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Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Andreas Babler, MSc: Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle, die hier in unserem wunderschönen Land leben! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Hohes Haus! – Vielen Dank an alle, die es ermöglicht haben, dass wir – Herr Bundeskanzler Christian Stocker, meine Person und später auch die Außenministerin und weitere Minister – heute hier eine gemeinsame Regierungserklärung abgeben können.
Wir repräsentieren hier an der Spitze die Bundesregierung, aber ich mag es nicht verabsäumen, mich bei all den Menschen, die hier im Saal sind, die heute nicht in die Fernsehkameras lächeln und sprechen, die hinter den Kulissen mitgearbeitet haben, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwer mitgearbeitet haben, als Expertinnen und Experten in all ihren Funktionen dazu beigetragen haben, dass dieses Regierungsprogramm und schlussendlich diese Regierung möglich geworden ist, und die nicht vor dem Vorhang stehen, zu bedanken. Herzlichen Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass wir heute hier stehen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS.)
Ich möchte mich nicht nur beim Herrn Bundespräsidenten für seine Umsicht und Geduld bedanken, sondern ganz persönlich auch bei den Menschen, die vorher die zentralen Entscheidungsfunktionen und Ämter in dieser Republik innegehabt haben – einer davon ist direkt in der unmittelbaren Umgebung als Amtsvorgänger –, die auch mir persönlich zur Verfügung gestanden sind, um einzuschätzen, um sich auszutauschen und ihre Erfahrung auch in die aktuellen oder letzten Verhandlungen mitnehmen zu können. Vielen herzlichen Dank an all diejenigen, die ehemalige Amtsträgerinnen und Amtsträger in dieser Republik sind und uns auch immer mit ihrer Expertise zur Verfügung stehen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS sowie bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Hafenecker [FPÖ] – in Richtung Abg. Kogler –: Kollege Kogler, können Sie das wieder machen?)
Sie alle, wir, das ganze Land, haben lange auf eine Regierungserklärung warten müssen. Tatsächlich hat es gedauert, aber neben dem letztlich guten Ergebnis bin ich auch dankbar dafür, dass ich als Abgeordneter ganz persönlich einige Tage länger verinnerlichen konnte, welchen Stellenwert das Parlament, das Hohe Haus in dieser Republik hat, und auch die Bedeutung, Abgeordneter diesen Hohen Hauses zu sein, denn ich spreche heute ja nicht nur als neuer Vizekanzler zu Ihnen, sondern auch als jemand, der die Demokratie und die Kompromissfähigkeit feiert. Ich werde die parlamentarische Arbeit auch in den fünf Jahren, die vor uns liegen, hochhalten. Als Regierungsfraktion werden wir dieses Haus würdigen, aber auch der Opposition mit Respekt, mit Würdigung begegnen, und wir werden alle Kräfte hier in diesem Haus ernst nehmen, ihre Expertise wertschätzen und einbeziehen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS sowie der Abg. Zadić [Grüne].)
Diese Koalition ist ein Symbol, denn allein schon ihr Zustandekommen ist ein lebendiger Ausdruck dafür, dass wir das große Ganze, das Staatsganze über den Egoismus stellen. Wir haben den Wunsch, die Parteilogik für das Wohl der Republik hintanzuhalten. Diese Koalition ist viel mehr – und ich möchte es mit aller Deutlichkeit sagen, weil es oft diskutiert wird – als ein Agieren gegen eine FPÖ-geführte Regierung; viel mehr als das. Natürlich war das offen gesagt ein brennender Anlass, den ersten Schritt zu tun. Herbert Kickl – und ich stehe dazu, das ist ja schriftlich dokumentiert – hätte nicht nur die Axt an die Wurzeln der Demokratie gelegt, wie man biblisch sagt, er hätte gleich mit der Kettensäge an den Wurzeln unserer Republik angesetzt. Deshalb ist diese Regierung für die große Mehrheit in Österreich (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Welche Mehrheit?) eine große Erleichterung. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS sowie des Abg. Kogler [Grüne].)
Aber wir dürfen und werden uns auf dieser Erleichterung nicht ausruhen (Abg. Martin Graf [FPÖ]: Sag das dem Doskozil!), denn ein reines Dagegen reicht mir und uns allen nicht – nicht in der Lage, in der unser Land steckt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) Die Wirtschaft schrumpft. Wir stehen vor dem dritten Jahr einer Rezession. Auf das Dagegen muss unser Stattdessen folgen.
Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage: Leicht wird das alles nicht, für niemanden. Wir werden mindestens zwei harte Jahre brauchen, um das Budget zu konsolidieren und den Motor der Wirtschaft wieder anzuwerfen, aber dann werden wir auch die Früchte dieser Arbeit ernten können. Ich könnte jetzt einfach sagen: Gebt uns halt einfach Zeit, eine Chance!, aber auch das ist mir zu wenig. Ich lade Sie stattdessen ein: Stellt euch vor, wie Österreich sein kann, wenn wir unsere Pläne umsetzen!
Wir legen hier ein gutes Programm vor. Und ich möchte auch persönlich anmerken: Auch wir drei Parteivorsitzenden, die jetzt hier in Regierungsfunktionen sitzen, kommen aus verschiedenen Lebensrealitäten, aus verschiedenen politischen Ideologien und philosophischen Ansichten – stellvertretend für unsere Parteien –, aber wir haben es geschafft, das große Ganze zu sehen, uns aufeinander zuzubewegen und miteinander eine handlungsfähige, stabile und zukunftsgerichtete Regierung zu formen. – Herzlichen Dank euch beiden persönlich, inklusive dem Dank an eure Parteien. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS.)
Und ja, es ist dieses Programm nicht hundertprozentig ÖVP, es ist auch nicht hundertprozentig SPÖ oder NEOS, aber das Tolle ist, es ist auch nicht einfach dreimal 33 Prozent. Es ist viel mehr als das, es ist gedruckte österreichische Tugend, ein großer Kompromiss von konstruktiven Kräften. Österreich ist immer dann am besten aus Krisen gekommen, wenn sich diese konstruktiven Kräfte zusammengesetzt und zusammengearbeitet haben. So haben wir die Erste Republik und die Zweite Republik aus den Trümmern der Monarchie und des Faschismus aufgebaut, so haben wir auch die Finanzkrise 2008 gemeinsam gemeistert. Immer dann, wenn wir das gemeinsam gemacht haben, wurden wir gemeinsam mit Jahren der Stabilität und des Wachstums belohnt. Und so viel Parteistolz sei mir erlaubt: Immer wenn das geklappt hat, war die SPÖ mit dabei. Deshalb können Sie sich darauf verlassen und darauf vertrauen: Wir schaffen das auch dieses Mal, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS].)
Und ja, Krisen und Kriege in Europa haben Spuren hinterlassen. Deswegen ist es so wichtig, den Fokus auf eine verstärkte Rückkehr zu einer aktiven Außenpolitik Österreichs, gebased und fundamentiert auf der österreichischen Neutralität, zu haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Ich sage Ihnen eines: Diese Neutralität gibt Hoffnung, gibt Zuversicht, in einer sehr dramatisch veränderten Sicherheitslage eine Möglichkeit zu sein, auch in Zukunft aktive Außenpolitik in Europa und weltweit zu betreiben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wenn wir über unsere Wirtschaft sprechen, die auch die Spuren der Krisen und Kriege direkt mitbekommt, muss man eines klar sagen: Unsere Wirtschaft steckt fest. Wir alle werden die Ärmel hochkrempeln müssen, wir alle werden gemeinsam anschieben müssen, damit wir den Wagen wieder aus dem Graben raus und auf die Straße bekommen.
Wir hätten es uns leicht machen und zuschauen können, wie Herbert Kickl den Wagen immer weiter in den Graben reitet. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) Und wenn er hinterher wieder allen anderen die Schuld gibt, hätten wir sagen können, wir haben euch ja gewarnt, aber wir haben uns für die Verantwortung entschieden, dafür, das Richtige zu tun, dafür, vorher Verantwortung zu übernehmen, statt es hinterher besser gewusst zu haben. Das ist die Leitlinie unserer Politik. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS.)
Dafür haben wir uns als SPÖ weit bewegt und einen positiven Kompromiss gefunden, mit dem wir Österreich wieder auf Kurs bringen und ein ordentliches Stück vorwärts, mit vielen natürlich auch sozialdemokratischen Tugenden, beginnend beim Budget.
Alle müssen mit anschieben, damit wir Österreich wieder in Gang bekommen. In den letzten Jahren hat es aber einige Krisengewinner gegeben, die sich gedacht haben: Wozu soll ich mir eigentlich da die Hände schmutzig machen? – Sie haben zugeschaut, während alle anderen die Ärmel hochgekrempelt, angepackt und geschwitzt haben. Sie kennen mein Credo: Breitere Schultern können mehr dazu beitragen – aber ehrlich gesagt reden wir in Österreich nicht von ein paar breiten Schultern, die sich da oft aus der Verantwortung gestohlen haben, es haben oft ausgerechnet jene zugeschaut und sich zurückgelehnt, die diese breiten Schultern haben: Banken, Stiftungen, Immo- und Energieriesen, die es sich locker leisten können, mitzuhelfen, um Österreich wirtschaftlich mit aus dem Graben zu schieben.
Einige wenige haben viel Geld verdient (Abg. Kickl [FPÖ]: Da hätten Sie Gusenbauer zum Finanzminister machen sollen, der hat besonders breite Schultern!) und zu wenig fürs Gemeinwohl beigetragen. Wir ändern das jetzt mit einer Bankenabgabe, mit Beiträgen von Privatstiftungen, von Immobilien-, Glücksspiel- und Energiekonzernen, mit einer Immobilieneinkommensteuer und mit einer gerechteren Steuer auf große Immobiliendeals. Allein mit der Bankenabgabe werden wir heuer und nächstes Jahr rund 1 Milliarde Euro in unser Budget holen, damit breite Schultern mehr dazu beitragen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Genau in diesem Punkt liegt ein zentraler Unterschied zwischen uns, zwischen einer Regierung mit der Sozialdemokratie und einer Regierung ohne Sozialdemokratie – nicht nur, aber da ist er am wirkmächtigsten, denn dieser Beitrag der Kräftigsten, der Krisengewinnerinnen und Krisengewinner gibt uns den nötigen Schwung, den Spielraum, das Leben der Leute zu verbessern: zum Beispiel mit dem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr die Freiheit für die Frauen, sich für den Beruf zu entscheiden und damit für eine eigenständige finanzielle Zukunft; zum Beispiel mit der Aktion 55 plus für ältere Langzeitarbeitslose (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS]), die große Schwierigkeiten haben, über die Runden zu kommen; zum Beispiel auch mit dem Transformationsfonds, dem Klimahebel. Der schiebt die Wirtschaft nämlich dreifach an: Jeder Cent, den wir da investieren, macht uns klimaneutral, wettbewerbsfähig und schafft Jobs in dieser Republik, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS].)
Ich kenne aus meiner Familie ganz genau die Angst beim Abendessen, dass der Arbeitsplatz des Vaters am nächsten Tag weg ist. Ich weiß aus der Geschichte meiner Heimatstadt Traiskirchen, wie es sich anfühlt, wenn manche nur auf den Profit schauen, aber nicht mehr auf die Personen dahinter, die diesen Profit mit erwirtschaften. Das hat mich geprägt, das ist der politische Kompass meines Lebens geworden, und auch die Erkenntnis, dass ich nicht vergessen werde, dass es auch starke Gewerkschaften braucht, die diese Grundrechte für Menschen, die arbeiten, in diesem Land auch garantieren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Ich kämpfe für ein Österreich, in dem man sich mit seiner Arbeit etwas aufbauen kann, in dem die Arbeit Respekt und Würde gibt, in dem das Wohnen leistbar ist und in dem alle gleichberechtigter Teil der Gesellschaft sein können. Unser Paket ist ein großer Schritt in diese Richtung. Seit Montag müssen sich die Menschen in Österreich nicht mehr um ihre Regierung sorgen. (Abg. Kickl [FPÖ]: Oh doch!) Seit Montag haben sie eine Regierung, die für sie sorgt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: You made my day!)
Die Pensionistinnen und Pensionisten zum Beispiel: Ja, die Beiträge zur Krankenversicherung steigen um 0,9 Prozent, aber dafür verbessern wir auch gleichzeitig die Leistungen. Zusätzlich werden statt der Rezeptgebühren nun die gesamten Arzneimittelkosten gedeckelt; für unzählige Pensionist:innen ist das unter dem Strich also günstiger.
Und die FPÖ? (Abg. Wurm [FPÖ]: Ja?) – Die FPÖ hätte all das nicht gemacht; sie hätte nur die Beiträge angehoben und das Pensionsalter gleich mit. (Heiterkeit des Abg. Wurm [FPÖ]. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Wie kommen Sie dazu, eine solche Lüge zu behaupten? Das ist ja unfassbar!) Wir haben das verhindert, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: ... haben überhaupt keine Beiträge erhöht!)
Wir machen jetzt entschlossen mobil gegen die Teuerung, die den Menschen drei Jahre lang Löcher in die Taschen gebrannt hat. Wir ersparen so unglaublich vielen im Land eine Erhöhung der Mieten um 3 Prozent, die schon in drei Wochen schlagend geworden wäre. Wir frieren die Mieten ein im regulierten Bereich, wir deckeln sie im unregulierten Bereich. Wir machen das Wohnen in Österreich billiger – nachhaltig, für die Zukunft. (Der Redner berührt mit seinem Ellbogen unabsichtlich den Kopf von Bundesminister Karner. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ]. – Abg. Hafenecker [FPÖ]: Geh pass auf den Innenminister auf! – Heiterkeit der Abg. Belakowitsch [FPÖ].)
Wir durchbrechen die toxische Spirale von Mieten und Inflation. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Der Herr Innenminister hat schon Angst!) Wir lösen die Erhöhung der Mieten vom Verbraucherpreisindex, damit sich Miete und Teuerung nicht mehr gegenseitig anheizen. Das ist ein historischer Meilenstein (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), eine Politik einer Bundesregierung, die eingreift, die nachhaltig Wohnen leistbar macht in dieser Republik – im Interesse von Millionen von Menschen, die davon profitieren, weil eben endlich eingegriffen wird. (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Rechts von Ihnen sitzt ein ...! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) Wir geben somit den Menschen wieder Sicherheit in ihrem Alltag und in ihrem Zuhause (Abg. Steiner [FPÖ]: Dem Stocker ist schon schwindlig!); auch mit einer Frauenpolitik, die diesen Namen wieder verdient, mit Lohntransparenz, damit wir dem ein Stück näher kommen, dass Frauen in diesem Land für gleichwertige Arbeit endlich auch den gleichen Lohn erhalten (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS]), mit einem Plan gegen Männergewalt, mit Primärversorgung für Frauen und Gewaltambulanzen.
In der Sozialpolitik setzen wir auf Vermittlung und Qualifizierung. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch [FPÖ].) Wir – und das ist ein unerschütterlicher Grundsatz – sorgen zuerst dafür, dass alle arbeiten können, die das wollen. Das ist ein fundamental anderer Zugang als der, die Menschen zu bestrafen, ihnen aber keine echten Chancen zu geben. Wir wollen Menschen, die Teil des Arbeitsmarkts sein wollen, ihre Chance geben, damit sie, wenn sie wollen, auch arbeiten können in diesem Land, mit vielerlei Initiativen. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS].)
Ich sage Folgendes dazu: Früher hat es in der Politik eine gemeinsame Aufgabe gegeben. Politik hat es als ihre Aufgabe gesehen, Arbeitsplätze zu schaffen – Stichwort Vollbeschäftigung. In den letzten Jahren hat die Politik aber oft so getan, als wäre es allein die Aufgabe jeder und jedes Einzelnen, einen Job zu finden. Die Politik soll den Markt formen, nicht die Menschen – so selbstbewusst wollen wir regieren –, die Politik soll Verantwortung für das große Ganze in diesem Land übernehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Auch bei der Integration gilt: Wir alle wollen, dass die Menschen, die zu uns kommen, mit anpacken, ihren Teil, ihre Steuern beitragen. Aber wenn wir wollen, dass sie mit anschieben, um Österreich wieder auf Kurs zu bringen, dann müssen wir ihnen auch zeigen, wo und wie sie mit anpacken können. (Zwischenruf des Abg. Mölzer [FPÖ].) Deshalb rufen wir die Integrationspflicht ab Tag eins aus. Natürlich ist das die Aufgabe der Menschen, die zu uns kommen, aber wir müssen ihnen die Möglichkeit dazu geben. Schulpflicht heißt ja auch: Die Gesellschaft stellt die Schule, und der Einzelne hat die Pflicht, seine Kinder hinzuschicken. In der Integration machen wir es genauso: Wir stellen die Programme, aber wer nicht hingeht, muss auch mit Sanktionen rechnen.
Auch die illegale Zuwanderung werden wir ordnen und eindämmen – und nicht nur krakeelen, wie es andere tun. Es gilt: Wir haben Lösungen, wo Herbert Kickl (Abg. Kickl [FPÖ]: Danke für die Aufmerksamkeit!) nur inhaltsleere Lösungen anbietet, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Shetty [NEOS].)
Ich sage es auch ganz bewusst: Verlieren wir, wenn wir über Schutzbedürftige sprechen, nie aus den Augen, meine sehr geehrten Abgeordneten, dass es um Menschen geht: um Kinder, um Mütter, um Väter, um Onkel, um Tanten – dass es um Menschen geht. Es ist ein unumstößliches Prinzip meines politischen Zugangs, auch der Regierung, dass wir uns zu den Menschenrechten bekennen, zu uneingeschränktem Humanismus – ein Grundpfeiler unserer Demokratie (Ruf bei der FPÖ: ... Bürger in Villach!), wenn wir über Schutzbedürftige sprechen.
Wir bieten Sicherheit für alle – für alle, die hier Schutz suchen und für alle, die hier leben – vor Extremisten, ob es nun religiöse Extremisten oder Rechtsextreme sind. Dafür werden wir auch die Social-Media-Plattformen, die Hetze und Hass eine Bühne bieten und junge Menschen in wenigen Wochen radikalisieren können (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Nehmt das „Standard“-Forum dazu und …!), stärker in die Pflicht nehmen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS.) Dafür wird es Druck auf europäischer Ebene brauchen, aber den werden wir als Bundesregierung gemeinsam machen.
Um der Verunsicherung durch Fake News und Radikalisierung entgegenzuwirken, werden wir auch die heimischen Medien stärken, mit einer starken Förderpolitik und mit einem Gratisaboangebot für Jugendliche als Anreiz, und den ORF mit mehr Unabhängigkeit ausstatten (Abg. Kickl [FPÖ]: ... bis zur Bahre!), denn dieser ORF gehört zu Österreich wie das Schnitzel, wie die Sachertorte (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS), wie Herbert Prohaska, wie Johann Krankl. Er ist ein Teil unserer Identität, und wir in dieser Bundesregierung werden ihm mehr Unabhängigkeit und auch schützende Rahmenbedingungen geben.
Wir werden die Republik, die Demokratie und ihre Institutionen stärken. Wir stärken das Immunsystem der Demokratie gegen selbst ernannte Volkskanzler und sonstige Fantasieämter, denn wir wissen auch, die Gefahr ist nicht gebannt. Die nächsten Jahre sind kein Selbstläufer. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf [FPÖ].) Wir werden noch viel diskutieren müssen, auch über Probleme, von denen wir heute noch gar nicht wissen, dass sie uns einmal beschäftigen werden. Ich gehe aber mit Mut und Zuversicht in diese Jahre (Abg. Darmann [FPÖ]: Babler einsparen!), denn ich gehöre nicht zu denen (Abg. Hafenecker [FPÖ]: Die Reden von Babler gehören dereguliert, bitte!), die Politik als Kunst des Möglichen sehen, ich sehe Politik als die Kunst des Ermöglichens.
Darum haben wir auch unseren Beitrag im Regierungsteam geleistet und die besten Köpfe mit all ihrer Expertise für Regierungsfunktionen vorgeschlagen, die nun an unserer Seite, gemeinsam mit uns, alles dafür tun werden, diese Republik nach vorne zu bringen. – Herzlichen Dank auch an euch, die ihr diesen Weg in Zukunft gemeinsam mit uns gehen werdet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Das sind ja alles schöne Worte!, werden jetzt viele sagen, aber wir lassen ja schon heute, gleich im Anschluss, hier Taten folgen. (Ruf bei der FPÖ: Das schau’ ich mir an!) Ich bitte Sie alle – im Saal, auf der Galerie, zu Hause vorm Fernseher –: Seien auch Sie zuversichtlich! Vertrauen Sie auf unsere Tradition, unsere österreichische Tradition des konstruktiven, des progressiven, des zukunftsgerichteten Kompromisses, auf unsere Fähigkeit, das Ruder rumzureißen, wenn alle mit anpacken! – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und NEOS.)
10.11
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Vizekanzler, danke für Ihre Ausführungen.
Nun erteile ich der Frau Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten das Wort.