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12.51

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Vor allem aber liebe Österreicherinnen und Österreicher! Heute, an diesem 24. Oktober 2024, tritt der Nationalrat zum ersten Mal in seiner frisch gewählten Konstellation zusammen. Die Stärkeverhältnisse und die Positionen der Parteien sind vom Souverän gänzlich neu verteilt und gewichtet worden. 

Es hat sich vieles geändert seit dem letzten Mal, und wenn ich heute als Klubobmann der Freiheitlichen Partei hier stehe und zu Ihnen sprechen darf, zum ersten Mal in unserer Geschichte als Klubobmann der stärksten Fraktion im österreichischen Nationalrat, so erfüllt mich das vor allem mit einem Gefühl, und das ist Demut: Demut vor den Wählerinnen und Wählern, Demut vor den Österreicherinnen und Österreichern, Demut vor dem, was unsere Vorgänger in der Zweiten Republik aufgebaut haben, und Demut vor unserer Neutralität, dem Einsatz für den Frieden und unserer demokratischen Werteordnung.

Heute sitzen hier 57 vom Volk gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Freiheitlichen Partei, und wir alle sind stolz, Stimme und Werkzeug von mehr als 1,4 Millionen Wählerinnen und Wählern zu sein, deren Willen wir in den kommenden Jahren mit Klarheit und mit Vehemenz vertreten werden. Wir werden alles dafür tun, dass es insgesamt fünf gute Jahre für die Österreicherinnen und Österreicher werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus Sicht der Freiheitlichen ist dieses Wahlergebnis des 29. September ein unmissverständlicher Appell für eine starke, für eine massive Veränderung, personell und inhaltlich, in allen politischen Kernbereichen. Und es ist noch etwas: Es ist überdies vor allem ein Auftrag dazu, die Kluft zwischen der Politik auf der einen Seite und der Bevölkerung auf der anderen Seite zu schließen, anstatt sie immer weiter aufzureißen. Das sollte für jeden politischen Verantwortungsträger bei jeder einzelnen Entscheidung das Maß der Dinge sein, von der Staatsspitze beginnend. (Beifall bei der FPÖ.)

Demokratie ist die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk – was für ein wunderschöner Satz. Er ist schon rund 150 Jahre alt und stammt von Abraham Lincoln. Lincoln hat in diesen einfachen Worten das formuliert, was unser Auftrag hier in diesem Parlament ist: Volksvertreterinnen und Volksvertreter zu sein.

Allen neuen Mitgliedern dieses Hohen Hauses möchte ich heute Folgendes mitgeben: Es ist eine der ehrenvollsten, es ist eine der erhabensten und eine der edelsten Aufgaben, die man in der Politik nur haben kann, nämlich seinen Wählerinnen und Wählern als eine oder als einer von 183 Abgeordneten eine Stimme zu verleihen – im Gesetzgebungsprozess, in der Kontrolltätigkeit, in der Diskussion, in all den wesentlichen Entscheidungen, in der Frage, in welche Richtung sich unsere Heimat weiterentwickeln soll. All jenen, die schon länger hier in diesem Haus sitzen, möchte ich einfach in Erinnerung rufen: Es ist nichts Ehrenrühriges, sich dem Volk verpflichtet zu fühlen, ganz im Gegenteil. – Wenn Sie es mir nicht glauben, vielleicht glauben Sie es Abraham Lincoln.

Heute, meine Damen und Herren, treffen wir bereits die erste wichtige Entscheidung. Wir geben bei den kommenden Wahlgängen die Antwort auf die Frage, wer denn aus unserer Mitte heraus alle 183 Abgeordneten künftig vertreten und repräsentieren soll, wer diesem Nationalrat vorsitzen soll, wer Teil des dreiköpfigen Präsidiums für die nächsten fünf Jahre sein soll.

Ich denke, es ist eine gute und eine bewährte – und in diesem Wort, bewährt, steckt die Wahrheit drinnen – Tradition in Österreich, diese Vergabe der Positionen, diese Wahl aus dem Parteienstreit, aus anderen Verhandlungen, die manchmal zeitgleich laufen – das ergibt sich einfach so aus dem Kalender –, herauszuhalten. Ich rede von Diskussionen und Debatten, Verhandlungen darüber, wer denn die nächste Regierung bilden wird. Ich rede von Debatten darüber, welches Programm für dieses Land in dieser Frage notwendig ist, und am Ende auch darüber, welche Personen Mitglieder einer neuen Regierung sein werden. Das ist wichtig, aber das steht auf einem anderen demokratischen Blatt.

Das hier, das ist das Haus des Volkes, des Souveräns, das Haus seiner gewählten Vertreter, und genau deshalb sind wir es, wir alle, die gewählten Abgeordneten, die bestimmen, wer uns im Präsidium des Nationalrates vertreten soll – nur wir und sonst niemand.

Meine Damen und Herren! Der deutsche Schriftsteller Manfred Hausmann hat Demokratie einmal so beschrieben: „Demokratie heißt, die Spielregeln einhalten, auch wenn kein Schiedsrichter zusieht.“ – Wir werden heute dahin gehend geprüft werden. Werden wir die Spielregeln, die uns die demokratische Entscheidung – also die Volksentscheidung – vorgibt, einhalten?

Sie alle wissen, es ist ein ungeschriebenes Gesetz, seit langer Zeit, dass die drei stärksten Parteien – im Kern gesagt – in der Reihenfolge des Wahlergebnisses die drei Präsidenten des Nationalrates stellen. Das nennt man Usance; das ist diese viel zitierte Usance. Es ist hier also eigentlich gar keine Frage, wem diese Positionen zustehen oder nicht. Es ist hier die Frage, ob wir als Abgeordnete bereit sind, dem tiefsten Sinn der Demokratie, der Anerkennung des Wählerwillens in seiner Gesamtheit Rechnung zu tragen, denn wir sind nicht hier, um uns selbst zu verwirklichen, sondern wir sind hier, um das zu verwirklichen, was sich die Österreicherinnen und Österreicher wünschen.

Diese sogenannte Usance, die garantiert das auf eine ganz elementare, auf eine ganz allgemeine Art, auf einer ganz allgemeinen Ebene, in einer – wenn Sie so wollen – unverzerrten und unmittelbaren Art und Weise. Sie gibt vor, wer von wem wofür vorgeschlagen wird – das ist die eine Seite –, und sie gibt vor, dass dieser Vorschlag des einen durch die jeweils anderen wechselseitig seine Anerkennung findet – das ist die andere Seite.

Dialektisch formuliert könnte man sagen: Die demokratische Gemeinsamkeit und Einheit bestehen gerade in der Anerkennung und dem Respekt vor dem Unterschied, vor der Unterschiedlichkeit oder der Verschiedenheit in Inhalt und in Stärke. Dieser Auftrag gilt für uns alle hier herinnen gleichermaßen.

Jetzt weiß ich schon, meine Damen und Herren, dass manche meinen, dass diese Usancen eigentlich schwach sind, weil sie nirgendwo festgeschrieben sind, und dass man sie deshalb gar nicht so wichtig nehmen muss, dass sie vielleicht gar nicht so wertvoll sind, dass man sie leichtfertig irgendwo beiseiteschieben und davon abgehen kann.

Ich möchte dagegenhalten, meine Damen und Herren, dass diese Usancen wertvoll sind und dass sie stark sind. Sie sind so stark, dass man sie nicht einmal festschreiben muss. Sie sind so wertvoll, dass sie eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten – und sie funktionieren. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie funktionieren unter einer Voraussetzung: Sie funktionieren nur dann und sie sind nur dann stark, wenn auch unsere gemeinsame demokratische Grundeinstellung stark ist. Wenn diese demokratische Grundeinstellung stark ist, dann sind auch diese Usancen stark; und wenn die demokratische Grundeinstellung schwach ist, dann sind auch diese Usancen nicht von Bedeutung.

Für unsere Fraktion, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ich Ihnen sagen: Unsere demokratische Grundeinstellung ist stark; sie ist immer stark gewesen, und sie ist das auch jetzt, egal ob wir Wahlen verloren haben oder ob wir wie jetzt die Gewinner sind. Ein guter Demokrat muss ein guter Gewinner und ein guter Verlierer sein, eines allein ist zu wenig – in guten und in schlechten Zeiten heißt es in anderen Bereichen vollkommen zu Recht. Daran halten wir uns jetzt und in Zukunft, so, wie wir uns auch in der Vergangenheit daran gehalten haben. (Abg. Herr [SPÖ]: Ja, heute! – Abg. Maurer [Grüne]: Stimmt nicht! Eva Glawischnig! – Ruf bei der SPÖ: Barbara Prammer!)

Meine Damen und Herren, wir beweisen und tun das, indem wir heute die Kandidaten der SPÖ und der ÖVP unterstützen: Doris Bures – Ladies first –, sie gehört ja dem Präsidium des Nationalrates schon lange Zeit an, werden wir aus Respekt ihrer Person und ihrer Leistung gegenüber und aus Respekt gegenüber den Wählerinnen und Wählern der Sozialdemokratie unterstützen. 

Peter Haubner ist ein lang gedienter und erfahrener Abgeordneter aus den Reihen der Österreichischen Volkspartei, der jetzt Verantwortung für uns alle übernehmen will. – Peter Haubner, auch Sie haben unsere Unterstützung, aus Respekt Ihrer Person und Ihrer Leistung gegenüber und aus Respekt gegenüber den Wählerinnen und Wählern der Österreichischen Volkspartei. 

Als Erstplatzierte der Nationalratswahlen haben wir Freiheitliche das übliche Recht, den – ersten – Präsidenten des Nationalrates vorzuschlagen. Wir haben Walter Rosenkranz nominiert. Walter Rosenkranz hat dieser Republik als Abgeordneter, als Klubobmann der damaligen Regierungspartei FPÖ und zuletzt als Volksanwalt in absolut untadeliger Art und Weise loyal gedient. Walter Rosenkranz hat niemals einen Zweifel an seiner unverbrüchlichen Treue zu unserer geliebten Republik Österreich und an seiner unverbrüchlichen Treue zu Demokratie, Verfassung und Rechtsstaat aufkommen lassen. Ich weiß, dass Walter Rosenkranz menschlich und in charakterlicher Hinsicht der Richtige für dieses verantwortungsvolle Amt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, dass die drei Genannten ein gutes, ein harmonisches, ein professionelles, ein konsensorientiertes und ein konsensfähiges Nationalratspräsidium – ein Team mit einem Primus inter Pares – bilden werden. Daher darf ich Sie bitten, werte Abgeordnete, als Ausdruck Ihres Respekts vor der Usance, als Zeichen Ihres Respekts vor den drei vorgeschlagenen Personen und als Zeichen und als Beweis Ihres Respekts vor dem Wählerwillen in seiner Gesamtheit Ihre Stimmen für Doris Bures, Peter Haubner und Walter Rosenkranz abzugeben. 

In diesem Sinne: Es lebe das österreichische Parlament, es lebe die demokratische, souveräne, wehrhafte und neutrale Republik Österreich! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

13.03

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobmann Bundeskanzler Karl Nehammer. (Abg. Stögmüller [Grüne]: MSc!) – Bitte sehr.