Erläuterungen
Allgemeiner Teil
Die Richtlinie (EU) 2022/2381 zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den Direktoren börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen, ABl. Nr. L 315 vom 7.12.2022 S. 44 (CELEX-Nr. 32022L2381, im Folgenden „Richtlinie“ oder „RL“) war bis zum 28. Dezember 2024 umzusetzen.
Das erklärte Ziel der Richtlinie ist es, die Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu gewährleisten und eine ausgewogene Vertretung beider Geschlechter in Führungspositionen im Top-Management zu erreichen, indem eine Reihe von Verfahrensvorschriften in Bezug auf die Auswahl von Kandidatinnen und Kandidaten für die Bestellung oder Wahl zu Direktorinnen und Direktoren auf der Grundlage von Transparenz und Verdiensten festgelegt wird (Erwägungsgrund 7). Unter Direktorinnen und Direktoren im Sinn der Richtlinie sind in Österreich Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder von Aktiengesellschaften sowie Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführende Direktorinnen und Direktoren von Europäischen Gesellschaften (SE) zu verstehen.
Eine ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen soll vor allem durch eine verpflichtende Quotenregelung in börsenotierten Gesellschaften erreicht werden, für die die Richtlinie zwei Ausgestaltungsmöglichkeiten vorsieht: Entweder ist für das unterrepräsentierte Geschlecht unter den nicht geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren – in Österreich also im Aufsichtsrat – eine Mindestquote von 40 Prozent festzulegen (Art. 5 Abs. 1 lit. a der RL); alternativ kann eine Quote von mindestens 33 Prozent für sämtliche (d.h. auch geschäftsführende) Direktorinnen und Direktoren – hierzu zählen in Österreich sowohl die Vorstandsmitglieder als auch die Aufsichtsratsmitglieder – für Personen des unterrepräsentierten Geschlechts vorgesehen werden (Art. 5 Abs. 1 lit. b der RL). Vom Anwendungsbereich der Richtlinie sind zwingend nur Aktiengesellschaften und Europäische Gesellschaften (SE) umfasst, die groß und börsenotiert sind (vgl. Art. 2). Die österreichische Umsetzung soll jedoch über diese Mindestanforderungen hinausgehen und für alle börsenotierten Gesellschaften gelten, wie dies schon bisher bei der mit dem Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat – GFMA-G, BGBl. I Nr. 104/2017, eingeführten Geschlechterquote der Fall war (vgl. § 86 Abs. 7 AktG). Für nicht börsenotierte Unternehmen mit mehr als 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll die bestehende Quotenregelung im Aufsichtsrat unverändert beibehalten werden.
Während die mit dem GFMA-G eingeführte Quotenregelung bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit in Aufsichtsräten geführt hat, hinkt die Besetzung von Frauen in Vorstandspositionen insbesondere börsenotierter Gesellschaften weiterhin deutlich hinterher. Es soll daher eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, welche die Chancengleichheit von Frauen und Männern auch in diesem Bereich gewährleistet. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität soll dabei aber nicht auf die von der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit einer 33-prozentigen Gesamtquote für Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder zurückgegriffen, sondern verpflichtend vorgesehen werden, dass jedem Vorstand einer börsenotierten Gesellschaft – sofern dieser aus mindestens drei Personen besteht – zumindest eine Frau und ein Mann anzugehören haben.
Wenn ein Mitgliedstaat bereits am 27. Dezember 2022 bestimmte Kriterien in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern als Direktorinnen und Direktoren erfüllt hat (nämlich wenn in börsenotierten Gesellschaften im Anwendungsbereich der Richtlinie das unterrepräsentierte Geschlecht mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder oder mindestens 25 Prozent aller Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zusammen stellte), kann er gemäß Art. 12 der Richtlinie die Anwendung des Art. 6 – der bestimmte „Mittel zur Erreichung der Zielvorgaben“ des Art. 5 vorschreibt – aussetzen. Da Österreich am genannten Stichtag diesen Anforderungen entsprochen hat (zum Stichtag 27. Dezember 2022 waren in den in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden börsenotierten Gesellschaften rund 33 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder bzw. rund 25,5 Prozent der Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder zusammen Frauen), soll von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Der unter denselben Voraussetzungen ebenfalls disponible Art. 5 Abs. 2 soll hingegen umgesetzt werden, weil die dort vorgesehenen „individuellen quantitativen Zielvorgaben“ für die Gleichstellung unter den geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren grundsätzlich zweckmäßig erscheinen und auch keine nennenswerte Belastung für die betroffenen Gesellschaften bedeuten.
Gemäß Art. 8 haben die Mitgliedstaaten auch Vorschriften über Sanktionen bei Verstößen der börsenotierten Gesellschaften gegen die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie zu erlassen. Dazu ist festzuhalten, dass in Österreich bei einem Verstoß gegen die Geschlechterquote im Aufsichtsrat (§ 86 Abs. 7 AktG) schon bisher vorgesehen war, dass die Wahl oder Entsendung des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds nichtig ist (vgl. Abs. 8 leg. cit.). Diese – plastisch auch als „leerer Sessel“ bezeichnete – Rechtsfolge soll künftig auch für die Nichteinhaltung der Mindestquote nach der Richtlinie gelten, was im Vergleich zu bloßen Geldbußen etc. eine ungleich strengere Sanktion darstellt. Solche pekuniären Nachteile – in Form von Zwangsstrafen, die das Firmenbuchgericht gegen die Vorstandsmitglieder der betreffenden Gesellschaft verhängen kann – drohen allerdings, wenn Berichtspflichten und ähnliche Vorschriften nicht eingehalten werden.
Zudem soll die Gelegenheit genutzt werden, um eine – nicht im Zusammenhang mit dieser Richtlinienumsetzung stehende – Anpassung des AktG an die mit dem Wertpapierfirmengesetz, BGBl. I Nr. 237/2022, fortentwickelte Rechtslage vorzunehmen (vgl. näher dazu den vorgeschlagenen § 10a Abs. 1 AktG).
Für die Entsendung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat werden entsprechende Anpassungen im Arbeitsverfassungsgesetz erforderlich sein.
Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung der vorgeschlagenen Bestimmungen gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens).
Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des AktG)
Zu Z 1 (§ 10a Abs. 1)
Die vorgeschlagene Änderung steht nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie; diese soll jedoch zum Anlass genommen werden, eine notwendige Anpassung des § 10a AktG an die fortentwickelte Rechtslage vorzunehmen.
Mit dem Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (Wertpapierfirmengesetz – WPFG, BGBl. I Nr. 237/2022) wurde der Tätigkeitenkatalog für Wertpapierfirmen im WAG 2018 erweitert, sodass seit 1. Februar 2023 u.a. auch das Depotgeschäft (§ 3 Abs. 2 Z 10 WAG 2018) – das bisher Kreditinstituten vorbehalten war – von Wertpapierfirmen betrieben werden kann. Es erscheint daher zweckmäßig, auch depotführende Wertpapierfirmen zur Ausstellung von Depotbestätigungen zu ermächtigen. Anders als bei Kreditinstituten soll diese Möglichkeit jedoch auf Wertpapierfirmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat des EWR – und nicht auch in einem Vollmitgliedstaat der OECD – beschränkt sein, weil außerhalb des EWR nicht von einem einheitlichen Standard für die Zuverlässigkeit von Depotbestätigungen ausgegangen werden kann.
Zu Z 2 (§ 75 Abs. 1a)
Inklusion und Vielfalt sind von wesentlicher Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, wenn es darum geht, Innovation zu fördern und mehr und bessere Fachkompetenzen in die Leitungsorgane einzubinden. Eine stärkere Beteiligung von Frauen in Entscheidungen der Wirtschaft, vor allem in den Leitungsorganen, dürfte sich auch positiv auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den betreffenden Unternehmen und in der Wirtschaft insgesamt auswirken (siehe Erwägungsgrund 10 der RL).
Die derzeit geltende gesetzliche Geschlechterquote gilt ausschließlich für den Aufsichtsrat (§ 86 Abs. 7 AktG) und bezieht Vorstandsmitglieder nicht ein. Zur Verbesserung der Gleichstellung der Geschlechter auch bei der Entscheidungsfindung innerhalb des Unternehmens soll eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die eine verstärkte Vertretung von Frauen in Vorstandspositionen börsenotierter Gesellschaften gewährleistet. Dadurch lässt sich der verfügbare Talentpool – sowohl von Frauen als auch von Männern – in vollem Umfang ausschöpfen und es kommt zu einer faireren Vertretung von Frauen und Männern in Verantwortungspositionen der Wirtschaft.
Es soll jedoch nicht auf das Modell der Richtlinie zurückgegriffen werden, welche die Möglichkeit einer Gesamtquote von 33 Prozent für Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder zusammen vorsieht. Diese Gesamtquote hat ein „Gesamtleitungsorgan“ vor Augen, wie es in monistischen Systemen üblich ist, und könnte bei Übertragung auf das dualistische System der Aktiengesellschaft – in dem Vorstand und Aufsichtsrat zwei unabhängig voneinander zu bestellende Organe sind – zu Abgrenzungsproblemen und Rechtsunsicherheit führen.
Um eine klare und für die Gesellschaften vorhersehbare Regelung zu schaffen, wird daher eine verpflichtende Vertretung beider Geschlechter im Vorstand vorgeschlagen. Künftig hat dem Vorstand einer börsenotierten Gesellschaft, sofern dieser aus mehr als zwei Personen besteht, mindestens eine Frau und ein Mann anzugehören. Eine entgegen dieser Vorgabe erfolgte Bestellung führt zwar – anders als die Nichteinhaltung der Geschlechterquote bei Aufsichtsratsmitgliedern – nicht zu deren Nichtigkeit; das Vorstandsmitglied ist jedoch nicht in das Firmenbuch einzutragen. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften bewirkt also – ähnlich wie die Disqualifikation eines Vorstandsmitglieds nach § 75 Abs. 2a AktG – nicht, dass die Bestellung zum Vorstandsmitglied unwirksam wäre oder würde; daher sind auch dessen Vertretungshandlungen grundsätzlich wirksam. Dieser Umstand ist jedoch vom Firmenbuchgericht amtswegig zu beachten und stellt ein Eintragungshindernis dar. Der Antrag auf die (nur deklarativ wirkende) Eintragung des betreffenden Vorstandsmitglieds ist daher abzuweisen. Auf bereits eingetragene Vorstandsmitglieder hat die Regelung keine Auswirkung, diese müssen demnach nicht nachträglich gelöscht werden. Damit die Einhaltung dieser Vorschrift für die Firmenbuchgerichte überprüfbar wird, ist in Anmeldungen von Vorstandsmitgliedern börsenotierter Gesellschaften zum Firmenbuch künftig anzugeben, aus wie vielen Frauen und Männern sich der Vorstand zusammensetzt.
Zu Z 3 und Z 4 (§ 86 Abs. 6a, 6b und 7)
In § 86 Abs. 7 AktG ist bereits eine gesetzliche Geschlechterquote für die Kapitalvertreterinnen und Kapitalvertreter im Aufsichtsrat vorgesehen, für die Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter bestehen parallele Regelungen im ArbVG. Nach der geltenden Fassung des § 86 Abs. 7 AktG besteht der Aufsichtsrat in börsenotierten Gesellschaften (vgl. § 3 AktG) sowie Gesellschaften, die dauernd mehr als 1 000 Arbeitnehmer beschäftigen, zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und zu mindestens 30 Prozent aus Männern, sofern der Aufsichtsrat aus mindestens sechs Mitgliedern (Kapitalvertretern) und die Belegschaft zu mindestens 20 Prozent aus Arbeitnehmerinnen bzw. aus Arbeitnehmern besteht. Parallele Bestimmungen finden sich im GmbHG, im GenG und im SEG.
Die Richtlinie sieht nun für börsenotierte Gesellschaften eine davon abweichende Geschlechterquote vor: Nach Art. 5 der RL haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass bis zum 30. Juni 2026 das unterrepräsentierte Geschlecht entweder mindestens 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren – umgelegt auf Österreich sind das die Aufsichtsratsmitglieder – oder mindestens 33 Prozent aller Direktorinnen und Direktoren – also der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder – stellt. Kleine und mittlere Gesellschaften sowie Kleinstgesellschaften sind zwar vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen; nach § 221 Abs. 3 zweiter Satz iVm. § 189a Z 1 lit. a UGB gelten börsenotierte Gesellschaften jedoch stets als große Gesellschaften. Mit dem neuen Abs. 6a sollen die Anforderungen der Richtlinie daher für sämtliche börsenotierten Gesellschaften richtlinienkonform umgesetzt werden. Für nicht börsenotierte Gesellschaften, die nicht der Richtlinie unterliegen, soll dagegen die bisherige Regelung beibehalten werden. Der Anwendungsbereich des Abs. 7 wird daher entsprechend eingeschränkt.
Künftig hat daher der Aufsichtsrat börsenotierter Aktiengesellschaften zu mindestens 40 Prozent aus Frauen und zu mindestens 40 Prozent aus Männern zu bestehen. Die Quote des Abs. 6a gilt unabhängig von der Größe des Aufsichtsrats. In Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 der RL wird eine besondere Rundungsregel vorgesehen: Kann aufgrund der Personenzahl im Aufsichtsrat die Quote nicht genau erreicht werden, so gilt jene Personenzahl, die 40 Prozent am nächsten kommt, 49 Prozent aber nicht überschreitet. Dies bedeutet beispielsweise für einen aus drei Personen bestehenden Aufsichtsrat, dass mindestens eine Person dem unterrepräsentierten Geschlecht anzugehören hat. Eine tabellarische Darstellung der erforderlichen Mindestanzahl der vom unterrepräsentierten Geschlecht gestellten Aufsichtsratsmitglieder findet sich im Anhang zur Richtlinie.
Zusätzlich zur Quote für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in Abs. 6a sieht Abs. 6b die Festlegung individueller quantitativer Zielvorgaben für eine ausgewogenere Vertretung beider Geschlechter unter den Vorstandsmitgliedern vor. Damit wird Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie umgesetzt. Diese Zielvorgaben sollten den Unternehmen helfen, deutliche Fortschritte im Vergleich zu ihrer derzeitigen Situation zu erzielen (siehe Erwägungsgrund 46). Diese Aufgabe wird in Einklang mit dem Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft dem Aufsichtsrat zugewiesen. Die Richtlinie verlangt auch Vorschriften über Sanktionen, die bei Verstößen gegen die nationalen Umsetzungsvorschriften von Art. 5 Abs. 2 der RL verhängt werden (vgl. Art. 8 Abs. 1 der RL). Derartige Sanktionen sind grundsätzlich im österreichischen Aktienrecht bereits vorhanden und auch geeignet, Verstöße gegen die nunmehr zu erlassenden Vorschriften zu verhindern bzw. zu ahnden: Kommen die Aufsichtsratsmitglieder der Verpflichtung nach Abs. 6b nicht nach, kann dies ein Grund für die vorzeitige Beendigung ihrer Organfunktion (Abberufung) sein und sie auch persönlich schadenersatzpflichtig machen. Den Aufsichtsrat trifft allerdings lediglich die gesetzliche Pflicht zur Aufstellung der Zielvorgaben, nicht aber auch zu deren Einhaltung. Die individuellen Zielvorgaben sind zudem in den Corporate Governance-Bericht aufzunehmen und auf der im Firmenbuch eingetragenen Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen (siehe auch die Erläuterungen zu § 243c Abs. 2 Z 2a UGB).
Zu Z 5 (§ 86 Abs. 8)
Die Verletzung der Quote nach § 86 Abs. 6a AktG soll – wie bereits der Verstoß gegen Abs. 7 – die Sanktion des sogenannten „leeren Sessels“ nach sich ziehen. Verstößt also die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrates durch die Hauptversammlung und die Entsendung in den Aufsichtsrat gegen die Mindestquote, so ist diese nichtig.
Zu Z 6 bis 8 (§ 108 Abs. 1 und 2, § 110 Abs. 2)
Durch die Verweisanpassungen wird klargestellt, dass auch die verpflichtende Einhaltung der Geschlechterquote nach § 86 Abs. 6a AktG sich schon in dem vom Aufsichtsrat zu erstattenden Wahlvorschlägen niederschlagen muss und eine entsprechende Ergänzung der Informationspflicht des Aufsichtsrats eingefügt. In diesem Sinn soll auch der Verweis in § 110 Abs. 2 AktG angepasst werden. Sofern in börsenotierten Aktiengesellschaften Aktionäre zu einem Punkt der Tagesordnung Beschlussvorschläge machen und es sich dabei um einen Vorschlag zur Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds handelt, ist die Gesellschaft verpflichtet, auch auf die sich aus der Quotenregelung des neuen § 86 Abs. 6a AktG ergebenden Erfordernisse hinzuweisen.
Zu Z 9 (§ 262 Abs. 47 und 48)
Die neuen Regelungen sollen bei allen nach dem 1. Juli 2025 erfolgenden Bestellungen von Vorstandsmitgliedern sowie Wahlen und Entsendungen in den Aufsichtsrat zu beachten sein (Abs. 47). Unter Entsendung ist hier nicht die Entsendung von Arbeitnehmervertretern (diese ist im Arbeitsverfassungsgesetz geregelt) zu verstehen, sondern die Entsendung aufgrund von sich aus den Statuten ergebenden Entsendungsrechten. Klargestellt wird im zweiten Halbsatz, dass bereits bestehende Vorstands- oder Aufsichtsratsmandate davon nicht berührt sind; bereits gewählte oder entsandte Mitglieder können bis zum Ende ihrer Funktionsdauer Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder bleiben. Dies gilt auch für bereits gewählte nachrückende Ersatzmitglieder im Aufsichtsrat, nicht aber für Stellvertreter, die nur in konkreten Verhinderungsfällen ein Aufsichtsratsmitglied zu vertreten haben.
Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, börsenotierte Gesellschaften entweder dem Ziel zu unterwerfen, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts unter den nicht geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren in Leitungsorganen (also unter den Aufsichtsratsmitgliedern) bis zum 30. Juni 2026 auf mindestens 40 Prozent zu erhöhen; da es wichtig ist, dass börsenotierte Gesellschaften den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts in sämtlichen Entscheidungspositionen erhöhen, können sie alternativ dem Ziel unterworfen werden, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts unter allen Direktorinnen und Direktoren in Leitungsorganen unabhängig davon, ob sie geschäftsführende Direktorinnen und Direktoren oder nicht geschäftsführende Direktorinnen und Direktoren sind (also Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder), bis zum 30. Juni 2026 auf mindestens 33 Prozent zu erhöhen, um eine ausgewogenere Vertretung der Geschlechter unter allen Direktoren zu fördern (Art. 5 Abs. 1 der RL, Erwägungsgrund 34). In Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung sieht Abs. 48 daher vor, dass börsenotierte Gesellschaften dafür zu sorgen haben, dass die in § 86 Abs. 6a festgelegten Ziele bis spätestens 30. Juni 2026 erfüllt werden. Um eine zeitnahe und effektive Steigerung des Frauenanteils auch im Vorstand zu erreichen, soll dasselbe für die in § 75 Abs. 1a vorgesehenen Vorgaben gelten. Dabei wird den Gesellschaften die Wahlfreiheit belassen, welche Mittel sie zur Erreichung dieser Ziele einsetzen wollen. Bis zum 30. Juni 2026 haben börsenotierte Gesellschaften überdies zu versuchen, die nach § 86 Abs. 6b AktG festgelegten individuellen quantitativen Zielvorgaben zu erfüllen; damit wird Art. 5 Abs. 2 der RL umgesetzt.
Zu Artikel 2 (Änderung des SEG)
Zu Z 1 und 2 (§ 45 Abs. 3 bis 5)
Auch der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren der Europäischen Gesellschaft (SE) fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2022/2381. In den Abs. 3 bis 5 soll daher auch für diese die künftig in § 86 Abs. 6a und 6b AktG für börsenotierte Aktiengesellschaften vorgesehene Quotenregelung nachgebildet werden (siehe auch die Erläuterungen zu § 86 Abs. 6a und 6b und Abs. 7 AktG in Artikel 1 Z 3 und 4). Dabei ist zu beachten, dass in börsenotierten SE die geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren nicht dem Verwaltungsrat angehören dürfen (§ 59 Abs. 2 SEG).
Zu Z 3 (§ 59 Abs. 2)
Die in § 75 Abs. 1a AktG für den Vorstand von Aktiengesellschaften vorgesehene Regelung über die Geschlechterbeteiligung soll auch für die geschäftsführenden Direktorinnen und Direktoren der SE nachgebildet werden (siehe auch die Erläuterungen zu § 75 Abs. 1a AktG in Artikel 1 Z 2). Für die Mitglieder des Verwaltungsrates der SE gilt dagegen die Quote des § 45 Abs. 4 SEG.
Zu Z 4 (§ 67 Abs. 15 und 16)
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten (siehe auch die Erläuterungen zu § 262 AktG in Artikel 1 Z 9).
Zu Artikel 3 (Änderung des UGB)
Zu Z 1 (§ 243c Abs. 2 Z 2a)
Die Richtlinie sieht in Art. 7 Berichterstattungspflichten börsenotierter Gesellschaften über den Anteil der Geschlechter in ihren Leitungsorganen sowie zu den von ihnen zur Erfüllung der Zielvorgaben dieser Richtlinie eingeleiteten Maßnahmen vor. Diese Berichterstattungspflichten sollten jedoch in Mitgliedstaaten, die – wie nun für Österreich vorgeschlagen wird – die Anwendung von Art. 6 gemäß Art. 12 der RL ausgesetzt haben, nicht gelten, sofern das nationale Recht dieser Mitgliedstaaten Berichterstattungspflichten enthält, die die regelmäßige Veröffentlichung von Informationen über Fortschritte börsenotierter Gesellschaften im Hinblick auf eine ausgewogenere Vertretung von Frauen und Männern in ihren Leitungsorganen gewährleisten (siehe Erwägungsgrund 47).
Bereits derzeit haben börsenotierte sowie kapitalmarktorientierte Gesellschaften im Corporate Governance-Bericht anzugeben, welche Maßnahmen zur Förderung von Frauen im Vorstand, im Aufsichtsrat und in leitenden Stellungen der Gesellschaft gesetzt wurden (nach § 243c Abs. 2 Z 2 UGB). Um unnötigen Verwaltungsaufwand und Doppelarbeit zu vermeiden, sollen die gemäß Art. 7 Abs. 4 der RL national zu ergänzenden Berichterstattungspflichten für börsenotierte Gesellschaften im Corporate Governance-Bericht ergänzt werden.
Auch die Informationen über die nach § 86 Abs. 6b AktG vom Aufsichtsrat festzulegenden individuellen quantitativen Zielvorgaben zur Verbesserung der ausgewogenen Vertretung der Geschlechter unter den Vorstandsmitgliedern sind in börsenotierten Gesellschaften künftig in den Corporate Governance- Bericht aufzunehmen.
Zu Z 2 (§ 281 Abs. 1a)
Zur Verbesserung der Transparenz und im Sinn einer leichteren Zugänglichkeit der Informationen sollen börsenotierte Gesellschaften künftig ihren Corporate Governance-Bericht auf der im Firmenbuch eingetragenen Internetseite der Gesellschaft veröffentlichen. Die Frist für die Veröffentlichung auf der Website beginnt spätestens mit dem Ende der Einreichfrist und endet in Übereinstimmung mit der bereits bestehenden Frist für die Veröffentlichung des Vergütungsberichts (§ 78e AktG) nach zehn Jahren. Die Nichteinhaltung der Veröffentlichungspflicht wird durch die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 284 UGB sanktioniert.
Zu Z 3 (§ 284)
Die Prüfung der Frage, ob ein erforderlicher Corporate Governance-Bericht aufgestellt wurde, ist zwar Gegenstand der Abschlussprüfung („Existenzprüfung“, § 269 Abs. 3 UGB); davon ist allerdings die Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit nicht mitumfasst. Falschangaben waren bisher gar nicht oder nur mittelbar sanktionierbar. Um sicherzustellen, dass der Corporate Governance-Bericht die notwendigen inhaltlichen Angaben enthält und damit auch den Sanktionserfordernissen des Art. 8 der Richtlinie nachgekommen wird, ist es daher erforderlich, Verstöße gegen § 243c Abs. 2 Z 2 bis 3 UGB in den Katalog der Zwangsstraftatbestände des § 284 UGB aufzunehmen.
Zu Z 4 (§ 906 Abs. 56)
Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Die nach § 243c Abs. 2 Z 2a UGB neu hinzukommenden Angaben sollen erstmals in Corporate Governance-Berichte für Geschäftsjahre aufzunehmen sein, die nach dem 1. Juli 2025 enden.
Zu Artikel 4 (Förderungsstellen und Umsetzungshinweis)
Nach Art. 10 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten eine oder mehrere Stellen zu bezeichnen, deren Aufgabe darin besteht, die ausgewogene Vertretung der Geschlechter in den Leitungsorganen zu fördern, zu analysieren, zu beobachten und zu unterstützen. Die [Anm.: die politische Entscheidung über die Benennung der Stellen steht noch aus] werden daher in Abs. 1 als zuständige Stellen iSd. Art. 10 der RL bezeichnet.
In Abs. 2 findet sich der übliche Hinweis auf die durch dieses Bundesgesetz umgesetzte EU-Richtlinie.