiten (Rz 73). Allerdings wiederholt der EuGH ebenso, dass die Ablehnungsgründe eng auszulegen sind und daher die Ausnahme zum Grundsatz der Anerkennung nach Art. 1 Abs. 2 RB EHB bilden (Rz 68 und 74).

2. Der Ablehnungsgrund bei Verletzung von Grundrechten in § 19 Abs. 4 EU-JZG – und die ihm nachgebildeten Ablehnungsgründe in den übrigen sechs einleitend genannten Bestimmungen – war daher zwar seiner Zeit voraus.

Allerdings wird die konkrete Ausgestaltung des Ablehnungsgrunds der nunmehr herrschenden Rechtsprechung des EuGH insofern nicht mehr gerecht, als sie noch vorsieht, dass grundrechtliche Erwägungen nur auf Einwendung der betroffenen Person vom Gericht zu prüfen sind, und überdies diese Prüfung unterbleiben kann, wenn die betroffene Person die Grundrechtsverletzung vor den zuständigen Justizbehörden des Ausstellungsstaats, vor dem EGMR oder vor dem EuGH hätte geltend machen können.

Diese Einschränkungen scheinen vor dem Hintergrund der mittlerweile ständigen Rsp des EuGH nicht mehr gerechtfertigt, es kommt nämlich alleine darauf an, dass die Vollstreckungsbehörde Anhaltspunkte dafür hat (5.4.2016, C-404/15 und C-659/15, Aranyosi und Căldăraru, Rz 88).

3. Daher wird für jedes der Rechtsinstrumente der gegenseitigen Anerkennung ein einheitlich gefasster grundrechtlicher Ablehnungsgrund vorgeschlagen. Grundrechtliche Erwägungen sollen daher von Amts wegen zu prüfen sein; soweit die Vollstreckung des jeweiligen Ersuchens die nach Art. 6 EUV anerkannten Grundsätze oder die in der Charta der Grundrechte gewährten Rechte verletzen würde, soll mit Ablehnung vorzugehen sein. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich ein zweistufiges Prüfungssystem, wonach die vollstreckende Behörde objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen einer echten Gefahr der Verletzung eines in der GRC oder eines nach Art. 6 EUV verbürgten Grundrechts aufgrund systemischer oder allgemeiner Mängel in Bezug auf das Funktionieren des Justizsystems des Ausstellungsmitgliedstaats verfügen muss (vgl. jüngstes Urteil vom 31.1.2023 in der Rs. C-158/21, Puig Gordi u.a., Rz 97; sowie bereits den Erlass vom 6. Mai 2016 zum Europäischen Haftbefehl: Unzulässigkeit der Übergabe bei ernsthafter und begründeter Annahme grundrechtsverletzender Haftbedingungen im Ausstellungsstaat; Urteil des EuGH vom 5. April 2016, verbundene Rechtssachen C-404/15, Aranyosi, und C-659/15 PPU, Căldăraru; BMJ-S884.094/0003-IV 2/2016, eJABl Nr. 14/2016).

Diesem zweistufigem Prüfungssystem soll dadurch Rechnung getragen werden, dass der entscheidenden Behörde „systemische oder allgemeine Mängel“ im Ausstellungsstaat bekannt sein müssen, die bei einer weiteren Prüfung auch „die ernsthafte Gefahr“ mit sich bringen, dass die Vollstreckung die in Art. 6 EUV anerkannten Grundsätze oder die durch die GRC gewährten Rechte verletzen würde.

Es wird daher für den Bereich des Europäischen Haftbefehls vorgeschlagen, § 19 Abs. 4 entfallen zu lassen und stattdessen einen eigenen Ablehnungsgrund in § 10a EU-JZG zu normieren; der Verweis auf diese Bestimmung in § 19 Abs. 1 EU-JZG ist daher obsolet. Die Ablehnungsgründe in § 40 Z 12, § 52a1 Abs. 1 Z 10, § 53a Z 11, § 55a Abs. 1 Z 7, § 82 Abs. 1 Z 12, § 101 Abs. 1 Z 9 und § 124 Z 10 EU-JZG sollen analog zu dem vorgeschlagenen § 10a EU-JZG ausgestaltet werden.

Zu Z 16 (§ 11 EU-JZG)

Die Vorschläge gehen auf die Urteile des EuGH vom 21.12.2023 in den Rs. C-396 bis 398/22, Generalstaatsanwaltschaft Berlin, zurück, in denen er über die Auslegung von Art. 4a RB EHB in der Fassung des RB 2009/299/JI zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist, ABl. L 81 vom 27.3.2009, S. 24 (in der Folge: RB Abwesenheitsentscheidungen), entschied. Mit dem RB Abwesenheitsentscheidungen sollten gemeinsame Regeln geschaffen werden für die Anerkennung bzw. Vollstreckung von Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat im Anschluss an ein Gerichtsverfahren, zu dem die betroffene Person nicht erschienen ist, ergangen sind, durch einen anderen Mitgliedstaat.

Im Urteil vom 26.2.2013, C-399/11, Melloni, hatte der EuGH bereits klargestellt, dass über die in Art. 4a RB Abwesenheitsentscheidungen genannten Voraussetzungen weitere nach nationalem (Verfassungs-) Recht bestehende Voraussetzungen unbeachtlich sind (Rz 56 ff). „[D]er Unionsgesetzgeber [wollte] mit dessen Erlass die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen erleichtern und die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten verbessern […] durch eine Harmonisierung der Grundlage für die Nichtanerkennung von Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht persönlich erschienen ist“ (Rz 43).

Die eingangs genannten Entscheidungen führen im Ergebnis dazu, dass die harmonisierten Kriterien der Ablehnungsmöglichkeiten „unterschritten“ werden können. Anforderung ist für den EuGH jedoch, dass die Übergabe der betroffenen Person nicht zu einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte führt (Rz 41 in C-396/22). In den konkreten Anlassfällen hatten sich die Betroffenen bewusst dem anhängigen Strafverfahren durch Flucht entzogen. Da die Eingriffe in das Grundrecht auf Anwesenheit im Strafverfahren schwer wiegen, wird vorgeschlagen, in den engen Grenzen der Entscheidungen zu bleiben.

Zu Z 18 und 21 (§ 16 Abs. 3 und § 21 Abs. 3a EU-JZG)

1. Im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2020/2307 betreffend die Umsetzung des RB EHB hat die Europäische Kommission bemängelt, dass Art. 20 betreffend Vorrechte und Immunitäten nicht umgesetzt worden sei. Die Republik Österreich hatte bisher im Vertragsverletzungsverfahren argumentiert, dass die innerstaatlichen Bestimmungen die Vorgaben des RB EHB im Wesentlichen erfüllen. Die Europäische Kommission folgt dieser Argumentation jedoch nicht. Daher wird nun vorgeschlagen, gewisse Vorgaben des Art. 20 RB EHB explizit im EU-JZG umzusetzen.

2. Art. 20 Abs. 2 RB EHB verpflichtet den Vollstreckungsstaat im Fall des Vorliegens von Immunitäten, die im Inland erforderlichen Veranlassungen für die Aufhebung oder den Verzicht auf die Immunität zu setzen. Dies ist dann der Fall, wenn eine österreichische Behörde oder gesetzgebende Körperschaft für die Aufhebung der oder den Verzicht auf die Immunität zuständig ist. (Zur Vorgangsweise bei völkerrechtlicher Immunität sei auf §§ 55 ff ARHV sowie den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 30.1.2013 über empfohlene Vorgehensweisen bei Strafverfahren gegen Personen, die im Inland völkerrechtliche Immunität genießen, BMJ-S309.001/0001-IV 4/2013, JABl. Nr. 6/2013, zur Vorgangsweise bei Abgeordneten auf den Erlass vom 8.7.2009 über die Zustimmung von gesetzgebenden Körperschaften zur behördlichen Verfolgung von Abgeordneten nach den Artikeln 57 Abs. 3 und 4, 58 und 96 Abs. 1 B-VG, BMJ-D1086/0001-IV 2/2009, JABl. Nr. 23/2009, verwiesen.)

Ist hingegen die Behörde eines anderen Staates oder eine internationale Organisation für die Aufhebung des Vorrechts oder der Immunität zuständig, hat nach Art. 20 Abs. 2 zweiter Satz RB EHB die ausstellende Justizbehörde die Veranlassungen zur Erwirkung der Aufhebung oder des Verzichts auf die Immunität zu treffen. In diesem Fall hat die Staatsanwaltschaft die ausstellende Justizbehörde über das Bestehen der Immunität zu verständigen.

Diesen Vorgaben soll mit der vorgeschlagenen Bestimmung des § 16 Abs. 3 EU-JZG Rechnung getragen werden.

3. Im RB EHB (Art. 20 Abs. 1) wird festgelegt, dass die in Art. 17 RB EHB für die Entscheidung über die Übergabe vorgesehenen Fristen erst dann zu laufen beginnen, wenn bestehende Immunitäten aufgehoben wurden. Art. 17 RB EHB wurde im Zusammenhang mit der vereinfachten Übergabe in § 20 Abs. 4 EU-JZG umgesetzt und im Übrigen in § 21 Abs. 1, 2 und 3 EU-JZG. Die Vorgaben des RB EHB über den Beginn des Fristenlaufs sollen mit der vorgeschlagenen Bestimmung des § 21 Abs. 3a EU-JZG umgesetzt werden.

4. Das Bestehen von Vorrechten und Immunitäten ist beim Europäischen Haftbefehl – im Gegensatz zu anderen Instrumenten der gegenseitigen Anerkennung, vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. a der Richtlinie (EU) 2014/41 – kein Grund, die Übergabe abzulehnen. Das Vorgehen im Fall, dass die Immunität nicht aufgehoben bzw. auf diese nicht verzichtet wird, ist im RB EHB nicht geklärt und müsste ggf. im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens vom EuGH beantwortet werden.

In Ermangelung weiterer unionsrechtlicher Vorgaben wäre das Übergabeverfahren nach § 197 Abs. 2a StPO abzubrechen (diese Bestimmung ist gemäß des Verweises auf die StPO in § 1 Abs. 2 EU-JZG iVm § 9 Abs. 1 ARHG anwendbar) und ggf. nach Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen.

Zu Z 19 und 24 (§ 18 Abs. 1 und § 29 Abs. 1 EU-JZG)

Der Verweis auf Art. 95 des SDÜ ist aufgrund des Inkrafttretens des Beschluss 2007/533/JI des Rates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II), ABl. Nr. L 205 vom 7.8.2007 S. 63, überholt (vgl. Art. 68 Abs. 1 SIS II Beschluss). Daher wird vorgeschlagen, in § 18 Abs. 1 EU-JZG nur auf Ausschreibungen im Schengener Informationssystem zur Übergabe bzw. Auslieferung (vgl. Art. 31 SIS II Beschluss) zu verweisen und in § 29 Abs. 1 den Verweis auf Art. 95 SDÜ entfallen zu lassen.

Zu Z 22 (§ 23 Abs. 3 EU-JZG)

Beim Zusammentreffen eines Europäischen Haftbefehls mit einem Auslieferungsersuchen ist nach § 23 Abs. 1 EU-JZG vorgesehen, dass die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Justiz darüber zu entscheiden hat, welchem Ersuchen der Vorrang eingeräumt wird. Voraussetzung dafür ist, dass sowohl die Auslieferung als auch die Übergabe nicht für unzulässig erklärt wurde.

Diese Vorgehensweise scheint allerdings nur dann sinnvoll, wenn sich die beiden Ersuchen auf unterschiedliche Straftaten richten, weil nach einer Übergabe an einen Mitgliedstaat eine Weiterlieferung an den Drittstaat, der das Auslieferungsersuchen gestellt hat, in Betracht kommt.

In dem Fall, dass sich der Europäische Haftbefehl und das Auslieferungsersuchen allerdings auf die gleichen Straftaten oder auf Straftaten beziehen, die miteinander in untrennbarem Zusammenhang stehen, ist nach der Rechtsprechung des EuGH in jedem Fall dem Europäischen Haftbefehl der Vorrang einzuräumen (vgl. 6.9.2016, C-182/15, Petruhhin, Rz 49; 10.4.2018, C-191/16, Pisciotti, Rz 54). Dieser Vorrang soll auch im Gesetz festgeschrieben werden.

Da es in dieser Konstellation keinen Sinn hat, das Auslieferungsverfahren fortzuführen, soll dieses für die Dauer des Übergabeverfahrens abzubrechen und nach Durchführung der Übergabe einzustellen sein. Liegen dem Auslieferungsersuchen auch andere Straftaten zugrunde, die in keinem Konkurrenzverhältnis mit einem Europäischen Haftbefehl stehen, ist das Verfahren in diesem Umfang weiterzuführen.

Ein untrennbarer Zusammenhang ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH, wenn es sich um einen Komplex von Tatsachen handelt, „die in zeitlicher und räumlicher Hinsicht sowie nach ihrem Zweck unlösbar miteinander verbunden sind“ (EuGH vom 9.3.2006, C-436/04, Van Esbroeck, Rz 37; 28.9.2006, C-467/04, Gasparini, Rz 54; 28.9.2006, C-150/05, Van Straaten, Rz 52).

Zu Z 23 (§ 24 Abs. 3 EU-JZG)

Der Vorschlag soll dem Urteil des EuGH vom 28.4.2022, C-804/21 PPU, C und CD, Rechnung tragen. In diesem legt der EuGH die Bestimmungen in Art. 23 Abs. 3 und 5 RB EHB aus, die die Fristen für die tatsächliche Übergabe der betroffenen Person regeln. Art. 23 Abs. 5 RB EHB sieht insbesondere vor, dass die betroffene Person nach Ablauf der in Art. 23 Abs. 2 bis 4 genannten Fristen für die Durchführung der Übergabe jedenfalls freizulassen ist. Der EuGH hatte bereits in der Entscheidung vom 27.1.2017, C-640/15, Vilkas, festgehalten, dass die Vollstreckungsbehörde selbst nach Ablauf der in Art. 23 genannten Fristen verpflichtet ist, das Übergabeverfahren weiter zu betreiben und die Übergabe tatsächlich durchzuführen. Mit der eingangs erwähnten Entscheidung hält der EuGH zudem fest, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, selbst nach Freilassung der betroffenen Person, jedwede Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um eine Flucht der betroffenen Person zu verhindern (Rz 75).

Die Verhängung von gelinderen Mitteln kommt allerdings nach innerstaatlichem Recht (§ 174 Abs. 5 StPO) nur in Betracht, wenn auch die Voraussetzungen für die Verhängung einer Haft gegeben sind. Die Verhängung der Übergabehaft ist allerdings nicht möglich, weil aufgrund der Vorgaben des RB EHB gesetzlich die Freilassung zu verfügen ist.

Um dem Urteil Rechnung zu tragen, soll eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden, dass selbst nach der Enthaftung bestimmte Maßnahmen zur Sicherung der tatsächlichen Übergabe getroffen werden können. Als wirksamste Mittel soll es dem Gericht insbesondere möglich sein, Identitätsdokumente oder die Lenkerberechtigung abzunehmen oder die Leistung einer Sicherheit zu verlangen (vgl. § 174 Abs. 5 Z 6 und 7 StPO). Diese Maßnahmen sollen allerdings nur dann verhängt werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass sich die betroffene Person der tatsächlichen Übergabe entziehen werde.

Zu Z 37 (§ 45 Abs. 1 und 2 EU-JZG)

Der Vorschlag dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens. Es soll klargestellt werden, dass dasselbe Verfahren zur Ausstellung einer Sicherstellungsbescheinigung anzuwenden ist wie im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2018/1805 über die gegenseitige Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen, ABl. Nr. L 303 vom 28.11.2018 S. 1, wenn die Bescheinigung auf den Rahmenbeschluss 2003/577/JI über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union, ABl. Nr. L 196 vom 2.8.2003 S. 45, gestützt ist, der in §§ 45 ff EU-JZG umgesetzt wurde.

Zu Z 45 und 49 (§ 55a Abs. 1 Z 13 und § 57 Abs. 5 EU-JZG)

Die Praxis hat gezeigt, dass im Fall einer Überwachung in einem Fahrzeug die Fahrtroute, die eine überwachte Person einschlagen wird, den Ermittlungsbehörden anderer Mitgliedstaaten oft nicht bekannt ist und deswegen eine Europäische Ermittlungsanordnung oder ein Rechtshilfeersuchen nicht rechtzeitig übermittelt werden kann. Nachträgliche Ersuchen der ausländischen Behörden müssen bisher regelmäßig damit beantwortet werden, dass nach innerstaatlichem Recht nur eine Anordnung für einen zukünftigen Zeitraum in Betracht kommt (auch wenn die Maßnahme bei rechtzeitiger Übermittlung genehmigt hätte werden können). Die Verwendung derart erlangter Ergebnisse der Überwachung ist – trotz fehlender Anordnung – jeweils nach dem Recht des Ausstellungsstaates zu beurteilen.

Vorgeschlagen wird, dass in Ausnahmefällen auf Basis einer Europäischen Ermittlungsanordnung (§ 55a Abs. 1 Z 13 EU-JZG) oder eines Rechtshilfeersuchens (§ 57 Abs. 5 EU-JZG) eine akustische, ggf. auch optische Überwachung in einem Fahrzeug auch nachträglich angeordnet werden kann, wenn die formalen Anordnungsvoraussetzungen nach innerstaatlichem Recht gegeben waren und die Maßnahme im Ermittlungsstaat von einem Gericht genehmigt wurde sowie die rechtzeitige Übermittlung vorab nicht möglich war.

Der Vorschlag steht aufgrund dieser Bedingung insofern nicht im Widerspruch zur innerstaatlichen Rechtslage – die vorsieht, dass eine solche Überwachung nur für einen zukünftigen Zeitraum angeordnet werden kann –, als auch nach dem Recht des Ermittlungsstaats immer die erforderlichen Genehmigungen/Bewilligungen vorliegen müssen. Österreich wurde im Rahmen der zehnten Runde der gegenseitigen Begutachtungen, die sich der Richtlinie 2014/41/EU widmete, empfohlen, Wege für eine nachträgliche Genehmigung zu prüfen.

In Hinblick auf die gerichtliche Genehmigung soll es nicht darauf ankommen, ob diese z.B. wegen Gefahr im Verzug erst nachträglich eingeholt wurde, aber bevor die Europäische Ermittlungsanordnung ausgestellt wurde.

Die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung würde es einer Vollstreckungsbehörde ermöglichen, in eine inhaltliche Prüfung der EEA einzusteigen, anstatt die EEA bloß mit der formalen Begründung abzulehnen, dass eine nachträgliche Genehmigung nach innerstaatlichem Recht nicht vorgesehen ist. Damit verbunden wäre auch eine substantielle Prüfung durch den Rechtschutzbeauftragten bzw. die Rechtschutzbeauftragte. Der Anordnungsbehörde würden ggf. nach einer inhaltlichen Prüfung substantielle Ablehnungsgründe mitgeteilt werden, die Einfluss auf die Verwertbarkeit der durch die Maßnahme gewonnenen Ermittlungsergebnisse im Anordnungsstaat haben können.

Im Hinblick auf den mit der Maßnahme verbundenen Eingriff in die Rechte der betroffenen Person wird um Stellungnahme zu dem Vorschlag im Rahmen des Begutachtungsverfahrens gebeten.

Zu Z 44, 46 und 47 (§ 55a Abs. 1 Z 9, § 55d Abs. 2 Z 1 und § 56 Abs. 3 EU-JZG)

1. Aus Anlass des Urteils des EuGH vom 16.12.2021, C-724/19, Spetsializirana prokuratura, soll die Umsetzung der Bestimmung des Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2014/41/EU verfeinert werden. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung des EuGH zugrunde: Eine bulgarische Staatsanwaltschaft erließ eine Europäische Ermittlungsanordnung zur Erhebung von Verkehrs- und Standortdaten (Telekommunikationsdaten). In einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall ist in Bulgarien für die Anordnung dieser Zwangsmaßnahmen jedoch ein Gericht zuständig. Der Europäischen Ermittlungsanordnung lag keine gesonderte nationale Anordnung zugrunde. Aufgrund der Entscheidung des EuGH sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, dieselben verfahrensrechtlichen Zuständigkeiten für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung vorzusehen, die sich in einem vergleichbaren Fall für die Anordnung der zugrundeliegenden Ermittlungsmaßnahme ergeben.

Nach geltendem Recht ist Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2014/41/EU in Form eines Ablehnungsgrundes umgesetzt, denn die Bestimmung sieht vor, dass die Europäische Ermittlungsanordnung an die Ausstellungsbehörde „zurück zu geben“ ist, wenn sie nicht von einer Anordnungsbehörde im Sinne des Art. 2 lit. c der Richtlinie 2014/41/EU erlassen worden ist.

§ 55d Abs. 2 Z 1 letzter Fall EU-JZG verpflichtet vor einer Ablehnung zur Kontaktaufnahme mit der anordnenden Behörde. Beide Bestimmungen beziehen sich allerdings nur auf den Fall, dass eine Verwaltungsbehörde eine Europäische Ermittlungsanordnung ausgestellt hat, die nicht von einer Justizbehörde validiert wurde.

2. Vorgeschlagen wird daher, zum einen § 55d Abs. 2 Z 1 EU-JZG dahin zu erweitern, dass diese Pflicht zur Konsultation des Anordnungsstaates auch gilt, wenn eine österreichische Justizbehörde von einer nach dem Recht des Anordnungsstaats funktionell nicht zuständigen Justizbehörde um die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung ersucht wird und dieser auch keine nationale Anordnung zugrunde liegt, die von einer zuständigen Behörde ausgestellt oder genehmigt wurde. Es wird bewusst auf die funktionelle Zuständigkeit abgestellt, weil eine Prüfung der sachlichen (z.B. Bezirksgericht oder Landesgericht) bzw. örtlichen Zuständigkeit nach dem Recht des Ausstellungsstaats nicht gestattet ist (EuGH Urteil vom 31.1.2023 in der Rs. C-158/21, Puig Gordi u.a., Rz 85 ff).

Zum anderen soll auch der Ablehnungsgrund in § 55a Abs. 1 Z 9 EU-JZG erweitert werden, sodass eine Europäische Ermittlungsanordnung, die von einer funktionell nicht zuständigen Justizbehörde ausgestellt wurde, nach erfolglos gebliebenem Verbesserungsversuch abgelehnt werden kann.

3. Im umgekehrten Fall, d.h. wenn eine österreichische Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren eine Europäische Ermittlungsanordnung ausstellt, soll durch die in § 56 Abs. 3 EU-JZG vorgeschlagene Änderung der Entscheidung des EuGH Rechnung getragen werden. Dabei soll berücksichtigt werden, dass die Umsetzung in Österreich davon ausgeht, dass der Europäischen Ermittlungsanordnung, soweit erforderlich, eine nationale Anordnung zugrunde liegt, die eine detaillierte Begründung und auch eine Rechtsmittelbelehrung enthält und ggf. der betroffenen Person zuzustellen wäre. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung für den Erlass der nationalen Anordnung bleiben von den Bestimmungen des EU-JZG über die Europäische Ermittlungsanordnung grundsätzlich unberührt. Daher ist ggf. auch die Einholung einer gerichtlichen Bewilligung erforderlich, bevor die Staatsanwaltschaft eine Europäische Ermittlungsanordnung erlassen kann. Dies unterscheidet die österreichische Rechtslage wesentlich vom Sachverhalt, der dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Bei Vorliegen einer gerichtlichen Bewilligung soll die Staatsanwaltschaft daher in der Bescheinigung auf diesen Umstand hinweisen.

Zu Z 48 (§ 57 Abs. 1 EU-JZG)

Der Vorschlag dient lediglich der weiteren Klarstellung des Verhältnisses zwischen dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/41/EU und den Maßnahmen der Rechtshilfe. Es soll insbesondere der Vorrang der Bestimmungen über die Europäische Ermittlungsanordnung gegenüber den Bestimmungen der Rechtshilfe klargestellt werden. Die Bestimmungen über die Rechtshilfe sind nur anzuwenden, wenn nicht schon die Bestimmungen über die Europäische Ermittlungsanordnung anzuwenden sind; deren Anwendungsbereich ist einerseits örtlich (§ 55 Abs. 1 EU-JZG: sie gelten nicht für Dänemark und Irland) und andererseits sachlich eingeschränkt (§ 55 Abs. 2 EU-JZG: sie gelten etwa nicht für die Zustellung von Verfahrensurkunden).

Zu Z 50 (§ 57a EU-JZG)

§ 57a EU-JZG dient bisher der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI über die Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ABl. Nr. L 386 vom 29.12.2006 S. 89. Dieser wird jedoch mit Inkrafttreten der Richtlinie (EU) 2023/977 über den Informationsaustausch zwischen den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2006/960/JI des Rates, ABl. Nr. L 134 vom 22.5.2023 S. 1, mit Wirkung vom 12.12.2024 aufgehoben. Der Austausch von polizeilichen Informationen wird mit dieser Richtlinie neu gestaltet. Da das EU-JZG grundsätzlich nur die Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden regelt (vgl. § 1 EU-JZG) und mit Inkrafttreten der Richtlinie ein wesentlicher Bezug im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit verloren geht, wird vorgeschlagen, die Umsetzung der Richtlinie einer allenfalls erforderlichen Regelung über polizeilichen Informationsaustausch vorzubehalten und § 57a EU-JZG aufzuheben.

Zu Z 51 (§§ 59a und 81 Abs. 1 EU-JZG)

Die Änderungen tragen dem Umstand Rechnung, dass das Vereinigte Königreich kein Mitgliedstaat der Union mehr ist.

Zu Z 52 (§ 67 Abs. 2 EU-JZG)

§ 67 Abs. 2 EU-JZG setzt den Beschluss 2005/671/JI über den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit betreffend terroristische Straftaten, ABl. Nr. L 253 vom 29.9.2005 S. 22, um. Dieser ist mit Verordnung (EU) 2023/2131 in die Eurojust-Verordnung (Verordnung (EU) 2018/1727) integriert worden; zugleich wurden die Verständigungspflichten gegenüber Eurojust erheblich erweitert (Art. 21a).

Zur Durchführung der (unmittelbar anwendbaren) Bestimmung ist eine Behörde festzulegen, die die Verständigungen wahrzunehmen hat. Derzeit wird diese Aufgaben von der Eurojust-Anlaufstelle für Terrorismusfragen wahrgenommen, die sich im Bundesministerium für Justiz befindet (§ 68a Abs. 1 Z 3). Es wird vorgeschlagen, dass die Verständigungen an Eurojust auch weiterhin über diese Stelle erfolgen sollen. Die nationalen Staatsanwaltschaften sollen die dafür erforderlichen Informationen gemäß § 8 StAG berichten.

Zu Z 54 und 70 (§§ 76a und 140 Abs. 20 EU-JZG)

Mit diesem Vorschlag soll Art. 17 Abs. 3 der ECRIS-TCN VO umgesetzt werden. Art. 17 regelt die Vorgehensweise in Hinblick auf Behörden aus Drittstaaten, die wissen wollen, ob eine Person eine Verurteilung in einem Mitgliedstaat der Union aufweist. Kontaktstelle für derartige Anfragen soll Eurojust sein, welches zunächst das ECRIS-TCN abfragen muss, um in Erfahrung zu bringen, ob es Verurteilungen in einem Mitgliedstaat gibt. Im Fall eines Treffers muss die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats von Eurojust kontaktiert werden und die Zustimmung für die Weitergabe der Information geben. Es ist daher erforderlich die für die Erteilung der Zustimmung zuständige Behörde zu bestimmen.

Es wird vorgeschlagen, dass die Staatsanwaltschaft Wien als zentrale Ansprechstelle für Eurojust zuständig sein soll, weil auch das Strafregisteramt bei der Landespolizeidirektion Wien angesiedelt ist. Darüber hinaus kann ein Ersuchen auch eine Verurteilung eines bzw. einer in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaften Drittstaatsangehörigen betreffen. In diesem Fall gäbe es keinen Wohnsitz im Inland, der als Anknüpfungspunkt für eine Zuständigkeit dienen könnte. Auch eine Anknüpfung an den Sprengel, in dem die Verurteilung erfolgte, würde keine eindeutige Zuständigkeit zur Folge haben, wenn es mehrere Verurteilungen gibt.

Für die Anfrage bei Eurojust hat die Behörde des Drittstaats ein Formblatt zu verwenden, das der ECRIS-TCN VO als Anhang angeschlossen ist. Diese enthält nur sehr rudimentäre Angaben. Allerdings ist auch die Art der Straftat anzugeben, die dem Verfahren zugrunde liegt.

Wenn sich schon aus dem Formblatt ergibt, dass ein Rechtshilfeersuchen des Drittstaats um Übermittlung einer Strafregisterauskunft verweigert werden müsste, weil zB die beiderseitige Strafbarkeit nicht gegeben ist oder weil die Person wegen politischer Delikte verfolgt wird und darüber hinaus im Inland oder einem anderen EU Mitgliedstaat den Status einer asylberechtigten Person genießt, sollte auch die Meldung eines Treffers nach Art. 17 Abs. 3 ECRIS-TCN VO durch Eurojust an den Drittstaat unterbleiben.

Im Zusammenhang mit der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit ist auf die Änderungen durch das Zweite Zusatzprotokoll zum europäischen Rechtshilfeübereinkommen in Strafsachen, BGBl. III Nr. 22/2018, SEV Nr. 182, Bedacht zu nehmen. Danach kann auch in Verfahren, die nach österreichischem Recht als Verwaltungsstrafverfahren zu führen wären, Rechtshilfe geleistet werden.

Für die Änderungen wird in § 140 Abs. 20 EU-JZG ein Inkrafttreten mit dem operativen Beginn des ECRIS-TCN vorgeschlagen. Dieser ist von der Europäischen Kommission festzusetzen. Ein Inkrafttreten vor diesem Datum hat keinen Sinn, weil die Zentraldatenbank, in der sämtliche Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen in anderen Mitgliedstaaten der EU eingetragen werden, nicht existiert und daher auch nicht ermittelt werden kann, welche Zentralbehörde um Auskunft aus dem Strafregister ersucht werden kann.

Zu Z 55 und 70 (§§ 77 und 140 Abs. 20 EU-JZG)

§ 77 EU-JZG setzt den Rahmenbeschluss 2009/315/JI über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 93 vom 7.4.2009 S. 23, um und dient vor allem dem Austausch von Strafregisterinformationen von verurteilen Unionsbürgern und Unionsbürgerinnen. Der Rahmenbeschluss wurde durch die Richtlinie (EU) 2019/884 geändert, um zusammen mit der ECRIS-TCN VO auch den Austausch von Strafregisterinformationen von Drittstaatsangehörigen zu ermöglichen. Daher soll in § 77 nicht mehr nur auf die Strafregisterauskunft über einen Staatsangehörigen bzw. eine Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats abgestellt werden, sondern auf generell auf die Strafregisterauskunft aus einem anderen Mitgliedstaat. Dieser Unterschied soll auch in der Überschrift des Dritten Unterabschnitts verdeutlicht werden.

Für das Inkrafttreten gilt das Gleiche wie zu Z 49.

Zu Z 51, 59 und 60 (§ 81 Abs. 1, § 95 Abs. 1 und 3 EU-JZG)

1. Die §§ 81 – 99 EU-JZG dienen der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, ABl. L 337 vom 16.12.2008 S. 102. Ziel dieses Rahmenbeschlusses ist es, „die Aussichten auf Resozialisierung der verurteilten Person (zu) erhöhen, indem ihr die Möglichkeit verschafft wird, die familiären, sprachlichen, kulturellen und sonstigen Beziehungen aufrechtzuerhalten“; dies soll dadurch erreicht werden, dass Bewährungsmaßnahmen aller Art, die anlässlich einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung angeordnet werden, dort stattfinden und überwacht werden sollen, in dem die verurteilte Person ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat.

In der Praxis wird von diesen Bestimmungen wenig Gebrauch gemacht; dies gilt für Österreich, aber darüber hinaus auch für die anderen Mitgliedstaaten, wie die im Rahmen des Rates, Arbeitsgruppe COPEN, durchgeführte neunte Runde der gegenseitigen Begutachtungen zu Rechtsinstrumenten der gegenseitigen Anerkennung im Bereich freiheitsentziehende oder freiheitsbeschränkende Maßnahmen gezeigt hat. Aktuell befasst sich eine Studie, die aus Unionsgeldern ko-finanziert wird, mit den Gründen für die Seltenheit der Anwendung: „Judicial cooperation for the enhancement of mutual recognition regarding probation measures and alternative sanctions“ (J-CAP); die Studie umfasst sieben Staaten, darunter in Österreich (Träger in Österreich: Institut für angewandte Rechts- und Kriminalsoziologie der Universität Innsbruck).

Die bisher hervorgekommenen Gründe für die spärliche Anwendung sind durchaus vielfältig; so ist Bedarf nach besseren grenzüberschreitenden Strukturen (die auch jene Organisationen einbeziehen müssen, die die Bewährungsmaßnahmen tatsächlich durchführen) und besserer Informationsvermittlung deutlich geworden.

2. Für jene Konstellation, dass eine Person in Österreich verurteilt wird oder wurde, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, es also naheliegt, Bewährungsmaßnahmen dort durchzuführen, scheint die aktuelle Rechtslage, konkret § 95 EU-JZG, Verbesserungen zugänglich. So umschreibt § 95 Abs. 1 EU-JZG die konkreten Voraussetzungen zur Übertragung höchst unbestimmt („besteht Anlass“), enthält keine Pflicht zur Übertragung, nimmt keinen Bezug auf die im Rahmenbeschluss vorgesehenen und mittlerweile von allen Mitgliedstaaten abgegebenen Erklärungen und enthält schließlich auch keinen Bezug zur Bewährungshilfe.

Die vorgeschlagene Neuregelung von § 95 Abs. 1 EU-JZG soll diesen Mängeln abhelfen. Die Bestimmung bezieht sich auf den eingangs genannten Standardfall, dass nämlich die Überwachung jenem Staat übertragen werden soll, in dem die verurteilte Person ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat (Art. 5 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI).

Darüber hinaus soll auch einem Urteil des EuGH Rechnung getragen werden: Dieser sprach in seinem Urteil vom 26.3.2020, C-2/19, A. P. (Bewährungsmaßnahmen), aus, dass auch bloße Probezeiten – also ohne dass konkrete weitere Auflagen erteilt werden – in den Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses fallen. Insoweit scheint es geboten, auch die spiegelbildliche Bestimmung – § 81 Abs. 1 EU-JZG – entsprechend zu erweitern.

Schließlich wird auch eine neue Fassung von § 95 Abs. 3 EU-JZG vorgeschlagen; diese Bestimmung regelt den Sonderfall, dass die verurteilte Person beantragt, dass die Überwachung einem anderen Mitgliedstaat als jenem übertragen werden soll, in dem die verurteilte Person ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat; dies ist in Art. 5 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2008/947/JI ausdrücklich vorgesehen, und entsprechend der Regelung dort soll auch hier vorgesehen werden, dass dies nur in Betracht kommt, wenn die zuständige Behörde des betreffenden Staates zugestimmt hat.

Zu Z 69 (§ 140 Abs. 16 EU-JZG)

Der Vorschlag dient der Umsetzung von Art. 34 Abs. 1 der Richtlinie 2014/41/EU – die Umsetzung ist beinahe wortgleich.

Zu Z 71 und 72 (§ 141 Abs. 3 und 7 EU-JZG)

Die Änderungen dienen lediglich der Ersichtlichmachung von Umsetzungen der Richtlinie (EU) 2022/211 zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/465/JI im Hinblick auf dessen Angleichung an die Unionsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten, ABl. L 37 vom 18.2.2022, S. 1 und der Richtlinie (EU) 2022/228 zur Änderung der Richtlinie 2014/41/EU im Hinblick auf deren Angleichung an die Unionsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten, ABl. L 39 vom 21.2.2022, S. 1. Substanzielle Änderungen sind nicht erforderlich, weil die nationale Rechtslage bereits den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinien entspricht.

Zu Z 73 (Anhang IV zum EU-JZG)

Nach § 60 Abs. 3 EU-JZG haben Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe die im Formblatt Anhang IV angeführten Angaben zu enthalten. Die betreffenden Formblätter wurden mit Entschließung des Rates zu einem Modell für eine Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe, ABl. Nr. C 44 vom 28.1.2022 S. 1 und 6, aktualisiert. Dementsprechend wäre auch Anhang IV samt Anlagen entsprechend zu ändern.

Artikel 4 (Änderung des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes – ARHG)

Zu Z 1 (§§ 17 und 17a ARHG samt Überschrift)

Der geltende § 17 ARHG sieht die Unzulässigkeit der Auslieferung vor, wenn die betroffene Person wegen der im dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden strafbaren Handlung entweder von einem Gericht des Tatortstaates rechtskräftig freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt worden ist (Z 1) oder von einem Gericht eines dritten Staates rechtskräftig verurteilt worden ist und die Strafe ganz vollstreckt oder zur Gänze oder für den noch nicht vollstreckten Teil nachgesehen worden ist oder ihre Vollstreckbarkeit nach dem Recht des dritten Staates verjährt ist (Z 2).

Das ARHG gilt grundsätzlich im Verhältnis zu allen Staaten außer zu den Mitgliedstaaten der Union, für die das EU-JZG gilt. Wie aber bereits oben (bei § 8 EU-JZG) ausgeführt, bindet Art. 54 SDÜ nicht nur Mitgliedstaaten der Union, sondern auch die assoziierten Staaten Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island. Ein Verweis auf Drittstaaten im Allgemeinen greift daher zu kurz.

Auch wenn Art. 54 SDÜ grundsätzlich einer unmittelbaren Anwendung zugänglich ist (vgl. auch § 1 ARHG), soll dennoch durch die Neuregelung von § 17 ARHG ausdrücklich klargestellt werden, dass im Verhältnis zu Drittstaaten, die an Art. 54 SDÜ gebunden sind, aufgrund gegenseitigen Vertrauens Aburteilungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH umfangreicher zu berücksichtigen sind, als dies im Verhältnis zu anderen Drittstaaten der Fall ist. Der Begriff der Aburteilung umfasst nicht nur eine verurteilende Entscheidungen eines Gerichts, sondern auch einen Freispruch aus Mangel an Beweisen (EuGH vom 28.9.2006, C-150/05, Van Straaten) oder wegen Verjährung (EuGH vom 28.9.2006, C-467/04, Gasparini). Auch gerichtliche Einstellungen entfalten Sperrwirkung, sofern eine Prüfung in der Sache stattgefunden hat (EuGH vom 22.12.2008, C-491/07, Turansky; 5.6.2014, C-398/12, M); ebenso können staatsanwaltschaftliche Enderledigungen Sperrwirkung entfalten, z.B. im Fall der Einstellung nach Zahlung einer Geldbuße (EuGH vom 11.2.2003 in den verb. Rs. C-187/01 und C-385/01, Gözütok und Brügge). Einstellungen, die ohne eingehende Ermittlung des Sachverhalts ergangen sind, können dagegen keine Sperrwirkung entfalten (EuGH vom 29.6.2016, C-486/14, Kossowski).

Darüber hinaus wird mit § 17a ARHG vorgeschlagen, bei den übrigen Drittstaaten ebenso wie in § 8a EU-JZG einen fakultativen Ablehnungsgrund vorzusehen, um Wertungswidersprüche mit Art. 54 SDÜ zu vermeiden. Andernfalls würde einer Entscheidung aus einem nicht an Art. 54 SDÜ gebundenen Staat ggf. die gleiche Bedeutung beigemessen wie einer Entscheidung eines an Art. 54 SDÜ gebundenen Staats. Tatsächlich ist Österreich außerhalb von Art. 54 SDÜ völkerrechtlich nicht an die Anerkennung von drittstaatlichen Entscheidungen gebunden. Letztlich scheint auch das Abstellen auf den Tatortstaat in Zeiten von gezielten Cyberattacken von Tätergruppen von einem Staat aus gegen einen anderen Staat nicht mehr zeitgemäß.

Zu Z 2 (§ 31 Abs. 6 ARHG)

Für die Entscheidung über Auslieferungen bzw. auch Übergaben nach dem EU-JZG ist schon nach geltendem Recht im Verfahren in erster Instanz eine mündliche Verhandlung nicht zwingend durchzuführen: Eine solche findet nur statt, wenn die betroffene Person oder die Staatsanwaltschaft eine mündliche Verhandlung beantragt oder das Gericht sie zur Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung/Übergabe für notwendig erachtet (§ 31 Abs. 2 ARHG). Dagegen ist im Rechtsmittelverfahren zwingend eine mündliche Verhandlung durchzuführen, selbst wenn keine in erster Instanz stattgefunden hat. Im Rahmen von Auslieferungs- und Übergabeverfahren und insbesondere im Verfahren über Beschwerden gegen ergangene Entscheidungen sind allerdings vorwiegend Rechtsfragen zu klären, eine Verhandlung über die Schuldfrage, für die die Unmittelbarkeit des Verfahrens von essentieller Bedeutung ist, findet im Auslieferungs- und Übergabeverfahren gerade nicht statt. Auch zur Entlastung personeller Ressourcen der Oberlandesgerichte wird daher vorgeschlagen, dass eine mündliche Verhandlung über Beschwerden nur stattfinden soll, wenn sie das Oberlandesgericht für erforderlich erachtet. Eine öffentliche mündliche Verhandlung soll keinesfalls stattfinden, wenn die Beschwerde gemäß § 89 Abs. 2 StPO als unzulässig zurückzuweisen ist, d.h. wenn die Beschwerde verspätet eingebracht wurde oder von einer Person, der ein Rechtsmittel nicht zusteht, oder wenn die in § 89 Abs. 2a Z 1 bis 3 genannten Gründe vorliegen. Dabei handelt es sich einerseits um Fragen der Zuständigkeit des Erstgerichts (Z 1 und 2) andererseits vor allem um unterlassene Beweisaufnahmen, der Mängel- (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) oder Tatsachenrüge (§ 281 Abs. 1 Z 5a StPO).

Zu Z 4 (§ 79 Abs. 5 ARHG)

Es ist gilt das gleiche wie zu Art. 3 Z 71 und 72.

Artikel 5 (Änderung des Europäische Staatsanwaltschafts-Durchführungsgesetzes – EUStA-DG)

Z 1 und 8 (§§ 11 und 27 EUStA-DG)

1. Es wird vorgeschlagen, die Bestimmung des § 11 EUStA-DG einerseits an das Urteil des EuGH vom 21.12.2023 in der Rs C-281/22, G.K. u.a., anzupassen und andererseits die gerichtlichen Zuständigkeiten effizienter zu gestalten. Dies hat eine erhebliche Umgestaltung der Bestimmung zur Folge.

2. In dem vom Oberlandesgericht Wien dem EuGH vorgelegten Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Aufgabenverteilung zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten in dem Fall, dass Ermittlungsmaßnahmen in mehreren Mitgliedstaaten ergriffen werden sollen, also der bzw. die „betraute“ (= fallführende) Delegierte Europäische Staatsanwalt bzw. Staatsanwältin (DEStA) Delegierte Europäische Staatsanwälte in anderen Mitgliedstaaten um Ermittlungsmaßnahmen ersucht (diese werden als „unterstützende“ DEStA bezeichnet).

Der EuGH entschied in seinem Urteil vom 21.12.2023, C-281/22, dass eine allfällige gerichtliche Genehmigung grundsätzlich im Mitgliedstaat des bzw. der betrauten DEStA zu erfolgen habe (Rz 73 und 75); dort seien jedenfalls „die Gesichtspunkte der Begründung und der Anordnung der Maßnahme“ (also die Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit, Rz 75) zu prüfen. Davon ausgehend, dass mit der EUStA-VO ein mindestens effizientes System der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit wie jenes der gegenseitigen Anerkennung (z.B. Europäische Ermittlungsanordnung, Richtlinie 2014/41/EU) geschaffen werden sollte, sprach der EuGH weiters aus, dass sich eine allfällig im Mitgliedstaat des bzw. der unterstützenden DEStA erforderliche gerichtliche Genehmigung auf „Gesichtspunkte der Vollstreckung“ zu beschränken habe (Rz 72).

3. Um diesen Vorgaben des EuGH gerecht zu werden, wird zunächst vorgeschlagen, den geltenden Abs. 1 entfallen zu lassen, weil diese Bestimmung eine gerichtliche Zuständigkeit im Mitgliedstaat des bzw. der betrauten DEStA unter bestimmten Umständen ausschließt, der EuGH aber nunmehr ausdrücklich festgestellt hat, dass die substantielle gerichtliche Kontrolle (Anordnungsvoraussetzungen, Notwendigkeit Verhältnismäßigkeit usw.) im Rahmen einer Genehmigung einer Maßnahme grundsätzlich im Mitgliedstaat des bzw. der betrauten DEStA stattzufinden hat.

Die Bestimmung des bisherigen Abs. 2, die den Fall der Vollstreckung einer Maßnahme durch den unterstützenden bzw. die unterstützende DEStA in Österreich regelt, soll in der neu vorgeschlagenen Bestimmung des § 11 EUStA-DG dahin umgestaltet werden, dass ausdrücklich die Prüfung in jenem Umfang, der nach dem Urteil des EuGH dem Gericht im Anordnungsstaat vorbehalten bleibt (also der Rechtmäßigkeit und Erforderlichkeit), der innerstaatlichen Entscheidung entzogen wird.

Eine nähere Konkretisierung im nationalen Recht scheint weder möglich noch sinnvoll, weil Art. 31 EUStA-VO unmittelbar anwendbar ist und dem Unionsrecht entgegenstehendes nationales Recht ohnehin unangewendet zu lassen ist. Das erwähnte Urteil des EuGH bietet keine scharfe Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Gerichte in den Mitgliedstaaten; insbesondere bleibt der Begriff der „Gesichtspunkte der Vollstreckung“ überaus unbestimmt. Zu dessen Auslegung könnte allenfalls der Prüfmaßstab des bzw. der unterstützenden DEStA herangezogen werden, der sich aus Art. 31 Abs. 5 EUStA-VO ergibt, aber auch die Aufgabenverteilung zwischen anordnender und vollstreckender Behörde im Bereich der gegenseitigen Anerkennung. Eine Klärung wird nur durch ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers (womit aber in näherer Zukunft nicht zu rechnen ist) oder durch weitere Urteile des EuGH aufgrund von Vorabentscheidungsersuchen möglich sein.

4. Außerdem wird vorgeschlagen, die Zuständigkeit für die Genehmigung der Vollstreckung dem Landesgericht für Strafsachen Wien zuzuweisen. Gegenwärtig obliegt die gerichtliche Entscheidung oder Bewilligung gemäß § 11 Abs. 2 EUStA-DG jenem Landesgericht, an dessen Sitz sich die Staatsanwaltschaft befindet, die nach § 46 Abs. 1 oder § 55c EU-JZG zuständig wäre. Dies bedeutet, dass sich die gerichtliche Zuständigkeit nach dem Ort der Durchführung der Maßnahme richtet.

Diese Zuweisung von Zuständigkeiten hat sich gerade im Rahmen der EUStA als nicht effizient genug erwiesen. Müssen nämlich z.B. an vier verschiedenen Orten Hausdurchsuchungen durchgeführt werden, sind u.U. vier verschiedene Gerichte zu befassen. Dies kann einerseits dazu führen, dass Entscheidungen voneinander abweichen, und ist anderseits aus dem Blickwinkel eines effizienten Einsatz personeller Ressourcen nicht optimal.

Um diesem Problem im Rahmen des verfassungsrechtlich gewährten Rechts auf den gesetzlichen Richter zu begegnen, wird vorgeschlagen, das Landesgericht für Strafsachen Wien zuständig zu machen. Auf jenes Gericht abzustellen, bei dem die erste Maßnahme beantragt wurde, wäre keine gute Lösung, weil sich die EUStA, wenn mehrere Maßnahmen durchzuführen sind, durch die Wahl der ersten Maßnahme auch die gerichtliche Zuständigkeit für weitere Maßnahmen aussuchen könnte („forum shopping“).

Die Zentralisierung dieser Angelegenheiten beim Landesgericht für Strafsachen Wien hätte eine gewisse Spezialisierung zur Folge, die auch den Besonderheiten des Art. 31 EUStA-VO gerecht wird, der zahlreiche Fragen zum Prüfumfang der Rechtsprechung überlässt.

5. Schließlich wird in § 27 EUStA-DG eine Übergangsbestimmung vorgeschlagen, wonach die Änderung der Zuständigkeit auf bereits anhängige Verfahren keinen Einfluss hat.

Zu Z 2 (§ 13 Abs. 3 EUStA-DG)

Der Ministerialentwurf (99/ME XXVII. GP, S. 10) zum geltenden § 13 EUStA-DG hatte vorgesehen, dass die Befugnisse des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten im Verfahren der EUStA nicht gelten sollen. Aufgrund von Kritik im Begutachtungsverfahren wurden in der Regierungsvorlage jedoch einige Befugnisse aufgenommen.

Die Europäische Kommission hat eine Studie in Auftrag gegeben, die im November 2023 veröffentlicht und von namhaften Experten und Expertinnen auf dem Gebiet des Europastrafrechts begleitet wurde. Gegenstand der Studie waren unterschiedliche Aspekte der Umsetzung der EUStA-VO in den Mitgliedstaaten, einer davon die Unabhängigkeit der EUStA. Die Beurteilung der Republik Österreich ist grundsätzlich und auch im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten sehr positiv ausgefallen. Einziger Kritikpunkt an der österreichischen Umsetzung ist allerdings die Stellung des bzw. der Rechtsschutzbeauftragten im Zusammenwirken mit seiner Bestellung durch die Bundesministerin bzw. den Bundesminister für Justiz und seinen Berichtspflichten ihr/ihm gegenüber. Die Studie sieht Probleme im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der EUStA, weil der bzw. die Rechtsschutzbeauftragte, der bzw. die nicht die Unabhängigkeitskriterien eines Gerichts aufweist, Zugang zu den Ermittlungsergebnissen der EUStA erhalten kann.

Die Europäische Kommission hat in einem Schreiben an die Republik Österreich, mit dem um weitere Informationen zur Umsetzung der EUStA-VO ersucht wurde, die Kritik der Studie ebenso aufgegriffen. Es wird daher vorgeschlagen, den Bedenken zu begegnen und in einem neuen Abs. 3 den Rechtsschutzbeauftragten bzw. die Rechtsschutzbeauftragte von seinen bzw. ihren Berichtspflichten gegenüber der Bundesministerin bze. dem Bundesminister für Justiz (§ 47a Abs. 7 StPO) zu entbinden. Dadurch könnte die Unabhängigkeit der EUStA von der Exekutive weiter gestärkt werden, ohne dabei die für Betroffene einer verdeckten Maßnahme wichtige Schutzfunktion des Rechtsschutzbeauftragten zu stark einzuschränken. Die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens sollte nicht erst abgewartet werden.

Zu Z 3 und 4 (§§ 17 und 18 EUStA-DG)

Aufgrund Erweiterung des Island-Norwegen-Übergabegesetzes um das Vereinigte Königreich (INVÜG – s. unten Art. 6) sollen die Verweisungen angepasst werden.

Zu Z 5 und 6 (§ 23a EUStA-DG, Überschrift des Dritten Abschnitts)

Der Vorschlag betrifft den Aufwandersatz von Dienstreisen, der den Delegierten Europäischen Staatsanwälten bzw. Staatsanwältinnen im Zusammenhang mit Dienstreisen entsteht. Die EUStA-VO sieht vor, dass operative Ausgaben von der EUStA dann nicht zu tragen sind, wenn sie im Zusammenhang mit von den zuständigen nationalen Behörden durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen entstehen (Art. 91 Abs. 5 zweiter Unterabs der EUStA-VO). Davon sollen daher auch Dienstreisen der Delegierten Europäischen Staatsanwälte bzw. Staatsanwältinnen umfasst sein (Vertretung der Anklage im Hauptverfahren, erforderliche Anwesenheit bei der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme usw.). Kosten für Dienstreisen sollen allerdings dann nicht vom Bund zu tragen sein, sondern von der EUStA, wenn sie der internen Funktionsweise der EUStA dienen (Erwägungsgrund 113 der EUStA-VO). Vor dem Hintergrund wird vorgeschlagen, für den Ersatz von Aufwand einer Dienstreise die Reisegebührenvorschriften 1955 anzuwenden. Dies würde auch den Besuch von Fortbildungsveranstaltung miteinschließen, sofern es sich nicht um Fortbildungen, Seminare o.ä. handelt, die die interne Funktionsweise der EUStA betreffen.

Zu Z 7 (§ 26 EUStA-DG)

Es wird ein Inkrafttreten der Änderungen mit dem der Kundmachung folgenden Tag vorgeschlagen.

Artikel 6 (Änderung des Island-Norwegen-Übergabegesetzes – INÜG)

1. Zur Regelung des Verhältnisses zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich – nach Ablauf des Übergangszeitraums, der nach Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union galt, zum 31.12.2020 – wurde das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. Nr. L 149 vom 30.4.2021 S. 10, abgeschlossen. Dieses enthält einen Abschnitt über die Auslieferung (Übergabe): Teil 3 Titel VII, Art. 596 – 632. Die Bestimmungen folgen in wesentlichen Teilen dem Übereinkommen zwischen der EU und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über das Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Island und Norwegen, ABl. Nr. L 292 vom 21.10.2006 S. 2, die wiederum großteils den Bestimmungen im RB EHB entsprechen. Zu Einzelheiten – auch zu den Abweichungen des Übergabekapitels vom Island-Norwegen-Übergabe-Übereinkommen einerseits und vom RB EHB andererseits – siehe auch den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 15. Jänner 2021 über grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Strafsachen mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (VK) ab 1. Jänner 2021 aufgrund des Handels- und Kooperationsabkommens – Erstinformation, GZ 2020-0.853.464 (S884.013); in dem Erlass wurde auch ausgeführt, dass das Abkommen unmittelbarer Anwendung zugänglich ist, dass aber in verfahrensrechtlicher Hinsicht das INÜG analog auf den Auslieferungsverkehr mit dem VK anzuwenden wäre. Auf diesem Weg hat die Praxis bisher die (wenigen) Auslieferungs- bzw. Übergabefälle mit dem Vereinigten Königreich behandelt.

2. Die Bestimmungen des Island-Norwegen-Übergabe-Übereinkommens sind im Island-Norwegen-Übergabegesetz (INÜG) umgesetzt (eingehend EBRV 52 BlgNR XXVII. GP, 4), wobei größtenteils auf die Bestimmungen über die Übergabe im EU-JZG verwiesen wird und nur wenige Sonderregeln geschaffen werden mussten. Nun sollen – wie schon in der RV zum INÜG in Aussicht gestellt – die Bestimmungen des Übergabekapitels des EU-Vereinigtes Königreich-Abkommens umgesetzt werden, indem das INÜG zum INVÜG (Island-Norwegen-Vereinigtes Königreich-Übergabegesetz) ausgebaut und seine Bestimmungen entsprechend erweitert werden.

3. Die Vorschläge beschränken sich weitgehend darauf, dass neben Island und Norwegen künftig auch das Vereinigte Königreich angeführt werden soll.

Lediglich formaler Art ist der Umstand, dass es für einen Haftbefehl im Verhältnis zum Vereinigten Königreich ein eigenes Formblatt gibt, nämlich in Anhang 43 zum Anhang: § 4 Abs. 2 INVÜG.

Das Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sieht in Art. 629 vor, dass die dort genannten Übereinkommen des Europarats durch das Kapitel über die Übergabe ersetzt werden. § 7 Abs. 3 INÜG dient der Umsetzung dieser Bestimmung, wobei anzumerken ist, dass das Erste Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen nicht erwähnt wird, weil es weder von Österreich noch vom Vereinigten Königreich ratifiziert wurde.

4. Eine inhaltliche Abweichung besteht beim Ablehnungsgrund betreffend Abwesenheitsentscheidungen. Art. 601 Abs. 1 lit. i des Abkommens ist mit der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI, ABl. L 81 vom 27.3.2009 S. 24, geänderten Fassung des RB EHB und damit mit § 11 EU-JZG kongruent, während das Island-Norwegen-Übereinkommen dem Ablehnungsgrund der Stammfassung des RB EHB entspricht. Daher wird vorgeschlagen, dass § 2 Abs. 3 INVÜG lediglich im Verhältnis zu Island und Norwegen anzuwenden sein soll.

5. Eine weitere inhaltliche Abweichung liegt darin, dass sich eine Übergangsbestimmung, wie sie in Art. 35 des Island-Norwegen-Übergabe-Übereinkommens vorgesehen und in § 7 Abs. 2 INÜG umgesetzt wurde (analog zu Art 32 RB EHB und § 139 Abs. 4 EU-JZG), im Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich nicht findet. Daher wird vorgeschlagen, § 7 Abs. 2 INVÜG auf Island und Norwegen zu beschränken.

6. Im Übrigen scheint es nicht notwendig, Abweichungen des Abkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vom Island-Norwegen-Übergabe-Übereinkommen zum Anlass zu besonderen Bestimmungen im INVÜG zu machen. Beispielsweise gelten die in Art. 609 des Abkommens geregelten Rechte der gesuchten Person, die Regelungen in einzelnen Richtlinien der Union zu Verfahrensrechten der beschuldigten Person nachgebildet sind, ohnehin, weil diese Richtlinien bereits in österreichisches Recht umgesetzt sind.

7. Festgehalten sei schließlich, dass eine Übergabe österreichischer Staatsbürger und Staatsbürgerinnen an das Vereinigte Königreich ohne deren Zustimmung nicht zulässig ist: Nach der Bestimmung in § 2 Abs. 2 INVÜG – zu der hier keine Änderung vorgeschlagen wird und die daher künftig auch im Verhältnis zum Vereinigten Königreich gelten soll – richtet sich die Auslieferung (Übergabe) österreichischer Staatsbürger und Staatsbürgerinnen nach § 12 ARHG. Art. 603 des Abkommens ermöglicht Mitgliedstaaten die Abgabe einer Erklärung, dass sie eigene Staatsbürger nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen ausliefern (übergeben) werden; Österreich hat eine solche Erklärung abgegeben.

Artikel 7 (§ 31 VbVG)

Die vorgeschlagene Bestimmung dient der Erfüllung der in den angeführten Richtlinien enthaltenen Pflicht, in den die Richtlinie umsetzenden nationalen Vorschriften auf die betreffenden Richtlinien Bezug zu nehmen.

Der Bestimmung kommt dabei wohl keine innerstaatliche normative Wirkung zu. Ihr Adressat ist primär die Europäische Kommission; die Umsetzungshinweise sollen diese bei ihrer Aufgabe unterstützen, die ordnungsgemäße Umsetzung von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten nachzuvollziehen.