RN/13

11.08

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Danke, Herr Präsident! Herr Bundespräsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Zeit ist aus den Fugen, das stimmt. Umso wichtiger ist es, dass Österreich jetzt eine stabile, proeuropäische, demokratische und auf demokratischen Wahlen fußende Bundesregierung bekommen hat – einmal Gratulation dazu! Das halte ich für ganz, ganz wichtig, es hätte nämlich auch anders kommen können. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Shetty [NEOS]. – Abg. Kickl [FPÖ]: Furchtbar! Neuwahlen!) – Geh, Kollege Kickl, Sie waren jetzt gar nicht adressiert. (Abg. Kickl [FPÖ]: Ich denke halt mit!) Na ja, gut. Das mit dem Volkskanzler wird noch eine Zeit lang dauern, aber das hatten wir schon abgehandelt.

Jedenfalls geht es ja um viel, viel mehr. Ich möchte auch noch einmal die Leistung zur Kompromissbereitschaft betonen und positiv hervorheben. Das wurde ja eingefordert, auch von uns, nicht nur vom Herrn Bundespräsidenten, dem ich auch noch einmal dafür danken möchte, dass er das Ganze in gewohnter Umsicht, Gelassenheit und Weitsicht moderiert hat, was sicher nicht einfach war.

Ich möchte anerkennen, dass ein zweiter Anlauf und noch einmal umzukehren sicherlich auch Anerkennung verdient. Wenn man es fordert, muss man es auch loben, wenn es dann gelingt – und das können Sie aufrichtig von unserer Fraktion mitnehmen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

In diesen eben nicht nur unsicheren, sondern dramatischen Zeiten – was heißt Zeitenwende, das sind Brüche, wie schon öfter erwähnt, das sind serielle Disruptionen! – steht natürlich ganz, ganz viel auf dem Spiel. Alles, was Europa groß gemacht hat – die liberale Demokratie, der Rechtsstaat; da oder dort glaubt man sogar, die soziale Marktwirtschaft; über das Ökologische werden wir noch reden –, steht auf dem Spiel: auf der ganzen Welt, in Europa und damit auch in Österreich.

Es ist noch nicht so lang her, dass vom Ende der Geschichte positiv philosophiert wurde, mit Buchtiteln und ewigen Ausführungen: im Sinne des Fortschritts, des unumkehrbaren Fortschritts nach 1989. Was für ein Irrtum! Alle zivilisatorischen Höchstleistungen sind wieder in Gefahr, ganz offensichtlich, immer schneller, vor unseren Augen, und deshalb muss klar sein, dass Europa von außen und von innen angegriffen wird.

Das heißt: Europa muss sich erstens einmal zusammenreißen, zweitens zusammenwachsen, zusammenarbeiten und vor allem – jetzt höchste Eisenbahn! – zusammen handeln. Da hat auch ein neutraler Staat eine ganz wichtige Aufgabe und sollte nicht nur blockieren und motzen – deshalb ist es ja so gut, dass es eine proeuropäische Regierung gibt –, sondern alles Denkmögliche tun, damit Europa, die Einigung Europas und damit auch die Demokratien gestärkt werden. Das ist entscheidend. Wieder einmal gilt – genauso wie für uns hier – auch in Europa: Stärke durch Zusammenhalt statt Schwäche durch Spaltung! (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Deshalb wird es so essenziell sein, dass sich Europa auch in seinen Fähigkeiten zur Verteidigung verbessert. Das müssen wir nicht nur anerkennen, sondern dazu müssen wir auch etwas beitragen, nämlich gerade auch als neutrales Österreich. Apropos Österreich: Ja, die Lage ist schwierig, keine Frage, aber wir haben schon viel schwierigere Zeiten erlebt – der Herr Vizekanzler hat es gesagt: 2008, 2009, 2010, 2011, durch die Folgen der globalen Finanz- und Bankenkrise. Trotzdem ist es gut gelungen – ja, mit SPÖ und ÖVP, und ich meine, auch mit den Grünen, oft, in vielen dieser Fragen, waren es Zweidrittelverhandlungen –, dass wir über Nacht das Bankensystem stabilisiert haben oder in der längeren Frist den europäischen Stabilitätsmechanismus geschaffen haben, was in Österreich eine Zweidrittelmehrheit gebraucht hat. Und wer war es, der konstruktiv mitgearbeitet hat? – Die Grünen – damals noch unter einem gewissen Abgeordneten und Klubobmann Van der Bellen. Also Sie sehen, wir können beides: konstruktiv zusammenarbeiten, auch aus der Opposition heraus, und natürlich trotzdem die Dinge kritisch betrachten. (Beifall bei den Grünen.)

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die jetzige Budgetsituation verweisen. Jede Konstellation einer Bundesregierung müsste jetzt sparen, das ist ja überhaupt keine Frage. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Budgetdefizit wurde ja vom Herrn Bundeskanzler herausgearbeitet, da haben wir anständige Dellen bekommen, natürlich, weil wir so exportorientiert sind. Deshalb, glaube ich, muss man Finanzminister Brunner da und dort kritisieren, aber auch ein bisschen nachsichtig sein, denn so einfach ist es nicht, wenn auf einmal eine Differenz von 2 Prozent im Wirtschaftswachstum auftaucht.

Aber sei es drum an dieser Stelle. Uns geht es um sinnvolles Sparen, mit dem wir eben nicht die Konjunktur massiv schädigen – genau das ist ja der Zusammenhang, wir haben das ja zutreffenderweise erklärt bekommen –, also darum, dort zu sparen, wo wir nicht das zarte Pflänzchen Konjunktur auch noch zertrampeln, sondern dort, wo es am Schluss sinnvoller ist. (Beifall bei den Grünen.)

Der zweite Punkt, warum Österreich von den Ereignissen 2022, dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins, so hart wie wenige andere Länder getroffen wurde – wie Ungarn und die Slowakei, manchmal auch Deutschland –, ist der Umstand, dass wir hier in Österreich eine Gasabhängigkeit von Russland erzeugt haben, die in den schlimmsten Zeiten bis auf 90 Prozent hinaufgegangen ist.

Da komme ich nicht umhin, apropos Kritik, zu kritisieren, dass rot-schwarze und türkis-blaue Vorgängerregierungen diese Gasabhängigkeit überhaupt erst dorthin getrieben haben, im vollen Bewusstsein, was Putin für ein Geselle ist. Deshalb habe ich das – ich darf mich ausnahmsweise selbst zitieren – als Wirtschaftsverbrechen bezeichnet.

Umso wichtiger ist es, die Energiewende voranzutreiben und in all diesen Bereichen für Unabhängigkeit, für günstigere und für nachhaltigere Energie zu sorgen. Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch die Chancen des Klimaschutzes erkennen und nutzen, auch aus dem Budget heraus.

Es hilft ja nichts, einfach zu sagen, wir kürzen da jetzt, genau dort, wo im Übrigen mittlerweile die Wirtschaftskammer erkennt, dass die Betriebe und die Arbeitsplätze massiv gefährdet sind, wenn wir das alles zu radikal kürzen – wir werden davon noch hören. Also das finden wir nicht schlau.

Stattdessen sollte bei den umweltschädlichen Subventionen gekürzt werden, da haben wir nämlich eine doppelte Dividende. Ich sehe wirklich nicht ein, dass wir mit dem Dieselprivileg weiterhin den ausländischen Transit durch Österreich finanzieren, aber gleichzeitig klimaschonende Förderungen gestrichen werden. Das ist das Gegenteil von ökologischer Marktwirtschaft, darf ich der ÖVP ins Stammbuch schreiben. (Beifall bei den Grünen.)

Klimaschutz mit Hausverstand heißt auch Klimaschutz mit Liebe – denken wir an die Enkelkinder und deren Enkelkinder. Wir müssen zukünftige Generationen betrachten, wir können nur mit der Natur und nicht gegen die Natur wirtschaften. Da hilft es überhaupt nichts, wenn wir sagen: Gebote und Verbote, das ist alles schlecht! – Da wird das jeweilige vernünftigste Instrument zu wählen sein. Schauen Sie einmal in Ihrem Regierungsprogramm nach, wie oft dort die Wörter Gebot und Verbot vorkommen – da werden Sie sich aber wundern –, und zwar wahrscheinlich meistens zu Recht. Es ist doch auch sinnvoll, dass man bei Rot stehen bleibt und bei Grün über die Kreuzung geht. Was ist das? – Gebot und Verbot. Also mit diesen Kalauern können Sie uns nicht aufhalten, tut mir leid, auch wenn der Herr Bundeskanzler gerade nicht da ist. (Beifall bei den Grünen.)

Es wundert mich ja nicht bei der ÖVP, aber dass die SPÖ da mitklatscht, wundert mich schon, sie hat sich ja dem Klimaschutzziel verschrieben. Wie wir das erreichen wollen, bleibt offen, bleibt blind. Das muss man diesem Regierungsprogramm vorwerfen: Es ist auf dem ökologischen Auge blind.

Nichtsdestotrotz: Wir werden auch bei Zweidrittelmaterien weiter unsere Zusammenarbeit anbieten, es gibt genug zu reformieren, auch mit den Bundesländern: Bildung, Gesundheit, Pflege – alles das –, im Übrigen auch wieder im Bereich Energie. Da kann man viel gemeinsam machen.

Ein Letztes – holen wir noch einmal „Hamlet“ von Shakespeare hervor: Die Welt ist aus den Fugen. – Mir ist das aber immer zu lamentiererisch; Sartre ist an der Stelle besser: Es mag bessere Zeiten geben, aber diese sind die unseren. – Was meint er damit? – Dass wir die Ärmel aufkrempeln und die Zukunft gestalten und sie nicht erleiden. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Meinl-Reisinger.)

Es gibt – jawohl, Beate Meinl-Reisinger – in unserem Land genug Grund zu Zuversicht und Optimismus, das sollten wir nutzen und angehen. Und ja, die demokratischen Kräfte in diesem Land haben sicherlich viel, viel mehr Gemeinsames als Trennendes. Vor den großen Fragen, die sich stellen, sollten wir nicht zurückschrecken, sondern die Antworten gemeinsam geben. – In diesem Sinne: Auf eine gute Zusammenarbeit! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.18

Präsident Peter Haubner: Danke vielmals.

Geschätzte Damen und Herren, ich ersuche, den Herrn Bundeskanzler aus gesundheitlichen Gründen von der weiteren Debatte zu entschuldigen, und danke für Ihr Verständnis.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Kucher. – Bitte, Herr Klubobmann.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.