RN/11

13.14

Abgeordneter Andreas Babler, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und zu Hause vor Notebooks, TV-Geräten oder anderen Bildschirmen! Es erfüllt mich mit großer Freude, aber auch tiefer Ehrfurcht, heute hier im Hohen Haus vor Ihnen sprechen zu dürfen.

Ich möchte mich gleich zu Beginn meiner Rede an dieser Stelle bei allen ausgeschiedenen Mandatarinnen und Mandataren meiner Fraktion bedanken, die ich gestern auch noch mit persönlichen Worten verabschieden konnte, die hier in den letzten Jahren mit großer Leidenschaft und mit all ihrer Kraft die Werte und die Positionen der Sozialdemokratie vertreten und gelebt haben. – Vielen herzlichen Dank an alle, die heute noch zusehen und natürlich mit Spannung den Start dieser neuen Periode mitverfolgen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von NEOS und Grünen.)

Es gibt einen zweiten Punkt, der mich an diesem Tag sehr bewegt: Heute ist für mich gleichzeitig auch ein Tag des Abschieds, da ich nämlich mit heutiger Wirkung meine Funktion als Bürgermeister meiner geliebten Heimatstadt zurückgelegt habe – nach knapp 30 Jahren Tätigkeit in der Kommunalpolitik, im Gemeinderat meiner Stadt; über zehneinhalb Jahre davon habe ich als Bürgermeister mit ganzer Kraft und ganzer Liebe meine Heimatstadt mitprägen dürfen. Es waren 30 Jahre, die auch gezeigt haben, welche großen Aufgabenstellungen auch für die Republik bestehen, die wir in meiner Stadt schon als große – eigentlich schon vor ihrer Zeit – Herausforderungen gehabt haben, nämlich die Deindustrialisierung, der wirtschaftliche Strukturwandel, die großen Fluchtbewegungen. All das sind Dinge, die speziell in jetziger Zeit auch Bedeutung für die gesamte Republik haben, die jetzt die großen Aufgabenstellungen in der Politik auf Bundesebene darstellen und die wir in unserer Stadt gut haben handeln können.

Wichtig sind aber mein politisches Verständnis und auch mein politischer Stil, den ich gepflegt habe. Eine Erfahrung davon möchte ich gerne auch in die Bundespolitik mitbringen, nämlich nachzudenken, Politik auf Augenhöhe zu formulieren, Respekt gegenüber Lebensrealitäten, den ganz individuellen Lebensrealitäten von Menschen erlebbar, spürbar zu machen, aber auch als großen Auftrag aus diesem Politikverständnis heraus Politik zu denken. All das möchte ich auch verstärkt in die Bundespolitik einbringen: Respekt vor Menschen, Politik auf Augenhöhe, Respekt vor individuellen Lebensrealitäten aller Menschen, die in diesem unserem Land leben. (Beifall bei der SPÖ.)

Darum möchte ich zu Beginn auch ein großes Versprechen geben, nämlich das Versprechen an all diejenigen Menschen, die unsere Sitzung heute mitverfolgen und die das Gefühl gehabt haben – und oft auch berechtigt haben –, dass ihre Lebensrealitäten in der Vergangenheit im politischen Geschäft zu wenig berücksichtigt worden sind, genau den beschriebenen Zugang wieder in den Vordergrund zu heben. Ich denke an Menschen mit Biografien wie der meinen, einem stolzen Kind einer Arbeiterfamilie, mit Lebensläufen wie jenen auch meiner Eltern. Ich möchte ihnen die Zuversicht geben, dass die Politik diesen zentralen Ansatz eines politischen Stils, einer politischen Denkweise wieder zum Grundprinzip ihres Handelns macht. Es geht darum, dass man auch die Gewissheit hat, Rahmenbedingungen dafür zu finden, sich mit seiner Leistung auch wieder etwas aufbauen zu können und dass es der nächsten Generation, den eigenen Kindern wieder ein Stück besser gehen kann.

Ich bin ein Kind der Siebzigerjahre, in denen Bruno Kreisky dieses Versprechen in die politische Wirklichkeit gebracht hat. Ich war in den Siebzigerjahren das erste Kind einer Generation, die von diesem Versprechen profitiert hat, das erste Kind – sozusagen pauschal gesehen, aber für mich ganz individuell –, das Möglichkeiten gehabt hat und schlussendlich auch voller Stolz heute hier stehen kann, dem es ein bisschen besser gegangen ist, da sich Leistung tatsächlich gelohnt hat und der nächsten Generation etwas aufgebaut und weitergegeben werden konnte, um deren Lebensbedingungen ein Stück weit besser und leichter zu gestalten.

Dieses Versprechen, Zuversicht zu geben, Optimismus zu geben und alles daran zu setzen, dass es der nächsten Generation in diesem Land, unseren eigenen Kindern wieder ein Stück besser geht, ist, glaube ich, das, was uns gemeinsam antreiben sollte. Das ist mein Politikverständnis. (Beifall bei der SPÖ.)

Bis jetzt wurde dieses Versprechen nicht spürbar; aus vielerlei Gründen ist dieses Versprechen nicht spürbar gewesen. Schauen wir auf die Ansätze im Bildungssystem: Da ist nicht das Vertrauen da, dass es umfassend gut aufgestellt ist. Wir sehen, was Menschen heute von Sicherheit und Schutz im sozialen Bereich denken, dass sie, wenn es um Gesundheitsversorgung, um Krankheitsfälle in den eigenen Familien geht, am Versprechen, dass sich etwas für sie selber und für die nächsten Generationen verbessert, zweifeln. Wenn die Menschen in diesem Land – zum Beispiel im Supermarkt – spüren, dass es schwierig geworden ist, mit dem Lohn für die eigene Leistung das Leben auch tatsächlich leichter und leistbar zu gestalten, dann ist dieses Versprechen für sie nicht spürbar. 

Das sind die Herausforderungen, mit denen sich eine künftige Regierung, mit denen wir alle hier im Hohen Haus uns beschäftigen müssen. Die Betonung liegt auf müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn wir als Abgeordnete sind das den Österreicherinnen und Österreichern und allen, die in unserem Land leben, einfach schuldig.

Menschen haben Rechte. Ich sage das ganz bewusst immer wieder: Menschen haben Rechte und sie sind keine Bittstellerinnen und Bittsteller. Sie haben ein Recht darauf, sich ein gutes Leben erarbeiten zu können, ein Recht auf exzellente Bildung, sie haben ein Recht auf Schutz und Sicherheit im umfassenden Sinn. Sie haben ein Recht auf Zuversicht, und es ist unsere große Pflicht, dafür zu sorgen. Um dieses Versprechen wieder zu geben, braucht es eine Politik der Zusammenarbeit, eine Politik, die verbindet, statt zu spalten, eine Politik, die sich uneingeschränkt zu den Grundpfeilern unserer Republik bekennt.

Dazu gehören für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten neben vielem anderen eine starke Demokratie als zentralster Grundpfeiler unserer Republik, der Schutz und die Förderung der Menschen- und Minderheitenrechte, Freiheit und Unabhängigkeit der Medien als vierte Gewalt, der Respekt vor dem politischen Mitbewerber und vor divergierenden Meinungen, die gleichberechtigte Teilhabe und die Stärkung von Frauenrechten und – ganz klar gesagt – die klare Positionierung gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Oberhofer [NEOS].)

Diese Prinzipien sind nicht verhandelbar. Sie sind unser historischer Auftrag. Sie sind das Fundament, auf dem unser demokratisches, unser pluralistisches Zusammenleben beruht. Sie sind die Leitlinien, wenn es heute darum geht, die Weichen hier im Hohen Haus zu stellen und das Präsidium des Nationalrates zu wählen.

Bevor die 183 Abgeordneten über das zweithöchste Amt in unserer Republik entscheiden, lassen Sie mich ein paar Punkte festhalten: Für mich ist klar, dass der Nationalratspräsident im Namen des Parlamentarismus über alle politischen Grenzen hinweg vermitteln muss und den Ausgleich zu suchen hat. Für mich ist klar, dass der Nationalratspräsident das Ansehen und die Würde des Hohen Hauses hochhalten muss, ganz besonders bei repräsentativen Auftritten im Ausland. Für mich ist klar, dass der Nationalratspräsident keine Berührungspunkte mit Rechtsextremen haben darf. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Rufe bei den Grünen: Ah! Ah!)

Es obliegt – in aller Deutlichkeit auch an den Klubobmann der Freiheitlichen Partei und an die Parlamentsfraktion gerichtet – dem Freiheitlichen Klub als größter Fraktion, das Vorschlagsrecht für das zweithöchste Amt im Staat wahrzunehmen. Gleichermaßen ist es das Recht jedes und jeder Abgeordneten, frei und in geheimer Wahl zu entscheiden, ob die vorgeschlagene Person die richtige für dieses verantwortungsvolle Amt ist. Respekt gegenüber allen Menschen, die in Österreich leben, Respekt vor Menschenrechten, unerschütterlicher Humanismus und Antifaschismus sind für mich zentrale Grundpfeiler unserer Demokratie. Ich werde diesen Grundprinzipien folgend und für Sie klar nachvollziehbar meine ganz klare persönliche Entscheidung bei der geheimen Wahl des – ersten – Nationalratspräsidenten treffen.

Für die sozialdemokratische Fraktion kandidiert mit Doris Bures eine Persönlichkeit für das Amt der Dritten Nationalratspräsidentin, die zweifelsfrei bestens geeignet ist. Doris Bures ist erfahren, sie steht unverrückbar für ein Parlament, das zu jeder Zeit der Ort sein muss, an dem Demokratie vorgelebt wird. Doris Bures bringt alles mit, was es für das verantwortungsvolle Amt einer Dritten Nationalratspräsidentin braucht, nämlich enorme parlamentarische Erfahrung, Kompetenz und Überparteilichkeit. Sie hat das Amt stets verbindend ausgeführt und genießt daher zu Recht große Anerkennung über parteipolitische Grenzen hinweg. Das ist Doris Bures, unser Vorschlag. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP, NEOS und Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist unsere Pflicht als gewählte Vertreterinnen und Vertreter, das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen zu stärken. Es ist unsere Pflicht zum Wohle unseres Landes und der Menschen, die hier leben, die großen Herausforderungen zu meistern und die Lebensbedingungen zu verbessern. Gemeinsam können wir Österreich in eine bessere, gerechtere Zukunft führen, eine Zukunft voller Optimismus und Zuversicht. Der Grundbaustein dafür wird hier im Hohen Haus gelegt. Ich bin dazu bereit; wir als sozialdemokratische Parlamentsfraktion sind dazu bereit. Lassen Sie uns alle gemeinsam hier für Österreich arbeiten! – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

13.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Klubobfrau der NEOS, Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger. – Bitte sehr.