RN/19
10.24
Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Gesundheitsministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Ja, es trifft sich sehr gut, dass wir heute hier zur Primetime, am Vormittag, in dieser ersten regulären Nationalratssitzung das Thema Gesundheit auf der Tagesordnung haben. Wir haben im letzten Gesundheitsausschuss mehrere Themen, auch große Anträge, diskutiert, leider hat es nur ein einziger Antrag bis ins Plenum geschafft, und das ist ein Entschließungsantrag, dass es in Zukunft einen Bericht über die Versorgungssituation von Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen in unserem Gesundheitswesen geben soll. Dem haben wir natürlich zugestimmt.
Allerdings möchte ich schon auch sagen, dass diese Menschen, diese Personengruppe unter genau denselben Problemen wie alle anderen Versicherten in Österreich leidet: Wir haben von oben bis unten im gesamten österreichischen Gesundheitssystem ein riesiges Versorgungsproblem.
Ich möchte mit dem Spitalsbereich anfangen. Das Thema hat ja eine hohe Aktualität. In den letzten Tagen wurde eine neue Spitalsärztestudie veröffentlicht, und die Ergebnisse, Frau Ministerin, Frau Staatssekretärin, waren erschütternd. Mittlerweile ist es so, dass mehr als sechs von zehn Spitalsärzten die Meinung vertreten und es erleben, dass die Zustände in den öffentlichen Spitälern schlechter sind als vor fünf Jahren und der Trend ein negativer ist. Es ist so weit, dass jeder fünfte Arzt sagt, er würde gar nicht mehr im Spital anfangen, wenn er es sich noch einmal aussuchen könnte.
Die Kritikpunkte, die da vorgebracht werden, sind altbekannt. Es wird aber von Jahr zu Jahr schlechter statt besser. Überschießende bürokratische Auflagen, mehr Zeit am Schreibtisch als bei den Patienten, personelle Unterbesetzung, Dienstpläne, die nicht halten, Ungerechtigkeiten und unattraktive Arbeitszeiten – all das kennt man schon seit Jahren. Dieser Trend hat sich in der Studie vor fünf Jahren bereits im Wesentlichen abgezeichnet, jetzt hat er sich noch verschlimmert. Das ist ein gigantischer Handlungsauftrag an Sie, an die neue Mannschaft im Gesundheitsministerium, da einzugreifen und neue Rahmenbedingungen zu schaffen.
Allerdings muss ich feststellen, ich finde diese Ansätze in Ihrem Regierungsprogramm noch nicht. Da gibt es ja Forderungen, die von Ihren Fraktionen beziehungsweise von der neuen Regierung vorgebracht worden sind, wie zum Beispiel den Vollzeitbonus und die Überstundenpauschalierung, damit zumindest die Leistungsträger, die vorhanden sind, finanzielle Anreize erhalten, sich mehr einzubringen. Da geht es um die Weiterbeschäftigung im pensionsfähigen Alter oder darum, die demografische Lücke, von der wir wissen, dass sie im ärztlichen und im pflegerischen Bereich gigantisch ist, nicht zu groß werden zu lassen.
Es finden sich auch keine Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Der Herr Staatssekretär für Deregulierung hat uns leider gerade wieder verlassen, dabei wäre er gerade bei diesem Tagesordnungspunkt höchst gefragt. Wenn wir es nicht schaffen, das Arbeitsumfeld und die bürokratischen Auflagen zu reduzieren, dann werden wir auch nicht mehr Beschäftigte in den Spitälern finden und dann bleiben die Operationssäle geschlossen, wie aktuell in Innsbruck. Dort sind laut Berichterstattung 20 Prozent der OPs wegen Pflegekräftemangel einfach geschlossen; Ärzte wären in dem Fall sogar genügend da. So wachsen die Wartelisten im Spitalsbereich natürlich an. Wichtige Operationen werden immer weiter verschoben, und die Menschen kommen nicht zu ihrer verdienten Versorgung, für die sie auch ihre Steuern und Beiträge zahlen – das darf man ja an dieser Stelle nicht vergessen.
Wenn Sie dann als einen der Lösungsansätze richtigerweise ansprechen: Wir müssen die Spitäler, vor allem die Spitalsambulanzen, entlasten!, und: Die Patienten gehören eigentlich in den niedergelassenen Bereich!, dann muss ich Ihnen leider sagen, dass die Situation dort ähnlich katastrophal ist. Allein in meinem Heimatbundesland Oberösterreich sind, wenn man es auf den Österreichschnitt hochrechnen würde, 200 Kassenstellen zu schaffen, 80 sind unbesetzt, 200 würden wir brauchen, um in der Versorgung auf den Bundesschnitt zu kommen.
Österreichweit reden wir von mindestens 800 bis 1 000 Kassenstellen, die wir zusätzlich bräuchten. Da ist es keine Lösung, drei Kassenstellen in ein PVZ zusammenzuziehen, denn es bleibt halt bei nur drei Kassenstellen. Die Versorgung im ländlichen Bereich wird dadurch unter Umständen sogar weiter geschwächt. Wenn die drei zusammen an einem Standort sind, dann haben zwei Gemeinden rundherum in vielen Fällen keinen Hausarzt mehr. Das heißt, wir brauchen da andere Lösungen, und die können nicht darin ausarten, dass wir den Ärzten noch mehr bürokratische Auflagen machen. Die können auch nicht so aussehen, dass wir Parallelstrukturen im Bereich der Sozialversicherungen aufbauen und ausländische Drittstaatsärzte importieren.
Wir müssen schauen, dass wir einen neuen Verteilungsschlüssel schaffen, neue Vorgaben machen, die Ausbildung evaluieren, zusätzliche Ausbildungsstellen im System schaffen, damit das nicht auf die Planstellen geht. Wir müssen wirklich bedarfsorientiert ausbilden, um diese Lücken zu füllen.
Natürlich müssen wir dann auch schauen, dass die Arbeitsbedingungen passend sind, die Arbeitsbelastung passend ist. Das heißt, es darf keine zusätzlichen bürokratischen Auflagen, keine weiteren verpflichtende Meldungen geben, kein weiterer Druck über ökonomische Verordnungsrichtlinien ausgeübt werden, die im Endeffekt nichts anderes als Eingriffe in die Therapiefreiheit und Therapieauswahl des Arztes sind. Da rede ich noch gar nicht von Themen wie dem Zwang für Wahlärzte, Behandlungen zum Kassentarif durchzuführen oder den ganzen Einmeldungsverpflichtungen. Momentan kommt unheimlich viel Bürokratisches auf die Ärzte zu.
Betreffend Entlastung über andere Gesundheitsberufe, über die diplomierte Pflege, über Rettungs- und Notfallsanitäter, aber auch über die öffentlichen Apotheken: Dahin gehend könnten wir auch im Bereich der Berufsgesetze noch sehr viel machen und sehr viel gemeinsam beschließen, damit das Leistungsspektrum im niedergelassenen Bereich auch tatsächlich von den niedergelassenen Ärzten erbracht werden kann, dass die Verlagerung der Patienten in den niedergelassenen Bereich auch tatsächlich funktioniert, dass die, so wie wir sagen, wohnortnahe Versorgung, die sich jeder Österreicher verdient hat und die auch den Marsch in die Spitäler unterbrechen würde, auch ohne zusätzliche Zwänge oder Ambulanzgebühren funktioniert. (Beifall bei der FPÖ.)
Einen letzten Punkt möchte ich noch ansprechen, weil mir das auch sehr wichtig ist: den Bereich der Arzneimittelversorgung. Wir haben viel zu wenig Zeit, um das zu diskutieren – auch meine Redezeit neigt sich dem Ende zu –, aber wenn Sie glauben, dass das Festhalten an einem Bewertungsboard, das wieder nur ökonomische Gesichtspunkte betrachtet, und eine Ausweitung der ökonomischen Verordnungsrichtlinien die Arzneimittelversorgung der Menschen in diesem Land verbessert, dann sind Sie auf einem Holzweg. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir brauchen die richtigen innovativen, lebensrettenden Therapien möglichst frühzeitig, aber auch richtig eingesetzt, das spart im System Kosten. Und wenn wir dann schauen, dass nicht für die Nebenwirkung der Nebenwirkung das dritte und vierte und fünfte und sechste Medikament verordnet wird, sondern wenn wir zum Beispiel ein flächendeckendes Medikationsmanagement einführen, dann sparen wir uns viel mehr Kosten, als uns diese Dienstleistung kostet, und fördern schlagartig die Gesundheit der Menschen und den sicheren Umgang mit Arzneimitteln. Da könnten wir viel sparen, aber bitte nicht mit plumpem Preisdumping und ökonomischen Abgaberichtlinien, so wie wir das im Ausschuss jetzt diskutiert haben, denn das würde nur die Versorgung weiter gefährden.
Wir müssen – ganz im Gegenteil – die österreichischen Versorgungsstrukturen stärken, denn die sind am Limit, die sind durch die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre am Limit. Und da brauchen wir dann auch noch, das haben Sie ja auch angesprochen, Notfallvorbereitungen nicht nur für die nächste Pandemie, sondern wir brauchen Vorbereitungen auch für wieder aufkommende Lieferengpässe und Versorgungsengpässe. Wir brauchen da erweiterte Notfallparagrafen und andere Regelungen, die diesen Wust und diese Flut an bürokratischen Auflagen und Dokumentationspflichten und Abgabebestimmungen dort aufheben, wo es zwingend notwendig ist, um die Versorgung sicherzustellen, damit die Menschen ihre lebensnotwendigen und gesundheitsschützenden Arzneimittel auch tatsächlich bekommen. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)
10.31
Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Silvan. Eingestellte Redezeit: 4 Minuten.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 52 Abs. 2 GOG-NR autorisiert.