RN/12
13.24
Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Bundespräsident! Werte Ehrengäste! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer hier oder wo auch immer Sie zuschauen! Es ist tatsächlich immer ein sehr berührender, ehrenvoller und erhabener Moment, hier bei der konstituierenden Sitzung sprechen zu dürfen. Das möchte ich schon in aller Klarheit sagen. Es ist ein bisschen wie am Schulanfang: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, und aus diesem Grund möchte ich heute ganz besonders herzlich alle neuen Abgeordneten begrüßen – und zwar nicht nur jene aus meiner Fraktion, sondern alle aus allen Fraktionen –, die zum ersten Mal hier im Haus sitzen. – Herzlich willkommen hier im Hohen Haus! (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Abgeordneten Kickl [FPÖ] und Kaniak [FPÖ].)
Ich habe mir gedacht, ich möchte die Sitzordnung hier im Haus ein bisschen erläutern, damit Sie sich auskennen, denn ich weiß nicht, ob es schon diskutiert wurde oder besprochen wurde: Die Sitzordnung hat sich ja durchaus verändert, nicht nur aufgrund der geänderten Größenverhältnisse, sondern es ist hier auch immer der Gedanke, dass die Fraktionen möglichst getrennt sitzen, sodass man diese nicht nur an den Tagen gut sieht, an denen sie Ansteckblumen oder irgendwelche Pins, die sie kennzeichnen, tragen. Das ist der Grund dafür, dass Werner Kogler und ich hier so einzeln in der ersten Reihe sitzen (Heiterkeit der Rednerin), und nicht, dass wir irgendwie schlimme Schüler waren. – Aber es ist ganz nett, Werner, wir schaffen das auf unseren Einzelplätzen da vorne. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen. – Abg. Kogler [Grüne] erhebt sich von seinem Sitzplatz, nimmt die auf seinem Tisch stehende Grünpflanze und stellt sie auf den Platz von Abg. Meinl-Reisinger [NEOS]. – Rufe bei Abgeordneten der Grünen: Oh! Oh!)
Erlauben Sie mir auch, wenn ich das darf, Folgendes zu sagen: Es ist ja vor elf Jahren gewesen, als ich das erste Mal hier ins Hohe Haus eingezogen bin, dass unsere Fraktion zum ersten Mal hier eingezogen ist, und nicht ohne Stolz möchte ich sagen, dass wir heute doppelt so viele Abgeordnete wie vor elf Jahren sind. Darauf bin ich sehr stolz. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)
Wir diskutieren jetzt eine sehr wichtige Frage, nämlich die Wahl des – ersten – Nationalratspräsidenten, des Zweiten Nationalratspräsidenten und der – vermutlich – Dritten Nationalratspräsidentin. Glauben Sie mir – ich glaube, ich spreche im Namen aller –, es erreichen uns sehr viele Mails, Nachrichten und Anrufe von Bürgerinnen und Bürgern, von Institutionen, von Vereinen, teilweise natürlich mit Sorge, aber auch mit Input. Es ist völlig richtig, es ist mehrfach angesprochen worden, wir NEOS bekennen uns zu der Usance dieses Hauses, dass die stimmenstärkste Fraktion die Person für die Aufgabe und Funktion des – ersten – Nationalratspräsidenten, die zweitstärkste die Person für den Zweiten, die drittstärkste die Person für die Dritte Nationalratspräsidentin nominieren kann.
Aber auch ich möchte noch einmal betonen, dass diese Usance, auch angesichts der Bedeutung einer geheimen Wahl, nicht einen Automatismus bedeutet, dass diese Person auch gewählt werden muss. Das hätte ich nicht herausgelesen, Herr Klubobmann (in Richtung Abg. Kickl [FPÖ]), weil das in Ihrer Rede so zum Ausdruck gekommen ist.
Ich möchte ausdrücklich Walter Rosenkranz dafür danken, dass er sich gestern die Zeit genommen hat, zu uns in den Klub zu kommen und unseren Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen. Es obliegt mir nicht, allen anderen Klubs irgendwelche Tipps oder Ratschläge zu geben, aber wir machen das jetzt seit elf Jahren, und nicht jeder Präsident oder jede Präsidentin ist dieser Einladung gefolgt.
Sie (in Richtung Abg. Rosenkranz [FPÖ]) sind gestern gekommen und wir haben – ich bitte darum, in einer vertraulichen Atmosphäre – durchaus wichtige Fragen stellen und vielleicht auch klären können; Fragen, die für uns wichtig sind, zum Beispiel – Nikolaus Scherak wird näher darauf eingehen; das ist wahrscheinlich das Wichtigste in dieser Funktion – die Frage zum Amtsverständnis in so einem Amt, das ja durchaus ein gerüttelt Maß nicht nur an persönlicher Integrität, sondern auch Überparteilichkeit und ein grundfestes demokratisches Verständnis erfordert. – Also danke dafür!
Ich möchte an dieser Stelle auch sagen, dass uns natürlich Mails erreicht haben, die eine gewisse Sorge zum Ausdruck bringen, was den Kampf gegen Antisemitismus, den Herr Präsident Sobotka sehr leidenschaftlich geführt hat, angeht. – Herr Präsident (in Richtung Präsident Sobotka), an dieser Stelle: Wir waren durchaus nicht immer einer Meinung, auch was Ihre Amtsführung angeht, aber in dieser Frage bin ich Ihnen zutiefst zu Dank verpflichtet, das haben Sie ausgezeichnet gemacht; Danke auch im Namen aller Menschen in Österreich. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Ich glaube, ich muss nicht betonen, wie sehr meine Fraktion dieses Thema hochhält und vor allem auch diese historische Verantwortung spürt, für den Schutz aller Jüdinnen und Juden – nicht nur, aber vor allem auch in Österreich – zu sorgen. Daher nehmen wir dieses Thema ernst, und das – bei aller Vertraulichkeit – ist natürlich auch eine der Fragen gewesen, die gestern besprochen wurden.
Ich bin davon überzeugt, dass eine geheime Wahl eine geheime Wahl ist, und wie ich gesagt habe: Die Usance ist die Usance. So, wie wir Demokratie hochleben lassen, lassen wir NEOS aber auch bei geheimen Wahlen Demokratie hochleben. Wir Abgeordnete sind uns unserer Verantwortung bewusst. So, wie es bei jeder Wahl hier im Haus der Fall war, wird hier jeder und jede Abgeordnete von unserer Fraktion seinem, ihrem Gewissen folgen, und das ist auch gut so. (Die Rednerin blickt in Richtung ihrer Fraktion. – Beifall bei den NEOS.) – Gut (erheitert), das werden wir noch üben. (Allgemeine Heiterkeit)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt aber Scherz beiseite: Wir sind in sehr ernsten Zeiten, das ist auch schon angesprochen worden. Die Frage, wie wir Österreich wirtschaftlich wieder nach vorne bringen, wie wir dafür Sorge tragen können, dass die Arbeitsplätze gesichert sind, der Wohlstand erhalten bleibt, und wie wir damit auch das, was, glaube ich, Österreich und Europa ausmacht – einerseits freier Wettbewerb, aber andererseits auch soziale Verantwortung für die Zukunft, für zukünftige Generationen –, sichern können, ist eine große Herausforderung.
Wir sind in durchaus herausfordernden budgetären Zeiten, denen wir uns alle gemeinsam stellen müssen, und, ja, ich bin davon überzeugt, dass das nur geht – ohne jetzt wieder in Wahlkampfrhetorik zu verfallen –, wenn wir wirklich die Bereitschaft haben, kein Weiter-wie-bisher zu pflegen und ernsthafte Reformen anzugehen.
Ein allererster wichtiger Schritt ist es auf jeden Fall, das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler, der Bürgerinnen und Bürger Österreichs, aller Menschen, die in Österreich leben, auch ein Stück weit durch harte Arbeit, durch Ärmelhochkrempeln wiederzugewinnen.
Die Frage, in welcher Konstellation eine zukünftige Regierung dies tun wird, wird Gegenstand diverser Gespräche in den kommenden Wochen sein. Da schaue ich jetzt auch in Richtung der FPÖ und in Ihre Richtung, Herr Kickl. Ich gratuliere Ihnen und Ihrer Fraktion, dass Sie diese Wahl als Erster gewonnen haben. Sie sind die stimmenstärkste Partei hier im Haus. Ich habe auf die Usance auch schon hingewiesen, aber ich möchte den Bundespräsidenten zitieren: Bei der Nationalratswahl handelte es sich nicht um ein Rennen, bei dem der Erstplatzierte dann automatisch regiert.
Ich habe das auch schon gesagt, es ist nicht: The winner takes it all. Es ist die Frage, wie wir in einer Demokratie eine tragfähige Mehrheit zustande bringen, die dann auch hier im Hohen Haus entsprechend Gesetze zum Beschluss bringen kann – „niemand kann allein das ganze Volk für sich beanspruchen, niemand“, auch das hat der Herr Bundespräsident gesagt.
Ich möchte schon sagen, dass ich wegen der nahezu herablassenden Art, wie der Stimmenanzahl von Wählerinnen und Wählern anderer Fraktionen von Ihrer Seite (in Richtung FPÖ) oft begegnet wird, bisweilen ein bisschen irritiert bin. Sie sind die stimmenstärkste Fraktion, aber die 1,3 Millionen Wähler der ÖVP, die 450 000 Wähler der NEOS, die 400 000 Wähler der Grünen und auch die eine Million Wähler der SPÖ haben auch eine Meinung, die in einem demokratischen Spektrum Beachtung finden sollte, auf die auch Bedacht genommen werden sollte. Es entspräche einer demokratischen Gesinnung, sich das immer wieder vor Augen zu halten. (Beifall bei NEOS, ÖVP, SPÖ und Grünen.)
Wenn Sie es nicht schaffen, das notwendige Vertrauen aufzubauen, um eine stabile Mehrheit zu finden, dann frage ich mich, ob Sie nicht doch hin und wieder auch einmal vor Ihrer eigenen Tür kehren sollten. Ich sage das deshalb, weil ich folgende Sorge habe: Sie haben von der Spaltung unseres Landes und der Verantwortung, die wir haben, das Vertrauen wiederzugewinnen, gesprochen. Wenn ich aber Mails von Menschen bekomme, die schreiben, es wird Krawalle auf der Straße geben, so bekomme ich die nicht von Anhängern der Grünen, die mir schreiben, wenn die Grünen nicht mehr in der Regierung sein werden, wird es Krawalle geben. Sie haben auch da eine Verantwortung. (Abg. Kickl [FPÖ]: Aber wer demonstriert jeden Donnerstag?) – Schauen Sie, Sie können auch das ins Lächerliche ziehen. Sie haben auch da eine Verantwortung. (Abg. Kickl [FPÖ]: Aber wer demonstriert am Donnerstag immer?)
Meinungsfreiheit zu leben – so habe ich auch gestern Herrn Rosenkranz verstanden – bedeutet auch, andere Meinungen auszuhalten und nicht darauf zu reagieren, indem man vielleicht Menschen einen Anlass gibt oder dazu anstachelt, Krawalle auf den Straßen auszuführen, wenn diese Meinungen nicht der eigenen Meinung entsprechen. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.) Wenn man Angst haben muss, in einem Land seine eigene Meinung auszudrücken, weil es sonst Krawalle gibt, dann ist die Meinungsfreiheit in Bedrängnis, dann ist die Demokratie in Gefahr. (Abg. Hafenecker [FPÖ): Besprechen Sie das mit den Grünen, bitte! – Abg. Kickl [FPÖ]: Die Omas gegen Rechts gehören nicht zu uns!)
Der Ball, eine Regierungsmehrheit zu finden, liegt nun bei Bundeskanzler Karl Nehammer, und das respektieren wir eindeutig. Schauen wir aber, was gemeinsam geht, denn der Ball, wie es in unserem Land weitergeht, liegt auch beim Gesetzgeber, bei uns 183 Abgeordneten hier. Ich bin davon überzeugt, dass in einer solchen Situation für uns alle die Frage im Mittelpunkt stehen sollte: Wie können wir gemeinsam einen guten Weg finden, unser Land wieder nach vorne zu bringen, gut in die Zukunft zu führen und vor allem das Vertrauen aller Menschen in Österreich wiederzugewinnen?
In diesem Sinne – fraktionsübergreifend –: Auf eine gute Zusammenarbeit! (Beifall bei NEOS und ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)
13.35
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Klubobmann Vizekanzler Kogler. – Bitte sehr.