RN/8

9.19

Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Herr Präsident des Nationalrates! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen hier auf der Regierungsbank, Herr Vizekanzler, Frau Außenministerin! Vor allem aber liebe Österreicherinnen und Österreicher, die Sie diese Sitzung von wo immer verfolgen und uns zusehen!

Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten, aber gewiss längsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte unseres Landes. Ich bin mir bewusst, dass das Bild, das die Politik in den vergangenen Monaten abgegeben hat, für manche kein gutes war. 

Nichtsdestotrotz stimmt es mich sehr positiv, unter welch herausfordernden Rahmenbedingungen die Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS zustande gekommen ist. Alle drei Parteien waren bereit, aufeinander zuzugehen, Kompromisse einzugehen und den Fokus darauf zu richten, was uns eint, nämlich der Wille, für Österreich zu arbeiten und dieses wunderschöne Land und seine Menschen in eine gute Zukunft zu führen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.) 

Diese Regierungsbildung war nur möglich, weil wir – alle drei Parteien – über unseren Schatten gesprungen sind, weil wir verstanden haben, dass ein Kompromiss keine Niederlage ist, sondern ein Erfolg für das ganze Land sein kann. 

Ich danke Herrn Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, der den Prozess der Regierungsbildung umsichtig begleitet hat und bei aller Aufgeregtheit immer Ruhe bewahrt hat. Er hat nie aus den Augen verloren, was am Ende wirklich zählt: eine handlungsfähige Regierung für unser Land. Diese erwarten sich die Menschen in Österreich und diese haben sie sich auch verdient. 

Zudem möchte ich mich auch bei Vizekanzler und SPÖ-Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler sowie bei Bundesministerin und NEOS-Vorsitzender Beate Meinl-Reisinger sehr herzlich bedanken. Wir haben in den vergangenen Wochen viel Zeit miteinander verbracht. Wir haben oft bis in die Nacht hinein diskutiert, manchmal auch heftiger, aber auch immer wieder zurück zum Konsens gefunden. Das zeigt, wir haben auch eine menschliche und persönliche Grundlage gefunden, die das Fundament dieser Zusammenarbeit ist. Das Resultat ist eine breite Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS, eine Mischung aus Bewährtem und auch Neuem.

Was meine ich mit Bewährtem? – In Zeiten großer Herausforderungen hat Österreich seine Stärke immer aus dem Konsens der konstruktiven Kräfte gewonnen; beispielhaft darf ich Leopold Figl und Adolf Schärf anführen, die den Wiederaufbau dieses Landes zu verantworten hatten. (Abg. Wurm [FPÖ]: Das ist lange her!) 

Es war ein entscheidender Moment in der Geschichte der Zweiten Republik und gewissermaßen auch die Geburtsstunde eines neuen Österreichs, als sich Sozialdemokratie und Volkspartei zum ersten Mal nach sehr schwieriger Zeit die Hand reichten und gemeinsam eine Koalition eingingen. Damals in Regierungsverantwortung: Bundeskanzler Leopold Figl und Vizekanzler Adolf Schärf – beide sind Persönlichkeiten, die heute parteiübergreifend höchstes Ansehen genießen. Und dieses Ansehen ist nicht von selbst gekommen, dieses Ansehen haben sie sich erarbeitet, denn als sie die Geschicke Österreichs übernommen hatten, fehlte es in unserem Land am Nötigsten: an Nahrung, Wohnraum, Wärme. An einem aber fehlte es den Menschen damals nicht: an der Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sich und die kommenden Generationen.

Die heutigen Herausforderungen reichen nicht an die damaligen Herausforderungen heran – das zu behaupten, wäre vermessen –, aber wir können aus der damaligen Zeit viel lernen, sowohl wir als Politikerinnen und Politiker hier im Nationalrat als auch wir alle, die Menschen in unserem Land. Wir als Österreicherinnen und Österreicher können daraus lernen: Die politischen Verantwortungsträger Figl und Schärf haben damals nicht Verantwortung getragen, weil es einfach war, sondern weil Österreich es gebraucht hat. 

Sie haben sich bewusst dafür entschieden, den Menschen Hoffnung zu geben und selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Was den Wert von Zusammenarbeit anbelangt, können und sollen sie alle uns heute ein Vorbild sein. 

Wenn wir aus der Geschichte lernen und heute gemeinsam mit jedem Einzelnen in dieser Republik an einem besseren Morgen für unsere Kinder und Enkelkinder arbeiten, können und werden wir dieses Ziel auch erreichen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.) 

Was die Menschen damals wussten und wir alle heute wieder verinnerlichen müssen: Es beginnt bei uns selbst. Optimismus und der Glaube an eine gute Zukunft sind eine bewusste Entscheidung, die jeder von uns jeden Tag trifft. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Wir können nicht alle Umstände, die unser Leben beeinflussen, kontrollieren, aber wir können immer entscheiden, wie wir den Herausforderungen des Lebens und den Herausforderungen in der Politik begegnen. Also: Haben wir etwas mehr Selbstbewusstsein, etwas mehr Optimismus und vergewissern wir uns auch unserer Stärken! 

Nach dem Wiederaufbau ist es in diesem Land gelungen, das Wirtschaftswunder auf den Weg zu bringen. Julius Raab und Bruno Pittermann sind damit untrennbar verbunden. Was man erreichen kann, wenn man sich dazu entscheidet, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken, zeigt uns das als weiteres Beispiel aus unserer Geschichte. Auch das ist uns nicht in den Schoß gefallen, es war der Optimismus, aber auch der Fleiß der Menschen, der uns dieses Wirtschaftswunder beschert hat und damit den Grundstein für unseren heutigen Wohlstand gelegt hat. 

Innerhalb einer halben Generation wurde Österreich von einem zerstörten Land zu einem starken Wirtschaftsstandort, zu einer guten, lebenswerten Heimat für uns alle, und auch diese Zeit wurde von einem Duo aus Volkspartei und Sozialdemokratie geprägt, eben Julius Raab und Bruno Pittermann. 

Diese frühen Jahre der Zweiten Republik, die von diesen großen Staatsmännern geprägt wurden, verpflichten uns, die Politiker von heute. Sie verpflichten uns dazu, mit neuen Wegen und kreativen Lösungen die Herausforderungen von heute anzugehen, um ein besseres Morgen für unsere Kinder und Enkelkinder zu ermöglichen. 

Nicht zuletzt war auch der Beitritt zur Europäischen Union eine Zusammenarbeit von Volkspartei und Sozialdemokratie, verbunden mit den Namen Alois Mock und Brigitte Ederer. Es war wahrscheinlich die zukunftsweisendste Entscheidung in den letzten Jahrzehnten: Das Ja zum Beitritt zur Europäischen Union, eine der besten Entscheidungen, die der Souverän, das österreichische Volk, je getroffen hat. Mit diesem Schritt sind wir vom Rand Europas in das Herz unseres Kontinents gerückt. Damals, in den Neunzigerjahren, war die Welt im Umbruch. Wir haben gesehen, dass ein geeintes Europa die beste Antwort auf diesen Umbruch ist. – Das war damals so und das ist auch heute so. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Sie sehen, in den entscheidenden Momenten unserer Republik wurde sichtbar, dass Konsens und Kompromiss nicht Stillstand bedeuten, sondern der Schlüssel zu mutigen Zukunftsentscheidungen sind. In all dieser Zeit, in jeder Phase unserer Republik, gehörte dazu auch die Sozialpartnerschaft. Die Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wurden von der Straße an den Verhandlungstisch verlegt. Es ist ein österreichisches Unikat, eine Stärke dieser Republik, auch darauf darf man sich bei dieser Gelegenheit besinnen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Das alles macht uns aus: Zusammenarbeit, Konsens, Sozialpartnerschaft, unser Platz im Herzen Europas, unser Rechtsstaat, in dem die Politik dem Recht folgt und nicht umgekehrt, unsere Kultur, unsere einzigartigen Traditionen, die Kraft, ein militärisch neutrales Land zu sein und dennoch Recht von Unrecht unterscheiden zu können. Das sind viele Dinge, die unser Land und unsere Gesellschaft ausmachen. Sie prägen unser Land seit vielen Jahren tief. Vieles davon haben wir großen Frauen und Männern zu verdanken, die zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Worte gefunden haben, aber auch die richtigen Entscheidungen getroffen haben, um die Menschen in diesem Land von ihren Ideen zu überzeugen. 

Heute sagen viele, Österreich sei ein tief gespaltenes Land, aus ganz unterschiedlichen Gründen und aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: Links gegen Rechts, Stadt gegen Land, Jung gegen Alt, EU-Befürworter gegen EU-Kritiker – um nur einige Beispiele zu nennen. 

In gewisser Weise muss man auch zugestehen: Ja, es gibt oftmals immer noch Verwundungen zwischen Menschen, auch innerhalb von Familien, die noch nicht ganz verheilt sind. Eines der wichtigsten Ziele dieser Legislaturperiode muss daher sein, die Gesellschaft wieder zusammenzuführen – und das bedeutet nicht, einer Seite ihre Ansichten zu verbieten und ihr neue aufzuzwingen, sondern ganz im Gegenteil: Oftmals hat unsere Gesellschaft verlernt, andere Meinungen zu akzeptieren – und zwar auch dann, wenn sie einem selbst nicht gefallen – sowie leidenschaftlich und gerne zu debattieren, aber immer so, dass man sich danach noch in die Augen schauen kann. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Da hilft es vielleicht auch, dass alle Parteichefs, die Parteichefs der drei Koalitionsparteien – Andreas Babler in Traiskirchen, Beate Meinl-Reisinger im 1. Wiener Gemeindebezirk und ich selbst in Wiener Neustadt –, das politische Handwerk in der Kommunalpolitik gelernt haben. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Abg. Kickl [FPÖ]: Widerspruch! – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Da gibt es schon den ersten Widerspruch, Herr Bundeskanzler!) In der Kommunalpolitik ist es ganz normal, dass man andere Meinungen, andere Parteien einbindet. Auch wenn sich das manche nicht vorstellen können, kann ich es nur empfehlen, es ist auch für die Bundespolitik keine schlechte Grundlage. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Auch das sprichwörtliche gemeinsame Bier, das viele im politischen Geschehen gar nicht mehr kennen, ist nicht das Schlechteste, was man nach einer oft auch hitzigen Sitzung tun kann. Dieser Ansatz tut uns auf allen politischen Ebenen durchaus gut. Ich lade daher an dieser Stelle alle politischen Verantwortungsträger dieses Hauses ein: Lasst uns alle – egal ob Regierungspartei oder Oppositionspartei, Parlamentarier oder Minister – mit gutem Beispiel vorangehen! Mit dieser Bundesregierung wird es eine neue Dynamik in der Bundespolitik geben (Zwischenruf des Abg. Wurm [FPÖ]), die, so hoffe ich, auch das Land nach vorne bringen wird. (Abg. Wurm [FPÖ]: Das glaub ich auch!)

Die Koalition aus Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS ist eine Mischung aus Bewährtem und Neuem, aber was ist das Neue? – Zum einen sind wir erstmals in der Geschichte unseres Landes zu dritt: Drei konstruktive Kräfte teilen sich die Verantwortung für Österreich. (Abg. Kickl [FPÖ]: ’45 bis ’47!) Der Eintritt von drei Parteien in die Bundesregierung macht diese Koalition nicht nur stabiler und breiter, sondern schafft zusätzliche Blickwinkel und damit einen echten Mehrwert für unser Land, und ich bin fest davon überzeugt, dass auch die unterschiedlichen Einstellungen unserer Parteien durch gegenseitiges Verständnis, Wertschätzung und ehrlichen Umgang miteinander zum Wohle Österreichs beitragen werden. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.) Verschiedene Blickwinkel und Perspektiven sind keine Schwäche, sondern ganz im Gegenteil die Stärke, die unsere liberale, pluralistische Demokratie ausmacht.

Zum anderen haben wir auch in der Systematik einen neuen Zugang gewählt: Wir haben uns nicht gegenseitig auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterverhandelt. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ihr habt ja keinen!) Im Gegenteil: Wir haben es geschafft, dass die Schwerpunkte aller Parteien im Regierungsprogramm auch abgebildet sind. Wir sind bereit, uns gegenseitig Raum zu geben. Wir sind auch bereit, uns gegenseitig Erfolge zu gönnen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit aus drei ganz verschiedenen Parteien. 

Ich gehe mit meinem Regierungsteam voller Zuversicht an diese Arbeit. Es geht nicht um links oder rechts, es geht nicht um Grabenkämpfe, um Befindlichkeiten, darum, wer sich durchsetzt, wer gewinnt, um eine Parteifarbe, es geht auch nicht um parteipolitische Interessen oder um taktische Manöver, die Aufgaben, die vor uns liegen, sind dafür viel zu groß. Die Herausforderungen können durchaus historisch genannt werden und sie sind zu weitreichend. Es geht um Rot-Weiß-Rot, es geht um neun Millionen Menschen in unserem Land. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Wir sind eine Regierung der Mitte, die in den guten österreichischen Traditionen – den Traditionen des Kompromisses und des Konsenses – alles daran setzen wird, eine gute Zukunft für unser Land zu gestalten, mit den besten Möglichkeiten und Lösungen für alle. Es ist nicht immer einfach, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, aber ich bin mir sicher, es ist der beste Weg nach vorne. Als Politik müssen wir an alle Menschen in unserem Land denken, an das Staatsganze und nicht nur an einzelne Gruppierungen. Deshalb kann ich hier und heute sagen: Ich will und ich werde Bundeskanzler für alle Menschen in Österreich sein (Zwischenruf des Abg. Hafenecker [FPÖ]), nicht nur für die Wähler:innen der Volkspartei oder der Koalitionsparteien. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.) 

Ich gehe bewusst auf jene zu, die die Oppositionsparteien gewählt haben, aber der Wahlkampf ist vorbei und die Arbeit hat nun begonnen. Jetzt zählen Rot-Weiß-Rot und das Miteinander. Nur indem wir den berechtigten Bedürfnissen aller Menschen nachkommen, werden wir die Risse in unserer Gesellschaft wieder kitten können. Dieses Ziel sollte uns alle einen, alle, die es mit Österreich und mit den Menschen in diesem Land gut meinen. Ich lade jedenfalls alle dazu ein, an diesem Ziel mitzuarbeiten! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen.

Ich habe vorhin gesagt: Gerade jetzt, da wir erleben, dass auch Europa und auch die Welt im Umbruch sind, braucht es Stärke und Zusammenarbeit aller konstruktiven Kräfte. Wir wissen, dass weiterhin der brutale russische Angriffskrieg in der Ukraine tobt, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit all seinen Folgen für Europa und auch für Österreich.

Wir erleben aktuell eine wirtschaftlich sehr herausfordernde Situation und haben mehr als zwei Jahre Rezession hinter uns. Das spüren wir nicht nur als Wirtschafts- und Beschäftigungsstandort, das spüren wir natürlich auch in unserem Budget. 1 Prozent weniger Wirtschaftswachstum bedeutet 0,5 Prozent höheres Defizit. Das zeigt, wie eng dieser Zusammenhang ist. 

Darüber hinaus gibt es drängende Themen wie die illegale Migration, die uns Tag für Tag beschäftigt und gemeinsame Lösungen auf europäischer Ebene erfordert. Es braucht daher in Österreich eine Bundesregierung, die die Kraft hat, die richtigen Maßnahmen zu setzen, und diese Maßnahmen Schritt für Schritt im Sinne der österreichischen Bevölkerung auch umsetzt.

Wir haben uns daher auf ein ausgewogenes Arbeitsprogramm verständigt. Ich bin sehr stolz darauf, denn es zeigt eines: Auch in Zeiten wachsender Polarisierung haben alle drei Parteien, die mitverhandelt haben, Staatsräson bewiesen und einen pragmatischen Zugang zu den Regierungsverhandlungen gewählt. 

In dieser Legislaturperiode ist auch abseits der Budgetkonsolidierung einiges zu tun – die Welt wird nicht auf uns warten. Erlauben Sie mir, Ihnen nun ein paar Kernpunkte aus unserem Programm abseits der Budgetsanierung vorzustellen: 

Zum einen werden wir den Kampf gegen die irreguläre Migration, den Missbrauch unseres Asylsystems und gegen Extremismus fortsetzen und wir stellen klar, und zwar ohne Wenn und Aber: Wer dauerhaft bei uns leben will, muss unsere Werte verinnerlichen, unsere Sprache erlernen, arbeiten gehen und etwas zu unserer Gesellschaft beitragen. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.) Deshalb führen wir ein verpflichtendes Integrationsprogramm ab dem ersten Tag ein. Während dieser Integrationsphase, die bis zu drei Jahre dauert, wird es nur eine reduzierte Sozialunterstützung geben. Wir wollen die Verpflichtung schaffen, dass jeder, der vom Staat etwas bekommt, auch etwas dafür leistet und etwas beiträgt, sei es durch Arbeit oder durch gemeinnützige Tätigkeit.

Und: Zum Schutz von unmündigen minderjährigen Mädchen werden wir ein verfassungskonformes gesetzliches Kopftuchverbot erarbeiten. 

Nicht zuletzt: Auch der Familiennachzug wird bis auf Weiteres mit sofortiger Wirkung gestoppt werden, damit unser Bildungssystem, unsere Gesellschaft vor Überlastung und Überforderung geschützt werden. Wir werden auch den europäischen Pakt für Asyl und Migration nicht nur unterstützen, sondern weiterentwickeln (Abg. Kickl [FPÖ]: Passt schon nimmer zusammen!), mit dem Ziel, Antragszahlen auf null zu bekommen. Bis dahin werden wir, sollten sich die Antragszahlen in Zukunft nach oben bewegen – derzeit sinken sie ja – und Verhältnisse wie 2015 oder 2022 eintreten, auch mittels einer Notfallklausel einen Asylstopp in Anspruch nehmen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir als Volkspartei haben – ganz gleich in welcher Verhandlungskonstellation – immer auf das Thema Sicherheit gesetzt. Wir brauchen eine ganze Reihe an Maßnahmen, um die innere und äußere Sicherheit in unserem Land zukunftsfit zu machen, weiter zu gewährleisten und zu verbessern. Die Personaloffensive der österreichischen Polizei – federführend von Herrn Innenminister Gerhard Karner initiiert – wird auch in Zukunft weiterlaufen. Und um die Sicherheit zu gewährleisten, braucht die Polizei nicht nur ausreichend Personal – auch wenn einige das bis heute nicht wahrhaben wollen (Abg. Kickl [FPÖ]: Überstunden wären auch gefragt!) –, darum bin ich auch sehr froh, dass wir uns darauf geeinigt haben, eine verfassungskonforme Gefährderüberwachung in Angriff zu nehmen. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Habts das noch net gemacht?)

Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an die SPÖ und an die NEOS. Ich weiß, da hat es nicht wenige Sorgen gegeben und ihr seid weit über euren Schatten gesprungen, und das ist wieder ein Beweis dafür, dass uns viel Gutes gelingen kann, wenn wir Pragmatismus über Ideologie stellen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Sicherheit beginnt nicht erst an der Landesgrenze, sondern die geopolitischen Krisen, die uns derzeit beschäftigen, spielen sich auch außerhalb unserer Landesgrenzen ab. Daher sind unsere Vertretungsbehörden – quer über den Globus verteilt – Augen und Ohren, eine Art Frühwarnsystem für unsere Interessenvertretungen im Ausland. Es ist für ein Land wie Österreich ein effizientes Außenministerium und ein weltweit funktionierendes Vertretungsnetzwerk eine Notwendigkeit – auch für unsere Sicherheit. 

Wenn wir von Sicherheit sprechen, dürfen wir die Landesverteidigung natürlich nicht vergessen. Mit der Mission vorwärts investieren wir in die Verteidigungsfähigkeit unseres Bundesheeres, in die äußere Sicherheit. Das ist angesichts der geopolitischen Lage nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch des Müssens, insbesondere auch was den Raketen- und Drohnenschutzschirm Sky Shield anbelangt. Das alles wird dazu beitragen, Österreich besser vor potenziellen Angriffen zu schützen. (Beifall bei ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wollen Leistung und Engagement in allen Bereichen fördern und bekennen uns klar zu einem starken und erfolgreichen Wirtschaftsstandort, denn ohne fleißige und engagierte Menschen in allen Bereichen wären unser Bildungssystem, unser Gesundheitssystem, das Sozialsystem, unser breites kulturelles Angebot und vieles andere nicht aufrechtzuerhalten. Es war uns daher ein Anliegen, jenen, die das alles ermöglichen, auch etwas zurückzugeben. Deshalb werden wir eine Mitarbeiterprämie einführen, Arbeiten im Alter attraktiver machen und Überstunden steuerlich entlasten. Gleichzeitig werden wir entsprechend budgetären Möglichkeiten die Lohnnebenkosten auch stufenweise senken. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Mit Einführung einer Entbürokratisierungsstelle, die Doppelgleisigkeiten aufspüren sowie Berichtspflichten überprüfen und reduzieren soll, stellen wir sicher, dass unsere Unternehmerinnen und Unternehmer das tun können, was sie in ihrem Geschäftsleben tatsächlich weiterbringt, statt sich mit zeitraubender Bürokratie zu beschäftigen – denn Letzteres kostet nur Geld, bindet Ressourcen und das alles kann woanders besser eingesetzt werden. Wir wollen in einem Österreich leben, in dem Fleiß belohnt wird, Unternehmer in ihrem Handeln frei sind, Arbeitsplätze geschaffen werden und Wachstum wieder Realität wird. 

Wir haben uns in unserem Arbeitsprogramm auch darauf verständigt, dass wir die Landwirtschaft weiter unterstützen und zukunftssicher weiterentwickeln wollen. Auch dieser Aufgabe werden wir uns widmen, und auch die Landwirtschaft hat Verbesserungen von dieser Bundesregierung zu erwarten. Die Probleme, denen sich Bauern und Unternehmer gegenübersehen, sind ja oft gar nicht so weit voneinander entfernt. Wenn ich an das Stichwort Bürokratie denke, stelle ich fest, es ist manches sehr ähnlich. Landwirte sind auch Unternehmer, wollen arbeiten und wirtschaften und keine Berichte abliefern, die sich am Ende des Tages kaum jemand durchliest. Auch da geht es um Bürokratieabbau, aber auch um den Erhalt der GAP-Mittel der Europäischen Union, damit wir unsere bäuerlichen Familienbetriebe weiter stärken. 

Und klar: Wir bekennen uns auch zum Klimaschutz, und zwar so, dass wir niemandem vorschreiben, wie er leben soll und welchen CO2-Abdruck er für sich selbst definieren soll. (Abg. Schallmeiner [Grüne]: Der war gut!) Wir setzen auf Klimaschutz durch Technologie und Innovation, aber auch mit Hausverstand, weil wir glauben, dass das der Hebel ist, mit dem wir eine größere Wirkung als mit Verboten und Geboten erzeugen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir wissen, das Rückgrat unserer Gesellschaft in Österreich sind unsere Familien. Daher wird eine der wichtigsten Aufgaben dieser Bundesregierung auch sein, die Familien effektiv zu unterstützen. Es hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel in diesem Bereich verbessert. Gerade Jungfamilien haben es aber heutzutage oft schwerer als ihre Eltern- und Großelterngeneration, wenn es um ein Thema geht: Wohnraum – ganz speziell: leistbarer Wohnraum. Für mich ist klar, die Familiengründung und das Familienglück einer ganzen Generation sollen und dürfen nicht an Wohnraum scheitern.

Wenn man über junge Menschen und über Familien spricht, dann ist aber eines immer mit zu denken: Bildung. Bildung ist Zukunft, Zukunft unserer Kinder und Zukunft unserer Gesellschaft, und daher haben wir in unserem Arbeitsprogramm einen besonderen Schwerpunkt auf dieses Thema gelegt. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Wir werden die Schulautonomie stärken, mit der Mittleren Reife verbindliche Bildungsstandards und Sprachstandserhebungen etablieren. Die Eltern sind nicht nur dazu eingeladen, zu kooperieren, sondern wir werden das auch einfordern – notfalls mit Sanktionen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Auch die erste Bildungseinrichtung, die unsere Kleinsten besuchen, haben wir natürlich nicht vergessen: den Kindergarten, die Elementarpädagogik. Wir haben uns darauf verständigt, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr einzuführen und die Kinderbetreuung auszubauen, selbstverständlich unter Wahrung der Wahlfreiheit. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Wir werden unsere Chancen und Interessen in Europa und in der Welt stärker denn je nützen und vertreten. Mit dieser Bundesregierung, mit mir als Bundeskanzler wird sich Österreich selbstverständlich weiterhin aktiv und konstruktiv auf europäischer Ebene und auf internationaler Bühne engagieren. Darauf können Sie und die Menschen in unserem Land sich verlassen.

In einer Zeit, in der das Recht des Stärkeren die Stärke des Rechts anscheinend schlägt, ist es notwendig, dass wir uns bewusst sind, auf welcher Seite wir stehen – aufseiten des Täters oder aufseiten des Opfers? –, dass wir uns bewusst sind, welche Interessen wir vertreten wollen – die von Aggressoren oder die der freien westlichen Welt? Für uns ist klar: Stabile internationale Beziehungen sind für unsere Wirtschaft, für unsere Arbeitsplätze, unseren Wohlstand unerlässlich und sollen daher auch gestärkt werden. Sie sind aber auch für die Sicherheit und eine Vielzahl anderer Lebensbereiche von großer Bedeutung.

Mit dieser Bundesregierung wird Österreich ein verlässlicher Partner in der freien Welt bleiben. Die Volkspartei bietet ein breit aufgestelltes Team in dieser Bundesregierung auf: eine Mischung aus jung und etwas reifer, aus neuen Ideen und Erfahrung, aus Kontinuität und neuen Ansätzen, eine Mischung aus weiblich und männlich, eine gute Mischung für dieses Land. Wir waren immer bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn es notwendig war, und wir tun das ein weiteres Mal. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Besonders dann, wenn die Zeiten schwierig und herausfordernd sind, wie wir es gerade erleben, gilt es Verantwortung zu übernehmen, und zwar nicht als Einzelperson, sondern als Team – zum Wohle des Landes und zum Wohle der Menschen. Gehen wir sorgsam mit dieser Verantwortung um! 

Meine Damen und Herren! Wir haben in den Gesprächen in den letzten Wochen – und zwar alle: Volkspartei, Sozialdemokratie und NEOS – den Konsens und den Kompromiss vor Ideologie gestellt. Wir haben uns nicht herunterverhandelt, sondern Prioritäten, die diese Parteien jeweils haben, auch im Programm verankert. Diesen Geist des Kompromisses, des gegenseitigen Verständnisses werde ich als Bundeskanzler in dieser Regierung aufrechterhalten. Es wartet mehr als genug Arbeit auf uns, aber wenn wir weiter nach dem Prinzip: Nicht wir gegeneinander, sondern gemeinsam für Österreich!, vorgehen, dann bin ich optimistisch, dass wir am Ende der Legislaturperiode in einem besseren, in einem schöneren Österreich leben. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

9.49

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundeskanzler, danke für Ihre Ausführungen.

 Nunmehr darf ich dem Herrn Vizekanzler das Wort erteilen. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.