RN/120

17.42

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Vor allem herzlich willkommen im Parlament, liebe 4a der Mittelschule NMS 2 aus Schwanenstadt! (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Diese Debatte, die wir hier gerade führen, ist eine Debatte über das falsche Thema. (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Ach so?) Wieder einmal hat die ÖVP – mit Unterstützung von NEOS und der SPÖ – Probleme erkannt, ja, zweifellos Probleme erkannt, aber sie geht die Lösungen nicht an, sondern diskutiert in der Zwischenzeit über ein vollkommen anderes Thema. (Abg. Steiner [FPÖ]: Die Lösung ist Remigration! – Rufe bei den Grünen: Geh bitte! – Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen.) – Ihr (in Richtung FPÖ) könnt gerne diese Debatte führen – hier jetzt nicht.

Diese Probleme, die wir haben, die im Schulsystem zutage treten, die man tagtäglich in vielen Schulen in Österreich sieht, mit denen Lehrerinnen und Lehrer kämpfen, die Schülerinnen und Schüler, die Probleme haben, die Eltern, die Angst haben und befürchten müssen, dass ihre Kinder in der Schule nicht das lernen, was sie für einen guten Lebensweg brauchen, was sie für einen guten Einstieg in die Arbeit brauchen: Diese Probleme löst man nicht, indem man über Familienzusammenführung diskutiert. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Richtig! Rückführung!)

Das ist nämlich nicht das Problem, sondern das Problem ist, dass da – und nennen wir es beim Namen, es geht insbesondere um ein Problem in Wien (Abg. Shetty [NEOS]: Das stimmt doch nicht!) – über viele, viele Jahre zu wenig getan wurde. (Ruf bei der FPÖ: Ganz Österreich! – Abg. Shetty [NEOS]: Schau mal nach Linz, nach Wels, nach Innsbruck und nach Graz!) Jetzt ist das Thema das, und deshalb macht ihr bei dieser Scheindiskussion auch so gerne mit, denn ihr wisst ganz genau, dass ihr für den größten Teil verantwortlich seid, der hier als Argumentarium vorgeschoben wird, um diesen (Ruf bei der FPÖ: Populismus!) Populismus – ja, danke (Heiterkeit bei der FPÖ – Abg. Kickl [FPÖ]: Das passt immer!), ich könnte es fast nicht besser benennen –, um diesen Move der ÖVP irgendwie rechtfertigen zu können. (Abg. Shetty [NEOS]: Ihr seid genau das andere Extrem von denen da drüben! Wegen euch sind die so groß!)

Euch ist gar nicht unrecht, dass wir diese Debatte nicht über die tatsächlichen Probleme führen, sondern dass wir diese Debatte über das aufgebaute, aufgebauschte Problem führen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schnabel [ÖVP]: Das ist nicht aufgebauscht!)

Was ist es denn? – Ihr behauptet allen Ernstes, es gäbe in Österreich einen Notstand – das behauptet ihr (Abg. Wurm [FPÖ]: Na logisch! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ) –, denn ansonsten würde ja euer ganzes Konstrukt zusammenfallen. Ja und was macht ihr gegen diesen Notstand? Was tut ihr? (Abg. Wurm [FPÖ]: Remigration!) – Die erste Maßnahme ist, die Familienzusammenführung zu stoppen. (Abg. Schnabel [ÖVP]: Nachlesen im Regierungsprogramm!) Ich habe noch nichts gehört, wie sich irgendwie im Bildungssystem etwas ändern soll. Ihr habt in Wien fünf Jahre die Verantwortung gehabt, und es ist schlimmer und schlimmer geworden. Jetzt habt ihr sie im Bund, und es wird nichts getan. (Abg. Shetty [NEOS]: Hast du das Regierungsprogramm schon mal gelesen?) Es ist noch nichts gesagt worden von wegen: Das und das und das sind die Maßnahmen, die wir im Bildungssystem sofort umsetzen können! – Ja, super, das Handyverbot wird uns ganz viel bringen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Schnabel [ÖVP]: ... vom Minister Wiederkehr ...!)

Nicht nur, dass das, was ihr da macht, das Problem nicht löst – kein einziges dieser Probleme wird es lösen –, sondern es ist auch noch ein verfassungsrechtlicher Salto rückwärts, den ich gerade von euch nicht erwartet hätte und den auch die Menschen in Österreich von euch nicht erwarten würden. Ihr habt euch hier immer als die Verfechter und die Beschützer des Rechtsstaates hingestellt. Ihr habt euch über Dinge beschwert, über Dinge aufgeregt und habt euch dargestellt, als würdet ihr das immer viel, viel besser machen. Und jetzt macht ihr bei so etwas mit! (Ruf bei den Grünen: Enttäuschung!)

Wirklich, ich kann es nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen, dass man eine Regelung macht, von der jeder Experte, jede Expertin sagt, sie wird verfassungsrechtlich nicht halten. (Abg. Shetty [NEOS]: Das stimmt doch nicht! Eure Experten sagen das, im Parlamentsklub vielleicht!) Ihr wisst selbst, dass sie verfassungsrechtlich nicht halten wird. Ihr habt nämlich schon eingerechnet, dass dieses Gesetz bekämpft werden wird und dass auch die darauf basierende Verordnung bekämpft werden wird. Das habt ihr schon einkalkuliert. Ihr habt eine Sunset-Clause gemacht, weil ihr euch denkt: Na ja, dann ist es ja eh schon außer Kraft, irgendwann redet keiner mehr darüber, und dann wird halt etwas aufgehoben, was eh schon nicht mehr gilt! (Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das habt ihr auch immer gemacht!) – Was ist das denn bitte für ein Umgang mit Rechtsstaatlichkeit und Verfassung? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Belakowitsch [FPÖ]: Das hat die ÖVP mit euch auch so gemacht! – Abg. Shetty [NEOS]: Eine Sunset-Clause ... auch nicht schlecht gewesen, Cofag zum Beispiel!)

Die Verfassung ist eine Selbstverpflichtung des Gesetzgebers. Die Grundrechte sind eine Selbstverpflichtung des Gesetzgebers. Darum ist auch der Platz von Niki Scherak jetzt frei, denn der kann da gar nicht zuschauen und zuhören, was ihr da aufführt. (Beifall bei den Grünen. – Unruhe im Saal. – Präsident Haubner gibt das Glockenzeichen.)

Präsident Peter Haubner: Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (fortsetzend): Ich würde euch bitten: Überlegt euch noch mal sehr, sehr genau, ob ihr bei dieser Erosion unseres Rechtsstaates wirklich federführend mit dabei sein wollt! (Beifall bei den Grünen.)

17.47