RN/6

Anfrage 8/M

Abgeordneter Reinhold Binder (SPÖ): Geschätzter Herr Bundeskanzler! Österreich befindet sich in einer wirtschaftlich angespannten Lage, besonders betroffen sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie, in der Produktion, im Handwerk. Viele Betriebe sind unter Druck, Investitionen bleiben aus, Arbeitsplätze sind in Gefahr. Industriell geprägte Regionen kämpfen mit Strukturproblemen und Standortunsicherheit. Die Transformation durch Digitalisierung, der Klimawandel und die internationale Konkurrenz verschärfen die Lage zusätzlich. Es gilt, Arbeitsplätze zu sichern, wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen und den Standort zu stärken.

Zu meiner Frage:

„Welche unmittelbaren Schritte setzt die Bundesregierung insbesondere im Bereich Konjunktur, Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt, um ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern?“

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, vielen Dank, Sie haben das jetzt auch sehr gut zusammengefasst, weil sichtbar ist, dass Wirtschaftsstandort, Investitionstätigkeit und Arbeitsmarkt zusammengehören und daher auch zusammen zu betrachten sind. Das heißt, wenn wir für den Wirtschaftsstandort, für die Wettbewerbsfähigkeit etwas tun, machen wir auch etwas für die Arbeitsplätze und für den Arbeitsmarkt. 

Und umgekehrt ist es so: Wenn wir Mittel in den Arbeitsmarkt für die Ausbildung der Fachkräfte durch Weiterbildung investieren, machen wir auch etwas für die Wirtschaft. Dieses gemeinsame Ineinandergreifen wird vor allem in Zukunft wichtig sein und wir haben als Bundesregierung zum einen den Wirtschaftsstandort im Blick – dazu habe ich schon ausgeführt, was in Planung oder auch in Umsetzung ist –, aber natürlich werden wir auch schon heuer Mittel für das AMS zur Verfügung stellen, damit einerseits die Entwicklungen am Arbeitsmarkt – soweit Aufschulungen notwendig sind, Vermittlungsmöglichkeiten gefunden werden sollen – besser gegeben sind, und andererseits werden wir auch den Fokus auf die Ausbildung legen, sodass in Österreich gut ausgebildete Fachkräfte grundsätzlich vermehrt zur Verfügung stehen, weil es darum geht, mehr Menschen in den Arbeitsprozess zu bringen und damit für die Wirtschaft auch die notwendigen Fachkräfte zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Eine Zusatzfrage?

RN/6.1

Abgeordneter Reinhold Binder (SPÖ): Zur Zusatzfrage: Natürlich sorgen die Industrie und die Betriebe gemeinsam mit den Arbeitnehmern auch dafür, dass die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land gut ausgestattet und in die Zukunft gerichtet sind.

Zu meiner Frage: Welche Vorkehrungen sollen im Rahmen der industriepolitischen Strategie getroffen werden, um sicherzustellen, dass auch in den Zukunftsbranchen, in den Technologien der Zukunft, insbesondere in der Industrie und im Handwerk, die Arbeitsplätze in Österreich in fünf bis zehn Jahren gehalten und ausgebaut werden können?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Herr Bundeskanzler.

Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Herr Abgeordneter! Diese Frage ist eine, die durch die Industriestrategie dann auch beantwortet werden wird. Das Ziel dieser Industriestrategie ist, die Stärken, die Österreich auch industriell hat, weiter auszubauen und dort, wo wir sehen, dass wir nachbessern müssen, die Möglichkeiten zu schaffen, nachbessern zu können, denn es geht um Zukunftsbranchen. Ich habe eine genannt: In der Umwelttechnologie ist Österreich in vielen Teilen führend, das ist etwas, das wir in die Welt exportieren können, und damit können wir einen viel größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten, als es nur im Inland möglich wäre. 

Zum anderen geht es darum, die Chancen der Digitalisierung zu sehen. Das heißt, das ist nicht nur eine Bedrohung, sondern das ist vor allem eine Chance, eine Chance auch für unsere Jugend. Ich denke dabei an den gesamten Bereich der künstlichen Intelligenz. Das heißt, das in eine Gesamtstrategie hineinzunehmen und für die Industrie in Österreich abzurunden, wird das Ziel der Strategieentwicklung sein. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Erste Zusatzfrage: Abgeordneter Ragger.

RN/6.2

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Schönen guten Morgen! Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Ich darf mit ein paar Zahlen einbegleiten. Sie als gelernter Jurist und Rechtsanwalt werden mir dann auch beipflichten können, dass wir in der weiteren Entwicklung dringenden Handlungsbedarf am Wirtschaftsstandort Österreich haben. 

Ich darf Zahlen aus dem Wifo nennen und weitergeben. Unsere Lohnstückkosten gehören zu den höchsten. Österreich im Vergleich zur Eurozone: Sowohl Italien als auch Deutschland und Großbritannien liegen weit hinter uns. Wir haben im letzten Jahr 4 Prozent Rückgang gehabt, heuer ist es noch viel schlimmer. Die Industrieproduktion geht um 9 Prozent zurück, war gestern die erschreckende Mitteilung der Industriellenvereinigung, und unsere Exporte brechen mit derzeit minus 3 Prozent ein.

Meine Fragestellung ist: Alle diese Indikatoren fußen natürlich auf einer Grundlage, nämlich dem Standort, und betreffend die Standortpolitik heißt es natürlich auch für die Regierung, diese zu ermöglichen und zu erleichtern. Daher ist auch meine Frage, was Sie betreffend den Produktionsstandort im Sinne der Deregulierung, der schnelleren Genehmigungsverfahren und in weiterer Folge auch der Fit-und-proper-Entwicklung in Europa unternehmen werden.

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundeskanzler. 

Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Herr Abgeordneter, Sie haben es angesprochen: Wir haben in der wirtschaftlichen Entwicklung tatsächlich viele Anzeichen, die uns zu großer Sorge Anlass geben, vor allem im Bereich der Industrie. Es ist nicht alles im wirtschaftlichen Bereich so aufgestellt wie die Industrie, dort haben wir ein wirkliches Problem. Es gibt andere Branchen, in denen es Gott sei Dank nicht so ist, aber insgesamt wirkt sich natürlich diese industrielle Thematik auf die gesamte Konjunktur sehr negativ aus. Daher haben wir ja die Industriestrategie als eine der ersten Maßnahmen auf den Weg gebracht. Es wird Anfang Sommer, also noch vor dem Sommer, einen Zwischenbericht dazu geben. 

Ich glaube aber, dass es in dieser Industriestrategie, die ja auch europäisch gedacht wird, wie es notwendig ist, weil wir ja sehr exportorientiert sind – wir brauchen ja auch die Märkte in Europa –, notwendig sein wird, die Energiekosten als ein wirkliches Thema – nicht nur die Arbeitskosten, auch die Energiekosten – im Blick zu haben. Bei den Arbeitskosten haben Sie recht, aber ich sage ehrlich und offen: Wir werden nie ein Billiglohnland werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das heißt, es wird auch darum gehen, dass wir für diese Lohnkosten, die es gibt, bestqualifizierte Arbeitnehmer zur Verfügung stellen, weil diese dann mit dem, was an Wertschöpfung geschaffen wird, auch bezahlt werden können.

Letztlich geht es auch darum, dass wir mit diesem Bürokratieabbauthema den Betrieben und auch der Industrie eine wirkliche Erleichterung verschaffen. Da ist das Lieferkettengesetz ein Thema, sage ich ganz offen, viele andere Maßnahmen auch, und es wird auch die Aufgabe Österreichs in der Europäischen Union sein, sich dafür einzusetzen, dass es nationale Erleichterungen für unsere Industriebetriebe gibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Zusatzfrage: Frau Abgeordnete Gmeinbauer.

RN/6.3

Abgeordnete Daniela Gmeinbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Bundeskanzler! Österreich war im europäischen Wettbewerb als Industriestandort im Ranking immer ganz vorne dabei. Da hat uns natürlich auch der Fachkräftemangel ein bisschen eingebremst.

Daher meine Frage: Welche Maßnahmen plant die österreichische Bundesregierung, um die Attraktivität Österreichs konkret als Industriestandort wieder aufzubauen und auszubauen?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundeskanzler. 

Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Vielen Dank. – Die Beantwortung wäre jetzt de facto eine Wiederholung von dem, was ich soeben gesagt habe, aber ich kann es insofern ergänzen: Wir haben, obwohl wir am Arbeitsmarkt natürlich eine Entwicklung sehen, dass die Arbeitslosigkeit moderat gestiegen ist, immer noch eine große Nachfrage an Arbeitskräften. Das heißt, es wird auch für die Industrie und für den Standort notwendig sein, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, und auch diesem Thema widmen wir uns schon heuer. Ich habe es vorhin erwähnt: Es werden trotz der angespannten budgetären Situation Mittel für den Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden, damit wir das Arbeitskräfteangebot erweitern können. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Gmeinbauer [ÖVP]: Danke schön!)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Koza. 

RN/6.4

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Gerade die Kürzungen im Bereich der Klimaförderungen haben in Unternehmungen, die in dieser Branche tätig sind, zu großer Unsicherheit geführt, wie es weitergehen soll, ob sie weiter ihre Angestellten beschäftigen können, wie es in Zukunft wirtschaftlich weitergehen wird.

Darum die Frage an Sie: Was werden Sie tun, um sicherzustellen, dass es bei den grünen Zukunftsbranchen wieder Planungssicherheit statt Unsicherheit gibt, und was werden Sie tun, um den Beschäftigten dort die Sorgen zu nehmen, dass künftig ihre Jobs nicht mehr sicher sind?

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Bitte, Herr Bundeskanzler. 

Bundeskanzler Dr. Christian Stocker: Herr Abgeordneter! Mein Zugang ist, dass wir einerseits die Förderungen ja nicht auf null reduzieren werden, sondern auf ein Niveau reduzieren werden, wie es auch in der Vergangenheit schon gegeben war, und auch damals haben die Unternehmungen und die entsprechenden Sparten im Wirtschaftsbereich mit diesen Förderungen das Auslangen gefunden. Ich glaube, dass der Zugang nicht immer der sein kann, die Effekte mit einer Förderung zu erzielen – das ist nur ein Teil. 

Der zweite Teil – und das ist das, worauf wir schon setzen – ist Innovation, Technologie, auf dem Markt etwas zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, mit dem man wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Ich habe selber bei meinen Bundesländerbesuchen gesehen: Wir haben Betriebe, die da vorbildlich sind. Da geht es gar nicht nur um Direktförderungen, da kommen wir wieder zu den Themen Bürokratieabbau, Fachkräfteausbildung und Ähnliches. 

Die Förderschiene ist also das eine, die wird es weiter geben, aber wir werden auch alle anderen Themen, die da notwendig sind, alle anderen Kriterien, die da maßgeblich sind, im Auge haben, damit sich im Ergebnis die Branche weiter gut entwickeln kann. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Oberhofer [NEOS].)

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage, 7/M, das ist jene des Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.