RN/24

14.44

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Sehr geehrte Zuschauer und Zuschauerinnen! Ich kann mich noch gut erinnern, mit welchem Gefühl von Demut, von Ehrfurcht ich vor fünf Jahren hier zum ersten Mal angelobt wurde – damals noch in der Hofburg. Ich kann mich vor allem daran erinnern, weil mich dieses Gefühl fünf Jahre lang begleitet hat. Ich verspüre es heute wie damals, und das nicht nur wegen der großen Räume und der hohen Decken in diesem Hohen Haus, sondern vor allem wegen des Bewusstseins, dass wir hier gemeinsam im Herzen unserer Demokratie die Interessen aller Menschen in diesem Land vertreten dürfen.

Mit dieser großen Ehre kommt große Verantwortung – und mit dieser gilt es nicht leichtfertig umzugehen. Wir müssen sie uns vielmehr Tag für Tag in Erinnerung rufen. Wenn wir hier in den kommenden Wochen Gesetze beschließen, müssen wir uns daran erinnern, dass jeder Beistrich, jedes Wort, das wir einfügen oder nicht, Auswirkungen auf Millionen von Menschen hat. Das ist auch der springende Punkt unserer repräsentativen Demokratie: dass das, was wir 183 Abgeordnete hier tun, das Leben von Millionen von Menschen beeinflusst.

Als gewählten Repräsentant:innen gibt uns die Bundesverfassung zwar das freie Mandat, doch genau diese Freiheit bringt auch die Pflicht, nach bestem Wissen und Gewissen und im Interesse aller Menschen hier zu handeln. Damit stehen wir vor wahrlich großen Herausforderungen: Ein Blick ins Budget reicht, um zu wissen, dass der Weg zu einer nachhaltigen Budgetpolitik ein schwieriger sein wird. Ein Blick reicht, um zu wissen, dass unsere Wirtschaft derzeit nicht vom Fleck kommt. Darin sind sich alle einig, vom IWF, dem Internationalen Währungsfonds, bis hin zur Nationalbank, dass sich das auch so schnell nicht ändern wird, sollten wir nicht gegensteuern, sollten wir nicht in den kommenden Monaten beispielsweise ein zukunftsfähiges Konjunkturpaket schnüren, das die Wirtschaft wieder antreibt und den Menschen endlich Sicherheit gibt.

Auch im Bereich Gesundheit kracht vieles, da gibt es einiges zu tun. Beispielsweise gibt es in meinem Heimatbezirk für fast 100 000 Menschen nur mehr zwei Kinderärzte mit Kassenvertrag. Schließlich macht auch die Teuerung vielen Menschen zu schaffen. Ja, die Inflation sinkt, und doch sind viele Preise für Produkte des alltäglichen Lebens nach wie vor hoch.

Das sind nur einige wenige Punkte, die ich jetzt in der kurzen Zeit ansprechen konnte, aber sie zeigen, wie groß die Herausforderung ist. Ich bin der Meinung, dass wir sie gemeinsam bewältigen müssen (Beifall bei der SPÖ), über Fraktionsgrenzen hinweg – und da ist die Hand der Sozialdemokratie ausgestreckt. Es geht darum, dass wir hier gemeinsam Lösungen finden müssen und uns auch gegenseitig zugestehen müssen, dass das in unserem Interesse liegt – zumindest im Interesse der Mehrheit hier.

Ich komme schon zum Abschluss: Ich darf heute hier stellvertretend für die vielen Menschen, die uns im Wahlkampf begegnet sind, für Menschen, die gesagt haben, dass sie uns wählen werden, aber auch Menschen, die gesagt haben, dass sie unsere Fraktionen nicht wählen werden, stehen. Ich will aber auch eine dritte Gruppe ansprechen: Ich denke da beispielsweise an einen Herrn in Mödling, den ich im Zuge meiner Hausbesuche kennenlernen durfte, der gesagt hat, er geht gar nicht wählen. Er hat sein Leben lang gewählt, sein Leben lang hart gearbeitet, aber er hat das Vertrauen in die Demokratie verloren.

Auch für diese Menschen stehen wir hier – und ich denke, es ist wichtig, sie zu erwähnen. Wenn wir uns nämlich anschauen, wie groß die wahlberechtigte Bevölkerung ist, dann sehen wir, dass fast 23 Prozent dieser Menschen nicht wählen gegangen sind. Wenn wir hier heute von einer wehrhaften Demokratie sprechen – und das müssen wir –, dann müssen wir auch Vertrauen zurückgewinnen und uns alle gemeinsam daran erinnern, dass eine wehrhafte Demokratie nur dann stark sein kann, wenn möglichst viele Menschen an ihr teilhaben. Auch das ist in den kommenden fünf Jahren ein Auftrag für uns alle. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sehe, dass meine Redezeit abläuft, und komme zu einem letzten Satz: Eine wehrhafte Demokratie bedeutet natürlich immer auch, keinen Platz für Rechtsextremismus oder Antisemitismus zu lassen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Disoski [Grüne]: Oh! Das heißt, Sie wählen dann nicht ... oder schon?)

14.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als letzte Rednerin ist Frau Klubobmannstellvertreter Sigrid Maurer zu Wort gemeldet. – Bitte.