RN/34
13.31
Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Minister:innen und sehr geehrte Staatssekretär:innen auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Heute ist ein guter Tag in diesem Parlament: Fünf Monate nach der Wahl gibt es jetzt endlich eine Regierung – und ich möchte am Beginn meiner Rede Ihnen, euch allen auf der jetzt ziemlich engen Regierungsbank ausdrücklich alles Gute und viel Kraft für diesen herausfordernden Job wünschen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS.)
Wir als Abgeordnete hier im Parlament werden unser Bestes geben, um Ihre Arbeit zu unterstützen, dort, wo es im Sinne der Menschen in unserem Land ist, werden wir aber auch kritisch mahnen und einmahnen, wenn die wichtigen Reformen, die wir brauchen, verschleppt werden – Reformen, die die NEOS seit vielen Jahren lautstark eingemahnt haben und für die jetzt du, lieber Christoph (in Richtung Bundesminister Wiederkehr), verantwortlich sein wirst. Wir teilen viele der Anliegen. Kinder sind unsere Zukunft, und wir müssen dafür sorgen, dass sie sich entfalten können, dass sie ohne Angst lernen können, dass sie gut Deutsch sprechen können, um an unserer Gesellschaft teilzuhaben. Viele Eltern in unserem Land haben Sorge, dass sie keinen guten Kindergartenplatz mit Nachmittagsbetreuung finden, dass sie sich teure Nachhilfe nicht leisten können – die ja eigentlich gar nicht notwendig sein sollte.
Wir haben Zigtausende hoch engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die mit Herzblut in den Klassen stehen und versuchen, allen Kindern die gleichen Chancen zu ermöglichen. Aber die Chancen sind nicht gleich. Unser Bildungssystem ist eines, das brutal aussortiert. Acht- und neunjährige kleine Kinder, die doch mit Spaß spielerisch lernen sollen, haben einen unglaublichen Stress, weil eine einzelne Ziffer in ihrem Volksschulzeugnis darüber entscheidet, wie es mit der Bildungslaufbahn ihres ganzen restlichen Lebens weitergeht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ein System ist doch pervers. Kinder sind unsere Zukunft, und wir müssen dafür sorgen, dass ihre Zukunft gut gelingen kann. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Diese Aufgabe müssen Sie, Herr Bildungsminister, die musst du, lieber Christian (Ruf: Christoph!) – Christoph, Entschuldigung! –, jetzt erfüllen. Die letzten fünf Jahre warst du in Wien für die Bildung zuständig. Da hat es bei unzähligen Problemen geheißen: Man würde ja gerne, aber der Bund ist zuständig. – Diese Ausrede wird jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen. Und wenn man sich die Bilanz in Wien anschaut, dann erfüllt mich das schon auch mit Sorge für den Bund. Unsere Parteichefin in Wien, Judith Pühringer, sagt: Christoph Wiederkehr hinterlässt eine handfeste Bildungskrise.
Diese Bildungskrise lässt sich in Zahlen ausdrücken: Das Deutschniveau der Taferlklassler in Wien ist in den letzten Jahren dramatisch gesunken, statt 500 Sozialarbeiter:innen an den 500 Schulstandorten gibt es gerade einmal 70, und wenn man in Wien für sein Kind mit Behinderung einen Kindergartenplatz sucht, dann ist man komplett aufgeschmissen, es gibt nämlich kaum welche.
Herr Bildungsminister, die Aufgaben sind riesig, und das ist Ihnen, das ist dir, denke ich, sehr, sehr bewusst. Und ich denke auch, es ist dir bewusst, dass dieser Job als Minister kein Nine-to-five-Job ist. Wir haben bereits durch diese chaotischen Regierungsverhandlungen fünf Monate verloren, und es ist mir absolut unerklärlich, wie man in einer Phase, in der man sich in ein Ministerium, in viele komplexe Materien einfinden muss, nur als Teilzeitminister antritt. Während eigentlich wichtige Treffen mit den Mitarbeiter:innen im neuen Ministerium, wichtige Termine mit den Schulmanager:innen unseres Landes anstehen würden, wird unser Bildungsminister jetzt in Wien Wahlkampftermine wahrnehmen – Wahlkampftermine für eine Wahl, an deren Ende Christoph Wiederkehr gar nicht zur Verfügung steht. Entschuldigung, aber das ist doch eine absolute Farce! (Beifall bei den Grünen.)
Herr Minister, die Aufgaben sind riesig. Wir stehen bereit, konstruktiv mitzuarbeiten bei so vielen Dingen, die wir während unserer grünen Regierungsbeteiligung gestartet haben und die jetzt auch fortgeführt werden sollen: Quereinstieg in den Schulen, Chancenbonus, Sommerschulen – alles Themen, die wir durchaus unterstützen. Diese Aufgaben brauchen aber nicht 50, nicht 80, sondern 100 Prozent Ihrer Aufmerksamkeit und Ihres Arbeitseinsatzes. Sie sind es den Kindern, den Eltern, den Lehrer:innen schuldig, sich Ihren Aufgaben mit all Ihrer Kraft und all Ihrer Zeit zu widmen – und nicht als Teilzeitminister einen sanften Einstieg in dieses Amt zu versuchen.
Ich fordere Sie auf: Legen Sie Ihre Kandidatur in Wien zurück, geben Sie alles für Ihre Kinder, dann haben Sie auch unsere Unterstützung! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei den Grünen: Eine gute Rede! Eine sehr gute Rede!)
13.36
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Georg Strasser.