RN/18

10.38

Abgeordnete Sigrid Maurer, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Eine Entpolitisierung oder besser eine Entparteipolitisierung der Gremien des ORF ist längst überfällig, um die Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks zu stärken. Über Jahrzehnte haben sich ÖVP, SPÖ und genauso auch die Freiheitliche Partei mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, auch nur einen Millimeter ihres politischen Einflusses im ORF abzugeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Bestellung und die Zusammensetzung der ORF-Gremien als verfassungswidrig aufgehoben und eine Reparatur des Gesetzes aufgetragen. Was die Regierung aber in allerallerletzter Sekunde vorgelegt hat, ist eine absolute Minimallösung ohne echte Reformen. (Beifall bei den Grünen.)

Das ist nichts anderes, als wenn man komplett unvorbereitet zur Schularbeit geht und gerade noch das, was auf dem Schwindelzettel steht, in die Schularbeit schreibt, in der Hoffnung, dass es gerade noch für einen Vierer reicht. Das ist dieser Vorschlag. (Abg. Scherak [NEOS]: Reicht auch für einen Einser manchmal!)

Schauen wir uns an, was dieser Gesetzentwurf bedeutet! – Also Herr Seltenheim, ich muss mir das Lachen ja wirklich sehr verkneifen. Das können Sie doch selber nicht glauben, was Sie hier behaupten! Der politische Einfluss der Bundesregierung wird absolut nicht zurückgedrängt. Er wird einfach nur vom Stiftungsrat in Richtung Publikumsrat verlagert, und wenn man sich jetzt hierherstellt und sagt: Das Publikum bekommt mehr Einfluss! – Entschuldigung Leute, das ist komplett lachhaft! (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Nemeth [FPÖ].)

Ihr schreibt in dieses Gesetz einen komplizierten Prozess hinein, der ausschließlich dazu dient, die Nominierung im Publikumsrat so zu verschleiern und so zu stückeln, dass man garantieren kann, dass zum Schluss wieder genauso viele politische Einflussnehmer:innen im Stiftungsrat des ORF herauskommen. Die Beispiele sind bekannt – wenn dann für die Repräsentation im Bildungsbereich eine politiknahe Person aus einem steirischen Begabtenverein nominiert wird. So ist es in der Vergangenheit gewesen und so werden wir es auch in Zukunft wieder beobachten können. (Abg. Brandstötter [NEOS]: Da weiß jemand, wovon er spricht!) Mehrere Medien haben ja schon die neuen Mehrheitsverhältnisse im ORF ausgerechnet, die genau darauf basieren, und ich wette viel darauf, dass die Verteilung der Publikumsräte im Stiftungsrat 4 : 4 : 1 sein wird, so wie sie dann nominiert werden. 

Es ist nämlich jetzt so: Die Regierung nominiert statt neun nur mehr sechs Personen direkt über den Stiftungsrat, und über den Publikumsrat nominiert sie erst recht wieder neun Personen. Damit kann sie über die Hintertür besetzen, und das entspricht in keiner Weise einer Einschränkung des politischen Einflusses, die der Verfassungsgerichtshof eben vorschreibt. Es ist genau das Zurück in die Vergangenheit, um sich zwischen Rot und Schwarz gegenseitig Posten zuzuschanzen, um den politischen Einfluss zu sichern – und die NEOS schauen zu und machen auch noch dabei mit! (Beifall bei den Grünen.)

Ich frage mich, Frau Brandstötter, wo bleibt denn Ihr engagierter Kampf für die Entparteipolitisierung des ORF? Wo ist er denn geblieben? (Abg. Brandstötter [NEOS]: Er kommt in drei Rednern!) – In drei Rednern kommt er, ja! Das ist nämlich auch sehr interessant: Sie hätten jetzt hier die Möglichkeit gehabt, Ihren Einfluss geltend zu machen. Sie beschließen hier ein Gesetz, das Sie vor wenigen Wochen in der Luft zerrissen hätten, und zwar zu Recht! (Beifall bei den Grünen.) 

Also: Der Stiftungsrat bleibt groß, viel zu groß. Er kann nicht weiter effektiv arbeiten. Wichtige Reformen fehlen. In fast allen Gesetzen haben wir mittlerweile Geschlechterparität – Fehlanzeige; bei einer angeblich feministischen Partei, der Sozialdemokratie, äußerst fraglich. Warum? (Beifall bei den Grünen.) Qualifizierte Mehrheitserfordernisse? – Fehlanzeige. Geheime Abstimmungen? – Nada. Keine öffentlichen Hearings vor der Bestellung der Gremienmitglieder (Abg. Schallmeiner [Grüne]: Uiuiuiui!); und dann kommt noch dazu: Die Frist für die Bewerbung und für die Begründung der Auswahl ist mit zwei Wochen viel zu kurz (Zwischenrufe bei den Grünen), und da frage ich schon: Macht man das absichtlich, damit man es möglichst schnell vorbei an der Öffentlichkeit und der öffentlichen Debatte machen kann? – Ich glaube, ja. (Abg. Stögmüller [Grüne]: ... jetzt ... Burgtheater!) Außerdem wird das noch dazu für die Erstausschreibung auf eine Woche beschränkt. Das ist ja geradezu keck; und wenn man so hört, was Kollege Lederer, der wohl Vorsitzender des Stiftungsrates werden wird, jetzt schon so alles plant, dann frage ich mich auch, was hier los ist. Es ist ganz klar ein Zurück zum alten Postenschacher, ein Zurück in die Vergangenheit. (Beifall bei den Grünen.)

Wir werden sehr genau darauf achten, wie die angeblichen weiteren Reformen kommen. Wir haben da schon einen offenen Dissens: Die NEOS behaupten, es kommt eine weitere Gremienreform, die aber der Herr Vizekanzler schon in der „Pressestunde“ abgesagt hat: Es gibt nur diese eine, und eine weitere wird nicht kommen! – Absolut verfehlt. 

Wir werden diesem Gesetz natürlich nicht zustimmen. Wir haben einen eigenen Antrag eingebracht, der eine tatsächliche Reform der ORF-Gremien vorsehen würde.

Eines möchte ich zum Schluss noch zur Art und Weise sagen, wie da mit dem Parlament umgegangen wurde – wir wurden in den vergangenen fünf Jahren absolut zu Recht permanent dafür kritisiert, Vorlagen in Krisensituationen viel zu spät geliefert zu haben –: Diese Vorlage haben wir 1 Stunde und 43 Minuten vor Beginn der Ausschusssitzung bekommen. – Das ist kein Umgang mit dem Parlament! (Beifall bei den Grünen.) 

Wir haben eine 24-Stunden-Frist. Wir beschließen hier ein Gesetz ohne Begutachtung, und es wird auf diese Art und Weise durchs Parlament gepeitscht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man möchte, dass genau diese Debatte über die Entparteipolitisierung möglichst nicht geführt wird (Zwischenruf des Abg. Oxonitsch [SPÖ]), weil Sie nämlich wissen: Sie machen es nicht! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

10.44

Präsident Dr. Walter Rosenkranz: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Egger. Eingemeldete Redezeit: 5 Minuten.