Erläuterungen

Allgemeiner Teil

 

 

Ausgangslage und Inhalt des Entwurfs

Vor dem Hintergrund der Inflationsdynamik der letzten Jahre (auch) auf dem Wohnungsmietmarkt wurden zahlreiche Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, insbesondere im Verhältnis Verbraucher – Unternehmer, zum Gegenstand von Unterlassungsklagen in Verbandsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof gemacht. Der OGH erklärte daraufhin in mehreren Entscheidungen (etwa OGH 21.3.2023, 2 Ob 36/23t, 24.5.2023, 8 Ob 37/23h und 22.3.2024, 8 Ob 6/24a) bestimmte Wertsicherungsklauseln in Vertragsformblättern, die für den Abschluss von Wohnungsmietverträgen verwendet wurden, für unzulässig. Dabei war das Verbot des § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG, wonach eine (nicht im Einzelnen ausgehandelte) Entgelterhöhung in den ersten zwei Monaten nach Vertragsschluss unzulässig ist, zentral. Wertsicherungsklauseln wurden aber auch im Zusammenhang mit der zu wenig eindeutigen Festlegung eines Nachfolgeindex wegen Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG für unzulässig erklärt. Schließlich hat der OGH auch ausgesprochen, dass die Vereinbarung einer bei Vertragsabschluss bereits überholten Indexzahl als Ausgangsbasis gröblich benachteiligend nach § 879 Abs. 3 ABGB ist, weil die Anpassung ansonsten aus einem aus der Zeit vor dem Abschluss des Vertrages stammenden Anstieg des Preisniveaus resultieren könnte.

In diesen Entscheidungen legte der OGH, weil es sich um Verbandsverfahren handelte, seiner letztlich zur Unzulässigkeit der Klausel führenden Beurteilung jeweils die „kundenfeindlichste“ Auslegung der konkreten Wertsicherungsklausel zugrunde. Dieser Beurteilungsmaßstab gilt aber nicht in Individualverfahren, hier werden Klauseln unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt (vgl. RS0016590 [T32]; zuletzt 8 Ob 81/24f mwN).

Die genannten Entscheidungen des OGH führten zu erheblichen Unsicherheiten in der Immobilienbranche, aber auch zu einer Fülle an rechtswissenschaftlichen Fachbeiträgen und (kritischen) Analysen, weil gravierende Auswirkungen auf Einzelverträge befürchtet wurden: Im schlimmsten Fall führt der gänzliche Wegfall einer unzulässigen Wertsicherungsklausel, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des durch die sog Klausel-Richtlinie (Richtlinie 93/13/EWG über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. Nr. L 95 vom 21.4.1993 S. 29) angeordneten „abschreckenden“ Effekts, dazu, dass der Mietzins rückwirkend auf den bei Vertragsabschluss vereinbarten Betrag absinken würde und eine Valorisierung dieses Betrags auch für die Zukunft nicht möglich wäre – all dies vor dem Hintergrund einer de facto-Unkündbarkeit der Mietverträge. Damit einhergehend wurden grobe wirtschaftliche Verwerfungen, etwa durch massenhafte Abwertungen von Immobilien, befürchtet. Ähnlich gravierende Auswirkungen wurden auch in anderen Branchen antizipiert, etwa im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen oder in der Telekommunikationsbranche.

Die für die Unzulässigerklärung von Wertsicherungsklauseln zentralen Bestimmungen, nämlich § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG sowie § 879 Abs. 3 ABGB, waren zuletzt auch Gegenstand von Normprüfungsanträgen: Mit Erkenntnis vom 24. Juni 2025 zu G 170/2024-17 und G 37-38/2025-11 hat der Verfassungsgerichtshof jedoch entschieden, dass die gegen die Verfassungsmäßigkeit der beiden Bestimmungen erhobenen Bedenken nicht zutreffen und die Anträge abgewiesen.

Unbestritten ist jedoch, wie der OGH auch in der Vergangenheit mehrfach festgehalten hat (vgl. RS0132652), dass Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen durch das legitime Bedürfnis des Vermieters nach einer Wertsicherung, also das Entgelt insbesondere bei längeren Vertragslaufzeiten an die tatsächliche Geldentwertung anzupassen und damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren, gerechtfertigt sind. Auch entspricht es gefestigter höchstgerichtlicher Judikatur, dass eine Wertsicherungsvereinbarung anhand des Verbraucherpreisindex dem Sachlichkeitsgebot des § 879 Abs. 3 ABGB und des § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG genügt (10 Ob 23/24z; 10 Ob 54/24z; zuletzt 8 Ob 81/24f).

Wie sich in rezenteren Entscheidungen (OGH 17.12.2024, 10 Ob 54/24z; 27.2.2025, 8 Ob 81/24f) gezeigt hat, ist der OGH nun bestrebt, in den auf die Entscheidungen in den Verbandsverfahren folgenden Individualverfahren zu einer ausgewogenen Lösung dieser Problematik zu kommen. Dabei wird, je nach konkreter Gestaltung der Klausel, etwa über eine mögliche Teilbarkeit der Klausel (8 Ob 81/24f), aber auch, wie in 4 Ob 4/23a angedeutet, über die allgemeinen Auslegungsregeln §§ 914, 915 ABGB versucht, zu differenzierten Ergebnissen zu kommen.

Durch eine in jüngster Vergangenheit ergangene Entscheidung (OGH 30.7.2025, 10 Ob 15/25s) wurde der § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG so eng ausgelegt, dass diese Bestimmung auf Dauerschuldverhältnisse (etwa Bestandverträge) nicht anwendbar ist, die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist. Im Lichte dieser Entscheidung hat der § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG keine Relevanz mehr für Mietverträge oder sonstige längerfristige Dauerschuldverhältnisse.

Die Bundesregierung hat dem Vorhaben einer Klarstellung der Rechtslage für Wertsicherungsklauseln besondere Bedeutung eingeräumt: Im Regierungsprogramm ist an mehreren Stellen die „Schaffung von Klarheit auf gesetzlicher Ebene in Bezug auf Wertsicherungsklauseln“ angesprochen (S. 35, 64, 68).

Deshalb soll die jüngste Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG gesetzlich festgeschrieben werden.

Weiters sollen Klarstellungen bei der Auslegung des § 879 Abs. 3 ABGB getroffen werden.

 

Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG (Zivilrechtswesen).

 

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.


Besonderer Teil

 

Zu Artikel 1 (Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs)

 

Zu Z 1 (§ 879a ABGB)

Wenn der Index, an den eine Wertsicherungsklausel anknüpft, vor Vertragsabschluss liegt, kann eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs. 3 vorliegen. Eine solche wurde vom Obersten Gerichtshof in 8 Ob 37/23h auch für Fälle angenommen, in denen an die gesetzliche Valorisierung der Richtwerte angeknüpft wird. Der Oberste Gerichtshof geht aber auch davon aus, dass eine an die zuletzt verlautbarte Indexzahl anknüpfende Wertsicherungsvereinbarung durchaus verkehrs- bzw. branchenüblich und damit nicht objektiv ungewöhnlich iSd § 864a ist (10 Ob 15/25s).

In einem neuen § 879a sollen Klarstellungen zur Frage getroffen werden, welche Aspekte bei der Beurteilung der gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs. 3 bei Wertsicherungsvereinbarungen Berücksichtigung finden sollen.

Ein zu berücksichtigender Aspekt ist der Umstand, dass wegen der Vielzahl gleichartiger Verträge eine einheitliche Wertsicherung aller Verträge zweckmäßig ist. Wenn also etwa für Massenverträge ein bestimmter Tarif vorgesehen ist, dann ist es legitim, wenn die Wertsicherung für alle Verträge gleichgeschalten ist, mag bei späteren Vertragsabschlüssen der relevante Index auch in der Vergangenheit liegen. Wenn Kunden nicht von einer individuellen Entgeltgestaltung ausgehen können, sondern erkennbar für alle derartigen Verträge ein einheitlicher Tarif verlangt wird, so ist es nicht gröblich benachteiligend, wenn der Tarif auf Basis eines in der Vergangenheit liegenden Index wertgesichert ist. Freilich wird hier auf einen angemessenen Zeitraum abzustellen sein. Exemplarisch zu nennen ist die Bezugnahme auf den Jahresdurchschnitt des vor Vertragsabschluss liegenden Jahres oder auf eine nicht mehr als 24 Monate vor Vertragsabschluss liegende Indexzahl. Der zweitgenannte Fall bezieht sich etwa auf Vereinbarungen, bei denen die Anpassungen auf Basis der Veränderung eines Monatsindex des Vorjahres im Vergleich zum entsprechenden Monatsindex im Jahr davor erfolgen. Ein Beispiel wäre eine für alle Verträge gleichgeschaltete Anpassung im September 2025 basierend auf der Indexveränderung zwischen September 2023 und September 2024. Bei einem Vertragsabschluss im August 2025 liegt der Ausgangsindex im Beispielfall 23 Monate vor dem Vertragsabschluss. Solche Klauseln sind bei Massenverträgen üblich und werden gewöhnlich bei Massenverträgen nicht gröblich benachteiligend sein.

Verträge über die Raummiete können die Kriterien eines Massenvertrags im Sinne dieser Bestimmung nicht erfüllen, weil das Interesse der Mieterinnen und Mieter an einer individuellen Wertsicherung allfälligen Zweckmäßigkeitserwägungen jedenfalls vorgeht. Eine individuelle Wertsicherung wird aus diesem Grund auch bei Arbeitsverträgen geboten sein. Generell wird auch zu berücksichtigen sein, ob der Wechsel zu einem anderen Anbieter im Zusammenhang mit der Vertragsart üblich und mit wenig Aufwand durchführbar ist.

Beispielsweise bei Garagierungsverträgen werden regelmäßig Massenverträge vorliegen, deren Tarife zulässigerweise einheitlich anhand in der Vergangenheit liegender Indices wertgesichert sein können.

Eine Durchschnittsbetrachtung ist naturgemäß nur möglich, wenn sie sich auf die Vergangenheit bezieht. Auf Grundlage vorhandener Erfahrungswerte kann der Kunde Vertragsinhalte dahingehend beurteilen.

Auch ohne das Vorliegen von Massenverträgen wird das Verwenden eines vor Vertragsabschlusszeitpunkt liegenden Index nicht immer gröblich benachteiligend sein müssen, etwa wenn der verwendete Index kurz vor der zuletzt verlautbarten Indexzahl liegt oder die Bezugnahme auf einen vor Vertragsabschluss liegenden Berechnungszeitpunkt irrtümlich erfolgt ist.

Jedenfalls unproblematisch ist die Bezugnahme auf einen in der Vergangenheit liegenden Index, soweit wegen zwingender gesetzlicher Vorgaben die bis zum Vertragsabschlusszeitpunkt verstrichene Zeit bei der Entgeltbemessung gar nicht berücksichtigt werden kann. Im Fall des Richtwertmietzinses muss etwa von dem bei Vertragsabschluss geltenden Richtwert ausgegangen werden; die seit der letzten Valorisierung verstrichene Zeit kann bei der Höhe des Hauptmietzinses auf Grund gesetzlicher Vorgaben gar nicht berücksichtigt werden. Insofern ist es sachgerecht, bei der Valorisierung dennoch an die nächste Valorisierung der Richtwerte anzuknüpfen, auch wenn dafür eine in der Vergangenheit liegende Indexzahl maßgeblich ist.

 

Zu Z 2 (§ 1503 ABGB)

Die in § 879a getroffenen Klarstellungen sollen auch auf laufende Verträge anwendbar sein, zumal lediglich zu berücksichtigende Aspekte festgeschrieben werden, die als Grundlage für sachgerechte Beurteilungen im Einzelfall dienen sollen. Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Die Klarstellung in § 879a bietet nicht nur für „Neuverträge“ Rechtssicherheit bei der Auslegung der Bestimmung, sondern wirkt auch auf „Altverträge“, die vor dem Inkrafttreten geschlossen worden sind.

 

Zu Artikel 2 (Änderung des Konsumentenschutzgesetzes)

 

Zu Z 1 (§ 6 Abs. 2 Z 4)

§ 6 Abs. 2 Z 4 soll den Verbraucher – sofern nicht im Einzelnen ausgehandelt – vor einer Preiserhöhung innerhalb der ersten beiden Monate nach Vertragsabschluss schützen und ihm damit für diesen Zeitraum eine „Festpreisgarantie“ bieten.

Die Bestimmung steht im Zentrum der höchstgerichtlichen Judikatur zur Unzulässigerklärung von Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen und ist Gegenstand zahlreicher daran anknüpfender rechtswissenschaftlicher Untersuchungen. Vor dem Hintergrund der im allgemeinen Teil dargestellten Entscheidungen des OGH und deren wirtschaftlichen Auswirkungen wurde § 6 Abs. 2 Z 4 auch vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten, wobei die Anträge mit Erkenntnis vom 24. Juni 2025 zu G 170/2024-17 und G 37-38/2025–11 abgewiesen wurden.

Wie zuletzt auch der VfGH angemerkt hat (Rz 65) kann die Beurteilung, ob eine konkrete Wertsicherungsklausel gegen § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG verstößt, im Individualverfahren vom Ergebnis des Verbandsverfahrens abweichen, weil die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls zu beurteilen sind (vgl. RS0016590 [T32]; zuletzt 8 Ob 81/24f mwN).

In den jüngeren Entscheidungen des OGH in Individualverfahren war zuletzt eine deutliche Tendenz erkennbar, je nach Gestaltung der konkreten Wertsicherungsklausel gerade im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Z 4 zu differenzierten Ergebnissen zu kommen (OGH 17.12.2024, 10 Ob 54/24z; 27.2.2025, 8 Ob 81/24f; vgl. auch 4 Ob 4/23a zur Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln §§ 914, 915 ABGB).

Mit der in jüngster Vergangenheit ergangenen Entscheidung vom 30. Juli 2025 zu 10 Ob 15/25s hat der OGH nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Judikatur und der Literatur zu § 6 Abs. 2 Z 4 nunmehr ausgesprochen, dass diese Bestimmung auf Dauerschuldverhältnisse (etwa Bestandverträge) nicht anwendbar ist, die darauf angelegt sind, dass die Leistung des Unternehmers (Vermieters) nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist. Im Lichte dieser Entscheidung hat der § 6 Abs. 2 Z 4 KSchG keine Relevanz mehr für Mietverträge oder sonstige längerfristige Dauerschuldverhältnisse.

Die vorgeschlagene Änderung dient lediglich der Klarstellung und Positivierung dieser höchstgerichtlichen Entscheidung und soll, insbesondere vor dem Hintergrund der auf dem Immobilienmarkt (aber auch in anderen Branchen) hervorgerufenen Befürchtungen, für Rechtssicherheit sorgen. Im Sinne der genannten Entscheidung des OGH wird der Wortlaut des § 6 Abs. 2 Z 4 dahin präzisiert, dass Vertragsbestimmungen adressiert sind, nach denen dem Unternehmer auf sein Verlangen für seine innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung zu erbringende Leistung ein höheres als das ursprünglich bestimmte Entgelt zusteht, es sei denn, es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis, das darauf angelegt ist, dass die Leistung des Unternehmers nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Vertragsschließung vollständig zu erbringen ist.

 

Zu Z 2 (§ 41a Abs. 41)

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Die Klarstellung im Tatbestand des § 6 Abs. 2 Z 4 bietet nicht nur für „Neuverträge“ Rechtssicherheit bei der Auslegung der Bestimmung, sondern wirkt im Sinne des höchstgerichtlichen Erkenntnisses zu 10 Ob 15/25s auch auf sämtliche „Altverträge“, die vor dem Inkrafttreten geschlossen worden sind. Die Rückwirkung ist insofern unproblematisch, als eine bloße Klarstellung getroffen wird, die im Einklang mit der Entwicklung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung steht.