RN/17

14.07

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Ich glaube, dass es in der Debatte einmal grundsätzlich wichtig ist, dass wir uns darauf einigen, worüber wir reden. Wir reden nämlich in allererster Linie bei der Wahl der drei Präsidenten über § 5 der Geschäftsordnung des Nationalrates.

Der sieht vor, dass nach der Angelobung der Nationalrat aus seiner Mitte den Präsidenten, den Zweiten Präsidenten und den Dritten Präsidenten oder die Dritte Präsidentin wählt. – Nicht mehr steht da drinnen. Es gibt aber – das haben wir hier schon gehört – entsprechende Usancen im Haus. Diese Usancen sehen vor, dass die drei stimmenstärksten Parteien ein Vorschlagsrecht haben, wen sie für dieses Amt – für das Nationalratspräsidium – nominieren.

Ich bin aber der Meinung, dass es schon auch darum geht, dass diese Parteien in der Verantwortung sind, jemanden zu nominieren, der diesem Amt gewachsen ist, der ein entsprechendes Amtsverständnis mitbringt, der auch entsprechende Erfahrung als Parlamentarier, als Parlamentarierin mitbringt, der die persönliche Integrität mitbringt und der vor allem die Fähigkeit mitbringt, dieses Amt überparteiisch auszuüben.

Jetzt kann man natürlich dieses Vorschlagsrecht infrage stellen. Man muss aber auch dazusagen, dass man damit gleichzeitig viele andere Usancen hier im Haus infrage stellt. Viele, also eigentlich massenhaft Gesetze regeln unser Zusammenleben, unsere Zusammenarbeit hier – in erster Linie die Geschäftsordnung des Nationalrates –, aber es gibt ungefähr gleich viele ungeschriebene Gesetze – die angesprochenen Usancen –, die seit vielen, vielen Jahren Garant dafür sind, dass dieses Haus grundsätzlich funktioniert.

Es handelt sich dabei um eine jahrzehntelang eingeübte Praxis, die darauf ausgelegt ist, insbesondere in Verfahrensfragen den größtmöglichen Konsens unter den Fraktionen herzustellen. So ist es beispielsweise bei der Wahl von Ausschussvorsitzenden so, dass die Geschäftsordnung eigentlich nur vorsieht, dass die mit Mehrheit gewählt werden. Das heißt, es könnte eine parlamentarische Mehrheit alle Ausschüsse so besetzen, wie sie das will, aber es ist gut geübte Praxis, dass mit einem ausgeklügelten System alle Fraktionen entsprechend ihrer Stärke Ausschussvorsitze übernehmen.

Das ist sehr wichtig, weil Ausschussvorsitzende extrem starke Rechte und auch extrem große Macht haben. Zum Beispiel könnte ein Ausschussvorsitzender zu jeder Zeit eine Ausschusssitzung einberufen, aber zum Glück ist es gut geübte Praxis, dass das nicht gemacht wird und dass man bei der Terminfindung auf den Konsens aller Fraktionen schaut. Termine von Sondersitzungen werden nach der Geschäftsordnung vom Präsidenten festgelegt. Entsprechend den Usancen und entsprechend den Beschlüssen der Präsidialkonferenz ist es aber so, dass die Terminwünsche der einbringenden Fraktion besonders berücksichtigt werden.

Das Budget des Parlaments und der Stellenplan, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft, wird entsprechend den Usancen eigentlich im Konsens mit dem Zweiten Präsidenten und der Dritten Präsidentin erstellt. Das ist auch der Grund, warum das Budget des Parlaments über viele, viele Jahre hinweg einstimmig beschlossen wurde – in den letzten Jahren leider nicht. Ich glaube, es wäre an der Zeit, dass man wieder versucht, Konsens unter den Präsidenten und damit auch hier im Haus herzustellen.

Es prägen nicht nur diese Usancen das Haus, sondern es prägen natürlich auch Nationalratspräsidenten mit ihrer Arbeit das Selbstverständnis des Parlaments – das entweder ein selbstbewusstes Parlament sein oder als verlängerte Werkbank der Bundesregierung dienen kann. Ein selbstbewusstes Parlament hat zum Beispiel genügend Ressourcen für einen Budgetdienst, hat genügend Ressourcen für einen Rechts- und Legislativdienst, zu dem alle Fraktionen gehen können und bei dem sie Gutachten in Auftrag geben können. Ein selbstbewusstes Parlament hat auch genügend Ressourcen für die einzelnen Abgeordneten, damit diese auch entsprechend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anstellen können.

Ein Präsident prägt das Haus auch durch die Art, wie er damit umgeht, wenn parlamentarische Anfragen von Abgeordneten – seien sie schriftlich oder in Dringlichen Anfragen – unzureichend oder, wie manchmal, auch einfach gar nicht beantwortet werden. Ein Präsident prägt das Haus natürlich auch in der Frage, wie er damit umgeht, wenn Minister:innen teilweise gar keine Zeit dafür finden, dem Nationalrat zur Verfügung zu stehen, selbst dann nicht, wenn es eigene Regierungsvorlagen sind, die hier behandelt werden.

Es kommt auch darauf an, wie sich ein Präsident verhält – und das ist leider schlecht geübte Praxis –, wenn Abänderungsanträge in letzter Sekunde eingebracht werden und man dann 4 Minuten Zeit hat, um 20 Seiten zu lesen, und sich selbst eine Meinung darüber bilden soll, was da drinnen steht. Es geht auch darum, wie ein Präsident auf so etwas reagiert.

Es ist auch relevant, wie ein Präsident auf Begutachtungsfristen und deren Einhaltung reagiert. Das ist zwar an und für sich eine Materie der Bundesregierung – dort gibt es Empfehlungen –, aber ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Es hält sich so gut wie nie jemand daran, und das führt dazu, dass wir Gesetze nach zehn Tagen Begutachtung hier ins Haus bekommen und darüber entscheiden sollen und insbesondere die Zivilgesellschaft keine Möglichkeit hat, sich dazu eine Meinung zu bilden und mitzudiskutieren.

Es geht auch darum, wie überparteilich ein Präsident bei seiner Sitzungsführung ist und ob er es schafft, die Würde des Hauses einzumahnen und auch zu wahren. Die Überparteilichkeit ist insbesondere in Untersuchungsausschüssen sehr relevant. Das Gesetz sieht ja im Übrigen genau deswegen den Nationalratspräsidenten, den Zweiten Nationalratspräsidenten und die Dritte Nationalratspräsidentin in der Vorsitzführung des Untersuchungsausschusses vor: weil man davon ausgeht, dass er oder sie besonders überparteilich agiert und parteipolitische Überlegungen außen vor lässt.

Relevant ist in diesem Zusammenhang übrigens auch die Frage, wie man mit einer etwaigen Befangenheit im Untersuchungsausschuss umgeht. Es mag ja sein, dass manche Untersuchungsgegenstände etwas mit der eigenen Partei oder vielleicht sogar mit der eigenen Person zu tun haben, und dementsprechend ist es sehr relevant, wie im Zusammenhang damit das Verständnis von Befangenheit ist, weil die Befangenheit des Präsidenten natürlich dem Haus schadet, dem Amt schadet und damit dem Parlament insgesamt schadet. In diesem Zusammenhang sieht die Geschäftsordnung aber auch etwas Großartiges vor, nämlich dass sich ein überparteilicher Präsident in der Vorsitzführung im Untersuchungsausschuss durch den Zweiten Präsidenten oder die Dritte Präsidentin vertreten lassen kann. Beide wählen wir ja heute auch, und für beide gelten natürlich die gleichen Anforderungen – wie ich vorhin ausgeführt habe –, die für einen Präsidenten des Nationalrates gelten.

Ich kann Ihnen am Schluss meiner Ausführungen nur noch eine Sache mitgeben: Die Entscheidung, die Sie heute fällen, werden Sie die nächsten Jahre nicht wieder rückgängig machen können. Sie können den Präsidenten, wenn Sie nachher draufkommen, dass Sie unzufrieden sind und er Ihren Ansprüchen nicht genügt, nicht wieder abwählen, und das, wie ich meine, aus gutem Grund: Gerade die Tatsache, dass ein Präsident nicht die Sorge haben muss, dass er von einer parlamentarischen Mehrheit abgewählt werden kann, führt dazu, dass ein Präsident, eine Präsidentin sein oder ihr Amt überparteilich ausüben kann, ohne die Sorge zu haben, abgewählt zu werden. Damit kann er oder sie auch die Interessen der parlamentarischen Minderheit verteidigen und sie schützen.

In diesem Sinne kann ich Ihnen nur mitgeben: Entscheiden Sie entsprechend Ihrem freien Mandat, und entscheiden Sie vor allem weise, gewissenhaft und gut überlegt, wen Sie heute wählen! (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Bures [SPÖ] und Holzleitner [SPÖ].)

14.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gewessler. – Bitte.